Frei Lesen: Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

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Friedrich von Hagedorn

Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

Vorwort

eingestellt: 28.6.2007





Diese Sammlung enthält Versuche in der Kunst zu erzehlen oder freie Nachahmungen der Alten und Neuern, welche sich in dieser Kunst hervorgethan haben.

Bey dem Verzeichnisse dieser Kleinigkeiten sind diejenigen angeführet worden, deren Beispiele mich zu dieser Schreibart aufgemuntert haben und in welchen man dasjenige antrifft, was ich in meinen poetischen Fabeln und Erzehlungen nicht selbst erfunden. Ich habe solches für dienlich erachtet, damit desto leichter wahrzunehmen stehe, daß ich in meinen Vorgängern, und insonderheit dem La Fontaine auf eine eben so freie Art gefolget sey, als dieser dem Phaedrus, Ovidius, Ariosto, Boccaccio und Marot nachgeeifert hat.

Wider diesen so beliebten La Fontaine1) hat sich unlängst ein gewisser Graf erkläret, dessen Andachten in gebundenen Zeilen denen vollkommen gleich sind, welche ihn in ungebundener Rede so bekannt machen. Mich wundert dieses so sehr nicht, als ich mich wundern würde, wenn die gräflichen Poesien einem La Fontaine, falls er noch lebte, im geringsten gefallen sollten.

Hätte ich aber nicht vielmehr des strengen Herrn von Muralt erwehnen sollen, der seinem Entschlusse, sich der Welt zu entäussern, weit grössere Fähigkeiten und vielleicht lebhaftere Empfindungen aufgeopfert hat, als jener? Ihn rühren die Schönheiten der Fabeln des La Fontaine; hingegen verhärtet er sich gegen den Reiz seiner Erzehlungen. Doch ihn entschuldigen seine Einsichten in andre Dinge und eben diejenigen Verdienste und Gaben, welche seine Selbstverleugnung zuletzt unter seine geringsten mag gezählet haben, seitdem er denen beigetreten ist, welche alles, was man in der politen Welt Witz, Kenntniß und Geschmack nennet, in einen gewissen Geist der Prüfung verwandeln, den sie selbst nicht erklären können. Man weiß, wie der Hr. von Muralt veranlasset worden, den Boileau, Bayle, Fontenelle und zum Theil den sinnreichen La Fontaine zu verabscheuen; und wem würde es schwer fallen, die Art solcher Sprödigkeit aus denen Schriften zu bestimmen, welche er nach seinen Briefen von den Engländern und Franzosen herausgegeben hat?

Was gegenwärtigen Versuch anbetrifft; so sind zu einigen Stellen gewisse Anmerkungen unentbehrlich gewesen. Von den übrigen wird es genug seyn, wenn selbige nur nicht unangenehm sind.

Ich muß noch erinnern, daß ich eine Auflage meiner ersten Gedichte ans Licht zu stellen gedencke. Viele Veränderungen in denenselben werden bezeugen, wie wenig sich mit der Ausgabe zufrieden bin, welche vor neun Jahren dem Drucke von mir überlassen worden. Hamburg, den 27. August, 1738.

Das geraubte Schäfgen >



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