Frei Lesen: Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

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Friedrich von Hagedorn

Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

Phyllis

eingestellt: 28.6.2007





In einem Thal, wo den verjüngten Häyn
Der Frühling schmückt, ein klarer Bach benetzet,
Fand Phyllis sich zur muntren Doris ein,
Die sich bereits ins Grüne hingesetzt.
Ihr fliegend Haar und ihre weisse Brust
Reizt unverdeckt und ließ den Westwind spielen;
Den leichten West beschäftigte die Lust,
Wann iede sprach, sie gaukelnd abzukühlen.

Phyllis.

    Ich komme hier, um itzt recht schwesterlich
Mein ganzes Herz dir, Freundinn, anzuzeigen.

Doris.


    Nichts störet uns. Ich unterbreche dich
Durch gar kein Wort, bevor du selbst wirst schweigen.
Drum zögre nicht, gestehe mirs nur frey.
Du wirst ja roth und schlägst die Augen nieder!
Mein liebes Kind, wovor denn trägst du Scheu?
Sprich was du willst: kein Echo sagt es wieder.

Phyllis.

    Erräthst du nicht, von wem ich reden will?
Erräthst du nicht, daß ich den Thyrsis meyne?
Du kennest mich, und schwieg ich auch itzt still,
So weist du doch, ich sey schon längst die Seine.
Ich darf es dir, doch dir allein, gestehn,
Was für ein Zwang die Phyllis hingerissen,
Und wie, nachdem ich ihn zu oft gesehn,
Mein Thyrsis mir mit Recht gefallen müssen.

    Ich weiß den Tag, und der vergisst sich nie.
Ich kam damals zu vollen sechzehn Jahren.
Er wünschte Glück und wand mit froher Müh
Den schönsten Kranz zu meinen blossen Haaren.
Er führte mich zu diesem Wald hinein
Und spielt und sang und lockte Nachtigallen.
Wir setzten uns; er ließ von seiner Pein
Und meinem Ruhm ein reizend Lied erschallen.

    Er hatte sich an meine Brust gelegt
Und sprach zu mir von tausend süssen Sachen:
Mein weibisch Herz, durch iedes Wort bewegt,
Vermochte kaum, den Sieg ihm schwer zu machen;
Er bat zu wol um Lindrung seiner Qual,
Ein glühend Roth umfärbte seine Wangen:
Er küsst und seufzt, und küsste so viel mal
Bis wir zugleich zu seufzen angefangen.

    Ich sahe jüngst, und zwar an seiner Hand,
Im fetten Klee die sichern Herden weiden;
Da fragt ich ihn: Mein Thyrsis, ist ein Stand,
Den Liebende, den ich und du beneiden?
Nein, schwur er drauf, mir scheint kein Grosser gleich,
Wann ich entzückt in deinen Armen lausche;
Und es bezahlt den Kuß kein Königreich,
Wann ich mit dir die treuen Mäulgen tausche.

    Ist nicht dieß Wort mehr schmeichelhaft, als wahr?
Ich zweifle nicht, ich glaube seinen Augen.
Man fürchtet oft die schlüpfrige Gefahr;
Kann aber Furcht mein Glück zu kränken taugen?
Man höret zwar, wie Daphne sich betrübt,
Die unverhofft den Damon falsch befunden.
Doch hätten die so schön, wie wir, geliebt;
Sie würden noch durch gleichen Zug verbunden.

Doris.

    Die durch Bestand nicht Gegentreu erhält,
Die wird vom Glück zu grausam hintergangen:
Der wird zu bald die süsse Lust vergällt,
Die ihrem Wunsch zu schmeicheln angefangen.
Die gleichet dem, der, zwischen Laub und Gras,
Nach Blumen greift und eine Schlang entdecket,
Die zischend schwellt und, ungereizt, voll Haß
Den gelben Hals der Hand entgegen strecket.

Phyllis.

    Ich aber seh in so gelungner Wahl,
Ist Thyrsis hier, die Stunden spielend wallen,
Wie diesen Bach, der durch das grüne Thal
So lauter schleicht, und ohne brausend Fallen.
Denn zwischen Scherz und Selbstzufriedenheit
Verfliesst alsdann in heitrer Fluth mein Leben.
Doch Thyrsis fehlt; itzt trifft mich alles Leid,
Und selbst der Lenz kann mir nicht Freude geben.

    Sein Scheiden, ach! war herber Schmerzen voll!
Wie kann ich dir, was wir gefühlt, beschreiben:
Sein langsames, mein zaghaft Lebe wol,
Den letzten Schwur, uns stets getreu zu bleiben.
Wie oft erfolgt ein neuer Abschiedskuß!
Wie seufzt er selbst bey meinem Händeringen!
Bald gab er Trost; bald wußt er vor Verdruß
Vor Lieb und Gram kein Wort hervorzubringen.

Doris.

    Betrübe nicht, geliebte Schäferinn,
Dein zärtlich Herz durch dieses Angedenken,
Und lege nur die Last der Sorgen hin;
Dir wird ihn bald die Liebe wieder schenken.
Ein Ackersmann quält und entstellt sich nicht,
So bald die Luft ein feuchter Sündwind schwärzet,
Wenn schon von fern ein spielend Sonnenlicht
Um Berg und Feld, um Laub und Saaten scherzet.

Der Hirten Schaar zog in den stillen Wald
Und tränkte schon im Bach die feisten Herden;
Doch Phyllis Aug entdeckte sie zu bald.
Sie eilte fort, um nicht behorcht zu werden.
Doch Damon wagts, ihr heimlich nachzugehn.
Er fleht sie sehr, den Aufbruch aufzuschieben;
Allein umsonst; sein Seufzen und sein Flehn
Wird durch den Wind schnell in die Luft getrieben.

< Die Küsse
Daphnis >



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