Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen
Die Kenner
eingestellt: 28.6.2007
Es ließ sich in der Vögel Chören
Unlängst ein junger Vogel hören,
Und suchte nichts so sehr, als wahrer Kenner Gunst.
Gemeiner Sänger List wirbt manchen feilen Gönner;
Allein das Lobgeschrey, der Beifall halber Kenner
Entehrt, und zieret keine Kunst.
Es lobten ihn die Heidelerche,
Ein reisend Paar verirrter Störche,
Der Staar,
der Zitscherling,1) der Wendehals, der Specht.
Der Hänfling kam hervor, und bat ihn, mehr zu singen;
Der heischre Kiebitz schrie: Nichts kann mir besser klingen;
Der Reiger sagte: Du hast Recht.
Die Aelster schwatzte ganze Stunden
Und rühmte was sie schön befunden,
Des freien Schalles Höh und sanfter Töne Fall.
Der ekle Vogel sprach: Soll nichts dem Wunsche
fehlen,
Und darf sich mein Versuch selbst einen Richter wählen;
So wähl ich mir die Nachtigall.
*
Mich dünkt, sein Wunsch ist nicht zu tadeln.
Soll uns ein echter Vorzug adeln,
So muß der Einsicht Kraft den Stimmen Werth verleihn.
Man kennt, man überlebt des Nachruhms Ewigkeiten,
Die der Gelehrten Schaum, die Schmeichler unsrer Zeiten
Einander ohn Erröthen weihn.
Du Freund und Muster deutscher Dichter,
Der Wahrheit liebenswürdger Richter,
Mein Wilkens, den vorlängst der Pindus liebgewann;
Wie reizend werden mir doch meine Lieder schallen!
Wie werd ich, Werthester, mir endlich selbst gefallen,
Wenn ich nur Dir gefallen kann!
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