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Henrik Ibsen

Brand

1. Akt

eingestellt: 11.8.2007



(Oben auf den Schneefeldern des Hochgebirgs. Der Nebel liegt dicht und schwer; es herrscht Regenwetter und Halbdunkel.)



(Brand, schwarz gekleidet, mit Stock und Ranzen, arbeitet sich in westlicher Richtung vorwärts. Ein Bauer und dessen halbwüchsiger Sohn, die ihn begleiten, folgen ein Stück dahinter.)

DER BAUER (nach Brand rufend.)
He, fremder Mann, so wart mir doch!
Wo bist Du?

BRAND.             Hier!

DER BAUER.             Verlaufst Dich noch!
Das nebelt heut, kann einer knapp
Den Stecken im Gesicht behalten -

DER SOHN.
Halt! Hier sind Sprünge!

DER BAUER.                       Hier sind Spalten!

BRAND.
Und jede Wegspur kam uns ab.

DER BAUER (schreit.)
Steh still! Gotts Donner, Mann! Hier bricht
Der Firn wie Borke! Rühr Dich nicht!

BRAND (lauschend.)
Ich hör das Tosen eines Falls.

DER BAUER.
Da hat ein Bach sich durchgefressen;
Hier gehts hinunter, nicht zu messen; -
Das kostet Dir und uns den Hals!

BRAND.
Ich muß hinüber, hörst Du, - muß!

DER BAUER.
Ein unausführbarer Entschluß!
Kehr um! Der Grund ist spröd und hohl; -
s gilt Tod und Leben, merk Dirs wohl!

BRAND.
Mein Herr macht Deine Furcht zu Spott.

DER BAUER.
Wie heißt Dein Herr?

BRAND.                           Mein Herr heißt Gott.

DER BAUER.
Und Du, - was bist Du?

BRAND.                               Pfarrer.

DER BAUER.                                   Gut,
Sei, was Du sagst; doch das ist wahr,
Daß, wärst Du Propst und Bischof gar,
Du büßtest dennoch Deinen Mut,
Ehs Tag wird, gingst Du weiter noch
Des Ferners untergrabnes Joch.
(Nähert sich vorsichtig und überredend.)
Hör, Pfarr; so klug auch einer wär,
Das, was zu schwer ist, ist zu schwer.
Kehr um; verstock, versteif Dich nicht!
Du hast doch nur ein Lebenslicht; -
Und geht das aus, was bleibt Dein Teil?
Zum nächsten Hof ist noch ne Meil; -
Dazu ein Nebel, daß ein Beil
Drin stecken bleibt, - so dick und dicht.

BRAND.
Ist er so dicht, verlangt dafür
Kein Irrlicht seine Weggebühr.

DER BAUER.
Doch sind hier Eisseen rings herum,
Die machen einen balde stumm.

BRAND.
Da gehn wir drüber.

DER BAUER.                 Gehn? Das hieß
Dem Eis Unmöglichs zuzumuten!

BRAND.
Und doch war einer, der bewies:
Wer glaubt, geht trocken auch auf Fluten.

DER BAUER.
Ja, ehdem; doch machs heute wahr,
Du gehst zugrund mit Haut und Haar. -

BRAND.
Leb wohl!
Will gehen.

DER BAUER.   Du wagst das Leben dran!

BRAND.
Bestimmt mirs Gott zu meiner Zucht, -
Willkommen Sturzbach, See und Schlucht!

DER BAUER (leise.)
Er ist ja toll und voll, der Mann!

DER SOHN (weinerlich.)
So komm doch, Vater! Zeichen sind
Auf noch mehr Regen, noch mehr Wind!

BRAND (bleibt stehen und nähert sich wieder.)
Verstand ich recht, so hattest Du
Hier eine Tochter in der Nähe; -
Die schickte - nicht? - Dir Nachricht zu,
Sie fänd im Grabe keine Ruh,
Wenn sie Dich nicht noch einmal sähe?

DER BAUER.
So wahr als Gott mir helfen mag!

BRAND.
Und heute war der letzte Tag?

DER BAUER.
Ja.

BRAND.
    Keiner mehr?

DER BAUER.           Nein.

BRAND.                           Komm denn mit!

DER BAUER.
Umsonst. Unmöglich. Keinen Schritt.

BRAND (blickt ihm fest ins Auge.)
Sag, wolltst Du hundert Taler leiden,
Dafern sie selig stürbe, - wie?

DER BAUER.
Ja, Pfarr!

BRAND.         Zweihundert?

DER BAUER.                       Mehr als die!
Ich wollt von Haus und Hof mich scheiden,
Wärs meiner Tochter zum Gewinn!

BRAND.
Doch gäbst Du auch Dein Leben hin?

DER BAUER.
Mein Leben? Liebster, Bester -!

BRAND.                                           Nicht?

DER BAUER (kraut sich hinterm Ohr.)
Das ging wohl über meine Pflicht -!
In Jesu Namen, denk, mir sind
Doch noch zu Hause Weib und Kind.

BRAND.
Er ließ die Mutter selbst allein.

DER BAUER.
Ja, dazumal, das mocht wohl sein; -
Da war manch Wunderwerk im Schwange;
Doch solcherlei vergaß sich lange.

BRAND.
Dein Weg ist Tod! Was hältst Du mich?
Du kennst nicht Gott, Gott kennt nicht Dich.

DER BAUER.
Hu, Du bist hart!

DER SOHN (zerrt an ihm.)
                        Komm, laß ihn stehn!

DER BAUER.
Nein, nein, der Mann muß mit uns gehn.

BRAND.
Ich muß?

DER BAUER. Jawohl; denn bleibst Du mir
In diesem Herrgottswetter hier,
Und wird mans dann im Dorf erfahren,
Daß wir mit Dir hier oben waren,
So holt mich eines Tags die Wache, -
Und liegst Du hier im Eise tot,
Komm ich ins Loch zu Wasser und Brot -

BRAND.
So leidest Du für Gottes Sache.

DER BAUER.
Mich schiert jetzt weder sein noch Deine,
Mich drückt schon ganz genug die meine, -
Drum komm!

BRAND.             Leb wohl!

(Von fern vernimmt man dumpfes Getöse.)

DER SOHN (schreiend.)     Hört die Lawin!

BRAND (zu dem Bauern, der ihn am Kragen gepackt hat.)
Laß -!

DER BAUER.
          Nein!

BRAND.             Laß los!

DER SOHN.                     Wir müssen fliehn!

DER BAUER (ringt mit Brand.)
Da hol mich doch -!

BRAND (reißt sich los und wirft ihn in den Schnee.)
                              Der holt Dich schon!
Du wirst gewiß nicht eher ruhn!
(Geht ab.)

DER BAUER (setzt sich auf und reibt sich den Arm.)
Au, au; daß ihms der Teufel lohn!
Das heißt er Gottes Werke tun.
(Ruft, während er aufsteht:)
He, Pfarr!

DER SOHN.     Er ist den Kamm gegangen.

DER BAUER.
Ja, ja, ich mein, ich seh ihn noch.
(Ruft wieder.)
Wenn Dus noch weißt, so sag mir doch,
Wo unser Irrgehn angefangen?

BRAND (aus dem Nebel.)
Du brauchst von keinem Wegkreuz Rat, -
Du bist schon auf dem breiten Pfad.

DER BAUER.
Wollts Gott, daß ers getroffen hätt,
So läg ich abends warm im Bett.
(Er und sein Sohn gehen in östlicher Richtung zurück.)

BRAND (wird ein Stück weiter oben wieder sichtbar und lauscht nach der Richtung hin, wo der Bauer verschwunden ist.)
Sie trotten heim. - Du schlaffer Wicht,
Schwieg nur in Dir der Wille nicht,
Schwieg nur die Kraft, die ungestählte,
Ich hätt gemildert, was Dich quälte,
Ich hätt Dich heiter, ohne Klagen,
Fußwund, todmüd zum Ziel getragen.
Doch Hilfe frommt nicht einem Mann,
Der auch nicht will, was er nicht kann.
(Tritt weiter vor.)
Das Leben; hm; wenn man ermißt,
Wie liebs den guten Leutchen ist!
Wie jeder Tropf es herzt und hegt,
Als wär der Welt Glück und Bestehn,
Der ganzen Menschheit Wohlergehn
Just ihm aufs lahme Kreuz gelegt.
Mein Gott, sie wolln ja alles geben -
Nur nie das Leben, nie das Leben.
(Lächelt wie von einer Erinnerung ergriffen.)
An Zweies dacht ich oft als Knab,
Das schuf mir böses Zwerchfellgrimmen -
Und Schwielen, die noch böser, gab
Die alte Schulmuhm sich im Schlimmen.
An einen Fisch, ders Wasser scheute,
Und eine Eul, dies Dunkel floh.
Los brach ich, tollen Lachens Beute,
Ich mocht es drehn so oder so.
Und des der Grund? Weil ich halbklar
Schon damals jenen Riß empfand
Zwischen dem Ding, so wie es war -
Und so wie Gott es sehen wollte,
Dazwischen, daß es tragen sollte -
Und doch sein Pack untragbar fand.

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