Frei Lesen: Walladmor

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Willibald Alexis

Walladmor

Dritter Band, Erstes Kapitel.

eingestellt: 7.8.2007

Die Wälschen Barden glaubten, daß König Arthur nicht gestorben, sondern von den Feen nach irgend einem freundlichen Orte gebracht worden, wo er eine Zeit lang bleiben solle, um dann wieder zurückzukehren und mit einer so großen Macht, wie je, zu regieren.

Holingshed. B. V. C. 14.


Von einer am frühem Morgen unternommenen Jagdpartie kehrte Bertram sehr froh gestimmt, obwohl ohne Beute, nach dem Schlosse zurück. Der Mittag des warmen Frühlingstages näherte sich, und der Jäger empfand, daß er die weidmännische Wintertracht, welche in einem verbrämten grünen Rocke und einer hohen Pelzmütze bestand, über die Jahreszeit hinaus anbehalten habe. Er eilte deshalb aus dem Walde über das kahle Glacis der Burg auf dieselbe zu, welche, naturgetreuer als er selbst, überall zwischen ihren grauen Mauern grünende Holundersträuche, wilde Rosen und Weidenstämme hatte hervorschießen lassen. Dazu zeigten im Innern des Schloßraums und an einigen Seiten des Walles Kastanienbäume ihr dunkles üppiges Laub.

Das alte Schloß gewann dadurch einen unbeschreiblich romantischen Anblick; lieblicher war indessen für unsern Helden, als er durch die kleine Nebenpforte den Schloßhof betrat, der Anblick der schönen Ginievra, welche, aus einem Seitenfenster gelehnt, die Augen an dem großen, ruhig zu ihren Füßen liegenden Ocean zu weiden schien. Ein leichter Wind spielte in ihren Locken, und zwei zahme Singvögel flatterten ihr auf Kopf und Hals. Kaum aber gewahrte sie den hastig eintretenden Bertram, als sie einen lauten Schrei ausstieß und, wie es diesem schien ohnmächtig zurücksank.

Bertram, jetzt völlig im Schlosse bekannt, stürzte durch eine Wendeltreppe im Seitengebäude hinauf, und trat, da kein lebendes Wesen zugegen war, um ihn melden zu können, auch jeder Verzug hätte gefährlich sein können, in das Zimmer der Lady. Wirklich lag Ginievra auf dem Boden niedergesunken, nur ihr Haupt war auf einem Polsterstuhle ruhend geblieben. Die Vögel flatterten besorgt um ihre Gebieterin. Bertram stürzte auf die Ohnmächtige hinzu, hob sie in die Höhe, und legte sie auf ein Ruhebett. Ehe er jedoch bei sich beschlossen, was er zuerst vornehmen müsse, um sie wieder zu sich zu bringen, schlug sie die Augen auf. Ihr erster Blick fiel auf Bertram, dem die Bestürzung noch nicht erlaubt hatte, seine für das Frauengemach sich wenig ziemende Kleidung abzulegen, – kaum aber hatte ihn ihr Auge getroffen, als sie ihren Schrei wiederholte, das Gesicht in ein Küssen drückte, und mit der Hand den Jüngling zurückstieß, indem sie die Worte äusserte:

Zurück Verworfener!

Um Gottes willen, Mylady! Noch gestern beim Sonnenuntergang durfte ich mich Ihrer Gewogenheit rühmen. Habe ich in der Nacht ein Verbrechen begangen, so geschah es im Traume.

Ginievra blickte noch einmal in die Höhe, erst zögernd, dann dreister, endlich überflog wieder eine leichte Röthe ihre bleichen Wangen, und sie reichte ihm die Hand mit den Worten:

Verzeihn Sie, Herr Bertram. – Ich sah in Ihnen den furchtbaren Menschen, der mein Lebensglück untergrub. Gott sei Dank, Sie sind es, und nicht James Nichols.

Warum muß meine unglückselige Aehnlichkeit mit dem Verbrecher so oft hier störend werden?

Es war nicht das allein. Hören Sie, Herr Bertram. – Sie führte ihn an das noch immer offene Fenster. – Ich sah hinaus, um Aug und Sinn an der klaren Frühlingsluft, an dem blauen unermeßlichen Wasserspiegel zu stärken. Mich dünkte, als sähe ich aus dem Spiegel alle die Bilder wieder, welche freudig und trübend in meinem Leben mir erschienen waren. Namentlich sah ich den würdigen Oheim, wie die Falten seiner Stirne zu verschwinden, seine grauen Locken sich wieder zu bräunen schienen. Nie gesehene Gäste, Freude und Heiterkeit waren seit Ihrer Nähe in diese Burg gekommen. – Da erblickte ich am fernen Meere ein Segel. – Sehn Sie – dort – dort – jetzt scheint die Sonne drauf. –

Ich sehe – aber ist die Erscheinung eines Schiffes hier etwas aussergewöhnliches?

Leider nein – Sehn Sie, ist das nicht ein Schleichhändlerschiff? – Mags meine Ahnung, mag es Täuschung sein – in dieser Richtung, in dieser Gestalt erscheint wenigstens immer das Schiff, auf welchem Nichols kam und ging. Als meine Ahnung alle Schrecken, welche für mich seine Nähe mit sich führt, heraufgerufen hatte – hörte ich unten Fußtritte – aus der Pforte, wo er zum letzten male entfloh, trat er wieder in Jagdtasche und Pelzmütze, wie er so oft vor mir erschien – und das Entsetzen überwältigte mich. –

Mylady, es sind jetzt fünf Monate, seit er sich nicht sehen ließ – wer weiß, in welchen fernen Welttheil ihn das Schicksal verschlagen hat.

Herr Bertram, Sie kennen ihn nicht.

Mylady hat mich mit ihrem Vertrauen beehrt. Ich wage aus Ihrer Erzählung und dem, was ich selbst gesehn und aus seinem Munde erfahren, zu behaupten, daß ich ihn kenne.

Sie kennen ihn nicht, wenn Sie glauben, daß sein Wille dem Schicksal unterthan ist. Lächeln Sie über die Abergläubige. Ich sage, wenn James will, so hindert ihn weder der fremde Welttheil, noch das heidnische und das christliche Schicksal, in den Mauern von Walladmor-Castle zu stehen. Und leider weiß ich zu gewiß, daß er will. – Sie sind der Vertraute des Unglücks unseres ganzen Hauses geworden, so brauche ich auch nicht vor Ihnen zu verbergen, daß in jedem Momente, wo ich wie vor einer unsichtbaren Macht zusammenschaudere, es sein Geist ist, der auf mich zutritt und mit blutigen Händen mich angreift.

In der That habe ich mehrere Augenblicke eines solchen überspannten Nervenzustandes an Mylady bemerkt.

Wohl hat mein Oheim recht, wenn er an Geistererscheinungen glaubt, nur mit dem Unterschiede, daß die Geister der Lebenden weit furchtbarer auftreten, weit größere Macht besitzen, als die Schatten der Todten.

Ich muß dies zugeben, aber es ist dafür der freundliche Einfluß geliebter Wesen auch um so wohlthuender.

Wohl, wohl, Sir – aber wenn ein freundliches Wesen zu mir tritt, wir schweigend Blicke wechseln und die knospenden Gedanken uns mittheilen, dann tritt aus dem Hintergrunde das blutig finstere Wesen plötzlich vor, schleudert die liebliche Gestalt mit eherner Faust zurück, und steht höhnisch vor mir.

Es lacht der schönste Frühling in den Thälern, auf dem Meere; auf der nackten Felswand grünt der Brombeerstrauch, und selbst dies uralte Schloß zieht das Kleid des Frühlings an: weshalb wollen Sie, Mylady, allein dem milden Einfluß der Natur widerstehen? Verscheuchen Sie die trüben Gedanken, die Erinnerung an den Unglücklichen. –

Sie nennen ihn nur unglücklich. –

Ist nicht auch der Verbrecher unglücklich?

Ich habe Ihnen vertraut, Herr Bertram, daß die Liebe zwischen mir und James Nichols todt ist, aber es lebt noch ein Mitgefühl in mir für den unglücklichen Verderbten. Welche Kräfte gingen in ihm unter! welche Seelengröße leuchtet aus der Nacht seiner Sünden!

Ein verdorbenes Genie!

Von Ihnen, dem die Poesie auch eine Göttin ist, erwartete ich nicht dies Wort zu hören, womit denn leider unsere kaufmännische Alltagswelt, Geister, die hoch über ihre Gemeinheit erhaben sind, benennet.

Mylady, auch ich habe tief bewegt die große Natur in diesem ihrem ausgearteten Sohne bewundert. –

Ich habe, Herr Bertram, – unterbrach ihn Ginievra – diese Geistesanlagen, die ich anfeuerte, in Gedanken verfolgt; aus dem Edlen entwickelte sich das Schöne, und eine erhabene Gestaltung trat vor mich hin, die mich, wenn ich auf den Verdorbenen zurücksah, vor ihm entsetzt schaudern ließ, die jede Wurzel der Liebe gewaltsam aus meinem Herzen riß.

Trauen Sie meinem Gefühl; Nichols wird nicht wieder durch sein verhaßtes Auftreten Ihre Ruhe stören.

Ihr Gesicht, Herr Bertram, spricht nicht immer diese Ruhe aus, auch äußerten Sie gestern etwas von einer peinigenden Gegenwart. –

Die aber verschiedener Art ist, Mylady. Ein gewisses banges Gefühl ergreift mich, so oft ich den lästigen Besucher Ihres Schlosses, Herrn Malburne erblicke. Er erscheint wie ein Geist, und verschwindet wie ein Geist. Es ist mir, als wenn er ein böser Dämon wäre, der auf jede meiner Thaten lauert, um vor irgend einem geheimen Gerichtshof als mein Ankläger aufzutreten. Bald quält mich dann wieder die Angst, als sei er kein finsterer Dämon, sondern ein Geist der Wahrheit, der mich der Lüge und des Betrugs zeihte. In voriger Nacht ging ich im Traume am Meere spazieren. Plötzlich stand er hinter mir, und stieß mich mit den Worten: Hier muß ich spazieren, denn ich bin vollbürtig! vom Felsen hinunter, daß ich erwachte.

Das schwere Bragad, welches Sie mit dem Oheim gestern Abend auf Urrins Wohl ausleerten, wird Ihnen die bösen Träume zugezogen haben.

Mylady, wir scherzen uns beide unsere Ahnungen hinweg.

Wolle Gott, die Gespenster möchten so verschwinden, wie jenes Wölkchen, welches die Sonne im vorigen Momente verdunkelt hatte.

Sie werden verschwinden! rief eine Stimme hinter ihnen, und Ginievra war auf dem Punkte, durch einen neuen Anfall ihrer gewöhnlichen Nervenschwäche die Besinnung zu verlieren, als beide noch zu rechter Zeit sich umsahen, und Sir Morgan in feierlicher Stellung hinter ihnen stehend erblickten.

Sie werden verschwinden, die Gespenster – wiederholte er pathetisch – Früher als seit dreihundert Jahren ist heuer der Schnee auf dem höchsten Gipfel des Snowdon geschmolzen, und ein Avenystion – das ist ein Wahrsager, Herr Bertram, wie Sie wissen – ist in Anglesea im Märzmonat aufgestanden, nicht zu gedenken, daß der einzige Barde, der noch Cornwallis und Nordwales durchzieht, der würdige Pencord Percy von Rhirabon, in meinem Schlosse, Herr Bertram, gesungen hat. Es werden die Tage des Glanzes wiederkommen, der Arctur hat sich am Himmel gerückt, der Wind im Osten geht laß, der halbe Mond wird bleich und roth, und in Amerika geschehen ungeheure Dinge.

Ginievra, erfreut über die von der Hoffnung belebte Stimmung des Greises, schmiegte sich ihm vertraulich an und bemerkte, daß mit dem Eintritt des fremden Gastes zuerst der Frohsinn in die düstern Hallen eingekehrt sei. Sir Morgan stimmte nicht ganz mit der Nichte überein:

Wer kann es wissen, wie die Spinne, welche im dumpfen Keller ihre Gewebe zieht, die ganze Sonne umstricken werde, und doch werden noch vor dem jüngsten Tage Dinge geschehen, von denen Merlin sagen könnte: ich habe sie nicht vorausgesehn. Man braucht nicht die Sterne zu lesen – obgleich die Schrift bis an den jüngsten Tag fehlerlos ist – aber wenn man die Historie betrachtet, geht der Geist des Weltalls auf. Liest man nicht, daß Ali Pascha von Aegypten ein Frankenkind sei? Was im Innern Africas vorgeht, davon hat Niemand Kunde. Aber wie regt es sich in Griechenland! Ich wünsche den Griechen nichts übles, aber Griechenland ist gegen die Welt ein unbedeutend Ländchen. Die Griechen ermorden die Türken, das ruft die Perser und Chinesen zur Rache auf, dafür treten den Griechen die Georgier und Russen zu Hülfe. Wenn dann in den Ebenen Asiens das Blut geflossen ist und das Caspische Meer geröthet hat, dann stürzen von beiden Seiten Völker über Völker hinzu, bis die Norweger und Lappländer aus dem Norden mit den Mohren aus dem heißen Africa handgemein werden. Dann könnte es kommen, daß die Mohren zu Schiffe gehn, um das alte Wales zu sehn, wo zuerst das Christenthum gepredigt wurde, und wenn das wilde schwarze Kriegsvolk dort unten mit tausend Schiffen auf dem Meere liegt und unten auf jener Ebene Schaaren an Schaaren, und ein wilder Mohr, Termagant, seinen Säbel und Walladmor-Castle auffordert sich zu ergeben, und ich Arthurs Banner aufstecke, dann könnte es kommen, daß der Mohre stürmt und an das Aussenthor rüttelt und der alte Spruch in Erfüllung geht:

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