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Friedrich Wilhelm Hackländer

Der Augenblick des Glücks

Kapitel 2

eingestellt: 15.7.2007






»Ich gratuliere von Herzen, mein Fräulein. Sie hätten keine bessere Wahl treffen können.« Dann wandte er sich zur Seite, reichte dem Oberstjägermeister, der entzückt und händereibend näher trat, die Hand und setzte hinzu: »In der That, Baron Rigoll, diese Verbindung freut mich außerordentlich, und ich hoffe, Sie werden glücklich sein.«



Wenn ein Funke in einen lockeren Strohhaufen fällt, so kann die Flamme sich nicht schneller verbreiten und nicht geschwinder emporlodern, als sich bei Hofe bei solcher Veranlassung die Gratulation, von allerhöchstem Munde proklamiert, durch beide Säle fortpflanzte und verbreitete.



»Man gratuliert!« rief dicht in der Nähe eine alte Hofdame, der man in ihrem ganzen Leben nie gratuliert hatte, fast mit einem lauten Aufschrei.



»Man gratuliert!« sagte eine alte Exzellenz, und -



»Man gratuliert!« tönte es von allen Seiten.



»Wen denn, um Gottes willen?«



»Fräulein von Ripperda.«



»Ganz unerhört! - und - -?«



»Nun, mit Seiner Exzellenz dem Herrn Oberstjägermeister. Das war doch vorauszusehen,« sagte jemand, der sich gern das Ansehen gab, als sei seinem Scharfblick noch nie etwas entgangen.



Daß es hierauf ein unglaubliches Gedränge um die Fensternische gab, kann man sich leicht denken. Wer möchte gern der letzte sein, um zu einer Verlobung zu gratulieren, die so offenbar von den allerhöchsten Herrschaften gutgeheißen und protegiert wurde! Es war rings im Kreise ein Lächeln, ein Sprechen, ein Trippeln und Scharren, daß man kaum die einzelnen Ausrufungen der uneigennützigsten Freunde, als: Superb! - Deliciös! - Wunderbar passend! - Ganz außerordentlich schön! - usw•, vernehmen konnte. - Nur Helene von Ripperda, eine der Hauptpersonen dieses lustigen Dramas, äußerte ihr Freude auf eigentümliche Art. Ihr Gesicht war mit einer furchtbaren Blässe bedeckt, ihre Lippen bebten und ihre Augen starrten über den gratulierenden Haufen hinaus, wie weit, weit in unabsehbare Fernen.



Die Prinzessin schien das von dem jungen Mädchen begreiflich zu finden; denn sie lachte mit den Umstehenden, blickte wie entzückt auf das Gesicht ihrer lieben Freundin und wußte in deren Namen fast alle Gratulationen mit einigen passenden Worten zu erwidern.



Der einzige, der die tiefe Blässe des jungen Mädchens zu verstehen schien und sie mit inniger Teilnahme betrachtete, war übrigens Seine königliche Hoheit, der Regent. Er wußte vielleicht, was in ihrem Herzen vorging; er berechnete vielleicht oder sah es in ihren seltsamen Blicken, daß die Kraft desselben nicht lange mehr anhalten würde. In seiner wirklich chevaleresken Manier näherte er sich dem Fräulein und bot ihr seinen Arm, indem er nicht ohne einen leisen Anflug von Ironie sagte:



»Man freut sich zu sehr über Ihr Glück. Ich muß wahrhaftig ins Mittel treten, um Sie vor den Gratulationen zu retten, die im stande sind, Sie zu erdrücken.«



Es war ein Blick inniger Dankbarkeit, mit dem das arme Mädchen ihre Hand auf den Arm des Regenten legte; dann machte sie ringsumher eine graziöse Verbeugung und atmete tief auf, als der Herzog sie in das Nebenzimmer geleitete bis zur Thür, welche in die Gemächer der Prinzessin führte, und sie dort freundlich entließ.



Herr von Wenden war einer von den wenigen, die sich bei der allgemeinen Gratulation begnügt hatten, von ihrem Platze aus ein freundlich grinsendes Gesicht zu zeigen; dabei hatte er sich aber bemüht, sich der Prinzessin, so sehr es ihm möglich war, zu nähern, und er hatte hinter den Fenstervorhängen so gut manövriert, daß er nun Ihrer Durchlaucht, als diese, um den fortwährenden Gratulationen zu entgehen, sich abermals gegen das Fenster wandte, ganz nahe gegenüberstand.



Da er einer von den Gerngesehenen war, auch die Prinzessin seinen in der That scharfen Verstand anerkannte, so zeigte sie in ihren Mienen, daß es ihr nicht unlieb war, gerade ihn hier zu treffen. Sie schmiegte sich in die Ecke der Fensternische und winkte dem Kammerherrn mit den Augen, ihr zu folgen. Es sprang ein recht boshafter Blick aus ihren Augen, als sie mit einer bezeichnenden Bewegung nach den inneren Zimmern zu sagte:



»Was meinen Sie wohl? Wieviel Prozent unserer Gratulanten haben anders gesprochen, als ihre Herzen dachten?«



»Recht viele, Euer Durchlaucht,« erwiderte der Kammerherr, »und auch ich muß mich ihnen anschließen. Auch ich gratuliere, aber ich gratuliere nur dem Baron Rigoll, der sein Glück in so gute Hände legte.«



»Ah was!« versetzte die Prinzessin, indem sie die Oberlippe höhnisch aufwarf; »an dessen Glück habe ich wahrhaftig wenig gedacht.«



»Also an das des Fräuleins von Ripperda?« entgegnete der Kammerherr mit einer eigentümlichen Betonung.



»Finden Sie die Partie nicht vortrefflich?«



»So vortrefflich, das Ganze so gelungen, daß ich mich glücklich schätzen würde, wenn Eure Durchlaucht einmal die Gnade haben wollten, auch mein Glück in Allerhöchst Ihre Hand zu nehmen.«



Die Prinzessin warf dem Sprecher einen forschenden Blick zu, doch nur eine Sekunde lang; dann schaute sie durch die Scheiben ins Freie und entgegnete:



»Scherz beiseite; Baron Rigoll verdient, daß man sich für ihn interessiert. Er ist mir außerordentlich attachiert.«



»Wenn das die Eigenschaft ist, die dazu gehört, um von Eurer Durchlaucht protegiert zu werden,« antwortete Herr von Wenden mit einer tiefen Verbeugung, aber in sehr bestimmtem Tone, »so würde ich mich gewiß dazu eignen, dieses Glück zu genießen.«



»Ich danke für Ihre Äußerung,« sagte huldvoll, aber etwas zerstreut die Prinzessin. »Leider befinden wir uns in Verhältnissen, wo man der zuverlässigen Leute bedarf.« Als sie das gesagt, richtete sich der Kammerherr in die Höhe, und dabei beugte er sich vorne über, um das, was er jetzt sagte, recht nahe vor den Ohren der Prinzessin hören zu lassen.



»Sollten Eure Durchlaucht,« sprach er, »je in den Fall kommen, meine unterthänigsten und ganz ergebenen Dienste benutzen zu wollen, so könnte das in einem Augenblick sein, wo Sie möglicherweise zu sich selber sprechen würden: Noch einen ganz zuverlässigen Mann, der Zutritt hat.« Diese Worte aber, die der Kammerherr mit entschiedener Betonung sprach, waren dieselben, die, durch feine Nadelstiche ausgedrückt, auf dem zusammengerollten Papierstreifen gestanden.



Bei Anhörung derselben zuckte die Prinzessin einen Augenblick zusammen, doch faßte sie sich augenblicklich wieder, warf einen schnellen Blick in dem Salon umher und sagte alsdann zu dem Kammerherrn mit jenem verbindlichen, aber doch gleichgültigen Lächeln, mit jenem Lächeln, das man bei Hofe so genau kennt, womit starke Seelen ebensowohl die Worte: Glauben Sie in der That, daß es morgen regnen wird? oder auch: Lassen Sie sich vor meinen Augen nicht mehr sehen, Sie sind ein Nichtswürdiger! zu begleiten pflegen, mit diesem selben Lächeln, wobei sie wie zerstreut an die Decke blickte und eine leichte Neigung mit dem Kopfe machte, sagte die Prinzessin zu dem Kammerherrn:



»Ich werde Sie um neun Uhr bei mir empfangen.«



Die anscheinend sehr unbedeutende Unterhaltung schien von wenigen im Salon eigentlich bemerkt, von niemand gewürdigt worden zu sein; nur der Regent hatte einen Augenblick vorher, ehe Herr von Wenden sich zurückzog, einen Blick auf die Wanduhr über dem Kamin und dann auf die Prinzessin geworfen, wahrscheinlich weil es ihm Zeit dünkte, den Cercle abzubrechen und sich zurückzuziehen.



Daß Herr von Fernow, der unbeweglich neben der Eingangsthür stand, wenn auch äußerlich sehr aufrecht und ruhig, innerlich aber zusammengeschmettert von dem, was zwischen Helene und dem Baron Rigoll vorgefallen, ebenfalls die Prinzessin, sowie auch seinen Freund nicht aus den Augen ließ, ist begreiflich, wenn wir hinzufügen, daß er ja ebenfalls gesehen, wie sich Ihre Durchlaucht zugleich mit der Amour offensée jenes geheimnisvolle Papierstreifchen geben ließ, und weil er bemerkt, wie eifrig der Kammerherr gesucht hatte, sich der Prinzessin nähern zu dürfen. Als dieser nun von der eben gehabten Unterredung zurücktrat und dem Freunde darauf sein Gesicht zuwandte, war dieses so strahlend und von Freude beglänzt, daß es selbst ihm, dem gewandten Hofmanne, nicht im Augenblick möglich war, die Spuren dieser Freude und dieses Glückes alsogleich vollständig zu verwischen, und es blieb davon noch so viel um den lächelnden Mund und die glückseligen Augen liegen, daß der Ordonnanzoffizier fragen konnte:

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