Frei Lesen: Erinnerungen, Band 4

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Kapitelübersicht

Erstes Kapitel Meine Abenteuer in Air in Savoyen. – Meine zweite M. ... | Zweites Kapitel Ende meines Abenteuers mit der Nonne von Chambéry. – ... | Drittes Kapitel Die Mädchen des Hausmeisters. – Das Horoskop. – ... | Viertes Kapitel Meine Abreise von Grenoble. – Avignon. – Der Quell ... | Fünftes Kapitel Rosalie. - Toulon. - Nizza. - Meine Ankunft in ... | Sechstes Kapitel Die Komödie. - Der Russe. - Petri. - Rosalie im ... | Siebentes Kapitel Ich verliebe mich in Veronika. – Ihre Schwester. – ... | Achtes Kapitel Geschickte Gaunerei. – Passano in Livorno. – Pisa und ... | Neuntes Kapitel Die Corticelli. – Der jüdische Theaterdirektor ... | Zehntes Kapitel Kardinal Passionei. – Der Papst. – Mariuccia. – ... | Elftes Kapitel Mein kurzer, aber glücklicher Aufenthalt in Neapel. – ... | Zwölftes Kapitel Mein Wagen zerbricht. – Mariuccias Heirat. - Flucht ... | Dreizehntes Kapitel Ankunft in Bologna. –- Meine Ausweisung aus ... | Vierzehntes Kapitel Mein Sieg über den Polizeivikar. – Meine ... | Fünfzehntes Kapitel Mein Aufenthalt in Paris und meine Abreise nach ... | Sechzehntes Kapitel Die Komödianten und die Komödie. – Bassi. – Die ... | Siebzehntes Kapitel Ich kehre mit der zur Gräfin Lascaris gemachten ... | Achtzehntes Kapitel Ich schicke die Corticelli nach Turin. –- ... | Neunzehntes Kapitel Meine alten Bekannten.–-Dame ... | Zwanzigstes Kapitel Ich trete Agata dem Lord Percy ab. – Abreise ... | Einundzwanzigstes Kapitel Demütigung der Gräfin. – Zenobias Hochzeit ... |

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Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 4

Elftes Kapitel Mein kurzer, aber glücklicher Aufenthalt in Neapel. – Der Herzog von Matalone. – Meine Tochter und Donna Lucrezia. – Meine Abreise.

eingestellt: 1.8.2007





Ich will, mein lieber Leser, nicht das Unmögliche versuchen, so große Lust ich auch habe, dir die Freude, das Glück, ja ich möchte sagen das Rauschgefühl, zu schildern, das ich empfand, als ich mich in jener geliebten Parthenopolis wiedersah, die mir so süße Erinnerungen zurückgelassen und wo ich vor achtzehn Jahren zum erstenmal mein Glück gemacht hatte, als ich von Morterano zurückkehrte. Da ich zum zweitenmal Neapel nur besuchte, um das Versprechen zu halten, das ich während meines Aufenthaltes in Paris dem Herzog von Matalone gegeben hatte, so hätte ich mich sofort zu diesem hohen Herrn begeben sollen; da ich jedoch voraussah, daß er mir wenig Freiheit lassen würde, sobald ich ihn aufgesucht hätte, so erkundigte ich mich zunächst nach allen meinen Bekannten.



Ich ging in aller Frühe zu Fuß aus und stellte mich zunächst dem Bankier vor, an den Belloni mich gewiesen hatte. Er nahm meinen Kreditbrief entgegen, gab mir so viele Banknoten, wie ich wünschte, und versprach mir auf sein Ehrenwort, daß kein Mensch von unseren geschäftlichen Beziehungen erfahren solle. Von ihm begab ich mich nach der Wohnung des Don Casanova; man sagte mir aber, er lebe in der Nähe von Salerno auf einem Landgut, das er gekauft und wodurch er den Titel eines Marchese erlangt habe. Dies war mir verdrießlich; indessen durfte ich nicht erwarten, in Neapel den Status quo zu finden, der ja nirgends zu finden ist. Polo war tot, und sein Sohn wohnte in Santa Lucia mit seiner Frau und seinen Kindern; bei meiner Abreise damals war er ein Kind gewesen. Obwohl ich ihn gerne gesehen hätte, fand ich doch keine Zeit dazu. Wie man sich denken kann, vergaß ich nicht den Advokaten Castelli, den Gatten meiner teuren Lucrezia, die ich in Rom so sehr geliebt und mit der ich in Tivoli so süße Augenblicke verbracht hatte. Ich sehnte mich danach, sie wiederzusehen, und fühlte einen süßen Schauer bei dem Gedanken an den Genuß, womit wir uns einer zu früh entschwundenen Zeit erinnern würden, die mir ewig unvergeßlich bleiben wird. Aber Castelli war schon lange tot, und seine Witwe wohnte zwanzig Miglien von Neapel. Ich nahm mir vor, nicht wieder abzureisen, ohne sie umarmt zu haben. Von Don Lelio Caraffa wußte ich, daß er noch lebte und daß er im Mataloneschen Palast wohnte.



Ermüdet von meinen Gängen kam ich nach Hause. Ich speiste gut zu Mittag, machte Toilette, stieg in meinen Mietwagen und begab mich nach dem Palazzo Matalone, wo man mir sagte, der Herzog sei bei Tisch. Trotzdem ließ ich mich anmelden. Der Herzog kam mir entgegen und erwies mir die Ehre, mich zu umarmen und mich zu duzen; hierauf stellte er mich seiner Gemahlin, einer Tochter des Herzogs von Bovino, sowie der zahlreichen Gesellschaft vor, die er bei Tisch hatte. Ich sagte ihm, ich wäre nur nach Neapel gekommen, um ihm den Besuch zu machen, den ich ihm in Paris versprochen hätte.



»Dann, lieber Freund, ist es nicht mehr als recht, daß ich dich beherberge.« Und ohne meine Antwort abzuwarten, rief er: »Man gehe schnell in den Gasthof, wo Herr Casanova abgestiegen ist, und bringe sein ganzes Gepäck hierher! Wenn er einen eigenen Wagen hat, soll dieser bei mir untergestellt werden.«



Ich nahm die Einladung an.



Ein schöner Mann, der sich unter den Gästen befand, sagte, als er meinen Namen hörte, mit fröhlichem Lachen: »Wenn du meinen Namen trägst, kannst du nur ein Bankert meines Vaters sein.«



»Nicht deines Vaters,« versetzte ich augenblicklich, »sondern deiner Mutter.«



Die Gesellschaft lachte laut auf und klatschte meiner Antwort Beifall; mein Gegner aber fühlte sich dadurch keineswegs beleidigt, sondern stand auf, um mich zu umarmen. Man erklärte mir das Mißverständnis. Statt Casanova hatte der Herr »Casalnovo« verstanden; er war Herzog und Besitzer des gleichnamigen Lehens.



»Weißt du,« fragte mich der Herzog von Madalone, »daß ich einen Sohn habe?«



»Man hat es mir gesagt, und ich habe es nicht glauben wollen; aber ich tue Abbitte wegen meiner Ungläubigkeit, denn ich sehe einen Engel, der gewiß dieses Wunder bewirkt hat.«



Die Herzogin errötete, belohnte aber mein Kompliment nicht mit einem einzigen Blick; doch die Gesellschaft gab mir Genugtuung, indem sie in die Hände klatschte. Es war allgemein bekannt, daß der Herzog vor seiner Verheiratung für unvermögend galt. Der Herzog ließ seinen Sohn hereinkommen; ich bewunderte ihn und sagte, er sehe ihm vollkommen ähnlich. Ein gutgelaunter Mönch, der an der rechten Seite der Herzogin saß, war aufrichtiger und sagte, der Knabe sähe dem Herzog nicht ähnlich. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als die Herzogin mit der größten Kaltblütigkeit ihm eine Ohrfeige gab, die der Mönch mit der besten Manier hinnahm.



Tausend heitere Bemerkungen machten mich in weniger als einer halben Stunde bei der ganzen Gesellschaft beliebt. Nur die Herzogin suchte durch hoheitsvollen Ton mich in Schranken zu halten. Sie war schön, aber ungeheuer hochmütig, wußte zur rechten und unrechten Zeit stumm und taub zu sein und hatte stets ihre Augen in der Gewalt. Zwei Tage lang bot ich alles Mögliche auf, um sie zu einem Gespräch zu bringen; es wollte mir nicht gelingen. Da ich keine Absichten auf sie hatte –- und es mag wohl gut gewesen sein, daß dies nicht der Fall war –-, so überließ ich sie ihrem Stolz.



Der Herzog führte mich selber nach den Zimmern, die er für mich bestimmt hatte; als er bei dieser Gelegenheit meinen Spanier sah, fragte er mich, wo mein Sekretär sei, und als er sah, daß dies der Abbate Alfani war, der sich für meinen Sekretär ausgegeben hatte, um in Neapel unbeachtet zu bleiben, sagte er zu mir: »Daran hat der Abbate sehr gut getan; denn mit seinen angeblichen Antiken hat er so viele Leute betrogen, daß ihm recht wohl irgend jemand einen bösen Streich hätte spielen können.«



Er zeigte mir seinen Marstall, worin er herrliche Pferde von den schönsten Rassen, Araber, Andalusier und Engländer, hielt; sodann seine Galerie, die sehr reich war, und seine zahlreiche und gutgewählte Bibliothek; endlich seine Privatgemächer, in denen sich eine reiche Sammlung verbotener Bücher befand.



Nachdem ich mehrere Titel angesehen und in einigen Bänden geblättert hatte, sagte er: »Ich will dir etwas zeigen; aber versprich mir strengste Geheimhaltung.«



Dies versprach ich ihm gerne. Ich erwartete irgendein Wunder zu sehen, aber was er mir zeigte, war eine Satire, von der ich nichts verstand, die aber den ganzen Hof lächerlich machen sollte. Niemals ist es mir leichter geworden, ein Geheimnis zu bewahren.



Sodann sagte er: »Du wirst in das Theater San Carlo gehen; ich werde dich den schönsten Damen von Neapel vorstellen, und du kannst dann hingehen, so oft du Lust hast; denn meine Loge steht allen meinen Freunden offen. Ich werde dich auch meiner Geliebten in ihrer Loge vorstellen, und sie wird dich mit Vergnügen empfangen, so oft du sie besuchen willst.«



»Wie, mein lieber Herzog? Du hast eine Maitresse?«



»Ja, lieber Freund; aber nur der Form wegen, denn ich liebe meine Frau. Trotzdem glaubt man, daß ich in meine Maitresse verliebt und sogar eifersüchtig auf sie sei, weil ich ihr keinen Menschen vorstelle und ihr nicht erlaube, einen Besuch zu empfangen.«



»Und nimmt denn die junge Herzogin es nicht übel, daß du eine Geliebte hast?«



»Meine Frau kann nicht eifersüchtig auf sie sein, denn sie weiß, daß ich bei allen Frauen impotent bin ..... außer bei ihr.«



»Ich verstehe; aber die Geschichte ist wirklich spaßhaft und zugleich unglaublich; denn kann man eine Maitresse unterhalten, die man nicht liebt?«



»Ich habe ja nicht gesagt, daß ich sie nicht liebe; ich liebe sie im Gegenteil sehr, denn sie ist geistvoll wie ein Engel; sie erheitert mich, aber sie interessiert nur meinen Geist.«

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