Hugo Ball
Der Henker von Brescia
Dritter Akt
eingestellt: 9.8.2007
Szene wie im ersten Akt. Über dem Eingang in die Henkerstube schaukelt sich der Kakadu, den der Safranhändler dem Buben geschenkt hat.
1. Szene
Barbara Was stierst du nun vor dich hin und hängst dich an meinen Rock? Ich hab dein Verhängnis nicht gemacht! Ich kann dir nicht helfen!
Henker Was soll nun geschehen?
Barbara Weiß ichs, eine
Jungfrau hast du geschändet! Ein unbescholtenes Fräulein, das dir vertraut war, hast du beschmutzt und in Kot getreten!
Henker Es ist alles verloren! Es ist alles aus und vorbei!
Barbara Du brauchst nicht zu heucheln und Fratzen schneiden! Ja, es ist aus mit dir! Du brauchst nicht zu heulen! Das hilft dir nichts. Die heiligen Fürsprecher werden dich mit dem Fuß von der Schwelle stoßen, wenn du heran kommst. Und werden sich
die Ohren zuhalten. Kein blinder Hund wird mehr in deine Nähe schnuppern. Du fährst ihm ja mit der Feile über die Schnauze.
Henker Ich hin der Verworfenste! Der Allerverruchteste!
Barbara Ja, setz dich nur hin zu deiner Bibel! Warte nur bis sie dich anklagt am Jüngsten Tage mit offenem Haar und mit kreischender Stimme! Da wirst du dein Handwerk liegen lassen! Da wirst du schon Ausschau halten!
Henker Messer
Barbiano hat mich aufgereizt. Messer Barbiano hat mich gehetzt auf sie! Er hat sie hereingesteckt!
Barbara So, Messer Barbo! Schieb nur die Schuld auf andere! Wasch dich nur rein! Das kannst du dem Hahnenverkäufer und deinem Signore Lorenzo erzählen! Die glaubens vielleicht! Aber denen da oben machst du nichts vor! Die kennen die Schliche von deinesgleichen. Das Schönste ist, daß es gar nicht die Königin war, sondern ein harmloses
Fräulein!
Henker Barbara hör! Es ist um die Seelenkönigin! Wenn sie verdirbt, so ist alles zu Ende!
Barbara Da war schon manche die Seelenkönigin! Warum bist du über die hergefallen? Warum hast du sie nehmen müssen?
Henker Sie war mir lieb, wie ein Wurf junger Tierlein. Die Wut brach aus. Da schwamm mir das Blut vor den Augen.
Barbara Und
ich soll
jetzt trösten.
Ich bin jetzt gut genug, weil dich die Angst plagt, sie könnte zum Abhub gehen. Gleich bist du zu Messer Barbiano gelaufen und hast eine Schonzeit für sie erwirkt. Sie soll sich erholen und wieder die Alte sein. Nichts weiter geschehen! Das ist so dein Henkerswitz!
Henker Was sagst du? Was plapperst du da?
Barbara Es ist alles in Ordnung. Du hast deine Arbeit gründlich getan! Die Dirne
ist fertig. Es hilft dir nichts mehr! Sie machts wie die andern. Wenn einer ankommt, sie läuft ihm entgegen! Wenn einer flucht, sie liebkost ihn. Wenn einer zahlt, sie tanzt. Wenn einer gierig wird, grölt sie dazu.
Henker Du lügst nur! Du lügst! Du machst dir ein Hexenvergnügen!
Barbara Du hast sie ja wochenlang sehen können! Du kannst es ja noch! Warum gehst du nicht sehen nach ihr?
Henker Ich
will sie nicht sehen!
Barbara Sie hat dich doch eingeladen! Geh doch hinüber zu ihr!
Henker Barbara hör, du sollst mein Geheimnis wissen. Ich hab eine List. Wir sind verworfen beide und beide gottlos. Wir sind von dem Abschaum der Menschen. Wir sind aus des Satans Kot gemacht. Für uns gibt es kein Hoffen. Das Herz ist leer und das Hirn ist leer. Das Hirn und das Herz sind Blasen, mit Luft gefüllt. Wir wollen den Herrgott am
Ärmel zupfen. Wir wollen ihn auf uns aufmerksam machen. Wir wollen von hinten ihm nahe kommen. Wenn wir ihr helfen, muß er aufmerksam werden auf uns. Wenn wir ihr Freiheit schaffen, muß er uns Gnade gewähren und anerkennen.
Barbara Ich habe nichts Schlimmes getan, daß ich den Kopf vor ihm beugen muß!
Henker Er macht ein Gewitter, da liegen wir alle am Boden. Er schickt eine Krankheit, da bersten die
Siechenhäuser. Er baut eine Kirche und allesamt sündigen wir.
Barbara Das ist ein großer Herr! Aber ich brauche ihn nicht!
Henker Hör mich jetzt an. Da ist einer gekommen vor Wochen. Der ist ihr Verlobter.
Barbara Warum ist er hierher gekommen? Der wäre auch besser geblieben.
Henker Herbolo heißt er.
Barbara Den Messer Barbo verworfen hat?
Henker Sie war seine Seelenbraut. Da hats ihn im Feld nicht gehalten. Da ist er hierhergekommen.
Barbara Also den sollen wir auch heraus lassen?
Henker Er muß uns behilflich sein. Dann wollen wir dreie den Strick anziehen. Vielleicht daß noch ein Tor aufspringt, das uns einläßt.
Barbara Wie soll denn das sein?
Henker Wir holen den Ritter heraus aus dem Kellergewölbe. Wir
geben das Fräulein dazu. Hinaus damit vor die Stadt, und Rosse dazu und Futter für Stücker drei Tage. Dann sind sie gesichert.
Barbara Du willst auf die Flucht verhelfen? Und wenn ich jetzt gehe und alles verrate?
Henker Du wirst es nicht tun!
Barbara Und warum, wenn ich fragen darf?
Henker Weil du ihr neidisch bist! Weil du frohlockst, wenn sie draußen ist! Wir schiebens dem Ritter
zu. Wir sagen, daß es ein Streich in der Nacht war. Der Ritter kanns auf sich nehmen!
Barbara Und die Belagerung draußen? Es ist doch jedes Tor besetzt!
Henker Zur Nachtzeit, wenn ein Tumult entsteht, am Badewinkel, wo die Lederer ihren Standpunkt haben; da bringens wir fertig.
Barbara Wenn du ihr Halsband bringst und die Krone dazu und ihr Gewand mit den Litzen! Dann laß ich sie laufen!
Henker Wie soll ich ihr Halsband nehmen oder sie schreit? Aber sie hat einen Schmuck versteckt. Sie hat ein zitronenfarbenes Hemde. Das will ich dir bringen.
Barbara Ich will das Halsband haben; den Strohkranz kann sie behalten!
(Barbara ab)
2. Szene
Barbiano tritt auf mit zwei Buben, die an der Tür bleiben.
Barbiano Pax vobiscum! Was gibt es Neues?
Henker Ein Zerrwolf sitzt mir im Magen. Ich habe Speck auf grüne Bohnen gegessen. Ein Bottich voll Hader und Zank und lauter Verdruß.
Barbiano Laß dir von einer Geburtsfrau helfen! Hast du das Weibergeheul auf der Straße gehört? Was sagst du dazu?
Henker Weiber sind mir zuwider, Herr! Das wißt Ihr! Sie sind übler als die Schacherjuden. Alles muß man bezahlen. Sie sind nichts wert und treiben die
Preise. Sie treiben die Preise bis man den Bankrottiererhut auf dem Kopf hat. Dann greifen sie zu und machen kurzen Prozeß und stecken den ganzen Bettel in ihre Tasche. Ich will nichts mehr hören davon.
Barbiano Mach keinen Weihrauch! Laß das Gerede! Sie schreien und kreischen und holen mich von der Mauer herunter: ich soll ihnen die Frau herausgeben, die wir in Obhut haben. Was sagst du dazu?
Henker Man sollte sie peitschen ein
wenig. Man sollte ihnen ein wenig mit der Peitsche zusprechen. Laßt einen mächtigen Zaun aufführen um diese Herde, Herr, und gebt ihnen die Peitsche.
Barbiano Sie sagen, unsere Frau von Burgund ruiniere den Hausstand, den Staat, die Familienbande! Die Preise seien zu hoch. Der Kindersegen gehe zurück.
Henker Da haben sie recht! Alles Geld, das Ihr einnehmt, fließt in die Kriegskasse. Aber wollt Ihr Babylon erobern? Alles
was billig ist, Herr: woher sollen die alten und jungen Herren die Gelder nehmen, wenn sie schon 40 000 Floränen hereingeschleppt haben? Da greifen sie das Besitztum an und machen die Weiber wütig. Unsere Königin hat die Stadt Brescia ausgesaugt wie eine Kreuzspinne, Herr. Man sollte ein Ende machen damit.
Barbiano Die Weiber sind niederträchtig und resolut. Sie sagen, sie müsse entfernt werden oder sie würden mit einer Gewalt von
Feuerhaken, Küchenlöffeln und Klystierspritzen unsre Behausung stürmen.
Henker (am Fenster) Pflastersteine haben die hochmögenden Frauen in ihren Händen! Monna Maria hat einen Pflasterstein in der Hand! Das ganze Rockregiment von Brescia ist versammelt!
Barbiano Belagert von innen und außen! Da soll einer nicht den Verstand verlieren! Also was soll man da tun?
Henker Je nun, das ist schwer
zu sagen! Nehmt die Knechte herunter für fünf Minuten und lasset die Weiber hinter den Kochofen jagen!
Barbiano Heraus damit, wenn du was weißt!
Henker Mein seliger Vater gab mir den Rat, nie ja oder nein zu sagen!
Barbiano Dein seliger Vater soll sich nicht in Dinge mischen, die ihn nichts angehen! Was soll mit den Weibern geschehen? Sie sind einmal da und man braucht sie! Was soll man da tun?
Henker Überlegt doch, Herr, ob es nicht besser wär, ihr den Laufpaß zu geben. Es wär auch verdienstlicher.
Barbiano (kratzt sich den Kopf)
Henker Wir machen die Pforten auf und lassen sie hinaus!
Barbiano Wir haben ihr die Pforten bereits geöffnet und sie ist immer noch da!
Henker (kratzt sich am Kopf)
Barbiano Hast du sie in die Kandare
genommen?
Henker Ja, Herr, das tat ich. Sie hat sich gesträubt, gestammelt, gebetet und hat mir die Pforten verrammelt.
Barbiano Was ist dann geschehen?
Henker Man ist ihr auf den Leib gerückt. Da tat sie sich ergeben müssen. Sie hat eine Kniebeuge gemacht.
Barbiano Warte nur ab, mein Lieber! Es rächt sich auf Erden! Es werden auch deine Laster gerochen werden!
Henker Herr, Ihr schweift ab!
Barbiano Du hast recht. Gib Antwort!
Henker Herr, wir wollen ihr die Freiheit geben! Die Freiheit ist da die beste Lösung.
Barbiano Wie denkst du dir das?
Henker Wir lassen sie hin vor die Stadt. Wir befördern sie weg mit Glockengeläut. Wir empfehlen ihr Heil der Obhut des Königs und ihrem Ritter im Kellergewölbe. Keine Verwendung mehr und mit
Dank zurück. So ziehen wir uns am besten aus der Gelegenheit. Und der Zorn Gottes wird schwächer sein als wir uns denken.
Barbiano Warum willst du die Königin eigentlich los sein? Gewissensbisse?
Henker Ihr habt sie bevorzugt, Herr. Das lassen die andern sich nicht gefallen. Da habt Ihr nun diese Weiberrevolution.
Barbiano Und der Ritter? Was soll man mit dem anfangen? Soll man das Stadtwappen dem auf das
Sitzfleisch brennen und ihn mit laufen lassen?
Henker Herr, lasset die Rohheit auf Seiten Eurer Feinde sein! Verfahret glimpflich mit derlei Präpositionen! Der Himmel wird, wenn die Zeit kommt, auch seinerseits mit Euch ein Einsehen haben. Was habt Ihr von einer Brandwunde, die Eurem Widersacher auf dem Gesäß brennt? Laßt sie selbander hinaus! Das ist mein Dekret!
Barbiano (kratzt sich am Kopf) Ich will dir sagen: ich
hab mich entschlossen, sie hier zu behalten. Sie sind mir bei dir gut aufgehoben. Du hast mir ein Auge auf sie, du verstehst damit umzugehn. Auch hast du die Wache unten im Haus. Da kann nichts passieren.
Henker Herr, gebt sie hinaus aus dem Jungfernhof! Mag sie entkommen! Man soll den Teufel nicht reizen. Es gibt Erfahrungen, Herr – da seid Ihr ein Kind! Dieser tut immer das Gegenteil. Man ist nie sicher vor ihm. Kaum ist die Veranlassung da, gleich zeigt er sich
ruppig und führt einen Tanz auf. Kaum zupft man ihn, irgendwo, gleich wittert er, daß ein Geschäft auf ihn wartet. Ich will mich in eine Kuhhaut genäht vor das Rathaus stellen, wenn mir was Gutes schwant. Sie hat eine unsterbliche Seele, Herr! Das ist das Gefährlichste, was ein Weib haben kann.
Barbiano Papperlapapp! Ihr habt ein Komplott geschmiedet! Du und die Barbara! Jetzt hab ichs heraus! Ihr habt sie verhandelt. Ihr habt ein
Geschäft in Aussicht, ihr beiden. Sie auf der Erde und du im Himmel. Ihr wollt sie los sein. Aber es macht mir Spaß, sie hier zu behalten. Es macht mir Spaß. Es ist eine lustige Sache, wenn drinnen die Weiber zetern und draußen die Balken krachen. Hol deine Königin her, damit ich sie mustre! Sie ist ja jetzt Haupt- und Staatsperson!
Henker Herr, sagt im Ernst: was habt Ihr da vor? Ists nicht genug daß sie gelitten hat und
gebüßt vor Euch? Ists nicht genug, daß sie die schändliche Krone getragen hat? Ists nicht erbärmlich, daß sie herunterkam bis auf den Henker? Wollt Ihr denn ganz und gar sie zur Dirne machen?
Barbiano Laß dieses Wort aus dem Mund. Davon verstehst du nichts! Das ist ein Stamm Menschen für sich, mit Wonnen und Freuden! Hab ich die Königinnen, hab ich die Menschen gemacht? Ich glaube beinahe, du hast ein Gerüpfel mit
ihr und sie wird dir zuviel! Da willst du sie los sein!
3. Szene
Roswitha tritt auf, zynisch und unterdrückt.
Roswitha Was beschäftigt euch, ihr Männer von Brescia?
Barbiano Je nun, wir sind nicht in Verlegenheit. Entweder man treibt etwas oder man hintertreibt.
Henker Je nun.
Roswitha Auf der Straße ist ein Geschrei. Ihr habt euch beraten.
Barbiano Wir danken
der Nachfrag. Es ist ein Weibergeschrei.
Roswitha Es ist gut, daß ich Euch treffe, Francesco Barbiano.
Barbiano Sie weiß meinen Taufnamen, Henker!
Roswitha Ihr seid eine Autoritätsperson. Ihr habt Einfluß beim Rat der hochweisen Stadt.
Barbiano Was steht zu Diensten, gnädige Frau?
Henker Seht Ihr, Herr, ein Weib muß man peitschen oder zum Grätschen
zwingen. Auch diese hats darauf abgesehn.
Roswitha Der Henker sucht mir auszuweichen.
Barbiano Es wird ihm nicht glücken, Madonna. Ich habe ihn in der Hand. Und meine Hand ist fest wie ein Torriegel.
Roswitha Ihr lacht mich aus, Barbiano. Aber ich bin nicht gekommen, um mich verlachen zu lassen.
Henker Herr, nun seht an, sie verhöhnt uns.
Barbiano Margarete von Burgund, wir
haben ein Mißtrauen gegen Euch. Wir sagens Euch offen. Wir wollten Euch zu uns bitten. Da kommt Ihr von selbst. Was habt Ihr für Wünsche?
Roswitha Ich komme, mich zu beklagen, daß ich geschmälert werde. Ihr habt mir ein lustiges Leben versprochen. Ihr habt mich in eine Zelle gesetzt, mir Freunde gebracht und sie weggenommen. Ihr habt mich begehrlich gemacht. Ich bin ein Jungweib und Ihr entzieht mir die Bettgenossen. Ihr suchet mir Pein zu
schaffen mit einem beschaulichen Leben. Da hab ich mich aufgemacht und bin hergekommen.
Barbiano Das ist ehrlich gesprochen. Das läßt sich hören. Was kann ich tun für Euch?
Henker Messer Barbo, haltet Euch fest am Schopfe. Sie ist gefährlich. Sie stiehlt Euch Eure Gedanken und Pläne.
Barbiano (zu Roswitha) Mir scheint, Ihr wollt uns zum besten haben.
Roswitha Ich will
meinen Willen haben, drum bin ich gekommen.
Barbiano Potz Sackerment! Wo wollt Ihr hinaus? Aufrichtig gesprochen!
Roswitha Ich bin des Henkers Weib. Er hat mich gezüchtigt, wie man ein Jungweib züchtigt. Er hat mich bezwungen und klein gemacht. Meine Hände zucken nach seiner Gestalt. Mein Kopf ist verwirrt und neigt sich zu ihm wie die Sonnenblumen. Ein Lachen stößt mich auf seine Wege.
Barbiano Das
ist eine echte Liebe, Henker.
Henker Herr, sie ist toll geworden. Man sollte sie unter Wasser setzen. Drei Nächte hab ich sie aufgesucht. Da wars eine Qual.
Barbiano Sie glüht und ist schön und voll Farbe wie ein Rosettenfenster am Dom. Was habt ihr wider einander?
Roswitha Ich klage ihn an, Herr, daß er mir treulos ist.
Barbiano Woher habt Ihr ein Vorrecht auf ihn?
Roswitha Er hat mich genommen und hat mich verlassen.
Barbiano (zum Henker) Haariger Teufel, gib Antwort! Hast du dies herrliche Weib genommen und wieder verlassen?
Roswitha Er will nicht kommen zu mir. Er hat mich genommen und liegen lassen.
Barbiano Porca Madonna, was höre ich da?
Henker Ich hab Euch gesagt, Messer Barbo, Ihr sollt mich nicht hetzen auf sie! Da hat sie den Schaden
davon.
Barbiano Hab ich verlangt, daß du Unglimpf tust. Ist sie nicht schön und verlockend, schlank und verläßlich? Was fehlt dir an ihr?
Henker Es war zuviel Zank mit Barbara, Herr.
Roswitha Es sei eine Schonzeit, die Ihr erlassen habt. Da dürfe kein Freund mehr zu mir kommen auf einige Wochen.
Barbiano Schlingel, vertrackter! Und spricht, man müsse Euch schonen aus Mitleid,
sonst ginget Ihr ein.
Roswitha Und machte sich rar und reizte mich, daß ich den Pfosten kratzte und meine Bettstatt liebte. Und er kam nicht.
Barbiano So ein Schlingel nichtsnutziger! Er gab Euch die Krone und war Euch zu willen! Nun widerruft er die Liebe!
Roswitha So ist es, gnädiger Herr. (immer überlegen) Ich lache und schluchze nach ihm und er verachtet mich. Er spricht von Geschäften und will
mich vertrösten, und liebt eine andre.
Henker Hört sie nicht an, Herr! Sie ist wirr im Kopfe vor Mannstollheit und Verbissenheit. Seht, wie sie dasteht! Eine verdonnerte Katze! Man könnte sich fürchten vor ihr. Man sollte sie in ein Wasserbad stecken.
Barbiano Ich sehe schon klar. Du hast einen Affenstreich vor mit ihr!
Henker Herr, seht wie sie dasteht und lächelt! Man kann jetzt machen aus ihr, was
man will! Man kann einen Engel machen und kann einen Inkubus machen. Herr, laßts Euch erbarmen!
Barbiano Vorher hast du gesprochen, als käm es dem Stadtwohl zu gut. Und hast mir Schellen ans Ohr gebunden!
Henker Herr, nehmt Euch in acht: Nie war ein Weib so gefährlich, als jetzt wie sie dasteht und ihr Begehren vorträgt! Es ist eine jüdische Angst in mir! Hört sie nicht an. Greift sie, über die Mauer damit, und
schafft sie hinaus! Ich hab eine Wittrung davon: sie ist schlimmer als Pest und Ratten und Blutschwamm.
Barbiano Nichts da: du willst sie um Liebe verkürzen. Du bist ein bestallter Gestütknecht. Du hast eine Obligation.
Roswitha Ich danke Euch, Herr!
Henker Herr, Herr! Sie hat uns verklagt beim Behmot! Sie hat uns mit Wut bedacht! Sie hat es auf unsre Urständ abgesehn! Sie will uns verderben!
Barbiano Ich hab dir gesagt, daß sie bleibt! Du wirst ihren Kummer beheben. Du wirst kein Gefackel machen. Ist es am Platz und Anstand, daß eine Königin betteln muß um ein Liebeswort?
Henker Da mögt Ihr recht haben, Herr!
Roswitha Herr, Ihr seid gnädig. Ich will eine Muschel aus Wachs der Jungfrau opfern. Ich will Euren Namen flüstern, wenn er mich aufsucht. Ich will meine Arme um ihn schlingen, als
tät ichs für Euch.
Barbiano Mach daß du fortkommst, Dirne! Mach, daß du weiter kommst!
Henker Herr, laßt sie völlig ziehen! Wir haben zu lange gesündigt an ihr! (Barbiano bricht mit einer Geste die weitere Verhandlung ab)
Roswitha Ah ah, der Henker ist mein! Der rote, rasende Henker! Er hat mich gebeugt und niedergeworfen! Er hat mich in das Gesicht geschlagen! Er hat mich
gepflügt und mit Rosen besteckt! Er hat mir die Lippen zerrissen! Er hat jeden Winkel an meinem Leibe geküßt! Er hat mich den Hähnen genommen und hat mich den Stieren gegeben! Er hat mit den Lippen über mein Herz geschaufelt!
Henker Herr, o Jammer! Seht, wie sie verworfen ist!
Barbiano Holla, Madonna! Wir spielen Feierkomedy! Begebt Euch zu Bett und vergeßt, wo Ihr seid!
Roswitha Ich habe zu
lange gefastet, Herr. Ich habe den Besen gesattelt, die Katzen geschirrt und den Bock gestriegelt. Ich möchte zum Sabbat reiten!
Henker Herr, o Herr, und sie war so schön!
Barbiano Weg damit und hol mir die Barbara her!
(Der Henker mit Roswitha ab. Barbara herein von der anderen Seite)
4. Szene
Barbiano (in bester Laune) Es wird nichts draus werden,
Barbara! Sie schäkert mit Eurem Gemahl und wir müssen ihr willens sein! Wir habens ihr zugelobt!
Barbara Sie hat ja ein Vorrecht auf den Profossen! Wenn ich Euch dienen kann, Herr?
Barbiano Macht keine Schneckentänze! Es hilft Euch nichts! Sie bleibt hier und der Henker versorgt sie! Ich habs ihr versprochen!
Barbara Messer Barbo trifft immer das Richtige!
Barbiano Macht keine Expeditionen!
Es ist umsonst! Ihr habt Euch den Schmuck versprochen und die farbigen Fetzen, die sie am Körper hat. Ihr werdet verzichten müssen.
Barbara Der Henker hat Mucken im Kopf. Nehmt Euch in acht, Barbiano! Vielleicht übersteht ers nicht, wenn sie die Schuld vor ihm herträgt.
Barbiano Was ist an dem Henker? Wir finden zehn andere! Man kann ihn entbehren!
(der Henker kommt zurück) Alles besorgt? Nun haltet gut Haus, und
verzankt euch nicht! Wir werden uns wiedersehn!
(Barbiano ab)
5. Szene
Von draußen Belagerungsdonner
Barbara Schon wieder der Donner und das Geschieße! Das lumpige Gezittere! Man kann sich kaum auf den Füssen halten dabei.
Henker Sie graben und wühlen. Sie werfen die Häuser zusammen. Sie legen Breschen und nagen die Stadt an. Sie möchten sich gerne ins warme Quartier eintun.
Barbara Hosensch... sind
sie! Und Barbiano nicht besser! Erst zetteln sie etwas an. Dann stecken sie drin wie die Mucken im Leimtopf.
Henker Henken möchten sie allesamt. Der Papst möcht henken. Der König möcht henken. Barbiano möcht henken. Henken möchten sie alle mitsamt und einander den Kopf abhauen. (ein starker Stoß)
Barbara (lacht erschrocken) Sie werfen das Haus uns über dem Kopf in Scherben! Die Teufel!
(andauerndes Bombardement)
Henker Das Henken scheint ein ergiebig Gewerbe zu sein! Und ein abgekürztes Verfahren. Das macht es empfehlenswert. Wenn alles nichts nützt, dann kann man noch henken!
Barbara Warum stehst du nicht auch auf der Mauer? Wir können hier zittern und torkeln. Du lungerst herum wie ein kranker Hahn.
Henker Das sind Messer Barbos Geschäfte!
Barbara Du wirst
noch ein Narr mit deiner roßhaarigen Königin! Was willst du denn jetzt beginnen mit ihr? Was bist du denn noch, wenn sie am Leben bleibt! Einsperren kannst du dich lassen mit ihr und ihr Zumbeldienst tun! Deine Frau Potiphar kannst du sie nennen! Kannst auf der Himmelsleiter die Sprossen zählen! Oder auf der Galgenleiter! Hast ja noch nicht genug von der Seelenkönigin! Schick sie doch fort, wenn du kannst! Aber du kannst sie auch dabehalten! Nur zieh keine zottigen
Kleider an, sonst hängt sie dir dran!
Henker Was soll ich denn tun! Was soll ich anfangen mit ihr? Sieh, Barbara, sprich! Mir stehn Leib und Seele in Flammen!
Barbara Der König henkt! Der Papst henkt! Die Stadt henkt! Barbiano henkt! Allesamt henken! Henk, Henker!
Henker Ich kann sie nicht henken. Da steht Barbiano davor. Ich kann sie nicht hier behalten. Da steht das Gewissen. Ich kann ihr nicht helfen durch Zuspruch
und Freundlichkeit. Da ist sie verdorben und hört nicht mehr.
Barbara Die Pest henkt. Der Krieg henkt. Der Pfaff henkt. Der Papst henkt. Henk, Henker! Du kannst sie ja henken! Es ist ja dein Amt.
Henker Immer nur henken und Henker bleiben! Der Sohn wird Henker. Der Vater war Henker. Die ganze Welt [ist] ein blutiges Haus.
Barbara Du kannst ja den Possentramp machen und ihnen zu willen sein! Du kannst ja aufs
Stänglein hocken und Antwort geben, wenn du gefragt wirst! Es ist ja deine Sache. Du kannst es ja tun oder bleiben lassen!
Henker Ich habe gehenkt an die neunhundert Menschen. Ich bin müde das Handwerk. Ich will nicht mehr henken. Ich weiß, was es heißt zu henken. Ich will nicht mehr Blut an mir haben. Ich will mich erhöhen. Ich will abtun die Gräuel und das ganze Geschäft. Ich will atmen mit den Erwählten und Seligen! Mein
Kleid ist voll Blut. Das Haus ist voll Blut. Die ganze Welt ist ein Aderlaß. Ich will in das Hochzeitskleid des Erlösers schlüpfen. Ich will mich verbergen hinter dem Notkleid Christi. Allmächtiger Gott! Ich will Gnade! Ich bin ja erbärmlicher als ein Wurm!
Barbara Hat Barbiano Mitleid gehabt? Hat er auch so gesprochen? Hat er Gnade gegeben? Hat er nicht alles auf dich geladen? Hat er nicht alles auf dich gewälzt? Willst du von diesem dich
drücken lassen? Willst du an seinen Verbrechen ersticken? Mach doch die Augen auf! Schaff sie doch weg! Henk, Henker! Du warst ja doch nichts als ein Werkzeug! Jetzt hast du Gelegenheit, ihn zu henken! Leg ihr die Finger an [den] Hals und erwürg sie, dann bist du sie los!
Henker Und das Seelenheil? Und die Seelennot?
Barbara Sie hat dich geärgert. Da hast du sie abgeschafft.
Henker Das ist ein Versteckspiel. Das
wird nicht genügen dem da (mit einer Geste nach oben). Das läßt er nicht gelten da droben! Das wird er nicht dulden!
Barbara Was hast du für ein Geplärre mit dem da oben!
Henker Er hat mich berufen. Er muß eine Absicht haben mit mir!
Barbara Er wird eine Absicht haben mit dir! Du kannst ja den Buben fragen! Der soll dir Bescheid tun! (der Bube ist inzwischen herbeigekommen)
Barbara (zum Buben) Komm einmal her da! Darf man die große feurige Dirne im dritten Gemach, die die seltsamen Reden führt, darf man sie abtöten, wenn sie im Wege steht und Ärgernis gibt?
Henker Soll man sie henken? Soll man sie leben lassen?
Bube Mutter, wir wöllen sie henken, wir wöllen sie henken!
Henker Also wir wöllen sie henken! Wir wöllen selbdritt an das
Handwerk gehen! Weibsvolk, ziele dich zurück und hol sie herein! Gesell! Stell Wasser bereit und bleib in der Nähe!
(Barbara und der Bube ab. Von der entgegengesetzten Seite Roswitha)
6. Szene
Roswitha (mit allen Verführungsreizen, stoßweise, getrieben) Sie sagt, du wartest auf mich und du sehnst dich nach mir. Warum kommst du nicht?
Henker Je nun, ich wollte
schon kommen. Da haben mir meine Füße den Dienst versagt.
Roswitha Du bist grausam und wild. Du bist wie ein störrischer Baum in der Nacht. Aber du lockst mich. Da hab ich mich aufgemacht und bin zu dir gekommen. Du kannst mich nehmen so wie ich bin!
Henker Ich begehre dich nicht. Ich schlage ein Kreuz vor dir. Weiche zurück. Ich habe kein großes und kleines Gelüste nach dir. Ich bin hart wie ein Bolzen. Es ist
umsonst. Ich habe gebetet. Du hast keine Macht mehr über mich. Ich wanke nicht mehr.
Roswitha Du hast mich aber vor Zeiten begehrt. Da hab ich mich aufgemacht und bin zu dir gekommen.
Henker Ich habe dich niemals begehrt. Ich habe Erlösung begehrt. Ich habe nach Gott geschrien und nicht nach dir. Du bist ein Gespenst und ein Fetzen. Ich sehe dich nicht.
Roswitha Du hast mir aber gesagt, daß ich schön bin.
Auch hast du mich kommen lassen. Also begehrst du mich?
Henker Der Teufel hatte ein Blendwerk vor. Da hat er dich schön gemacht zum letzten Mal und hierher geschickt. Da hat er dich noch einmal aufgeschminkt und dich hereingeschoben. Doch es wird ihm nicht glücken. Du bist mir ein Grauen.
Roswitha Da muß ich die Brüste entblößen. Da muß ich den Henker verführen, wenn er sich sträubt und sich von mir
kehrt!
Henker Ich beiße die Lippen zusammen und sehe und höre dich nicht und rufe dir zu: es ist abgestorben in mir. Es brennt nur noch himmlisches Feuer in mir!
Roswitha Du stehst ja geblendet wie Saul! Du hältst ja die Hände vor deine Augen! Bin ich so schön? Versteckst du dich nur? Bin ich so üppig, daß du dich fürchtest? Bin ich so gleißend, daß du den Schatten suchst, und die Augen
verdeckst? Wo ist denn der Henker, der Bilder türmte von Gott und den Himmelspalästen? Wo ist denn der Henker, der Gott und mich selber in einem anbetete? Der einen Lobgesang ausgehen ließ auf die Schönheit? Der keine Worte mehr fand und vor Inbrunst sich krümmte? Der stammelnd nach Franz von Assisi frug und nach dem Luzifer – Antichrist?
Henker Hab ein Erbarmen mit mir! Ich muß dich abtöten! Du bist eine Hure geworden!
Roswitha Der Henker ist hagestolz! Der Henker geht flüchtig! Er hat sich der Liebe entwöhnt! Soll ich die Bibel herholen und ihm die Geschichte Lots vorlesen? Soll ich ihm Wein eingießen? Soll ich mich dehnen und strecken? Soll ich ihm lachen wie die sarazenischen Weiber lachen? Ich will ihn verführen, was muß ich da tun?
Henker Da mußt du ein völliger Fleischklump sein. Dann töt ich dich ab. Dann erwürg
ich dich.
Roswitha Du kannst mir nicht drohen! Du kannst mich nicht töten. Du hast ja noch Hoffnung!
Henker Roswitha, ich habe die Nacht verjubelt mit Lieblingsbuben. Ich habe ein Siechtum davongetragen. Zieh dich zurück.
Roswitha Warum willst du nicht mit mir gehen! Warum suchst du zu lügen? Du hast ja gar keine Lieblingsbuben! Du hast ja kein Siechtum! Ich werde dich schonen! Ich werde dich hegen! Ich werde
dein Siechtum an mich nehmen! Da bist du geheilt!
Henker Jungweib, mach dich bereit zu sterben! Mach dich bereit, du hast ausgespielt.
Roswitha Du hast mich selber gerufen! Du hast mich doch selber genommen! Jetzt komm ich und trage mich an und du verstößt mich! Komm in die Zelle! Komm mit! Du hast Angst vor Barbara, aber sie sieht es nicht!
Henker Zähl deine Sünden! Mach deine Beicht! Du hast noch
Bedenkzeit.
Roswitha Fürchtest du Gott? Hast du Angst vor ihm? Großer, schöner hochmütiger Teufel! – Lieb ich dich nicht?
Henker (hinfallend) Gott o Gott! Wohin führst du mich? Hab ich dich je mißachtet? Hab ich dich je verhöhnt? Hab ich nicht deine Gesetze erfüllt und mich gemüht um dich? Hab ich nicht meine Geschäfte getan in deinem Namen? Hab ich nicht Weihe begehrt und Heiligung?
Warum verdirbst du mich? Soll ich dich selbst abtöten in ihr und alles verderben? Barmherziger Gott!
Roswitha Henker rothaariger! Henker langohriger! Fasse mich, halte mich, greife mich doch!
(Barbara kommt herein) Barbara, Barbara! Sieh nur den Henker! Vormalen hat er geworben um mich! Jetzt ist er verschüchtert und scheu wie ein Mädchen! Sieh nur, wie er daherkommt! Grau und vergrämt! War er auch sonst mit den Dirnen so duckicht? Du
mußt es doch wissen!
Henker (nähert sich langsam) Nimm dich in acht! Du fährst in die Hölle! Pump dir vom Teufel das Zehrgeld!
Roswitha (Spiel um Säulen und Stühle herum) Barbara, sieh, er will mich nicht haben! Er schleicht mir nur nach. Doch er packt mich nicht! Früher, da hat er gedrängt und gezerrt! Da hat er getanzt und gesungen nach mir! Da hat er die Luft gesträhnt als wär es
mein Haar! Da hat er mich breit in die Sonne gestellt und mich angestaunt. Da war ich ein Teppich aus Licht und Glut! Jetzt sagt er, ich sei ein Stück Fleisch und er will mich nicht mehr, sondern will mich erwürgen! Er hat es mir selber gesagt!
(der Henker verfolgt sie langsam und mit verhaltener Wut)
Hilf ihn mir fangen, Barbara! Halt ihn mir fest, wenn er an dir vorbeikommt! Wir wollen ihn packen und huckepack tragen und auf ein Bett hinwerfen, ob er noch männlichen Willen hat!
Barbara (lacht und zeigt ihre Zähne) So ein Frauvolk, gelüstiges!
Henker (bleibt stehen, matt) Ich kann nicht henken. Ich will nicht mehr henken! (Das Schwert, das er inzwischen ergriffen hatte, fällt ihm aus der Hand. So torkelt er weiter gegen sie hin)
Barbara (hetzend) Er ist von den neckischen Teufeln einer, die ewig geprellt sind! Er hats mit der Keuschheit und Seelennot! Er hat kein Gebiß und kein Gift und kein Horn!
Roswitha (übermütig) Barbara, komm, wir wollen ihm Weiberweis lehren! Wir wollen ihn stierig machen! Er hat es verlernt! Wir wollen ihn ziehen und zerren! Wir wollen ihm über die Kappe springen! Wir wollen ihn prellen!
Henker (Hat sie mit einem mächtigen Satz an der Kehle gepackt , erwürgt sie im Handumdrehen und wirft sie beiseite. Dabei spricht er.) Weg mit dem Juden! Weg mit der Dirne! Weg mit der fräßigen Kindsbetterin!
7. Szene
Der Bube kommt herein.
Barbara (rasch und unterdrückt) Man muß sie vergraben! Man muß sie hinunterschaffen!
Bube Die babylonische Hure ist tot! Wir schaffen sie in den Keller hinunter! Wir binden sie ein in das Stroh! Da nimmt sie der Fuhrmann mit!
Barbara Bist du verrückt! Übers Fenster mit ihr in den Graben hinunter! Da kann sie hinunter ins Lager schwimmen!
Bube Ich hab schon ein Loch gegraben im Keller! Da kommt sie hinein! Was geht sie dich an! Laß los! Gib sie her! (sie zerren hin und her)
Barbara Sie kommt in den Graben!
Henker Zieh dich zurück, Frauvolk! Sie bleibt hier! Ich muß sie Ser Barbo zeigen! (Barbara und der Bube ab. Später wieder hinzu)
8. Szene
Barbiano tritt auf mit Gesellen und Knechten.
Barbiano Da bist du ja, Henker! Die Königin her! Der Feind ist herin!
Henker Da seht Ihr einen Kadaver, Herr! Den könnt Ihr Euch nehmen! Ich hab ihn Euch aufgespart!
Barbiano Ich habe nicht Zeit für Kadaver! Die Königin her! Wir müssen die Königin haben! (er läßt die Zellen durchsuchen)
Henker Die echte oder die falsche?
Barbiano Tot oder lebendig.
Henker Wenn Euch die da die Dienste tut, die könnt Ihr jetzt haben!
Barbiano Laß deine Scherze, die Königin her! Wo steckt sie, zum Teufel?
(Der Henker gibt die Leiche frei. Barbiano erkennt sie.)
Tot, tot? Wer hat sie ermordet? Stangen her, schafft Bohnenstangen hierher! Man muß ihr das Kreuz aufstützen, man muß sie lebendig machen! Wer hat sie ermordet? Man muß ihr die Augenlider festnageln an die Brauen! Holt ihre Frauen herunter! Man muß ihr die Beine steifbinden! Ich muß eine Geiselin haben! Auf mit der Dame, wenn sie auch nur ein Kadaver ist! (er legt selber mit Hand an)
Henker Herr, ich soll sagen: sie war mir ein Dorn im Auge. Da hab ich sie umgebracht. Ich soll sagen: sie hat mich geärgert. Da hab ich ihr nach dem Leben getrachtet. (die Knechte lachen)
Barbiano Laßt diesen Dummkopf! Ich schlag euch in Grund und Boden hinein, wenn ihr nicht tobt und sie aufstellt! Wenn ihr mich jetzt im Stich laßt. Sie muß ihn begrüßen. Sie muß mit ihm lächeln. Sie muß ein vollendetes Kunstwerk sein! Er muß uns die Stadt freigeben! Sein Leibarzt kann sie das Gehen lehren!
Bube (ist wieder herbeigekommen und beteiligt sich auch bei der Sache) Sie kann schon die Arme heben! Sie kann schon die Zunge blecken! Sie kann schon allein auf den Füßen stehen!
Henker Werft Euren fertigen Popanz die Treppe hinunter! Er hilft Euch nichts!
Barbiano Nägel her! Zimmermannsnägel her und eine Latte! Man muß ihr den Kopf aufstützen. Der Kopf hängt herunter! (die Knechte lachen und rufen sich ›He, Hopp!‹ usw. zu)
Henker (mit immer erhabenerer Stimme, während die anderen rennen und werkeln) Gebt einen Tritt Eurer Puppe! Gebt einen Stoß Eurem Schwindelkadaver! Er nützt Euch nichts! Er hilft Euch nichts mehr!
Barbiano Jetzt laß deine Zunge flattern, grünschopfeter Wicht! Wir sprechen uns noch!
Henker Gebt einen Tritt Eurem Haderbalg! Sie lachen Euch aus! Werft auf den Mist Eure Vogelscheuche! Sie nützt Euch nichts mehr! Sie haben die wirkliche Königin längst in den Händen!
Barbiano (läßt die Puppe los. Sie stürzt um) Die wirkliche Königin, sagst du? Was ist das für eine wirkliche Königin? Was sagst du mir da?
Henker Es gab eine zweite, Herr! Sie hat Euch verkauft und verraten! Die hat ihre Kleider vertauscht mit dieser da, die nicht mehr reden kann. Da wurde eine Komedy draus. Da ward Ihr verkauft und verraten. Da ward Ihr genarrt und gehenkt.
Barbiano Das hast du gewußt?
Henker Was geht es Euch an! Ich habe sie laufen lassen vor Stücker acht Tagen. Sie ist über Berg und Tal.
Barbiano Du hast mich betrogen? Du hast mich betrogen?
Henker Greift mich nicht an. Es ist zu nichts nutz. Es ist ein gefährlich Ding, mich anzugreifen. Es ist ein gefährliches Stück, mir nahe zu kommen. Seht mein Gewand, meinen spitzen Kopf! Ich hin ein Stück Teufel in Mannsgestalt. Da könnt Ihr nichts wollen. Ich bin ein Stück Teufel in eigner Person. Ich kann Euch erlösen und nicht erlösen. Ganz wie ich will. Ich habe ausgiebige Vollmacht. Ich habe Gott selber am Ohr geholt. Da seid Ihr ein Nichts dagegen!
Barbiano Du hast mich hereingelegt! Du hast mich betrogen, du Kreatur!
Henker Bleibt mir vom Leibe! Greift mich nicht an! Ich bin hinterlistig und tückisch! Wenn ich mich rühre, gibt es ein Unglück. Wenn ich Euch packe, geht Euch der Atem aus. Wenn ich die Hand ausstrecke, fällt einer zu Boden und rührt sich nicht mehr. Geht hinunter und rettet die Stadt!
Barbiano (unheimlich berührt) Weil du ein Kauz bist – her deine Hand! Wir sehen uns wieder! (Will eilends gehen, wie er den Rücken kehrt, entreißt ihm der Henker das Schwert, spricht.)
Henker Weg mit dem Teufel! Weg mit der Dirne! Weg mit der fräßigen Kindsbetterin! (und erschlägt ihn)
(Großer Tumult und Lärm von der Mauer her. Eine Anzahl fremder Ritter stürzt herein. Die Königin Margarete führt sie)
Ein Ritter (ruft) Hie Wimpflingen her! Hie Türen und Fallen! Hie sind wir im Nest! (sie entdecken die Leiche der Roswitha und stürzen sich über sie)
Henker (steht ihnen gegenüber) Hie Fallen und Türen. Hie seid ihr im Nest. Ich hab sie getötet! (er streckt ihnen die Arme entgegen, als wären es Freunde)
Damit fällt der Vorhang