Frei Lesen: Erinnerungen, Band 3

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Kapitelübersicht

Erstes Kapitel Ich erhalte ein Nachtlager im Hause des ... | Zweites Kapitel Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. -- Der ... | Drittes Kapitel Graf Tiretta aus Treviso. -- Abbé Ceste, -- Die ... | Viertes Kapitel Abbé de la Ville. -- Abbé Galiani. -- Charakter der ... | Fünftes Kapitel Graf de la Tour d'Auvergne und Frau d'Urfé. -- ... | Sechstes Kapitel Frau von Urfé macht sich irrtümliche und ... | Siebentes Kapitel Mein Glück in Holland. -- Ich kehre mit dem jungen ... | Achtes Kapitel Schmeichelhafter Empfang von Seiten meiner Gönner. -- ... | Neuntes Kapitel Fortsetzung meiner Liebelei mit dem reizenden ... | Zehntes Kapitel Neue Zwischenfälle. -- J.J. Rousseau. -- Ich gründe ... | Elftes Kapitel Ich werde verhört. -- Ich gebe dem Gerichtsschreiber ... | Zwölftes Kapitel Porträt der angeblichen Gräfin Piccolomini. -- ... | Dreizehntes Kapitel Ich kläre Esther auf. -- Ich reise nach ... | Vierzehntes Kapitel Das Jahr 1760. -- Die Maitresse Gardella. ... | Fünfzehntes Kapitel Ich beschließe Mönch zu werden. --- Ich beichte. ... | Sechzehntes Kapitel Meine Abreise von Zürich. --- Komisches Erlebnis ... | Siebzehntes Kapitel Mein Landhaus. -- Frau Dubois, -- Die ... | Achtzehntes Kapitel Fortsetzung des vorigen Kapitels. --- Meine ... | Neunzehntes Kapitel Bern. -- Die Matte. -- Frau de la Saone. -- ... | Zwanzigstes Kapitel Albrecht von Haller. -- Mein Aufenthalt in ... | Einundzwanzigstes Kapitel Herr von Voltaire; meine Unterhaltungen ... |

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Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 3

Viertes Kapitel Abbé de la Ville. -- Abbé Galiani. -- Charakter der neapolitanischen Mundart. -- Ich reise mit einem geheimen Auftrag nach Dünkirchen. -- Ich fahre über Amiens nach Paris zurück. -- Unbesonnene Streiche. -- Herr de la Bretonnière. -- Mein Bericht gefällt; ich erhalte fünfhundert Louis. -- Betrachtungen

eingestellt: 27.6.2007





Eine neue Bahn eröffnete sich mir. Wiederum war mir das Glück hold. Ich besaß alle Mittel, um der blinden Göttin zu Hilfe zu kommen; aber mir fehlte eine wesentliche Eigenschaft: Ausdauer. Mein Leichtsinn, meine maßlose Vergnügungssucht zerstörten die guten Gaben, die ich von der Natur empfangen hatte.



Herr von Bernis empfing mich wie gewöhnlich, das heißt weniger als Minister denn als Freund. Er fragte mich, ob ich nicht geneigt wäre, geheime Aufträge zu übernehmen.



»Werde ich auch das nötige Talent dazu haben?«



»Daran zweifle ich nicht.«



»Ich fühle mich zu allem geneigt, womit ich auf anständige Weise Geld verdienen kann. Was mein Talent anbetrifft, so verlasse ich mich recht gern auf das Urteil Eurer Exzellenz.«



Über diesen Schlußsatz lächelte er; das wollte ich gerade.



Nach einigen beiläufigen Worten über alte Erinnerungen, die die Zeit noch nicht ganz verwischt hatte, sagte der Minister mir, ich möchte in seinem Namen den Abbé de la Ville aufsuchen.



Dieser Abbé war sein erster Geheimrat, ein kalter, tiefer Politiker, die Seele des Ministeriums, und Seine Exzellenz hielt große Stücke auf ihn. Als Geschäftsträger im Haag hatte er dem Staat gute Dienste geleistet, und der dankbare König belohnte ihn, indem er ihm an seinem Todestage ein Bistum verlieh. Die Belohnung kam ein bißchen zu spät; aber Könige haben nicht immer Zeit, Gedächtnis zu haben. Der Erbe dieses braven Mannes war ein gewisser Garnier, ein Glückspilz. Er war früher Koch bei Herrn dArgenson gewesen und hatte die beständige Freundschaft des Abbé de la Ville zu benutzen gewußt, um ein reicher Mann zu werden. Die beiden Freunde, die ungefähr gleichalterig waren, hatten ihre Testamente bei demselben Notare hinterlegt und sich gegenseitig zu Universalerben eingesetzt.



Der Abbé de la Ville hielt mir einen kurzen Vortrag über die Natur der geheimen Aufträge. Nachdem er mir auseinandergesetzt hatte, wie klug damit betraute Personen sich benehmen müßten, sagte er mir, er werde mir Bescheid geben, sobald sich etwas Passendes für mich böte; hierauf lud er mich zum Essen ein.



Bei Tische machte ich die Bekanntschaft des neapolitanischen Gesandtschaftssekretärs,Abbé Galiani. Er war ein Bruder des Marchese Galiani, von dem ich erzählen werde, wenn wir bei meiner Reise nach jenem schönen Lande angekommen sind. Abbé Galiani war ein sehr geistreicher Mann. Er besaß ein hervorragendes Talent, seinen ernsthaften Bemerkungen einen komischen Anstrich zu geben. Er sprach gut und stets ohne zu lachen und gab seinem Französisch den unwiderstehlichen neapolitanischen Akzent; daher war er in allen Gesellschaften, die er seiner Gegenwart würdigte und deren Zierde er war, außerordentlich beliebt. Der Abbé sagte ihm, Voltaire beklage sich, daß man seine Henriade in neapolitanische Verse so übersetzt habe, daß sie lächerlich geworden sei.



»Voltaire hat unrecht,« sagte Galiani, »denn es liegt in der Natur der neapolitanischen Sprache, daß man sie nicht in Verse bringen kann, ohne daß etwas Lächerliches herauskommt. Wozu übrigens sich ärgern, wenn man Lachen erregt? Dieses ist nicht gleichbedeutend mit Spott; wer die Menschen vor Vergnügen zum Lachen bringt, ist stets sicher, geliebt zu werden. Stellen Sie sich nur den eigentümlichen Charakter der neapolitanischen Mundart vor! Wir haben eine Übersetzung der Bibel und eine der Ilias, und beide reizen zum Lachen.«



»Von der Bibel will ich es gern glauben; aber von der Ilias überrascht es mich.«



»Es ist aber doch wahr.«



Ich kehrte erst am Tage vor der Abreise des Fräuleins de la Meure, die inzwischen Frau P. geworden war, nach Paris zurück. Ich glaubte nicht umhin zu können, Frau *** aufzusuchen, um meiner früheren Geliebten Glück und gute Reise zu wünschen. Ich fand sie fröhlich und vollkommen zufrieden; weit entfernt, mich zu ärgern, freute ich mich darüber; dies war ein sicheres Zeichen meiner völligen Heilung. Wir sprachen ganz ungezwungen miteinander, und ihr Gatte schien ein vortrefflicher Mann zu sein. Auf ihr Bitten versprach ich ihr, sie in Dünkirchen zu besuchen, obwohl ich nicht im entferntesten daran dachte, mein Wort zu halten; aber die Umstände fügten es anders.



Tiretta blieb nun also allein mit seinem Püppchen. Sie wurde von Tag zu Tag verrückter und immer mehr in ihren Lindor verliebt, der ihr so zahlreiche Beweise seiner Liebe und Treue gab.



Ich selber machte in dem ruhigen Leben, das ich nun führte, wie ein Schüler in platonischer Liebe meiner Manon Baletti den Hof, und diese gab mir täglich irgendeinen neuen Beweis der Fortschritte, die ich in ihrem Herzen machte.



Die Gefühle der Freundschaft und Achtung, die mich mit ihrer Familie verbanden, schlossen jeden Gedanken an Verführung aus; da ich aber immer verliebter wurde und nicht daran dachte, um ihre Hand anzuhalten, so wurde es mir schwer, mir selber Rechenschaft zu geben, was ich eigentlich bezweckte; ich ließ mich gedankenlos gehen, wie ein unbewegter Körper, der von der Strömung fortgetrieben wird.



Im Anfang des Monats Mai schrieb Abbé de Bernis mir, ich möchte ihn in Versailles aufsuchen, mich aber vorher beim Abbé de la Ville einfinden. Dieser empfing mich mit der Frage, ob ich mir wohl zutraue, acht oder zehn Kriegsschiffe, die auf der Reede von Dünkirchen lägen, zu besuchen, indem ich auf geschickte Weise mit den befehligenden Offizieren Bekanntschaft machte, so daß ich imstande wäre, ihm einen ausführlichen Bericht über die Verproviantierung jeder Art, die Anzahl der Matrosen jedes Schiffes, den Vorrat an Munition, die Verwaltung, die Polizei usw. einzureichen.



»Ich werde den Versuch machen; nach meiner Rückkehr werde ich Ihnen den Bericht einreichen, und Sie werden mir sagen, ob ich meine Sache gut gemacht habe.«



»Da es sich um eine geheime Sendung handelt, kann ich Ihnen keinen Brief geben; ich kann Ihnen nur eine glückliche Reise wünschen und Geld geben.«



»Ich will kein Geld zum voraus, Herr Abbé; wenn ich wieder zurück bin, können Sie mir geben, was ich nach Ihrer Meinung verdient habe. Bis zur Abreise brauche ich mindestens drei Tage; denn ich muß mir erst einige Empfehlungsbriefe verschaffen.«



»Nun, suchen Sie nur bis Ende des Monats wieder hier zu sein. Weiter ist nichts nötig.«



An demselben Tage hatte ich im Palais Bourbon eine Unterhaltung mit meinem Beschützer; er bewunderte mein Zartgefühl, daß ich keine Vorauszahlung hatte annehmen wollen, und benutzte sogleich den Umstand, um mich in seiner vornehmen Weise zu nötigen, eine Rolle von hundert Louis anzunehmen. Seitdem habe ich mich nicht mehr in der Notwendigkeit befunden, die Börse des freigebigen Mannes in Anspruch zu nehmen, nicht einmal in Rom, wo ich ihn vierzehn Jahre später traf.



»Da es sich um einen geheimen Auftrag handelt, mein lieber Casanova, so kann ich Ihnen keinen Paß geben; es tut mir leid, aber Sie würden sich dadurch verdächtig machen. Um diesem Übelstande abzuhelfen, werden Sie sich leicht unter irgendeinem Vorwand einen Paß vom Ersten Edelmann der Kammer verschaffen können. Am besten wird Ihnen hierbei Sylvia behilflich sein können. Sie sehen wohl ein, wie vorsichtig Sie sich benehmen müssen. Vermeiden Sie besonders, sich in irgendwelche Händel einzulassen; denn Sie wissen wohl, daß Ihnen eine Berufung auf Ihren Auftraggeber nichts nützen würde, falls Ihnen irgendetwas zustoßen sollte. Man würde gezwungen sein, Sie zu verleugnen; denn die einzigen anerkannten Spione sind die Gesandten. Vergessen Sie nicht, daß Sie mehr Zurückhaltung und Umsicht beobachten müssen als diese; daß Sie aber, wenn Sie Erfolg haben wollen, diese beiden Eigenschaften nicht merken lassen dürfen, sondern daß Sie ungezwungen und natürlich auftreten müssen, um Vertrauen zu erwecken. Wenn Sie mir nach Ihrer Rückkehr Ihren Bericht vorlegen wollen, ehe Sie ihn dem Abbé de la Ville einreichen, so werde ich Ihnen sagen, was etwa gestrichen oder hinzugefügt werden könnte.«

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