Frei Lesen: Der neue Pitaval - Band 15

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Willibald Alexis

Der neue Pitaval - Band 15

Francois Ravaillac

eingestellt: 22.7.2007



Im Mai 1610 war Heinrich IV. endlich in Paris gekrönt worden.

Seine ganze heitere Laune, bemerkt ein Geschichtschreiber, schien durch den Aufwand, den er am Krönungstage davon gemacht, erschöpft zu sein. Am Morgen des 10. Mai sah man den König so traurig, in sich versunken, wie seine Hofleute es nie bemerkt.

Das große Ziel seiner Bestrebungen war doch erreicht; die Furcht schien der Held, der bereits siebzehnmal den Dolchstößen von Meuchelmördern entgangen, verlernt zu haben! Denn siebzehn Mordversuche zählen die Historiker auf; Louis Philipp trug diese siebzehn verfehlten stets im Sinn. So oft man ihn wegen einer neuen Lebensrettung beglückwünschte, erinnerte er daran, daß sein großer Ahnherr erst dem achtzehnten Attentat erlegen war.

Die Historiker rechnen darunter als erste Mordandrohung die Worte, die Karl IX. an Heinrich von Bearn richtete, als er ihn zu sich kommen ließ: Mort ou messe! – Pierre Barrière wollte ihn erdolchen. Verrathen und verkauft vom Italiener Bianchi, dem er sich vertraut, ward er gefangen gesetzt, mit Zangen gekniffen und lebendig am 26. August 1593 verbrannt. Jean Chatel, ein Zögling der Jesuiten, überraschte den Fürsten bei seiner Maitresse Gabrielle und versetzte ihm einen Stoß, der unsicher geführt war. Er ward gekniffen, geviertheilt und am 29. Septbr. 1595 verbrannt. Alle übrigen Attentate, wie das dArgers, Ridicovis, eines mailänder Kapuziners, des Vicars von Saint-Nicolas des Champs und eines gewissen Charles, der sich für einen natürlichen Sohn Karls IX. ausgab, hatten keinen andern Erfolg gehabt, als daß sie die Thäter an den Galgen führten.

Zwar wußte man, daß es der Fanatiker noch immer gab, die nur auf die Gelegenheit warteten, am Leben des Hugonottenkönigs ihren düstern Bigotismus zu kühlen; aber man hatte diesmal weder Anzeichen, noch Heinrich eine Vorahnung, daß ihm ein neuer Mordstahl drohe. Auch schien der Augenblick, wo der König soeben gekrönt worden, wenig geeignet, zu einem neuen Versuche aufzufordern.

Nachdem der Fürst die Messe bei den Feuillants gehört und längere Zeit dort in stillem Gebete verbracht, warf er sich am Nachmittag mehre Male in Thränen auf sein Bett. Er konnte nicht schlafen. Um sich zu zerstreuen, befahl er anspannen zu lassen, um seinen Sully im Arsenal zu besuchen, der, unpäßlich, das Zimmer hüten mußte.

Er fuhr aus in Begleitung der Herzöge von Epernon und Montbazon, des Marschalls von Lavardin, de Roquelaures, de Mirabeaus und seines ersten Stallmeisters Liancourt.

Der Kutscher hatte beim Einsteigen gefragt: wohin er fahren solle? Der König hatte ärgerlich geantwortet: »Schaff mich nur fort von hier.«

Als er aus dem Louvre war, schickte er seine Garde zurück. Auch ließ er an beiden Seiten des Wagens die Vorhänge aufziehen, ein bemerkenswerther Umstand, da, wenn es nicht geschehen, er möglicherweise auch diesmal dem Schicksal entgangen wäre. Heinrich verfiel hier wieder in seine tiefe Träumerei, als plötzlich die Carrosse, die langsam durch die Rue Saint-Honoré fuhr, am Ausgang der Rue de la Ferronnerie, nahe an der Fontaine des Innocents, anhalten mußte, weil sich zwei Wagen, der eine mit Heu, der andere mit Wein beladen, hier verfahren hatten. Die Fußdiener sprangen vom Wagen ab, die einen, um die Passage freizumachen, die anderen, um die Straße Saint-Denis im voraus zu erreichen, indem sie beim Brunnen vorübergingen.

Durch diesen Zufall war der Wagen unbewacht.

Seit dem Morgen dieses Tages hatte Jemand am Thorweg des Louvre gestanden, wie auf etwas wartend. Als die Carrosse durchfuhr, folgte er ihr, bei sich, wie er nachher gestand, ausrufend: »Nun hab ich dich.« Als er sie anhalten sah, drängte er sich eilig durch die Menschenmasse, sprang mit einem Fuße auf eine Speiche des Hinterrades, auf der Seite, wo der König saß, hielt sich mit der linken Hand am Kutschenschlage und versetzte mit der rechten, in welcher er ein zweischneidiges Messer hielt, dem Könige einen Stoß.

Das Messer fuhr durch die zweite und dritte Rippe; der Stoß war tödtlich. Der Mörder führte noch einen zweiten, der aber nur eine leichte Verwundung zur Folge hatte. Wie von einem Mordfieber geschüttelt, stach er, ehe Jemand in der allgemeinen Ueberraschung zuspringen konnte, in einem fort, doch ohne Anderes zu treffen als den Rockärmel des Herzogs von Montbazon, der seinen Arm aufgehoben hatte, um den König zu schützen.

»Ich bin verwundet!« rief Heinrich; es waren seine letzten Worte.

Der Mörder war unbeweglich neben der Carrosse stehen geblieben, ohne das blutige Messer aus der Hand zu werfen. Nach Einigen in dumpfer Erstarrung, nach Andern hätte er triumphirend das Messer in die Höhe gehalten. Man stürzte jetzt auf ihn los; er würde in Stücke auf der Stelle zerrissen worden sein, wenn nicht der Herzog von Epernon ihn geschützt, der seine Arretirung befahl. Man schaffte ihn nach dem Hotel de Retz. Die Bogenschützen, die ihn geleiteten, konnten kaum die Wuth des Volkes zurückhalten.

Der König ward nach dem Louvre zurückgebracht. Die Seigneurs im Wagen sagten zum Volke, er sei nur verwundet, er war aber schon todt oder verschied im Augenblick des Hineinfahrens.

Die ersten Worte, welche der Mörder vorbrachte, als der furchtbare Tumult um ihn her erlaubte zu hören, was er sprach, war die Frage: »Ist der König todt?«

Man erwiderte: es sei ihm gar nichts geschehen.

»Das wundert mich«, rief er aus, »denn ich habe ihm gewiß einen bösen Stoß gegeben.«

Als Einer der Umstehenden ihn fragte, was ihn dazu bewogen, ein so entsetzliches Verbrechen zu verüben, erwiderte er, ohne zu stocken: »Ich würde Dich doch in eine furchtbare Verlegenheit versetzen, wenn ich sagte, Du wärest es.«

Erst bei einbrechendem Dunkel wagte man ihn aus dem Hotel Retz nach der Conciergerie zu bringen. Ihm wäre eine Wohlthat geschehen, wenn das Volk ihn erkannt und zerrissen hätte. Im Thurme von Montgommery empfingen ihn die Präsidenten Jeannin und Boullon, um ihn zuerst zu vernehmen. Er gab folgende Aussage.

»Ich heiße François Ravaillac. Ich bin gebürtig aus Angoulême und jetzt 32 Jahre alt. Ich war niemals verheirathet. Mein Gewerbe ist, daß ich jungen Menschen das Lesen und Schreiben beibringe. Vierzehn Jahre lang beschäftigte ich mich mit dem Betreiben von Processen. Nach Paris kam ich um eines Processes willen, den ich vor längerer Zeit beim Parlamente gewonnen. Es handelte sich um Taxation von Abgaben. Weder ich, noch Jemand von den Meinen hat jemals ein Unrecht vom Könige erlitten. Es war daher weder ein Verlangen nach Rache von meiner Seite, noch Anstiftung von irgend Jemand sonst, sondern lediglich eine Versuchung der Hölle, die mich dahin gebracht hat, ihn zu tödten. Ich bin aber nach Paris mit dem festen Entschluß gekommen, diese That zu verüben. Heute früh zwischen 6 und 7 Uhr verließ ich meine Herberge und ging ganz allein in die Kirche Saint-Benoit, um die Messe zu hören. Dann kehrte ich in meine Wohnung zurück, immerfort von demselben Gedanken erfüllt.«

In den Verhören vom 17. und 19. Mai, vor der dazu ernannten Commission, die aus dem ersten Präsidenten Achille de Harlai, dem Präsidenten Nicolas Potier und den Räthen Jean Courtin und Prosper Bauyn bestand, legte er dann ein vollständiges Bekenntniß ab, dessen bemerkenswertheste Züge folgende sind:

»Ich bin nun jetzt, das letzte Mal, etwa drei Wochen in Paris. Vor Lust und Verlangen, in mein Vaterland zurückzukehren, hatte ich mich schon auf den Weg gemacht; aber kaum war ich in Etanges, als der Wunsch, den König umzubringen, wieder mächtig in mir aufschoß, und da mußte ich umkehren. Ich konnte es in mir nicht ertragen, daß dieser Monarch nicht die Hugonotten zwingen wollte, zur wahren Kirche zurückzukehren, eine Sache, die ich mir so leicht dachte. Aber bevor ich meinen Vorsatz ausführte, wollte ich den König zu sprechen versuchen, um zu sehen, ob ich ihn nicht dahin bringen könnte, daß er es thäte. Zu diesem Zwecke war ich mehrmals im Louvre, aber ich konnte Niemand finden, der mich Sr. Majestät vorstellen wollte....

»Ich habe dem Vater dAubigny, einem Jesuiten, eine Menge von Visionen erzählt, die mich sehr quälten. Ich hatte Empfindungen wie von Feuer, von Schwefel und von Brand. Wenn ich Psalmen sang, glaubte ich auch Kriegstrompeten zu hören; und Nachts, wenn ich das Feuer in meinem Kamin anblies, wars mir doch, als ob aus meinem Athem Hostien zur Communion hervorgingen. Um mich von dieser Geisteskrankheit zu heilen, empfahl mir der gute Pater Aubigny, recht oft den Rosenkranz zu beten und Gott anzuflehen, und dann mich an irgend einen Großen zu wenden, damit ich dem Könige vorgestellt würde.

»Als ich von den Feuillans fortkam, hatte ich große Lust, Jesuit zu werden. Ich wandte mich an den Vater dAubigny, aber umsonst.

»Nach Weihnachten bin ich dem Könige in seiner Carrosse begegnet. Es war in der Nähe der Innocents. Da rief ich ihm zu: »Sire, im Namen unsers Herrn Jesus Christus und im Namen der heiligen Jungfrau Maria, erlaubt mir, daß ich ein Wort zu Eurer Majestät spreche.« Aber man stieß mich mit der Hellebardenstange zurück und ich konnte ihn nicht sprechen. Da nun entschloß ich mich, in mein Vaterland zurückzukehren, und ich führte es aus, und gab auch den Gedanken auf, diesen Fürsten zu tödten. Aber er wachte wieder auf, als ich letzte Pfingsten nach Paris zurückkehrte. Ich ging zu Fuß und ich brauchte acht Tage.

»In der Herberge bei den Quinzevingt, wo man mich nicht aufnehmen wollte, stahl ich das Messer, was mir ganz geeignet schien zu meinem Vorhaben, und in der Scheide trug ichs in meiner Tasche. – Und da gab ich abermals meinen schrecklichen Vorsatz auf und reiste abermals ab.

»Und unterwegs brach ich die Spitze des Messers ab in der Karre, in der ich fuhr. Aber in Etanges packte es mich wieder heftiger als je. Der Gedanke war fürchterlich, daß der König die Hugonotten nicht zwingen wolle, in den Schooß der heiligen Kirche zurückzukehren. Und dazu kam das Gerücht, welches allerwärts erzählt wurde, daß er dem Papst den Krieg machen wolle und den heiligen Stuhl nach Paris verlegen. Da mußte ich zurück und wollte ihm noch einmal begegnen.

»Und nun schliff ich mir wieder an einem Steine eine Spitze an mein Messer und wartete, bis die Königin gekrönt sein würde und zurückgekehrt ins Louvre, um dann meinen Stoß zu thun; denn ich glaubte, daß die Ermordung des Königs dann im Königreiche weniger Verwirrung und Vorurtheil hervorbringen werde....

»Ich begab mich mehrmals nach dem Louvre, um ihn zu erstechen. Am Freitag, wo es denn gelang, lauschte ich zwischen den beiden Thorwegen, und wie ich sah, daß er ausfuhr, folgte ich ihm bis gegenüber den Innocens. Zufällig wars gerade der Ort, wo ich ihn auch das erste Mal traf und wo er mich nicht hören wollte. Da, als die Carrosse anhielt von wegen der andern Wagen, sah ich den König, wie er das Gesicht dem Herzog von Epernon zugewandt hielt, und da gab ich ihm die zwei Stiche in die Seite über das Rad weg.

»Das Messer war oben an der Spitze zweischneidig und der Griff ist von Hirschhorn. Einer der Edelleute zu Pferde hat es mir fortgerissen.

»Ich bin nur dadurch angereizt worden zum Attentat, daß die Truppen doch allgemein sagten, wenn der König, der, was er vorhatte, aller Welt mittheilte, dem Papst den Krieg machen wollte, so würden sie ihm auch da dienen und für ihn sterben. Das hat mich nun in die Versuchung fallen lassen, ihn zu tödten, denn der Papst und Gott sind doch Dasselbe! ( parceque le pape et Dieu sont uns même chose!)

»Als ich in Etanges über diese Reden der Soldaten nachdachte, fühlte ich in mir das Verlangen wieder aufleben, ihm den Tod zu geben. Unter Andern hatte ich auch den Herrn von Saint-Georges sagen hören, daß, wenn der König dem Papste den Krieg erkläre, er ihm gehorchen werde, und daß, wenn Seine Majestät Unrecht thäte, so fiele die Sünde auf ihn zurück.

»Die Karte, die man bei mir gefunden hat, auf der die Wappen von Frankreich stehen mit zwei Löwen, von denen einer einen Schlüssel hält und der andere einen Degen, die habe ich aus Angoulême mitgebracht, mit der Absicht, den König zu tödten. Denn nämlich, als ich in jener Stadt war, bei einem gewissen Béliard, hörte ich sagen, der Nuncius habe dem König erklärt von Seiten Seiner Heiligkeit, daß, wenn er ihn mit Krieg überzöge, würde er ihn excommuniciren. Und der König habe darauf erwidert: »Meine Vorfahren haben sich damit beschäftigt, die souverainen Päpste auf ihrem Throne festzusetzen; wenn mich aber der Papst excommunicirt, so werde ich ihn entthronen.« – Da also entschloß ich mich, diesen Monarchen zu tödten, und darum schrieb ich auf die beiden Löwen diese Worte:

Garde toi de souffrir quon en ta présence, Au nom du Tout-Puissant, la moindre irrévérence.

»Der Herr Erzbischof von Aix und viele andere Personen haben mich gedrängt, daß ich nur gestehen sollte, was mich dazu angetrieben, das Verbrechen zu begehen. Aber ich habe geantwortet, daß es mein Wille ganz allein gewesen. Und meine Antwort ist die Wahrheit. Und alle möglichen Qualen würden mich nicht zwingen, was Anderes zu erklären. Wenns mit Heftigkeit ginge, mich zu zwingen, da habe ich ja schon eine Probe davon, und eine schlimme. Ein Herr von den Hugonotten, der hat aus freien Stücken, als ich Gefangener war im Hotel Retz, mir beinahe die Daumen ausgerissen.«

Die Commissare fragten ihn, wann er in Brüssel gewesen. Er behauptete, nie das Königreich verlassen zu haben, er kenne nicht einmal Brüssel und wisse nicht, wo es liege.

In seiner Schule habe er vierundzwanzig Schüler gehabt, von denen er wol leben gekonnt und allenfalls nach Paris reisen. Vater und Mutter habe er noch; die müßten aber den größten Theil des Jahres hindurch ihr Brot erbetteln. Er, obwol er sein Brot durch seine Schulmeistern hinlänglich gehabt, hätte sich damit nicht genügen lassen, er hätte nur einen Gedanken gehabt, Gott zu rächen, und der gehe allen andern Gedanken vor.

Als die Commissare ihm vorstellten, daß sein Verbrechen eine teufliche Eingebung sei, erwiderte er:

»Es ist eine Versuchung, die dem Menschen kommt, um seiner Sünden halb. Ich bin auch betrübt, daß ich mich habe gehen lassen. Aber da es nun einmal geschehen ist, so habe ich das Vertrauen auf Gott, daß er mir die Gnade der Ausdauer gewähren wird bis zu meinem Tode in Glaube, Liebe, Hoffnung. Sein Leiden hat weit mehr Kraft, um mich zu retten, als das Verbrechen, das ich beging, Kraft hat, mich zu verdammen.«

Dann fuhr er fort:

»Ich habe mein Vorhaben Niemandem zu entdecken gewagt, weder an Pfarrer noch andere Priester, weil ich versichert war, daß sie mich würden haben arretiren lassen und der Justiz ausliefern, aus dem Grunde, weil, wenn es sich um Staatsangelegenheiten handelt, sie niemals das Geheimniß bewahren von wegen der Verpflichtung, die ihnen obliegt, es zu enthüllen....

»Aus Furcht, daß man mich könne zu Tode führen wegen der bloßen Absicht schon, enthielt ich mich in der Beichte, gegen wen es auch sei, darüber zu sprechen. Und ich bitte Gott deshalb um Verzeihung.

»Blos im Allgemeinen bat ich einen Franciscanermönch, mir doch zu sagen, ob, wenn ein Mensch sich gedrungen fühle, einen König zu tödten, und er beichtete es, der Priester verpflichtet wäre, es anzugeben? Aber er sprach sich nicht darüber aus, denn wir wurden da von andern Mönchen unterbrochen. Endlich habe ich zu Niemand anderm darüber gesprochen, und sie sprachen natürlich auch zu mir nicht darüber.

»Wenn Jemand, sei es ein Franzos oder ein Fremder, mich aufgefordert hätte, darüber zu sprechen (beichten?), da wäre ich doch auch nicht so von Gott verlassen, um lieber sterben zu wollen, als es vom Herzen zu thun. Denn ich glaube, dann wäre kein Paradies für mich. Mein Verbrechen wäre dann ein doppeltes, da ich ja Ursach wäre, daß der König, und vor allem die Königin, das ganze Haus Frankreich, der Hof, der Adel, das Volk, sie Alle erregten den göttlichen Zorn, weil sie einen ungerechten Argwohn schöpfen würden bald auf diesen, bald auf jenen Unterthan Seiner Majestät (?). Daher wurde es mir schwer, zu glauben, daß es so schlecht berathene Menschen gäbe, die an Anderes denken könnten, als treu ihrem Fürsten zu dienen.

»Weder Franzos noch Fremder hat mir irgend einen Wink gegeben. Ich habe mich auch gegen Niemand ausgelassen. Ich wäre ja der jämmerlichste aller Menschen, wenn ich mich dazu hätte bestimmen lassen durch was Anderes es sei, als was ich so oft erklärt habe. Das ist die Ueberzeugung, in der ich war, daß der König dem Papst den Krieg machen wolle. Wenn ich nur den Monarchen gesprochen hätte, vielleicht daß dann die Versuchung gewichen wäre; aber der Teufel hat von meiner Schwäche Vortheil gezogen, und da bin ich gefallen.«

Im Verhör vom 19. blieb er in allem bei seinen vorigen Aussagen und setzte nur Folgendes hinzu:

»Ich bitte von ganzem Herzen den König, die Königin, den Hof und Frankreich glauben zu wollen, daß ich mein Gewissen von dem Fehler rein fühle, den sie begehen, indem sie sich überreden wollen, ich sei durch irgend einen Einfluß von außen angetrieben gewesen. Ich habe ja immer gesagt, daß die Absicht in mir selbst geboren ist und in mir gewachsen. Ich flehe sie an, daß sie aufhören, den Irrthum weiter zu nähren, in dem sie sich befinden, daß ich nämlich andere Complicen hätte als mich selbst.

»Wäre ich durch Geld oder andere menschliche Rücksichten verführt worden, so hätte ich doch nicht dreimal die Reise von Angoulême nach Paris gemacht, Städte, die ungefähr hundert Lieues voneinander entfernt sind, und allein um den König zu ermahnen, daß er die Hugonotten in den Schooß der katholischen Kirche zurückführe, eine Sekte, die dem Willen Gottes strict entgegen ist und auch der heiligen Kirche. Denn wer sich unglücklicherweise vom Geiz bestechen läßt, um seinen Fürsten zu ermorden, der denkt nicht an die Zukunft.

»Ich war drei- oder viermal im Louvre. Ich rufe darüber Herrn de la Force, den Capitain der königlichen Garden, als Zeugen auf, den ich inständigst ersucht, mich dem Könige vorzustellen. Aber er schlug es mir immer ab, er hielt mich immer hin, wie einen Ultrapapisten....

»Meine Absicht war da, mit dem Könige zu sprechen und ihm meine Versuchung zu erklären, um gänzlich darauf zu verzichten. Ich bekenne, daß ich mich gedrängt fühlte, ihn zu tödten, durch eine innere freiwillige, ganz besondere Bewegung, entgegen dem Willen Gottes, dem Vater alles Guten und der Wahrheit. Ich erkenne, daß ich dieser Versuchung nicht widerstehen konnte, weil es nicht im Willen des Menschen liegt, das Uebel zu überwinden.

»Da ich nun die ganze volle Wahrheit erklärt habe, und ohne irgend einen Rückhalt, so hoffe ich, daß Gott der Allgütige und Allbarmherzige mir gnädig sein wird wegen meiner Sünden, weil er weit stärker und kräftiger ist, um eine Übertretung auszulöschen mittels der Beichte und der Absolution durch Priestermund, als die Menschen der Macht sind, ihn zu beleidigen.«

Hier fing Ravaillac bitter zu weinen an, und während des heftigsten Thränenergusses flehte er die Jungfrau und alle Heiligen an, für ihn bei Gott sich zu verwenden.

»Ich hoffe«, sagte er, »auch auf meinen Antheil an den Verdiensten unsers Herrn Jesu Christ. Ich flehe ihn demüthigst an, mich Denen zuzugesellen, die theilhaft wurden der Schätze, die er in die apostolische Macht eingoß, als er sprach: tu es Petrus.

»Ich communicirte am ersten Sonntag der Fastwoche; aber ich communicirte nicht am Pfingsttage, wo ich aus Angoulême abreiste. Statt dessen ließ ich eine Messe lesen in der Kirche Saint-Paul, meiner Parochie, da ich mich selbst für unwürdig hielt, mich diesem erhabenen Sacrament voller Mysterien und unbegreiflicher Tugenden zu nähern. Denn die Versuchung, den König zu tödten, war damals größer als je.«

Man fragte ihn, welche Andacht er denn da beim Meßopfer gehabt haben könne, da er die Absicht gehabt, ein so gräßliches Verbrechen zu begehen? – Er starrte einige Augenblicke vor sich hin, schien verwirrt und sagte dann:

»Die Liebe für das heilige Opfer am Altar hat mich dazu bewogen. Meine Mutter communicirte bei der Messe, die ich lesen ließ, und ich hoffte, daß ich an ihrer Communion theilnehmen könne.«

Ein neuer Thränenstrom. Dann fuhr er so fort:

»Ich bat damals Gott, und ich höre nicht auf, ihn anzuflehen, daß ich bis zu meinem Tode der Vergunst theilhaftig werde, mit den Frommen zu communiciren, die im Glauben der heiligen Mutterkirche das Abendmahl empfangen und den kostbaren Leib unsers Erlösers. Ich bitte, daß, wenn sie von seinem Leibe essen, auch mir davon zukomme, da ich ein Mitglied von ihnen bin in dem einen Jesus Christus.«

Auf seiner Brust hatte man ein Herz von Baumwolle gefunden und ein Papier, worauf der Name Jesus geschrieben war; auch einen Rosenkranz, den ihm ein Canonicus von Angoulême geschenkt. Als er das Protocoll über sein Verhör unterzeichnete, schrieb er folgende Verse unter seinen Namen:

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