Frei Lesen: Der zerbrochene Krug

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Heinrich von Kleist

Der zerbrochene Krug

Zehnter Auftritt

eingestellt: 10.6.2007



Die Vorigen ohne Licht. Späterhin einige Mägde.

Adam aufstehend. Inzwischen könnte man, wenns so gefällig, Vom Sitze sich ein wenig lüften--?

Walter Hm! O ja. Was ich sagen wollt--

Adam Erlaubt Ihr gleichfalls, Daß die Partein, bis Frau Brigitt erscheint--?

Walter Was? Die Partein?

Adam Ja, vor die Tür, wenn Ihr--

Walter für sich. Verwünscht!

(Laut.)

Herr Richter Adam, wißt Ihr was? Gebt ein Glas Wein mir in der Zwischenzeit.

Adam Von ganzem Herzen gern. He! Margarete! Ihr macht mich glücklich, gnäd'ger Herr.--Margrete!

Die Magd tritt auf.

Die Magd Hier.

Adam Was befehlt Ihr!--Tretet ab, ihr Leute. Franz?--Auf den Vorsaal draußen.--Oder Rhein?

Walter Von unserm Rhein.

Adam Gut.--Bis ich rufe. Marsch!

Walter Wohin?

Adam Geh, vom versiegelten, Margrete.-- Was? Auf den Flur bloß draußen.--Hier. Der Schlüssel.

Walter Hm! Bleibt.

Adam Fort! Marsch, sag ich!--Geh, Margarete! Und Butter, frisch gestampft, Käs' auch aus Limburg, Und von der fetten pommerschen Räuchergans.

Walter Halt! Einen Augenblick! Macht nicht so viel Umständ, ich bitt Euch sehr, Herr Richter.

Adam Schert Zum Teufel euch, sag ich! Tu, wie ich sagte.

Walter Schickt Ihr die Leute fort, Herr Richter?

Adam Ew. Gnaden?

Walter Ob Ihr--?

Adam Sie treten ab, wenn Ihr erlaubt. Bloß ab, bis Frau Brigitt erscheint. Wie, oder solls nicht etwa--?

Walter Hm! Wie Ihr wollt. Doch obs der Mühe sich verlohnen wird? Meint Ihr, daß es so lange Zeit wird währen, Bis man im Ort sie trifft?

Adam 's ist heute Holztag, Gestrenger Herr. Die Weiber größtenteils Sind in den Fichten, Sträucher einzusammeln. Es könnte leicht--

Ruprecht Die Muhme ist zu Hause.

Walter Zu Haus. Laßt sein.

Ruprecht Die wird sogleich erscheinen.

Walter Die wird uns gleich erscheinen. Schafft den Wein.

Adam für sich. Verflucht!

Walter Macht fort. Doch nichts zum Imbiß, bitt ich, Als ein Stück trocknen Brotes nur, und Salz.

Adam für sich. Zwei Augenblicke mit der Dirn allein--

(Laut.)

Ach, trocknes Brot! Was! Salz! Geht doch.

Walter Gewiß.

Adam Ei, ein Stück Käs' aus Limburg mindestens.--Käse Macht erst geschickt die Zunge, Wein, zu schmecken.

Walter Gut. Ein Stück Käse denn, doch weiter nichts.

Adam So geh. Und weiß, von Damast, aufgedeckt. Schlecht alles zwar, doch recht.

(Die Magd ab.)

Das ist der Vorteil Von uns verrufnen hagestolzen Leuten, Daß wir, was andre, knapp und kummervoll, Mit Weib und Kindern täglich teilen müssen, Mit einem Freunde, zur gelegnen Stunde, Vollauf genießen.

Walter Was ich sagen wollte-- Wie kamt Ihr doch zu Eurer Wund, Herr Richter? Das ist ein böses Loch, fürwahr, im Kopf, das!

Adam --Ich fiel.

Walter Ihr fielt. Hm! So. Wann? Gestern abend?

Adam Heut, Glock halb sechs, verzeiht, am Morgen, früh, Da ich soeben aus dem Bette stieg.

Walter Worüber?

Adam Über--gnäd'ger Herr Gerichtsrat, Die Wahrheit Euch zu sagen, über mich. Ich schlug Euch häuptlings an den Ofen nieder, Bis diese Stunde weiß ich nicht, warum?

Walter Von hinten?

Adam Wie? Von hinten--

Walter Oder vorn? Ihr habt zwo Wunden, vorne ein' und hinten.

Adam Von vorn und hinten.--Margarete!

(Die beiden Mägde mit Wein usw. Sie decken auf und gehen wieder ab.)

Walter Wie?

Adam Erst so, dann so. Erst auf die Ofenkante, Die vorn die Stirn mir einstieß, und sodann Vom Ofen rückwärts auf den Boden wieder, Wo ich mir noch den Hinterkopf zerschlug.

(Er schenkt ein.)

Ists Euch gefällig?

Walter nimmt das Glas. Hättet Ihr ein Weib, So würd ich wunderliche Dinge glauben, Herr Richter.

Adam Wieso?

Walter Ja, bei meiner Treu, So rings seh ich zerkritzt Euch und zerkratzt.

Adam lacht. Nein, Gott sei Dank! Fraun-Nägel sind es nicht.

Walter Glaubs. Auch ein Vorteil noch der Hagestolzen.

Adam fortlachend. Strauchwerk, für Seidenwürmer, das man trocknend Mir an dem Ofenwinkel aufgesetzt.-- Auf Euer Wohlergehn!

(Sie trinken.)

Walter Und grad auch heut Noch die Perücke seltsam einzubüßen! Die hätt Euch Eure Wunden noch bedeckt.

Adam Ja, ja. Jedwedes Übel ist ein Zwilling. Hier--von dem fetten jetzt--kann ich--?

Walter Ein Stückchen. Aus Limburg?

Adam Rect' aus Limburg, gnäd'ger Herr.

Walter -Wie Teufel aber, sagt mir, ging das zu?

Adam Was?

Walter Daß Ihr die Perücke eingebüßt.

Adam Ja, seht. Ich sitz und lese gestern abend Ein Aktenstück, und weil ich mir die Brille Verlegt, duck ich so tief mich in den Streit, Daß bei der Kerze Flamme lichterloh Mir die Perücke angeht. Ich, ich denke, Feur fällt vom Himmel auf mein sündig Haupt, Und greife sie, und will sie von mir werfen; Doch eh ich noch das Nackenband gelöst, Brennt sie wie Sodom und Gomorrha schon. Kaum daß ich die drei Haare noch mir rette.

Walter Verwünscht! Und Eure andr ist in der Stadt?

Adam Bei dem Perückenmacher.--Doch zur Sache.

Walter Nicht allzu rasch, ich bitt, Herr Richter Adam.

Adam Ei, was! Die Stunde rollt. Ein Gläschen. Hier.

(Er schenkt ein.)

Walter Der Lebrecht--wenn der Kauz dort wahr gesprochen Er auch hat einen bösen Fall getan.

Adam Auf meine Ehr.

(Er trinkt.)

Walter Wenn hier die Sache, Wie ich fast fürchte, unentworren bleibt, So werdet Ihr, in Eurem Ort, den Täter Leicht noch aus seiner Wund entdecken können.

(Er trinkt.)

Niersteiner?

Adam Was?

Walter Oder guter Oppenheimer?

Adam Nierstein. Sieh da! Auf Ehre! Ihr verstehts. Aus Nierstein, gnäd'ger Herr, als hätt ich ihn geholt.

Walter Ich prüft ihn, vor drei Jahren, an der Kelter.

(Adam schenkt wieder ein.)

--Wie hoch ist Euer Fenster?--Dort! Frau Marthe!

Frau Marthe Mein Fenster?

Walter Das Fenster jener Kammer, ja, Worin die Jungfer schläft?

Frau Marthe Die Kammer zwar Ist nur vom ersten Stock, ein Keller drunter, Mehr als neun Fuß das Fenster nicht vom Boden; Jedoch die ganze, wohlerwogene Gelegenheit sehr ungeschickt zum Springen. Denn auf zwei Fuß steht von der Wand ein Weinstock, Der seine knot'gen Äste rankend hin Durch ein Spalier treibt, längs der ganzen Wand: Das Fenster selbst ist noch davon umstrickt. Es würd ein Eber, ein gewaffneter, Müh mit den Fängern haben, durchzubrechen.

Adam Es hing auch keiner drin.

(Er schenkt sich ein.)

Walter Meint Ihr?

Adam Ach, geht!

(Er trinkt.)

Walter zu Ruprecht. Wie traf Er denn den Sünder? Auf den Kopf,

Adam Hier.

Walter Laßt.

Adam Gebt her.

Walter 's ist halb noch voll.

Adam Wills füllen.

Walter Ihr hörts.

Adam Ei, für die gute Zahl.

Walter Ich bitt Euch.

Adam Ach, was! Nach der Pythagoräeer-Regel.

(Er schenkt ihm ein.)

Walter wieder zu Ruprecht. Wie oft traf Er dem Sünder denn den Kopf?

Adam Eins ist der Herr; Zwei ist das finstre Chaos; Drei ist die Welt. Drei Gläser lob ich mir. Im dritten trinkt man mit den Tropfen Sonnen, Und Firmamente mit den übrigen.

Walter Wie oftmals auf den Kopf traf Er den Sünder? Er, Ruprecht, Ihn dort frag ich!

Adam Wird mans hören? Wie oft trafst du den Sündenbock? Na, heraus! Gotts Blitz, seht, weiß der Kerl wohl selbst, ob er-- Vergaßt du's?

Ruprecht Mit der Klinke?

Adam Ja, was weiß ich.

Walter Vom Fenster, als Er nach ihm herunter hieb?

Ruprecht Zweimal, Ihr Herrn.

Adam Halunke! Das behielt er!

(Er trinkt.)

Walter Zweimal! Er konnt ihn mit zwei solchen Hieben Erschlagen, weiß er--?

Ruprecht Hätt ich ihn erschlagen, So hätt ich ihn. Es wär mir grade recht. Läg er hier vor mir, tot, so könnt ich sagen, Der wars, Ihr Herrn, ich hab Euch nicht belogen.

Adam Ja, tot! Das glaub ich. Aber so--

(Er schenkt ein.)

Walter Konnt Er ihn denn im Dunkeln nicht erkennen?

Ruprecht Nicht einen Stich, gestrenger Herr. Wie sollt ich?

Adam Warum sperrtst du nicht die Augen auf?--Stoßt an!

Ruprecht Die Augen auf! Ich hatt sie aufgesperrt. Der Satan warf sie mir voll Sand.

Adam in den Bart. Voll Sand, ja! Warum sperrtst du deine großen Augen auf? --Hier. Was wir lieben, gnäd'ger Herr! Stoßt an!

Walter --Was recht und gut und treu ist, Richter Adam!

(Sie trinken.)

Adam Nun denn, zum Schluß jetzt, wenns gefällig ist.

(Er schenkt ein.)

Walter Ihr seid zuweilen bei Frau Marthe wohl, Herr Richter Adam. Sagt mir doch, Wer, außer Ruprecht, geht dort aus und ein?

Adam Nicht allzu oft, gestrenger Herr, verzeiht. Wer aus und ein geht, kann ich Euch nicht sagen.

Walter Wie? Solltet Ihr die Witwe nicht zuweilen Von Eurem sel'gen Freund besuchen?

Adam Nein, in der Tat, sehr selten nur.

Walter Frau Marthe! Habt Ihrs mit Richter Adam hier verdorben? Er sagt, er spräche nicht mehr bei Euch ein?

Frau Marthe Hm! Gnäd'ger Herr, verdorben? Das just nicht. Ich denk, er nennt mein guter Freund sich noch. Doch daß ich oft in meinem Haus ihn sähe, Das vom Herrn Vetter kann ich just nicht rühmen. Neun Wochen sinds, daß ers zuletzt betrat, Und auch nur da noch im Vorübergehn.

Walter Wie sagt Ihr?

Frau Marthe Was?

Walter Neun Wochen wärens--?

Frau Marthe Neun, Ja--Donnerstag sinds zehn. Er bat sich Samen Bei mir, von Nelken und Aurikeln, aus.

Walter Und--Sonntags--wenn er auf das Vorwerk geht--?

Frau Marthe Ja, da--da guckt er mir ins Fenster wohl, Und saget guten Tag zu mir und meiner Tochter; Doch dann so geht er wieder seiner Wege.

Walter für sich. Hm! Sollt ich auch dem Manne wohl--

(Er trinkt.)

Ich glaubte, Weil Ihr die Jungfer Muhme dort zuweilen In Eurer Wirtschaft braucht, so würdet Ihr Zum Dank die Mutter dann und wann besuchen.

Adam Wieso, gestrenger Herr?

Walter Wieso? Ihr sagtet, Die Jungfer helfe Euren Hühnern auf, Die Euch im Hof erkranken. Hat sie nicht Noch heut in dieser Sach Euch Rat erteilt?

Frau Marthe Ja, allerdings, gestrenger Herr, das tut sie. Vorgestern schickt' er ihr ein krankes Perlhuhn Ins Haus, das schon den Tod im Leibe hatte. Vorm Jahr rettete sie ihm eins vom Pips, Und dies auch wird sie mit der Nudel heilen: Jedoch zum Dank ist er noch nicht erschienen.

Walter verwirrt. --Schenkt ein, Herr Richter Adam, seid so gut. Schenkt gleich mir ein. Wir wollen eins noch trinken.

Adam Zu Eurem Dienst. Ihr macht mich glücklich. Hier.

Er schenkt ein.

Walter Auf Euer Wohlergehn!--Der Richter Adam, Er wird früh oder spät schon kommen.

Frau Marthe Meint Ihr? Ich zweifle. Könnt ich Niersteiner, solchen, wie Ihr trinkt, Und wie mein sel'ger Mann, der Kastellan, Wohl auch, von Zeit zu Zeit, im Keller hatte, Vorsetzen dem Herrn Vetter, wärs was anders: Doch so besitz ich nichts, ich arme Witwe, In meinem Hause, das ihn lockt.

Walter Um so viel besser.

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