Frei Lesen: Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

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Friedrich von Hagedorn

Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

Wallraff und Traugott

eingestellt: 28.6.2007





Heulend drang sich Boreas in die dichtverzäunten Felder,
Ueberraschte Berg und Thal, beugte, brach, zerriß die Wälder.
Durch die räuberischen Winde ward in einer Unglücksnacht
Nordens ewigbanger Wüste manches Tempe gleich gemacht.
Rauhe Furchen weiß von Reif, öde höckerichte Fluren,
Leere Wiesen, fallend Laub, des entblößten Winters Spuren
Droheten mit starrem Schrecken, wurden doppelt fürchterlich
Als die neue Wuth der Stürme das betrübte Land durchstrich.
Was des Pachters wacher Fleiß wohl verpflegt und eingeschlossen,
Hohe Ranken an dem Ulm, in den Beeten zarte Sprossen,
Zweige starker junger Bäume, die man alten eingesetzt,
Hoffnungvolle frische Pflanzen, die der Frost noch nicht verletzt,
Was des Winters strenger Grimm vielen Aesten lassen müssen,
Ward geknickt, gebeugt, zerstreut, abgeschlagen, umgerissen.
Endlich bringt der Tag die Stille: ieder eilt, um selbst zu sehn,
Welche Bäume noch zu stützen, welche sonst zu retten stehn;
Hausherr, Frau und Knecht und Magd macht sich auf und forscht und zählet
Ranken, Sprossen, Baum und Stock, die der Nordwind itzt verfehlet.
Zur Erhaltung der Gewächse lehren alle was zu thun;
Jeder giebt dem Nachbar Anschlag; weder Witz noch Zunge ruhn.

    Wallraff nur fasst den Entschluß, seine Bäume zu behauen
Und weit emsiger, als sonst, das beraubte Feld zu bauen,
Greift zur nächsten Axt und Hacke, schneidet, pflöcket, kürzt und bricht,
Aber kürzt und bricht zu heftig, und verschont fast keinen nicht.
Zwar sein Nachbar Traugott kömmt, aus Erfahrung ihn zu lehren,
Nicht durch Eile noch Gewalt Ordnung und Natur zu stören.
Schone, spricht er, deiner Bäume: glaube mir, allein die Zeit
Schaffet, ohne solche Mittel, die erwünschte Fruchtbarkeit.
Aber Wallraff hört ihn nicht. Als hierauf der Lenz erschienen,
Sahe man fast ieden Baum, nur nicht die gekappten, grünen
Und des weisen Alten Stämme voller als man sonst gesehn,
Reich an unerzwungnen Früchten, ungekünstelt prächtig stehn.

    Diesen Bäumen gleicht der Witz; sucht ihn nicht zu übertreiben;
Ehrt die würkende Natur; laßt das Künsteln ferne bleiben.
Soll die Sele sich entwickeln und in rechter Grösse blühn,
O so muß kein klügelnd Meistern ihr die Majestät entziehn.

< Der Sultan und sein Vezier Azem
Die Thiere >



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