Frei Lesen: Geschichten aus dem Neuen Pitaval - 3

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Das verratene Beichtgeheimnis | Das verratene Beichtgeheimnis | Der Schwarzmüller | Der Patriot von Montason | Der Pfarrer Riembauer | Eine Walpurgisnacht in Finnland | Johanna Winter | Hans Kohlhase und die Minckwitzsche Fehde | Das letzte Bekenntnis des Mörders John Lechler | Dorothea Götterich |

Weitere Werke von Willibald Alexis

Der falsche Woldemar | Der neue Pitaval - Band 15 | Der Werwolf | Der neue Pitaval - Neue Serie, Band 4 | Isegrimm |

Alle Werke von Willibald Alexis
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Geschichten aus dem Neuen Pitaval - 3) ausdrucken 'Geschichten aus dem Neuen Pitaval - 3' als PDF herunterladen

Willibald Alexis

Geschichten aus dem Neuen Pitaval - 3

Hans Kohlhase und die Minckwitzsche Fehde

eingestellt: 7.8.2007



In der Zeit, in der sich unsere Geschichte abspielt, dehnte sich das Kurfürstentum Sachsen bis tief hinein in die heutige Provinz Brandenburg aus; einzelne Spitzen und Exklaven näherten sich bis auf wenige Wegstunden den Toren der Städte Potsdam und Brandenburg; Beelitz und Treuenbrietzen waren brandenburgische Grenzstädte. Von Berlin aus zog sich die große Heerstraße über Potsdam, Treuenbrietzen, Wittenberg, Düben nach Leipzig, dem schon damals weitberühmten und vielbesuchten Handels- und Meßplatze.

Man darf aber nicht an die Kunststraßen der heutigen Tage denken, die zum großen Teil erst dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts ihre Entstehung verdanken. Sie waren nur oberflächlich angelegt; einen Unterbau gab es nicht, und von Ausbesserungsarbeiten war nur selten etwas wahrzunehmen. Jeder mochte sehen, wie er auf solchen Straßen, die streckenweise tiefeingeschnittene Hohlwege bildeten, bei schlechtem Wetter grundlos verschlammt, bei gutem mit hohem Staub bedeckt waren, fortkommen konnte. Mit besonderen Schwierigkeiten war natürlich der Gütertransport verbunden. Der mit vier oder sechs Gäulen bespannte Lastwagen vermochte täglich nur eine kurze Strecke zurückzulegen. Monatelang lag ein solcher Gütertransport oft auf der Landstraße, und der Kaufmann konnte von Glück reden, wenn die Waren unversehrt den Ort ihrer Bestimmung erreichten. Abgesehen von den Zöllen und Abgaben, die von den Herren, durch deren Gebiet sie kamen, in Anspruch genommen und oft genug gewaltsam erpreßt wurden, lauerten in den Wäldern nicht selten Schnapphähne adeliger und bürgerlicher Herkunft dem Transport auf, um ihn nach der Überwältigung der Führer und Knechte als gute Beute fortzuführen. Reisende aller Art, auch die Kaufleute, machten ihre Reisen bis an die Zähne bewaffnet und zum großen Teil zu Pferde.

Zwischen Düben und Delitzsch an der Landstraße lag und liegt heute noch ein Dorf Wellauna, auf dem der Junker Günther von Zaschwitz als Erb-, Lehns- und Gerichtsherr saß. Vor dem Kruge dieses Ortes hielt am 1. Oktober 1532 gegen Abend ein Reisender zu Pferd, der einen Trunk begehrte und dann seine Reise trotz einbrechender Nacht fortsetzen wollte. Es war ein Mann in den dreißiger Jahren, von gedrungener Gestalt, in der Kleidung vielleicht etwas unansehnlich, aber wohlbewaffnet. Er ritt einen edlen Rappen mit reicher Zäumung, aus dessen Halftern ein Faustrohr mit dem Kolben hervorschaute, und führte außerdem einen Rotschimmel, auf dem der Futtersack lag, neben sich her an der Leine.

Im Kruge saßen die Bauern beim Abendtrunk. Sie traten neugierig heraus und fragten den Reiter nach Namen, Herkunft und Ziel der Reise; denn der Fremde hatte nicht nur ihre Neugier, sondern noch mehr ihren Verdacht erregt, zumal da er nicht im Orte Herberge nehmen, sondern in der Nacht, die keines ehrlichen Menschen Freund ist, weiterreiten wollte. Hans Kohlhase, denn der war der fremde Reiter, war ein Mann von trotziger Art. Er antwortete kurz: »Was gehts euch an?« Die Bauern beriefen sich auf ihres Junkers Befehl, jeden anzuhalten, der ihnen verdächtig erscheine, und verlangten besonders darüber Auskunft, woher Kohlhase die Pferde habe, denn deren Besitz erschien ihnen verdächtig. Ein Wort gab das andere, und zuletzt beschuldigten sie den Reisenden geradezu des Diebstahls an den Rossen. Das war für Kohlhase zu viel. Wütend schwang er sich vom Pferd herunter, zerbleute dem Bauer, der ihm diesen Vorwurf ins Gesicht geschleudert hatte, mit seinen Fäusten den Kopf, zog dann den Dolch und stürzte auf die Rotte ein, aber er mußte der Übermacht weichen, die Bauern bemächtigten sich seiner Pferde, führten sie im Triumph in den Stall des Dorfrichters, und er sah sich, um schweren Mißhandlungen und der Gefangenschaft zu entgehen, genötigt, zu Fuß die Flucht zu ergreifen.

Hans Kohlhase war ein wohlbeleumundeter, ziemlich begüteter, seinem Kurfürsten in Ehren bekannter Kaufmann aus dem Orte Kölln an der Spree, der schon vor vielen Jahren völlig in Berlin aufgegangen ist. Er handelte mit Honig, Speck und Heringen und hatte diese Meßgüter unter sicherem Geleit voraus nach Leipzig gehen lassen, wo er die Messe besuchen wollte. Er selbst war allein nachgereist, um unterwegs noch hier und da Geschäfte zu machen, namentlich Forderungen einzuziehen. Er war ein heller Kopf, bewandert und schlagfertig in Rede und Schrift, einige Kenntnis der lateinischen Sprache gab ihm sogar einen Anstrich von Gelehrsamkeit, so daß er zu den Gebildeten seiner Zeit zählen konnte.

Er eilte zu Fuß nach Leipzig. Sei es nun, daß er infolge der Fußreise dort zu spät ankam, sei es, daß andere Ursachen daran schuld waren, genug, er machte schlechte Geschäfte, mußte seine Waren um jeden Preis losschlagen und kehrte gegen Mitte Oktober nach Wellauna zurück, versehen mit einem Schreiben von einem gewissen Hans Blumentrost zu Leipzig, in dem er als frommer, ehrlicher Kaufmann von gutem Handel und Gerücht an den sächsischen Landvogt empfohlen wurde mit der Bitte, dem gekränkten, mit Stock und Banden bedrohten Manne Recht zu verschaffen.

Der Junker von Zaschwitz konnte die Auslieferung der weggenommenen Pferde nicht weigern, stellte aber die Bedingung, daß Kohlhase das Futtergeld für sie im Betrage von fünf bis sechs Groschen an seinen Dorfrichter erstatten solle. Dieses Ansinnen wies Kohlhase mit Entschiedenheit zurück. Er verlangte, daß ihm die gewaltsam und unrechtmäßigerweise abgenommenen Gäule kostenfrei zurückgegeben würden, und begab sich, als ihm das nicht gewährt wurde, unter Zurücklassung der Pferde in hohem Grade aufgebracht in seine Heimat.

Ein Unglück kommt aber selten allein. Seine Vermögensverhältnisse waren zerrüttet, er vermochte seinen Verbindlichkeiten nicht nachzukommen, sein Kredit war erschüttert, und infolgedessen sah er sich genötigt, den drängenden Gläubigern seine gesamte Habe abzutreten. Daß an diesem Unglück die Vorfälle in Wellauna einige Schuld trugen, ist wohl kaum zu bezweifeln, jedenfalls sah Kohlhase den Junker von Zaschwitz sogar als die alleinige Quelle seines Unfalls an und warf auf diesen seinen ganzen Haß. Er wandte sich mit einer Beschwerde zunächst an seinen Landesherrn, den Kurfürsten Joachim I. (genannt Nestor) von Brandenburg, und durch dessen Vermittlung wurde auf den 13. Mai 1533 ein Gerichtstag in Düben anberaumt. Hier erschienen die Parteien in Person. Es kam aber ein Vergleich nicht zustande. Kohlhase forderte Ehrenerklärung in betreff des ihm vorgeworfenen Diebstahls, Erstattung des doppelten Wertes der Pferde und einhundertundfünfzig Gulden Schadenersatz: der von Zaschwitz verstand sich zu gar nichts. Er verlangte vielmehr noch zwölf Gulden halbjährliches Futtergeld für die Pferde, die inzwischen bis zum Skelett abgemagert waren. Kohlhase nahm sie vorbehaltlich seiner Ansprüche und einer Klageerhebung vor dem Amte Bitterfeld auf Zureden des Landvogts wirklich unter Zahlung von zwölf Gulden an. Aber schon am Tage darauf verendete der Rotschimmel.

Im Juli reichte Kohlhase an den Kurfürsien von Sachsen ein Schreiben ein, in dem er in gemäßigter Sprache sein erlittenes Unrecht darstellte. Infolgedessen wurden der Landvogt in Wittenberg und Hieronymus Schürf beauftragt, aufs neue Gerichtstage anzuberaumen. Der Junker fand sich jedoch nicht ein und bestand auf Bezahlung des Futtergeldes. Er lehnte jede Entschädigung ab und legte dem weitern Vorgehen Kohlhases gehässige Motive unter. Selbst als Kohlhase auf Zureden des Landvogts seine Entschädigungsforderung bis auf vier Gulden ermäßigt hatte, weigerte sich der Junker hartnäckig, auch diese geringe Summe zu zahlen.

Noch einmal, am 15. Februar 1534, erschien Kohlhase vor dem Landvogt zu Wittenberg, um sich nach dem Stand seiner Angelegenheit zu erkundigen. Als er aber von ihm erfuhr, daß Zaschwitz auf keinen Vergleichsvorschlag eingegangen sei, war das Maß seiner Geduld erschöpft. Er erließ bald darauf einen Fehdebrief, datiert vom Tage »Schlag zu«, der die ihm angetane Unbill und die Unmöglichkeit schilderte, gegen den Junker Recht zu bekommen, und mit den Worten schloß:

»Weil ich nun nichts mehr als meinen Leib und mein Leben vorzusetzen habe, so will sich gebühren, daß ich meine Ehre und meinen Glimpf, wie das einem Ehrliebenden zusieht, zur Notdurft verteidige; ich will allerwelt List und Behendigkeit gebrauchen, will sein Gottes und aller Welt Freund, allein Günther von Zaschwitzens und des ganzen Landes Sachsen abgesagter Feind, wo ich sie bekomme, an Händen und Füßen lähmen, auch rauben und brennen, sie hinwegführen und schätzen, bis mir Günther von Zaschwitz Abtrag tut und meinen Schaden, so ich allenthalben darüber genommen, zur Billigkeit erstattet.«

Dieser Absage- und Fehdebrief wurde schriftlich vervielfältigt und verschiedenen Orten in Kursachsen zugestellt.

Wie man sieht, war unserm Köllner Kaufmann nicht allein der Gebrauch des Faust- und Fehderechts, sondern auch die Befugnis wohlbekannt, vermöge deren auf Grund des Faustrechts Selbsthilfe zum Schütze eines Rechts unter gewissen Formen und Bedingungen ausgeübt werden konnte, wenn man durch die Gerichte Hilfe zu erlangen nicht vermocht hatte.

Zwar hatte der auf dem Reichstage zu Worms im Jahre 1495 zustande gekommene sogenannte Landfrieden verordnet, daß jeder fortan sein Recht nur vor dem Richter suchen solle, und das Fehderecht im ganzen Reiche unter Androhung der Todesstrafe für den Friedensbrecher aufgehoben; allein bis zu der Zeit, in der diese Begebenheit sich zutrug, mußte jenes Reichsgesetz auf den Reichstagen siebenmal bestätigt und eingeschärft werden, weil niemand seiner achtete und den Gerichten teils die Macht, teils der gute Wille fehlte, einen Rechtsspruch namentlich gegen Mächtige und Vornehme in Vollzug zu setzen; und selbst noch viele Jahre nach Erlaß der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., die in demselben Jahre veröffentlicht wurde, in dem Kohlhase in Wellauna um sein Pferde kam, waren namentlich zwischen Reichsunmittelbaren blutige Fehden im Schwange, ohne daß man an eine Bestrafung der Landfriedensbrecher dachte. Die Reichsgesetze waren ihnen gegenüber um so machtloser, als auch die Rechtsanschauung im Volke in dieser Selbsthilfe etwas Strafbares nicht erblickte, bis endlich der Einfluß steigender Kultur und einer kräftigeren Entwicklung sowohl der Territorialmacht als auch der richterlichen Unabhängigkeit dem Unwesen nach und nach ein Ende machte.

Der Kaufmann Kohlhase hatte also in aller Form des Fehderechts dem Kurstaate Sachsen den Krieg erklärt. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Kunde. Aber sie erregte nicht etwa bloß ein Lächeln und mitleidiges Achselzucken, sondern Furcht und Schrecken in vielen Orten des Sachsenlandes. Dem Junker namentlich wurde es heiß, denn er wußte, daß Kohlhases Drohung, ihn mit Feuer heimzusuchen und samt seinem Schlosse zu verbrennen, sehr ernstlich gemeint war. Auch an den Landvogt in Wittenberg war der Fehdebrief gelangt und noch ein besonderes Schreiben dazu, in dem gesagt wurde, daß der Schreiber »aus seinen Klöppern Pferde machen wolle«. Alles war auf seiner Hut. Die Städte des Sachsenlandes besetzten die Tortürme mit Spähern, verstärkten die Wachen, hielten die Tore bei Nachtzeit fest verschlossen und ließen keinen Mann, der verdächtig war, einpassieren. Der Landvogt von Wittenberg schickte einen Eilboten nach Berlin, um dem Kurfürsten Joachim das Vorhaben des Kohlhase zu melden und Rechtshilfe zu erbitten, und zwar unter dem Hinweis darauf, daß der Kurfürst von Sachsen die Forderung ja habe untersuchen wollen und die Sache »nur ins Vergessen« gekommen sei.

Joachim fertigte den Boten nach fünf Tagen mit der Antwort ab, daß der Kurfürst gegen Kohlhase nichts unternehmen könne, well dieser sein Bürgerrecht aufgegeben habe, und daß er zur Rechtshilfe auch nicht verpflichtet sei, weil der Erbeinigungsvertrag seit Johanns des Beständigen Tod nicht wieder beschworen worden sei. Schließlich trat Joachim fast geradezu auf die Seite des Friedensbrechers, indem er erklärte: »Es ist fast also, wie der Kohlhase schreibt, daß er durch sächsische Justiz um seinen Glauben und ins Verderben gekommen ist.«

Man muß sich dabei erinnern, daß Joachim ein erbitterter Gegner Luthers, der Reformation und der Universität Wittenberg war. Aber was hatte die Religion mit Kohlhase und seiner Fehde zu schaffen, und mußte nicht dem gestrengen Kurfürsten, der doch sonst mit eiserner Hand für Recht und Ordnung in seinem Lande sorgte, dieses gewalttätige Auftreten Kohlhases selbst ein Greuel sein, könnte man fragen. Jedenfalls war Joachims Abneigung gegen die neue Lehre und ihre nachbarlichen Bekenner fürstlichen Geblüts nicht die einzige Triebfeder seiner Parteinahme für den Landfriedensbrecher, und man hat allen Grund, ein Hauptmotiv seines fast schadenfrohen Verhaltens in der sogenannten Minckwitzschen Fehde zu suchen. Mit dieser aber hatte es folgende Bewandtnis.

Der Ritter Nickel von Minckwitz war zu jener Zeit das Haupt eines uralten und wohlbegüterten, noch heute in Sachsen blühenden Adelsgeschlechtes, dem die Herrschaft Sonnenwalde mit Stadt und Burg in der Niederlausitz und Stadt und Burg Trebsen bei Grimma im Leipziger Kreise gehörten. Er war ein offener, aber unruhiger Kopf, der als Parteigänger, Unterhändler und Kriegsoberst fast bei allen damaligen europäischen Händeln und Wirren seine Hände im Spiele gehabt und Abenteuer und Gefahren der verschiedensten Art bestanden hatte. Er war schon in die große Sickingensche Fehde gegen den Landgrafen Philipp von Hessen verwickelt gewesen, indem er Sickingen mit fünfzehnhundert Mann zu Hilfe gezogen, aber gefangen genommen und erst durch Fürsprache seines Landes- und Lehnsherrn, des Herzogs Georg von Sachsen, befreit worden war. Auch in den damaligen Kämpfen zwischen der Pforte, Ungarn und Österreich, besonders aber in den Wirren und Kämpfen zwischen den beiden Gegenkönigen von Ungarn, Johann von Zapolya und Ferdinand I., König von Böhmen, hatte Nickel als Parteigänger eine bedeutende Rolle gespielt. An den Höfen zu Warschau, Paris und Kopenhagen, sowie bei dem Kurfürsten von Sachsen, bei den Herzögen von Braunschweig und Bayern und bei anderen Reichsfürsten war er eine angesehene, vielumworbene Persönlichkeit. Er unterhielt zuweilen Söldnerheere in der für die damalige Zeit höchst bedeutenden Stärke bis zu zweitausend Mann oder war wenigstens imstande, solche Truppenmassen innerhalb einer kurzen Zeit anzuwerben, auszurüsten und seinen Parteigenossen zuzuführen.

Schon hieraus geht hervor, welch bewegtes und merkwürdiges Leben Nickel von Minckwitz geführt hat. Wir können indes näher nicht darauf eingehen. Für uns handelt es sich nur darum, den Haß des Brandenburger Kurfürsten gegen den übrigens auch der lutherischen Lehre zugetanen, vom Kurfürsten von Sachsen beschützten Minckwitz und damit seine Parteinahme für Kohlhase zu erklären. Deshalb müssen wir die erwähnte Fehde, die nur eine der vielen Episoden in der tatenreichen Geschichte des Ritters von Minckwitz darstellt, etwas ausführlicher behandeln.

Zu Lebus unweit Frankfurt a. d. O. bestand damals ein bedeutendes Bistum mit sehr beträchtlichem Grundbesitz, zu dem unter anderem auch Amt und Herrschaft Storkow gehörten. Auf dem bischöflichen Stuhle saß Georg von Blumental, ein peinlich trotziger geistlicher Würdenträger, über dessen Gewalttätigkeiten verschiedene seiner Vasallen Klage zu führen hatten. Einer dieser Vasallen, Heinrich Queiß auf Plössin, ein hochbetagter Herr, war mit seinem Schäfer in Streitigkeiten geraten, infolge deren sich der letztere sogar an seines Gerichtsherrn Familie vergriffen hatte und dann nach Friedersdorf, einem zu dem bischöflichen Amte Storkow gehörigen Dorfe, entflohen war. Hier wurde es ihm bei dem damals schon unter den Bauern herrschenden rebellischen Geiste leicht, sich einen Anhang zu verschaffen, mit dem er in Plössin einfiel, mehrere Häuser niederbrannte und seines Herrn Schafe hinwegtrieb. Der Amtmann in Storkow erhielt nun von dem Bischof Befehl, dem Queiß die Schafe zurückzuverschaffen und ihm den Schäfer auszuliefern. Der Amtmann gehorchte jedoch nicht. Inzwischen brachen neue Brände in Plössin aus, und auf erneute Klagen hin wurde der Befehl des Bischofs an den Amtmann wiederholt, indes abermals ohne Erfolg. Nun wandte sich im Januar 1528 der bedrängte Edelmann an den Landvogt der Niederlausitz, Heinrich Tunckel, und dieser verwendete sich sofort bei dem Bischof dafür, daß er seinem Vasallen Rechtshilfe und Schutz vor dem rachsüchtigen Schäfer gewähren möchte. Das nahm aber der Bischof sehr übel. Er warf dem Queiß vor, daß er die Sache dem Landvogt gegenüber zu Unrecht so dargestellt habe, als ob ihm die Rechtshilfe verweigert worden sei, und soll deshalb gedroht haben, daß er den Queiß dafür werde zu züchtigen wissen. Eine neue Fürbitte des Landvogts im Februar 1528 hatte nach längerem Zögern das Ergebnis, daß Queiß durch eine Verfügung des Bischofs aufgefordert wurde, sich persönlich nach Friedersdorf zu begeben, um der Aufhebung des Schäfers beizuwohnen, damit sich dieser in seiner Gegenwart verteidigen könne. Dieses Ansinnen fand Queiß sehr bedenklich, und er leistete ihm keine Folge, begehrte vielmehr am 7. März die Auslieferung des Schäfers um so dringender, als ihm kurz vorher »neue Brände an seinen Hof gehänget seien«. Als auch diese Aufforderung erfolglos war, wiederholte er am 26. Mai dasselbe Ansuchen für sich und seine armen ausgebrannten Untertanen, erhielt jedoch abermals keinen tröstlicheren Bescheid, da der Bischof auch jetzt wieder schrieb: »Daß Du allerwege darauf beharrst, daß wir sie (die Verbrecher) ohne Dein zutätliches Erfordern sollten einnehmen und setzen lassen, wissen wir nicht, ob es uns auch gebühren will; derhalben wollst Du dies tun, so Du es ihnen nicht erlassen willst, mit zutätlicher Erforderung, wie wir Dir oftmals geschrieben.«

Wenn ein zur Fehde Berechtigter zu schwach war, um selbständig ins Feld rücken zu können, so verband er sich mit anderen mächtigeren Rittern, die sich dann gegenseitig »Reitersdienste«, wie sie es nannten, leisteten, dafür aber selbstverständlich ihren Anteil an der etwaigen Beute in Anspruch nahmen. Queiß wandte sich deshalb um Schutz und Hilfe gegen den Bischof an Nickel von Minckwitz und Otto von Schlieben zu Baruth. Beide sagten ihm Beistand zu und betrieben nun mit Eifer ihre Rüstungen. Am 5. Juli 1526 ging der Absagebrief des Queiß an den Bischof ab. »Weil er von diesem«, so hieß es darin, »seines erlittenen Schadens, zu dem er ganz unverschuldet und ohne Ursache gekommen, keine Wiedererstattung habe erhalten, noch Recht auf sein vielfältiges Ansuchen erfahren mögen, seine Beschädiger sich aber noch in des Bischofs Landen hielten und mit beschwerlichen Drohworten weiter vernehmen ließen; weil er auch infolge der unrechtlichen Handlung des Bischofs Weib, Haus und Hof mit allen Gütern habe verlassen müssen, so dränge ihn die Not, auf sein Bestes mit Rat und Hilfe aller seiner Gönner und Freunde, edel und unedel, zu trachten, derhalben er sich kraft dieses Briefes für sich, alle seine Helfer und Helfershelfer, als wären die mit Namen von Wort zu Wort hierin verleibt und angezeigt, der Ehre und Notdurft nach verwahrt haben wolle, nach des Bischofs Land und Leuten, Gut und Habe zu trachten, in allem, wie des Menschen Sinn oder List gedenken möge, gar nichts ausgeschlossen, der beiden Herrschaften Beskow und Storkow Untertanen und Verwandte, danach sich Sr. Fürstl. Gn. möge wissen zu richten.«

Drei Tage darauf in den frühen Morgenstunden brach Nickel mit seinem Kriegsvolk von Sonnenwalde auf. Wie stark die Schar gewesen ist, darüber wird verschieden berichtet. Jedenfalls hat er an Söldnern zu Fuß und zu Roß weit über tausend Mann geführt, denn noch unterwegs stießen dreihundertundfünzig bis vierhundert Reiter zu seiner Heeresmacht. Schon früh um acht Uhr stand er vor Fürstenwalde, der Residenz des Bischofs. Mit den zu Markt fahrenden Bauern zugleich drang das Kriegsvolk durch die Tore in die Stadt ein. Die Bürger leisteten eine kurze Gegenwehr, streckten aber bald die Waffen. Der Bischof, auf dessen Gefangennahme es hauptsächlich abgesehen war, konnte sich durch die Flucht retten. Schloß und Stadt ergaben sich dem Sieger, der den Bruder des Bischofs, Matthias von Blumental, und die ganze Schloßbesatzung zu Gefangenen machte. In der Stadt wütete das Kriegsvolk abscheulich. Die Domkirche, das Rathaus, die Wohnungen der Domherren und der Bürger, die am Kampfe teilgenommen hatten, ebenso natürlich das Schloß, wurden geplündert. Die geraubten Kirchengefäße und Meßgewänder wurden entweiht und zu allerhand Unfug benutzt, selbst die Schuldverschreibungen und Urkunden des Bistums und des Kapitels wurden vernichtet. Heinrich Queiß scheint selbst mit bei dem Zuge gewesen zu sein, denn der Bischof beklagte sich später gerade über ihn, daß er mit seinen, des Bischofs, Leuten so umgegangen sei, wie es keinem Edelmann gezieme, so daß drei oder vier sich jetzt zu Berlin aufhielten, die Haus, Hof und alles, was sie in der Welt gehabt, hätten verlassen müssen, um nur mit dem Leben davonzukommen. Am anderen Tage zog Nickel wieder ab. Die geraubten Güter und Kleinodien führte er auf mehreren Wagen mit sich nach seinem Schloß Sonnenwalde.

Diese schwere Gewalttat erregte allenthalben die höchste Entrüstung. Kurfürst Joachim, zu dessen Gebiet die Stadt Fürstenwalde gehörte, zog eine Kriegsmacht zusammen und forderte den Landvogt der Niederlausitz Heinrich Tunckel zu Hilfe und Beistand auf. Er ersuchte den Herzog Georg von Sachsen, von dem Nickel Sonnenwalde zu Lehen trug, den frechen Bruch des Landfriedens zu strafen, dem Bischof und seinen Untertanen den Schaden zu ersetzen, sowie die Gefangenen zu befreien. Herzog Georg bot zu diesem Zwecke wirklich sein Kriegsvolk auf. Der Bischof behauptete, das Recht nie verweigert und keinen Absagebrief erhalten zu haben, und dem Nickel wurde brandenburgischerseits ganz besonders zum Vorwurf gemacht, daß er die Kirchen mit ihren Ornaten und Kleinodien nicht verschont habe wie es doch von alters her in allen öffentlichen Fehden und Kriegen gebräuchlich gewesen sei.

Auch König Ferdinand von Böhmen, zu welchem Königreiche damals die beiden Lausitzen gehörten, forderte den Herzog Georg und seinen Landvogt Tunckel auf, das von Minckwitz in der Niederlausitz versammelte Kriegsvolk zu vertreiben. Nickel verantwortete sich zunächst dem Kurfürsten Joachim gegenüber schriftlich, indem er behauptete, er habe dem widerrechtlich und gewaltsam behandelten Heinrich von Queiß auf seine Bitte hin, wie es Brauch beim Adel sei, einen Reiterdienst geleistet. Schloß, Stadt und Einwohner von Fürstenwalde sei er beflissen gewesen so viel als möglich zu schonen, die Beraubung der Kirchen und ihrer Kleinodien sei wider seinen Befehl geschehen, durch die Brandschatzung habe er Schloß und Stadt vom Feuer errettet, das Geplünderte sei er fleißig bemüht gewesen wiederzuerstatten, seine Handlung wisse er ehrlich und unverweislich zu verantworten, er sei auch erbötig, vor ordentlicher Obrigkeit, besonders vor dem Kurfürsten, Rede zu stehen, sei diesem, wenn er seine Ungnade abstelle, zu aller Diensterzeigung bereit, werde auch, sobald die Verstrickten sich gelöst haben würden und der Bischof dem Queiß seinen Schaden ersetzen und diesem wie allen Verwandten gegen weitere Feindseligkeiten Versicherung tun würde, gegen den Bischof seiner nichts unternehmen.

Der Bischof widersprach dem, und der Kurfürst ließ den Nickel wissen, daß seiner »ungegründeten Antwort und Erbieten« nicht stattgegeben werden könne, vielmehr habe es ihm gebührt, vor geschehener böser Tat bei dem Landesherrn Recht zu suchen, statt auf des Queiß loses und unbegründetes Anzeigen solche Beschädigung vorzunehmen, »Das wollten wir dir auf dein Schreiben, danach zu richten, nicht verhalten.«

Der König Ferdinand lud nun unter dem 16, Juli den Nickel bei Verlust Leibes und Gutes vor, binnen fünfzehn Tagen in Prag zu erscheinen, um sich zu verantworten, schrieb aber unter dem 21.Juli auch an den Kurfürsten Joachim, er möge zu dem Verhör Nickels einige Räte nach Prag schicken, inzwischen aber sich aller tätlichen Angriffe gegen denselben oder andere, die bei der Handlung gewesen und in den königlichen Landen säßen, enthalten.

Nickel erschien aber nicht in Prag, rüstete vielmehr abermals Kriegsvolk aus, um sich gegen einen Angriff auf Sonnenwalde zu schützen. Eine Streifpatrouille des Kurfürsten von dreizehn Reitern, die auf Nickel und seine Anhänger fahnden sollte, wurde von Otto von Schlieben im Kloster Dobrilugk überfallen, der Anführer wurde erstochen, und die ganze Schar wurde gefangen nach Sonnenwalde eingebracht.

Inzwischen aber entwickelten die Freunde und Verwandten Nickels, dessen Gemahlin eine geborene Gräfin Schlick war, zu seinen Gunsten eine außerordentliche Tätigkeit, Lorenz Schlick, Rudolf von Bünau, Hans von Minckwitz, Andreas Pflugk, Hauptmann zu Leipzig, verwendeten sich bei dem Herzog Georg, daß er gegen Sonnenwalde nichts unternehmen solle, da die Gattin und die Brüder Nickels mit dessen Unternehmung nichts gemein hätten und der Besitz von Sonnenwalde inzwischen auf die Brüder Nickels übergegangen wäre. In entscheidenden Unternehmungen kam es auf keiner Seite, wohl aber zur Ernennung von Kommissarien und zur Abhaltung erfolgloser Konferenzen und Beratungen. Am eifrigsten drängte und rüstete Kurfürst Joachim, zumal da er die Nachricht erhielt, Nickel lagere mit achthundert Reitern an der Grenze Lauenburgs, um von da aus einen Einfall ins Brandenburgische zu machen, und unterhalte auch in Magdeburg zweihundert Pferde und fünfhundert Reiter, Das Erzstift Magdeburg aber stand damals unter dem Kurfürsten Albrecht von Mainz, einem Bruder des Kurfürsten Joachim, und es verbreitete sich das Gerücht, Nickel wolle alle Klöster und Pfaffenhöfe plündern, um mit einem Male reich zu werden.

Der Kurfürst erhob gegen Nickel von Minckwitz und seine Helfer, unter denen sich auch der Graf Gebhardt von Mansfeld befand, bei dem kaiserlichen Reichskammergericht Klage wegen Landfriedensbruches. Darüber beschwerte sich Nickel bei dem Herzog Georg. Er berief sich darauf, daß er nur durch die brandenburgische Streifrotte daran verhindert worden sei, sich in Prag zu stellen, daß ihm diese Leute mehrere Diener weggefangen und in das Kloster Dobrilugk gebracht und er jene deshalb als Landfriedensbrecher gefangengenommen habe, wobei denn einer erstochen worden sein könne. Immer von neuem drängte der Kurfürst Joachim auf die Bestrafung Nickels und seines Anhangs, aber jedesmal ohne Erfolg. Er beauftragte nun den Junker Fritz von Bernheim mit dem Kommando über die Truppen, die den Friedensbrecher Nickel von Minckwitz fangen sollten, und die Brandenburger streiften bis hart an die sächsische Grenze. Das aber nahm der Herzog Georg sehr übel, und er beschwerte sich darüber, daß Bernheim die Straßen um Leipzig unsicher mache, dem Leipziger Rat einen Drohbrief zugeschickt und es überhaupt wohl mehr auf die Leipziger Messe und ihre Güter als auf Nickel abgesehen habe.

Mittlerweile hatte der letztere in einem Schreiben an den Kurfürsten Joachim allerlei Versprechen gegeben und auch die Gefangenen freigelassen. Das hielt ihn freilich nicht davon ab, in Trebsen neue Werbungen und Rüstungen zu veranstalten, von denen gerüchtweise verlautete, daß sie gegen den Kaiser und den König von Böhmen gerichtet seien. Der Herzog Georg rüstete ebenfalls und verlangte von dem Kurfürsten von Sachsen, Johann, er solle dem Ritter von Minckwitz verbieten, in seinem Lande Kriegsvolk zu sammeln. Der Kurfürst aber begehrte zunächst eine Angabe der Orte, in denen Kriegsvolk geworben würde. Jeder bezog die Rüstungen Nickels auf sich, und alle waren in Sorge, daß der Ritter in ihr Land einfallen würde.

Inzwischen nahm der Prozeß beim Reichskammergericht, vielfach von dem Kurfürsten von Mainz zugunsten seines Vasallen, des Grafen Mansfeld, gehemmt, seinen langsamen Fortgang. Eine Entscheidung war so bald nicht abzusehen. Um sich mit dem Kurfürsten Joachim gütlich auseinanderzusetzen, war auf Nickels Ansuchen hin auf den 20. August eine Tagung nach Jüterbogk anberaumt worden. Hier erschienen die Bevollmächtigten des Kurfürsten Joachim sowie des Kurfürsten Albrecht und des Bischofs von Lebus. Nickel aber und von Queiß erschienen nicht, baten vielmehr schriftlich um weitere Frist und einen neuen Termin.

Der Herzog Georg hatte den Befehl erteilt, daß Nickel, sowie er nach Leipzig komme, verhaftet, aber sofort wieder entlassen werden solle, wenn er an Eidesstatt oder handschriftlich gelobe, daß er sich den dritten Tag darauf in der Schösserei zu Dresden stellen wolle. Bereits am 11.Oktober meldete der Rat zu Leipzig, daß er den Nickel festgenommen und ihn auf das befohlene Gelöbnis hin wieder entlassen habe, und Nickel stellte sich wirklich unverzüglich in Dresden und wurde sofort als Gefangener nach Pirna abgeführt. Hier begann nun ein Verhör über die von Herzog Georg beigebrachten Anschuldigungspunkte, besonders über den Überfall auf die Stadt Fürstenwalde, über die Einrichtung protestantischen Gottesdienstes auf Sonnenwalde und über die Unterhandlungen mit dem Wojwoden Johann von Ungarn zu einer Zeit, da dieser König Ferdinands abgesagter Feind gewesen war. Nickel verantwortete sich schriftlich und ausführlich. Er gedachte des »Ritts« nach Fürstenwalde als auf vielfältiges Klagen und Bitten des vergewaltigten Heinrich von Queiß unternommen, denn es »habe jeden Christen erbarmen müssen, daß ein Armer von Adel so gewaltiglich von seinen Gütern, von Haus und Hof sollte gedrungen werden«; die Gewalttaten in Fürstenwalde seien wider sein Wissen und seinen Willen geschehen, und von dem Wojwoden Johann habe er sich abgewandt, als dieser sich ganz in die Türkenhilfe begeben habe. Er bat schließlich, ihn mit Rücksicht auf seine für den König Ferdinand geworbenen Reiter und seine eigenen Knechte, die alle mit schweren Unkosten auf seinen Bescheid warten müßten, zu entlassen.

Kurfürst Joachim verlangte von Herzog Georg, daß er Nickel nicht freigeben oder in die Hände der Bürger kommen lassen, sondern einen Tag bestimmen möge, an der er,der Kurfürst, durch seine Abgeordneten mit ihm gütlich reden könne. Auch König Ferdinand stellte Anfang Dezember 1529 ein gleiches Verlangen; aber Kurfürst Johann verwendete sich auf Bitten der Freunde Nickels für dessen Entlassung. Herzog Georg wollte für sich allein die Sache zur Entscheidung bringen und vor allem die Herrschaft über Sonnenwalde mit keinem Fremden teilen, Nickel versäumte nicht, dem Herzog Georg alle möglichen Versprechungen und Zugeständnisse zu machen und ihn flehentlich um seine Befreiung zu bitten; er bat ihn für alles, was er wissentlich oder unwissentlich gegen ihn verschuldet habe, um Verzeihung, versprach, sobald der Herzog ihrer bedürfe, ihm drei- bis vierhundert Reiter zuzuführen, sich in keines anderen Dienst zu begeben und das Haus Sonnenwalde, soviel ihm daran noch zu eigen sei, dem Herzog abzutreten. Der Herzog ging auf dieses Angebot ein und stellte nur noch die Bedingungen, wenn Nickel von Sonnenwalde abreise, habe er zu hinterlassen, wo ihn eine Vorladung erreichen werde, und auf eine solche Vorladung hin habe er sich binnen neun Tagen zu stellen, im übrigen müsse er Bürgen benennen, die sich verpflichten sollten, wenn Nickel auch nur einer dieser Bedingungen nicht nachkomme, dasjenige ohne Einrede zu tun, was vom Herzog ihnen oder ihren Erben auferlegt werde.

Nickel und seine Bürgen verpflichteten sich dazu, doch machte schon die Übergabe von Sonnenwalde an den Herzog große Schwierigkeiten, weil sich die Brüder Nickels in den Besitz des Schlosses gesetzt hatten und behaupteten, daß er ihnen seinen Anteil gegen Bezahlung seiner Schulden in einer Höhe von vierzehntausend Talern abgetreten habe. Nach mehrfachen Verhandlungen brachte der Herzog Stadt und Schloß Sonnenwalde endlich in seine Hände. Er ließ jedoch Nickel, der Anfang des Jahres 1529 aus seiner Haft entlassen worden war, unter den genannten Bedingungen vorläufig im Besitz seines früheren Eigentums.

Über diesen Ausgang war Kurfürst Joachim im höchsten Grade unzufrieden. Es entspann sich darüber zwischen ihm und Herzog Georg ein sehr gereizter Meinungsaustausch, insbesondere darüber, daß der Herzog die Entschädigung der kurfürstlichen Untertanen aus Nickels Lehngut verweigert hatte. Nickel selbst verweilte auf Sonnenwalde nicht lange, er folgte seinem Hange zu abenteuerlichen Fahrten und dachte nicht mehr an das, was er dem Herzog versprochen hatte. Dieser hielt sich nun an die Bürgen, die Grafen Albert und Lorenz Schlick, Heinz Pflugk zu Rabenstein, Rudolf von Bünau, Hofmeister, Andreas Pflugk, Amtmann zu Leipzig, Innocentius von Starschedel, Marschall, Heinrich von Könneritz, Hauptmann von Joachimsthal, Hieronymus und Balthasar Ziegler, Günther von Bünau, Lorenz von Schönberg und Christoph von Staupitz, die ihrerseits vorschützten, daß der Kurfürst Joachim fortwährend auf Nickel streifen lasse, weshalb es ihnen unmöglich sei, ihn zu stellen. Sie baten deshalb um Anberaumung eines Rechtstages und um Entlassung aus ihrer Bürgschaft. Der Herzog gewährte ihnen das aber nicht, sondern gab ihnen nur weitere Frist, binnen welcher sie den Ritter Nickel von Minckwitz sistieren sollten. Kurfürst Joachim aber drang auf Verhaftung der Bürgen, bis ihm und dem Bischof von Lebus alle Schaden ersetzt seien. Der Herzog schlug dieses Begehren ab mit dem Bemerken, daß sich die Bürgen nur ihm gegenüber verpflichtet hätten. Nickel, der sich damals bei dem König Sigismund von Polen in Krakau aufhielt, wurde am 24. Oktober 1530, nachdem er sich persönlich zu stellen verweigert hatte, von dem kaiserlichen Reichskammergericht zu Speier in die Acht erklärt.

Für die Bürgen begann jetzt eine böse Zeit. Sie mußten auf Herzog Georgs Befehl bald hierhin, bald dorthin reiten und durften sich ohne sein Wissen und seinen Willen nicht von ihrem Ort entfernen, und deshalb baten sie Nickel wiederholt schriftlich, daß er sich stellen und sie von ihrer Bürgschaft entbinden möge. Der Kaiser beauftragte den Herzog Georg, Nickels Lehngüter und Herrschaften an sich zu nehmen und ihre Einkünfte jährlich an den Kammerprokuratorfiskal einliefern zu lassen.

Man befürchtete, daß Nickel dem Wojwoden Johann Kriegsvolk gegen König Ferdinand zuführen möchte, und deshalb wurden die Grenzen der Lausitz und Schlesiens besetzt. Das geschah besonders auf König Ferdinands Antrieb, weil Nickel von seinen »geschwinden Praktiken, die er mit seinen gleichmäßigen Gesellen zum Nachteil des Königs wie der ganzen Christenheit pflege«, in keiner Weise abstehe, sondern mit Aufrührern und Rädelsführern überall Verbindung unterhalte. Wirklich gelang es auch, einen bedeutenden Waffentransport Nickels an der Grenze Schlesiens wegzunehmen.

Inzwischen hatte Herzog Georg die Bürgen auf den 12.Januar 1531 wieder nach Dresden geladen und von ihnen verlangt, daß sie gegen Nickel Scheltbriefe aussenden sollten. Auf dringende Bitten hin gab er ihnen abermals Frist bis zum Donnerstag nach Ostern und an diesem Tage wieder bis zum September, dann sollten sie sich, wenn Nickel bis dahin nicht erschienen wäre, wieder einzustellen haben.

Inzwischen verhandelte Nickel mit König Ferdinand und Herzog Georg schriftlich wegen Gewährung sicheren Geleits, worüber Kurfürst Joachim wieder sehr ungehalten war. Aber auf kaiserlichen Befehl hin wurde der Prozeß wider Nickel vor dem Reichskammergericht sogar sistiert, als der Ritter den Auftrag erhielt, zugunsten des Königs Johann von Ungarn mit mehreren deutschen Reichsfürsten und mit dem Könige von Frankreich zu verhandeln. Am 24.September 1531 hatte Nickel in Nürnberg eine geheime Unterredung mit dem bayrischen Kanzler Dr.Eck, am 18.Oktober schon traf er wieder in Krakau ein, um bald darauf nach Lübeck zu reisen, wo er in den ersten Tagen des Jahres 1532 eine Zusammenkunft mit Gesandten des Königs von Frankreich haben sollte, die er zu tätigem Eingreifen zugunsten König Johanns zu bestimmen hoffte. Die Gesandten blieben zwar aus, aber bei einer späteren Zusammenkunft wurde unter Beistimmung der Herzöge von Bayern, die sich zur Tragung der anteiligen Kosten bereit erklärten, vereinbart, daß dänisches Kriegsvolk angeworben und dem König Johann zu Hilfe geschickt werden sollte. Nach verschiedenen in derselben Absicht von Nickel betriebenen Verhandlungen bei deutschen Reichsfürsten meldete er am 1.Mai 1532 den Herzögen von Bayern, daß er von König Ferdinand »hoch angesucht« worden sei, zwischen ihm und König Johann von Ungarn einen Vergleich zustande zu bringen, daß ihm das aber nicht gelungen sei.

Dem Herzog Georg versprach er, sich zu stellen, wenn er ihm zuvor versprochen habe, sein Leben zu schonen und ihn nicht mit ewigem Gefängnis zu bestrafen. Des Herzogs Amtmann Johann Spiegel bemerkte in seinem Bericht darüber an seinen Herrn, daß Nickel »fast sehr dürre« geworden sei und häßlich aussehe.

Die schwer bedrängten Bürgen, deren Mahnungen Nickel niemals Folge geleistet hatte, schrieben endlich an ihn, daß sie ihn, wenn er sich nicht stelle, als einen Ehrlosen, den kein Adeliger oder Rittermäßiger im Felde neben sich in einem Gliede leiden dürfe, erklären müßten und es dann besser für ihn sei, mit Ehren gestorben zu sein, als mit Schanden zu leben.

Die Scheltbriefe der Bürgen wurden gedruckt, vor ihrer Veröffentlichung aber wurde Nickel eine letzte Frist gegeben, damit er, »wo er noch einen ehrlichen Blutstropfen im Leibe habe, sich, wie einem Frommen anstehe, halte«. Am 15.Mai mußten sich die Bürgen von neuem stellen. Da Nickel abermals nicht erschien, wurde die Schmähschrift veröffentlicht.

Trotz Reichsacht und Schmähbriefen ließ Nickel indes von seiner Tätigkeit für König Johann nicht ab. Kurfürst Joachim befürchtete von ihm immer noch einen Einfall in die brandenburgischen Lande und forderte deshalb unter dem 26.August 1532 den Herzog Georg von neuem zu Rüstung und Fahndung auf. Zu Ende des Jahres 1532 war Nickel in Ungarn, er stand in König Johanns Dienst und war von diesem mit Landgütern ausgestattet worden. In der Mitte des Jahres 1533 trieb er sich wieder,jedenfalls als Agent König Johanns, im Deutschen Reiche umher. Im Jahre 1534 verließ er die Sache König Johanns und wurde von König Ferdinand zu Gnaden angenommen. Am 21.Februar 1535 stellte dieser einen Paß für den »königlichen Diener Nickel von Minckwitz aus«, daß er zur Wiedereinnähme seiner ihm abgedrungenen Güter in Ungarn eine Anzahl Kriegsvolk zu Roß und zu Fuß in den königlichen Ländern anwerben und durch sie hindurchführen dürfe. Nickel zog an der Spitze eines Heerhaufens nach Ungarn, wurde aber von den Leuten König Johanns bei der Belagerung eines der königlichen Schlösser gefangengenommen und konnte nur durch Vermittlung des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen von dem Wojwoden Laski, jedoch wider Wissen und Willen König Johanns und gegen neue Bürgschaften, seine Freiheit wiedererlangen. Er trat Ende 1535 als Amtmann des Schlosses zu Weida in die Dienste des Kurfürsten von Sachsen und widmete sich hier einige Jahre lang, bis in das Jahr 1539, den mannigfachen ihm von seinem Herrn übertragenen friedlichen Geschäften mit Eifer und Umsicht.

Schon im Jahre 1536 hatte Nickel sich bemüht, seine Streitsache mit dem Herzog Georg sowie mit dem Kurfürsten Joachim I., oder vielmehr mit dessen Sohn und Nachfolger, dem Kurfürsten Joachim II., auf den nach dem Tode des ersteren am 11. Juli 1535 die Kurwürde übergegangen war, beizulegen. Er wurde in diesen Bemühungen von seinen Bürgen wesentlich unterstützt. Nach langen Verhandlungen, die anfangs auf entschiedenen Widerstand stießen, verpflichteten sich die Bürgen, dem Herzog auf Erfordern drei Monate lang auf ihre Kosten mit Handpferden Reiterdienst zu tun, Nickel gelobte, daß er niemals mehr wider den Herzog und dessen Verwandte und Untertanen Dienst tun wollte, und leistete am 29.Oktober 1536 dem Herzoge die Urfehde, worauf auch der römische König Ferdinand I. ihm Verzeihung angedeihen ließ.

Einen gleich günstigen Ausgang hatten die Verhandlungen mit Kurfürst Joachim II. Nickel ritt mit seinen Freunden und Verwandten am 20.Oktober 1539 in Berlin ein und bat am 22.Oktober in feierlicher Versammlung den Kurfürsten knieend um Gnade. Gleichzeitig leistete er dem Bischof von Lebus und den einberufenen Abgeordneten der Stände von Brandenburg »demütiglich und stattlich Abbitte«. Seine Freunde verbürgten sich, daß Nickel die geleistete Urfehde halten werde, und verpflichteten sich dem Kurfürsten gegenüber auf vier Monate zu einem Reiterdienst mit zweihundert Pferden auf eigene Kosten. Zum Schluß dieser Feierlichkeit nahm der Kurfürst den Nickel von Minckwitz zu Gnaden an und zog ihn zur Tafel. Von einer Entschädigung der betroffenen Untertanen war, wie es scheint, weiter nicht die Rede.

Hiermit war die berühmte Minckwitzsche Fehde beendigt. Die weiteren Taten und Schicksale des Ritters sind für die gegenwärtige Darstellung ohne weiteres Interesse. Es sei nur noch erwähnt, daß die friedlichen Dienste bei Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen ihn nicht lange fesselten und er abermals, und zwar zunächst im Auftrag seines Herrn, zum Kriegshandwerk griff. Im Jahre 1543 zog er als Kriegshauptmann des Königs Ferdinand von Böhmen mit vierhundert Reitern gegen die Türken, geriet aber in Streitigkeiten mit dem König wegen des rückständigen Soldes und machte Miene, sich aus der Münze zu Sankt Joachimsthal das Geld mit Gewalt zu holen.

Im Jahre 1547 befand er sich abermals im Dienst des Kurfürsten Johann Friedrich, dessen Verwicklungen mit dem Kaiser im Beginnen waren. Später geriet er mit dem Kurfürsten Moritz in Zwiespalt. Über seinen Tod und seine letzten Schicksale liegen keine Nachrichten vor.

1534 also, in dem Jahre, da wir die Geschichte Kohlhases verlassen haben, war die Minckwitzsche Fehde noch nicht beigelegt, und der Kurfürst Joachim I. war noch immer über seine fruchtlosen Bemühungen, des Landfriedensbrechers habhaft zu werden, und über den Vorschub, der diesem von Sachsen aus geleistet wurde, verärgert.

Unter solchen Umständen hatte er wenig Lust, den sächsischen Aufforderungen zur Hilfe gegen Kohlhase Folge zu leisten. Er begnügte sich damit, zu erklären, Kohlhase finde in seinem Lande keinen Beistand und habe weder Schirm noch Geleit; was er tue, das tue er für sich; man möge sehen, wie man seiner in Sachsen habhaft werde.

Hier stiegen Angst und Schrecken auf das höchste, denn am 9.April 1534 brannte es in Wittenberg an zwei Stellen, am 10.April brach an einem dritten Orte wiederum Feuer aus, und in der Nacht vom 9. zum 10.April ging das Dorf Schützenberg unweit Wittenberg in Flammen auf. Die unablässigen Bemühungen des Landvogts in Wittenberg sowie des Eustachius von Schlieben, eines sächsischen, an der Grenze seßhaften Edelmanns, einen Ausgleich zustande zu bringen, scheiterten nicht an dem Starrsinn des Kohlhase, sondern an der Weigerung des Kurfürsten von Sachsen, sicheres Geleit zu gewähren, auf dem Kohlhase unerschütterlich bestand. Man hoffte damals, Kohlhase würde sehr bald gefangengenommen werden. Als das aber nicht gelingen wollte, entschloß sich der Kurfürst, dem Kohlhase dennoch sicheres Geleit unter der Bedingung zu geben, daß er von nun an von jeder Feindseligkeit absehen wolle und eidlich erklärte, daß er an den Bränden in Wittenberg keinen Anteil habe. Kohlhase 12 ging darauf ein, und nun wurde auf den 6.Dezember 1534 ein neuer Rechtstag nach Jüterbogk ausgeschrieben.

Am Tage vor dem Termin ritten die sächsischen Richter, der Landvogt Hans Metzsch als Vorsitzender und Daniel von Feilitzsch, Friedrich Brand von Arnshaug und Mathes Loser als Beisitzer in die genannte Stadt ein.

Ferner erschien der Kläger Kohlhase mit seinem Anwalt Johann Hentzke und seinen Freunden und Familiengliedern Dr.Lorenz Schreck aus Frankfurt und Johann Kohlhase, Nikolaus Hentzke und Peter Kaldaun aus Berlin und einer großen Anzahl anderer sogenannter Freunde von ziemlich verdächtigem Aussehen. Als Beklagte stellten sich ein die Lehnserben der Familie von Zaschwitz – Günther von Zaschwitz war schon Anfang November gestorben – mit ihrem Anwalt Dr.Scheffel aus Leipzig und dem Vormund der Kinder Dr.Benedict Pauli, dazu noch Wolf von Saalhausen, Hans Bach und Nickel von Ende. Der Gerichtstag wurde öffentlich auf dem Rathause gehalten. Eine dichtgedrängte Menge umstand die Schranken. Mit einer Lobrede auf den Kurfürsten, der das freie Geleit erteilt habe, und auf die sächsische Justiz, aber auch mit herben Worten gegen alle mutwilligen Friedensstörer eröffnete der Vorsitzende die Verhandlung. Festen Schrittes trat Kohlhase vor die Schranken, erklärte sich zur Leistung des Eides bereit und schwor mit vernehmlicher Stimme, während Totenstille über der Versammlung lag, mit erhobener Rechten den Eid:

»Ich, Hans Kohlhase, schwöre zu Gott und dem heiligen Evangelio, daß ich der angelegten Feuer, so sich dieses Jahr zu Wittenberg ereignet haben, keine Schuld, die nicht angelegt noch anlegen lassen, viel weniger das zu tun befohlen, als mir Gott helfe durch Jesum Christum, Amen!«

Damit hatte er die gestellte Bedingung erfüllt, und die eigentliche Gerichtsverhandlung nahm ihren Anfang. Kohlhases Anwalt trug auf Ersatz des zugefügten Schadens an, der Anwalt der Beklagten bestritt jede Verbindlichkeit dazu und beantragte Abweisung des Klägers unter der Behauptung, daß mit dem Absterben des von Zaschwitz alle Ansprüche an ihn oder dessen Erben völlig erloschen wären.

Der Landvogt gab sich große Mühe, den Kläger Kohlhase zur Einbringung einer förmlichen Klage bei den sächsischen Gerichten zu veranlassen, und sagte ihm sogar zu, daß die Anwälte auf öffentliche Kosten bestellt werden sollten. Allein Kohlhase war hierzu nicht zu bewegen. Er entgegnete: »Ich habe nichts als meinen Leib und mein Leben übrig, das will ich daransetzen,« Er bestand auf der sofortigen Verhandlung der Sache. Man durfte ihm das nicht verargen, denn die sächsischen Rechtsgelehrten hatten bereits ausgesprochen, daß er auf dem Wege des förmlichen Prozesses eine Entschädigung nicht erlangen werde. Nun wurde aus beiden Parteien ein Ausschuß gewählt, der ein gütliches Abkommen zustande bringen sollte.

Kohlhase forderte die allerdings für damalige Zeiten unerhörte Summe von zwölfhundert Gulden. Die Gegner boten dreihundert Gulden, endlich einigten sich die Parteien auf eine Entschädigungssumme von sechshundert Gulden, die bis Neujahr in Jüterbogk hinterlegt und zur Hälfte von der Witwe, zur anderen Hälfte von deren Kindern gezahlt werden sollten. Die sächsischen Räte legten diesen Vergleich in einer Urkunde nieder, in der Kohlhase feierlich gelobte, die Fehde einzustellen, während die Bauern von Wellauna ihre Diebstahlsbeschuldigung förmlich zurücknahmen. Der Friede schien geschlossen zu sein, und alle gingen friedlich und fröhlich auseinander.

Aber es kam anders. Ob die sächsischen Räte beauftragt waren, für den Vergleich den Vorbehalt zu machen, daß dieser erst nach der Genehmigung durch den Kurfürsten von Sachsen in Kraft treten solle, ist ungewiß. Sicher aber ist, daß sie den Vergleich tatsächlich nicht unter Vorbehalt der landesherrlichen Genehmigung, sondern endgültig und bedingungslos abgeschlossen hatten.

Kurze Zeit nachher wandte sich die Witwe Sophie von Zaschwitz mit einer Beschwerde über die ihr auferlegte hohe Abfindungssumme an den Kurfürsten und sagte, daß sie nur zweihundert Gulden bewilligt habe, alles übrige aber gegen ihre Zustimmung von dem Vormunde der Kinder zugestanden worden sei. Auch der Anwalt der Kinder, Dr. Benedict Pauli, der den Vertrag mit abgeschlossen hatte, bat den Kurfürsten darum, daß die armen Waisen mit der Bezahlung der dritten hundert Gulden verschont werden möchten.

Diese Bitten und Beschwerden fielen auf günstigen Boden. Der Kurfürst war darüber ungehalten, daß mit einem Landfriedensbrecher überhaupt ein Vergleich geschlossen worden war, weil dadurch nur leichtfertigen Leuten, die aus der Fehde einen Gelderwerb machten, Vorschub geleistet werde. Er versagte die Bestätigung des Vertrages und eröffnete seinen Räten: »Wir hätten uns nicht versehen, daß ihr Räte gegen eure Instruktion uns in einen solchen Schimpf und Spott bei den leichtfertigen Leuten gesetzt hättet. Wir befehlen euch, ohne Verzug dem Kohlhasen zu erkennen zu geben, daß das, was ihr gehandelt, gegen unfern Befehl geschehen ist«, und überdies verbot er den von Zaschwitzschen Kindern geradezu, den Vertrag zu halten.

In ihrem Entschuldigungsschreiben an den Kurfürsten bekannten die Räte, »als Arme vom Adel wohl zu wissen, mit wes Untertänigkeit sie Seiner Kurfürstl. Gnaden gewandt, wie es ihnen gebühre, Leib und Gut zur Verhütung des Spottes und Schimpfs Seiner Gnaden darzusetzen mit der untertänigsten Bitte, all ihre Handlung ihrem Unverstande beimessen zu wollen«.

Dem Landvogt in Wittenberg fiel die Aufgabe zu, dem Kohlhase von der Entschließung des Kurfürsten Nachricht zu geben. Am 26. Dezember wurde dem Kohlhase in Berlin durch des Landvogts Boten der kurfürstliche Bescheid eröffnet. Mit eisiger Kälte sprach er, nachdem er den Brief gelesen hatte: »Sagt Eurem Landvogt, ich habe die Meinung wohl vernommen!«

Wie es dabei im Gemüt des von Grund aus ehrlichen und braven Mannes ausgesehen und welche Kämpfe mit sich selbst er bestanden haben mag, das geht schon daraus hervor, daß er sich noch vor dem Jüterbogker Rechtstage brieflich an Dr. Luther in Wittenberg gewandt und ihn um Rat und Beistand in seiner Angelegenheit ersucht hatte. Das kann nicht auffallen, da, wie bekannt, der große Reformator damals vielfach von Privatleuten in Privatsachen, namentlich zur Schlichtung und Beilegung verdrießlicher Streitigkeiten, um Rat und Beistand angegangen wurde.

Der Brief Kohlhases an Luther ist nicht erhalten, wohl aber der Brief Luthers an Kohlhase, aus dem der Inhalt des ersteren erraten werden kann. Er lautet wörtlich und in Luthers Schreibweise so:

»Gnad und Fried in Christo, Mein guter Freundt, es ist mir vorwar ewer unfall leidt gewesen, vnd noch, das weis Gott. Vnd were wol zuerst besser gewesen, die Rache nicht fürzunemen, Dieweil dieselbige one beschwerung des gewissens nicht fürgenommen werden mag, Weil sie ein selbsteigene Rache ist, welche von Gott verboten ist. Den 2. Roma. 12. Die Rache ist mein, Ich wil vergelten, spricht der Herr pp.

Vnd nicht anders sein kan, dann wer sich darein begibt, der mus sich jen die Schantz geben, viel wider Gott vnd Menschen zu thun, Welches ein christlich gewissen nicht kan billichen.

Vnd ist ja war, das euch ewer schaden und Infamia billich wehe thun sol, Vnd schüldich seit, dieselbigen zu retten vnd erhalten, Aber nicht mit sünden oder vnrecht. Quod justum est, juste persequeris, Sagt Moises, Vnrecht wird durch ander vnrecht nicht zurecht bracht.

Nun ist selbst Richter vnd selbst richten gewislich vnrecht, Vnd Gottes zorn lest es nicht vngestrafft. Was jhr mit Recht ausfüren müget, da thut jhr wol, Köndt jhr das Recht nicht erlangen, so ist kein ander Radt da, denn vnrecht leiden. Vnd Gott der euch also lest vnrecht leiden, hat wol vrsach zu euch, Er meinet es auch nicht übel noch böse mit euch, kan euch solches wol redlich widderstatten, jnn einem andern, vnd seit darum vnuerlassen.

Vnd was wölt jhr thun, wenn er wol anders wölt straffen, an Weib, Kindt, Leib vnd Leben? Hie müsset jhr dennoch, so jhr ein Christ sein wölt, sagen: Mein lieber Herre Gott Ich Habs wol verdient, Du bist gerecht, vnd thust nur allzu wenig, nach meinen Sünden. Vnd was ist unser aller leiden, gegen seines Sohnes vnsers Herrn Christi leyden?

Dennoch so jhr meines Radts begehrt, (wie jhr schreibet) So radte ich, Nempt friede an, wo er euch werden kan, vnd leidet lieber am Gut vnd Ehr schaden, denn das jhr euch weiter solt begeben, jnn solch fürnemen, darin jr müstet aller der sünden vnd büberey auff euch nrmen, so euch dienen würden zur Vhede. Die sind doch nicht fromm, vnd meinen euch mit keinen trewen, süchen ihren nutz. Zuletzt werden sie euch selbst verrathen, so habt jhr denn wol gefischet. Malet jhr ja nicht den Teuffel vber die Thür, vnd bittet jhn nicht zu Gevattern, Er kömpt dennoch wol, Denn solche gesellen sind des Teuffels gesindlein, Nemen auch gemeiniglich jhr ende nach jhren wercken.

Aber euch ist zu bedencken, wie schwerlich ewer gewissen ertragen wil, so jhr wissentlich söllet so viel Leute verderben, da jhr kein Recht zu habt, setzet jhr euch zufrieden, Gott zu ehren. Vnd lasset euch eweren schaden von Gott zugefüget sein, Vnd verbeissets vmb seinetwillen, So werdet jhr sehen, er wird widerumb euch segnen, vnd ewer arbeit reichlich belohnen, das euch lieb wird sein, ewer gedult, so jhr getragen habt. Darzu helffe euch Christus vnser HErr, Lerer vnd Exempel aller gedult, vnd helffer in not, Amen.

  • Seite:
  • 1
  • 2
< Johanna Winter
Das letzte Bekenntnis des Mörders John Lechler >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.