Prosa
Franz Kafka Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich
hätte Furcht vor Dir. Ich wußte Dir, wie gewöhnlich,
nichts zu antworten, zum Teil eben aus der Furcht, die ich vor
Dir habe, zum Teil deshalb, weil zur Begründung dieser Furcht
zu viele Einzelheiten gehören, als daß ich sie im ...
Franz Kafka Es war spät abends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schloßberg war
nichts zu sehen, Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein
deutete das große Schloß an. Lange stand K. auf der Holzbrücke, die von der
Landstraße zum Dorf führte, und blickte in ...
Franz Kafka Beweis dessen, daß auch unzulängliche, ja kindische
Mittel zur Rettung dienen können: Um sich vor den Sirenen zu bewahren, stopfte sich Odysseus Wachs
in die Ohren und ließ sich am Mast festschmieden. Ähnliches
hätten natürlich seit jeher alle Reisenden tun können,
außer denen, welche die ...
Franz Kafka für Fräulein Felice B. Es war an einem Sonntagvormittag im schönsten Frühjahr. Georg
Bendemann, ein junger Kaufmann, saß in seinem Privatzimmer im ersten
Stock eines der niedrigen, leichtgebauten Häuser, die entlang des
Flusses in einer langen Reihe, fast nur in der Höhe und Färbung
...
Franz Grillparzer In Wien ist der Sonntag nach dem Vollmonde im Monat Juli jedes Jahres
samt dem darauffolgenden Tage ein eigentliches Volksfest, wenn je ein
Fest diesen Namen verdient hat. Das Volk besucht es und gibt es
selbst; und wenn Vornehmere dabei erscheinen, so können sie es nur in
ihrer Eigenschaft ...
Franz Kafka Ich habe den Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen. Von außen ist eigentlich nur ein großes Loch sichtbar, dieses führt aber in Wirklichkeit nirgends hin, schon nach ein paar Schritten stößt man auf natürliches festes Gestein. Ich will mich nicht dessen rühmen, diese List mit Absicht ...
Franz Kafka Es war ein Geier, der hackte in meine Füße. Stiefel
und Strümpfe hatte er schon aufgerissen, nun hackte er schon
in die Füße selbst. Immer schlug er zu, flog dann unruhig
mehrmals um mich und setzte dann die Arbeit fort. Es kam ein Herr
vorüber, sah ein Weilchen zu und fragte dann, warum ich ...
Franz Kafka Zwei Knaben saßen auf der Quaimauer und spielten Würfel.
Ein Mann las eine Zeitung auf den Stufen eines Denkmals im Schatten
des säbelschwingenden Helden. Ein Mädchen am Brunnen
füllte Wasser in ihre Bütte. Ein Obstverkäufer
lag neben seiner Ware und blickte auf den See hinaus. In der Tiefe
...
Franz Kafka Verbraucht alle Kohle; leer der Kübel; sinnlos die Schaufel; Kälte
atmend der Ofen; das Zimmer vollgeblasen von Frost; vor dem Fenster
Bäume starr im Reif; der Himmel, ein silberner Schild gegen den, der
von ihm Hilfe will. Ich muß Kohle haben; ich darf doch nicht erfrieren;
hinter mir der ...
Franz Kafka Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß
er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.
Die Köchin der Frau Grubach, seiner Zimmervermieterin, die
ihm jeden Tag gegen acht Uhr früh das Frühstück
brachte, kam diesmal nicht. Das war noch niemals geschehen. K.
...