Heinrich von Kleist
Penthesilea
Zwanzigster Auftritt.
eingestellt: 2.6.2007
Ein Herold (tritt auf) Die Vorigen.
Meroe.
Ein Herold naht dir, Königinn!
Asteria. Was willst du?
Penthesilea. (mit schwacher Freude)
Von dem Peliden!--Ach, was werd' ich hören?
Ach, Prothoe, heiß' ihn wieder gehn!
Prothoe. Was bringst du?
Der Herold.
Mich sendet dir Achilleus, Königinn,
Der schilfumkränzten Nereïde Sohn,
Und läßt durch meinen Mund dir kündigen:
Weil dich Gelüst' treibt, als Gefangnen ihn
Nach deinen Heimathsfluren abzuführen,
Ihn aber auch hinwiederum Gelüst,
Nach seinen heimathlichen Fluren dich:
So fordert er zum Kampf, auf Tod und Leben,
Noch einmal dich ins Feld hinaus, auf daß
Das Schwerdt, des Schicksaals ehrne Zung' entscheide,
In der gerechten Götter Angesicht,
Wer würdig sei, du oder er, von beiden,
Den Staub nach
ihrem heiligen Beschluß,
Zu seines Gegners Füßen aufzulecken.
Hast du's auf solchen Strauß zu wagen Lust?
Penthesilea. (mit einerfliegenden Blässe)
Laß dir vom Wetterstrahl die Zunge lösen,
Verwünschter Redner, eh' du wieder sprichst!
Hört' ich doch einen Sandblock just so gern,
Endlosen Falls, bald hier, bald dort anschmetternd,
Dem klafternhohen Felsenriff entpoltern.
(zu Prothoe)
--Du mußt es Wort für Wort
mir wiederholen.
Prothoe. (zitternd)
Der Sohn des Peleus, glaub' ich, schickt ihn her,
Und fordert dich auf's Feld hinaus;
Verweig're kurz dich ihm, und sage, nein.
Penthesilea.
Es ist nicht möglich.
Prothoe. Meine Königinn?
Penthesilea.
Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?
Prothoe.
Sag' ich dem Mann gleich: nein, und laß ihn gehn?
Penthesilea.
Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?
Prothoe.
Zum Kampf ja, meine Herrscherinn, so sagt' ich.
Penthesilea.
Der mich zu schwach weiß, sich mit ihm zu messen,
Der ruft zum Kampf mich, Prothoe, ins Feld?
Hier diese treue Brust, sie rührt ihn erst,
Wenn sie sein scharfer Speer zerschmetterte?
Was ich ihm zugeflüstert, hat sein Ohr
Mit der Musik der Rede bloß getroffen?
Des Tempels unter Wipfeln denkt er nicht,
Ein steinern Bild hat meine Hand bekränzt?
Prothoe.
Vergiß den Unempfindlichen.
Penthesilea. (glühend) Nun denn,
So ward die Kraft mir jetzo, ihm zu stehen:
So soll er in den Staub herab, und wenn
Lapiten und Giganten ihn beschüzten!
Prothoe.
Geliebte Königinn--
Meroe. Bedenkst du auch?
Penthesilea. (sie
unterbrechend)
Ihr sollt all' die Gefangnen wieder haben!
Der Herold.
Du willst im Kampf dich--?
Penthesilea. Stellen will ich mich:
Er soll im Angesicht der Götter mich,
Die Furien auch ruf' ich herab, mich treffen!
(Der Donner rollt)
Die Oberpriesterinn.
Wenn dich mein Wort gereitzt, Penthesilea,
So wirst du mir den Schmerz nicht--
Penthesilea. (ihre
Thränen unterdrückend)
Laß, du Heilige!
Du sollst mir nicht umsonst gesprochen haben.
Meroe.
Ehrwürd'ge Priesterinn, dein Ansehen brauche.
Die Oberpriesterinn.
Hörst du ihn, Königinn, der dir zürnt?
Penthesilea. Ihn ruf' ich
Mit allen seinen Donnern mir herab!
Erste Oberste. (in Bewegung,)
Ihr Fürstinnen--
Die Zweite. Unmöglich ist's!
Die Dritte. Es kann nicht!
Penthesilea. (mit zuckender Wildheit)
Herbei, Ananke, Führerinn der Hunde!
Die erste Oberste.
Wir sind zerstreut, geschwächt--
Die Zweite. Wir sind ermüdet--
Penthesilea.
Du, mit den Elephanten, Thyrroe!
Prothoe. Königinn!
Willst du mit Hunden ihn und Elephanten--
Penthesilea.
Ihr Sichelwagen, kommt, ihr
blinkenden,
Die ihr des Schlachtfelds Erndefest bestellt,
Kommt, kommt in gräul'gen Schnitterreih'n herbei!
Und ihr, die ihr der Menschen Saat zerdrescht,
Daß Halm und Korn auf ewig untergehen,
Ihr Reuterschaaren, stellt euch um mich her!
Du ganzer Schreckenspomp des Kriegs, dich ruf' ich,
Vernichtender, entsetzlicher, herbei!
(Sie ergreift den großen Bogen aus einer Amazone Hand)
Amazonen. (Mit Meuten gekoppelter
Hunde. Späterhin
Elephanten, Feuerbrände, Sichelwagen u. s. w.)
Prothoe.
Geliebte meiner Seele! Höre mich!
Penthesilea. (sich zu den Hunden wendend)
Auf, Tigris, jetzt, dich brauch' ich! Auf Leäne!
Auf, mit der Zoddelmähne du, Melampus!
Auf, Akle, die den Fuchs erhascht, auf Sphynx,
Und der die Hirschkuh übereilt, Alektor,
Auf, Oxus, der den Eber niederreißt,
Und der dem Leuen nicht erbebt,
Hyrkaon!
(Der Donner rollt heftig)
Prothoe.
O! Sie ist ausser sich--
Erste Oberste. Sie ist wahnsinnig!
Penthesilea. (kniet nieder, mit allen Zeichen des Wahnsinns,
während die Hunde ein gräßliches Geheul anstimmen)
Dich, Ares, ruf' ich jetzt, dich Schrecklichen.
Dich, meines Hauses hohen Gründer, an!
Oh!--deinen erznen Wagen mir herab:
Wo du der Städte Mauern auch und
Thore
Zermalmst, Vertilgergott, gekeilt in Straßen,
Der Menschen Reihen jetzt auch niedertritst;
Oh!--deinen erznen Wagen mir herab:
Daß ich den Fuß in seine Muschel setze,
Die Zügel greife, durch die Felder rolle,
Und wie ein Donnerkeil aus Wetterwolken,
Auf dieses Griechen Scheitel niederfalle!
(sie steht auf)
Die erste Oberste.
Ihr Fürstinnen!
Die Zweite. Auf! Wehrt der Rasenden!
Prothoe.
Hör, meine große Königinn, mich!
Penthesilea. (indem sie den Bogen spannt)
Ei, lustig!
So muß ich sehn, ob mir der Pfeil noch trifft.
(sie legt auf Prothoe an)
Prothoe. (niederstürtzend)
Ihr Himmlischen!
Eine Priesterinn. (indem sie sich rasch hinter die
Königinn stellt)
Achill ruft!
Eine Zweite. (eben so) Der Pelide!
Eine
Dritte.
Hier steht er hinter dir!
Penthesilea. (Wendet sich)
Wo?
Die erste Priesterinn. War ers nicht?
Penthesilea.
Nein, hier sind noch die Furien nicht versammelt.
--Folg' mir, Ananke! Folgt, ihr Anderen!
(ab mit dem ganzen Kriegstroß unter heftigen Gewitterschlägen)
Meroe. (indem sie Prothoe aufhebt)
Die Gräßliche!
Asteria. Fort! Eilt ihr
nach, ihr Frauen!
Die Oberpriesterinn. (leichenbleich)
Ihr Ew'gen! Was beschloßt ihr über uns?
(Alle ab)
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