Jean Paul
Leben Fibels
20. oder Pelz-Kapitel
eingestellt: 2.7.2007
Der Definitiv- und Fundamental-Rat
Dieses ganze Kapitel wurde in einem Impf- oder Pelzgarten im Grase gefunden und schien zum Verbinden der Pelz-Wunden gedient zu haben, was einer leicht fein-allegorisch deuten könnte, wenn er wollte.
Pelz gab endlich feierlich seinen Definitiv- und Fundamental-Rat her: »Fibel möge nämlich dem Markgrafen das Buch mündlich zueignen und drei Exemplare für die jungen drei Herren
Markgräfchen ad usum Delphini sehr submiß, ja submissest überreichen« -
- Es steht nicht in meiner Gewalt, Fibels Erbeben zu malen; ich fahre also sogleich mit dem fortfahrenden Pelze fort:
- »Und dann muß vorzüglich bei Serenissimus angehalten werden um ein rechtes Abc-Edikt oder ein gutes Privilegium, daß das Buch von den Kindern aller Völker seiner Markgrafschaft zum Buchstabieren und Lesen verbraucht werde. Und was brauchen wir dann weiter?« -
Es stände noch
weniger als vorhin in meinen Kräften, Fibels Erbeben, und zwar ein süßeres, zu schildern, wenn nicht der Magister sogleich beigesetzt hätte:
»Freilich brauchen wir noch etwas Wichtiges, einen Mann, der unsere drei Abcbücher nett einbindet und außen auf der Schale alles vergoldet, sowohl die Buchstaben als den Deckel und Schnitt - und diesen Mann haben wir schon bei der Hand in der Hauptstadt, Pompier heißt er, ein Réfugié, aber er weiß, was Vergolden ist.«
Denn nach diesen
Worten war Fibel in einen warmen leichten Himmel aufgelöset, und seine Hoffnung schwamm als Sonne darin. Er versetzte: »Kriegten wir nur gleich diesen Pompierer her zu uns, o lieber Pelz!«
Er war bald gekriegt. Es kam ein gutes langes gesprenkeltes Männchen unter einer Perücke - den Schmetterlings-Flügeln seines seidnen Anzugs mochte die Hand der Zeit Schmetterlingsstaub abgescheuert haben, aber seine papiernen Manschetten hatten ihre Farbe - es hatte Ehre im Leibe, wenigstens auf dem
Leibe - jedes Glied war ein Solotänzer, und der Inhaber voltigierte um jede fremde Seele geschickt. Helf hatte schon viele Höflichkeiten in seinem Leben empfangen; aber so große wurden ihm noch nicht angetan. Damals nannte man einen Franzosen noch kriechend, aber so unrichtig wie im Mittelalter der tapfere Drache ein Wurm genannt wurde.
Pompier gestand, er sei außer sich über die Ehre, Sr. markgräflichen Durchlaucht und Herrn Fibel einige attentions durch seine Chrysographie
beweisen zu dürfen.
- - »Chrysographie?« Allerdings! Außer Weibern und Titeln liebte der Franzose von jeher nichts so sehr als griechische Wörter. Auch hat ein solcher fremde Wörter ausspielende Grec mehr für sich als wir. Wir können aus der lateinischen Sprache borgen, aber er, der mit ihr in der seinigen schon überflüssig versehen ist, wendet sich lieber an die großmütterliche griechische, aus welcher die lateinische entsprang. Was den französischen Grec aber ganz rechtfertigt, sind
die beiden alten Geschichts-Sagen , daß die Franzosen von übriggebliebenen und entwischten Trojanern abstammten und daß sie schon unter Philipp und Alexander gegen die Griechen gedient hätten; denn in jedem Falle beweiset es doch ihre alte (auch sonst bewährte) Antipathie gegen die Griechen, daß sie so recht aus Hohn und Parodie ihnen ordentlich ihre Wörter nachreden und nachäffen.
Kaum hatte Pompier die ersten Höflichkeiten abgetan - nie die letzten -, so fiel er, wenigstens im
Abstich mit sich selber, grob aus; indem er gerade heraus foderte, was ihm für die Arbeit gehöre. Dieses französische Polarisieren des höflichen oder anziehenden Pols mit dem eigennützigen oder abstoßenden kann nur Menschen unerklärlich sein, welche die dazwischenliegende Indifferenz gegen Menschen nicht erraten.
Aber Drottan war der ganze Mann verdrüßlich, nur der Magister noch mehr, weil dieser ihr, wie sie auf dem Kopfkissen klagte, einen Brotfresser nach dem andern einschwärze.
Doch Fibel beharrte auf Nachruhm. - In kurzer Zeit hatte der Franzose ohne zögernden Eigennutz Einbinden und Vergolden vollendet und konnte die drei ersten Pracht-Exemplare zum künftigen devoten Überreichen überreichen. Es war für Pompier, der sich mehr an das Große der ganzen Sache heftete, Herzens-Angelegenheit, daß er Fibeln zur Übergabe der Prachtbändchen Fußfall empfahl. Wie gern wär er selber fürstlichen Füßen zu Fuße gefallen, hätt er daran kommen können! »Warum bin ich«, sagt er sich
selber ins Ohr, »malheureusement nicht so glücklich wie der Tropf da, daß ich statt seiner den Thron bestiege und auf der vorletzten Thronstufe niederfiele, um mich zu heben? - Wird der Dorfbengel Fibel dem Markgrafen nur halb so viele douceurs zu sagen wissen, als ich vorbrächte? - Darauf bin ich wirklich begierig.«
Der Besuch des Hofes wurde nun Sache des Hauses. Das Kleinste wurde zugenäht, eingekauft, abgebürstet, ausgekämmt und eingesteckt, was der Haus- und Buch-Vater zu seiner
Erscheinung am Hofe bedurfte.
Da Helf glaubte, es verstoße gegen den Respekt, zu Fuße und bloß auf dem gemeinen Fußsteige der Landleute zu seinem Landesvater zu marschieren: so lief er tags vorher in die Stadt und bestellte sich eine Schöse (Kutsche), welche ihn samt seinen drei Dedizier-Abcs am Morgen darauf (er traf abends zeitig genug vorher ein) aus dem Dorfe abzufahren hatte.
Sein Triumphzug (die Nachricht davon drang bis an die äußersten Häuser des Nests) bleibe für
biographische Pinsel nach mir; genug, unterwegs saß er auf dem Kutschenkissen halb gekrönt und lächelte sehr heraus, sooft es schnell fort- oder jemand vorüberging; und wär ich dabei gesessen, ich hätte mit ihm zusammen gelächelt. Er müßte nicht bei sich gewesen sein, wenn er unter seinem Kutschenhimmel sich bei solchen Umständen und den drei Abcbüchern nicht für den Prinzenhofmeister, und insofern höchsten Orts einmal deren allgemeine Einführung geboten wurde, den Landesherrn für den Lehrherrn
der Markgrafschaft angesehen hätte, für den König Dionysius, der syrakusischer Schulmeister gewesen wie Homer smyrnischer. Allerdings konnte Fibel sich selber mikroskopisch oder vergrößert erblicken, wenn er erwog, daß er, anstatt wie Pestalozzi seine neue Lehrmethode anfangs nur Bettelkindern anzuversuchen, gerade umgekehrt an Fürstenkinder-Probiersteine seine Bücher streichen wollte, indem ein Erziehungsbuch, sobald es sogar hohe Prinzchen aufbessert, die sich ungern an Bücher gewöhnen, noch
tausendmal mehr (durft er schließen) den tiefen breiten Kinder-Pöbel umarbeiten müsse, welchem ja Arbeit zweite Natur ist. Und wenn er sich erinnerte, wie reich sein Vater bei diesem spaßhaften Serenissimus weggekommen war, so sprützte er sich ordentlich mit Couragewasser und Riechspiritus an.
Nur da er die Fenster-Reihen des Schlosses und gar einige Balkons erblickte und rasselnd über den Rubikon der Schloßbrücke und kletternd über die Alpe seiner noch geschloßnen Wagentüre ging: so
war ihm außen auf dem Schloßpflaster beim Aussteigen viel von Cäsar und Hannibal entfallen, was er von beiden beim Einsteigen mitgenommen und womit er in der Kutsche so bedeutend aufsaß. - Der Fürst schwoll ihm durch Annähern immer riesenhafter auf und über einen Menschen hinaus; die bedeckten Glieder, wie Schultern, Schienbeine, Nabel, Eingeweide, konnt er sich bei ihm gar nicht mehr gedenken, nur ein Gesicht mit ein Paar Händen.
Als er vollends im alten Riesenhause, im Schlosse, die
in der Mitte hohlgetretnen lang-gestreckten Steinstufen aufstieg, ließ er auf jeder Stufe ein Stückchen Herz fallen, so daß er auf der obersten keines mehr hatte.
Endlich traten gar im langen Korridore alle goldne Familien-Bilder vor ihm so ins Gewehr, daß er seines streckte und nichts weiter blieb als ein schwacher markgräflicher Untertan und Knecht, dessen Gesichts-Oval sich etwa so zum glänzenden Kron-Gesicht verhielt - aber ich halte das Gleichnis nicht für erlaubt - wie zur
Sonnenscheibe die Kniescheibe, oder wie ein Christuskopf zu einem Dachrinnenkopf. Die Menschen suchen Gott in der Höhe des Himmels, als ob der Himmel nicht auch in der Tiefe und in seinen waagrechten Enden wäre; Fibel suchte nach derselben verwechselnden Hoheits- und Höhenmessung ebenso seinen Gott-Markgrafen; und stieg so viele Treppen hinan, daß er am Ende einen Dachgelehrten hätte finden und bestürzen können; eine närrische Verwechslung von Höhe mit Hoheit, nach welcher man große Kaiser gar
nur auf Babels-Türmen suchen müßte oder auf Cestius-Pyramiden .
Noch dazu tat er fast auf jeder Treppe einen falschen Fußfall und stieg sozusagen, wie andere Hofleute, unter lauter Fallen, weil ihm vier oder fünf Falsch- oder Pseudo-Markgrafen mit ihren goldnen Tressen und Bamlotten aufstießen, ungefähr nach Anzahl der Pseudo-Neronen - wie man sonst annahm; denn später waren die Neronen wieder in guten und aufrichtigen Sorten zu haben -. Er kam sogar in die Gefahr, als er den
bordierten Leib-Husaren hinter sich hörte, vor ihm einen Fußfall die ganze Treppe hinunter zu tun. - So trieb er sich irre im weiten Schlosse, weil Vexier-Markgrafen gerade unter der Tafelzeit ganz schmackhaftere Sachen an Ort und Stelle zu bringen hatten als ihn. Niemand litt mehr dabei als sein Hut, den er nach dem Haarkräusler-Zeremoniell gewöhnlich als Fündling vor jede vornehme Türe legte, die er aufmachte. Es war einer der neuesten, trefflichsten, aber engsten Hüte, welcher seine Stirne -
da er ihn unterwegs sehr hereingedrückt hatte, weil er ihn weiten wollte, um ihn dadurch leichter abzunehmen - mit einem artigen Heiligenzirkel oder roten Schnitt gerändert hatte. Sie stand ihm erträglich, diese königliche Kopfbinde.
Nach der Tafelzeit gelangte er endlich ausgehungert in das Bibliothekzimmer, worin er einen bejahrten Mann ohne alle Tressen und Bamlotten im Mittags-Schlummer antraf. Statt selber niederzufallen, regte er den Mann an, sich aufzurichten, weil er sich von ihm einige Auskunft über den Fürsten versprach. »Welcher Sackermenter weckt mich da aus meinem besten Schlafe? - Wer Teufel von den Leuten hat denn Ihn hereingelassen?« schrie der Markgraf. So hatte
denn Fibel als wahrer Hofmann mehr Nachdruck auf Bediente als auf den Herrn gesetzt, so wie der Tonkünstler auf die Vorschlags-Note mehr Gewicht des Ausdrucks als auf die Hauptnote legt. Hier tat er, doch mehr aus Schrecken als vor Ehrfurcht, seinen sechsten Fußfall und steckte die Hände in die Tasche nach den Abc-Büchern; kniete aber so verblüfft und sprachlos mit seinem Stirn-Ringe fort und war wie ein Schlagflüssiger unvermögend, nur die Hände aus den Taschen, geschweige damit etwas zu heben.
Endlich aber, da der Fürst nach dem ersten Knallfidibus des Erwachens den knienden närrischen, an der Stirn wie von einem Postmeister rot adressierten Menschen ansah, sprang er auf und lachte unbändig. Es war ein lustiger alter Herr.
An sich ist das Niederfallen vor Fürsten-Füße nicht lächerlich, sondern gut angebracht, es sei nun, daß man sich hinwirft, wie bei dem Samielwind und dem Blitze, um etwas Ähnlichem zu entgehen, oder wie der Buzephalus, um einem Alexander untertänig und
dienstbar zu sein, oder wie die Römer vor dem Papste, um gesegnet zu werden.
Von Erfahrungs-Seelenkundigen kann viel darüber geschrieben werden, daß Fibel vom markgräflichen Gelächter auf einmal etwas gehoben wurde, gleichsam als stelle durch dasselbe der Fürst den Menschen sich näher, wie etwan ein Gott, der lacht. Er trieb es bis zur Anrede und sagte, indem er die drei Bücher herauszog: »Herr Durchleucht!« Um sich noch deutlicher zu erklären, fügt er noch bei, er wolle diese von ihm
selbst geschriebenen und gefärbten Bücher den drei kleinen Herren Durchleuchten Markgräflein hiemit untertänigst dedizieret haben, damit Hoch-Wohl-Dieselben recht bald lesen lernten.
Was später ganze Länder taten, dies tat der Fürst früher um so leichter, weil ihm Fibel gar zu lächerlich vorkam: er genehmigte das ohnehin gute Buch. So fand ers, nachdem er erst ein Exemplar davon durchgelesen. Er rief sogleich seine kleinen drei Königlein aus ihrem Morgenlande herzu und gab ihnen die
drei Gaben, mit deren Triklinium sie freudig entsprangen.
»Was will Er sich für eine Gnade ausbitten?« sagte der Fürst. Nun gibt es wohl auf alle Fürsten-Fragen keine schwierigere Antwort als auf diese, welche auf einmal alle Spar- und Glückstöpfe und ägyptischen Fleischtöpfe der Wünsche, alle Zuckerdosen und Zuckerinseln der Lust, Silberschränke und Silbergruben des Glanzes in langen Reihen aufgedeckt hinstellt, so daß man eigentlich nichts zu nehmen hätte als seine eigne Hand, um
damit alles Geliebteste zu nehmen, wenn man in der Eile nur sogleich wüßte, was. - »Das!« wußte Fibel; denn seine Antwort war mehrere Tage älter als die fürstliche Frage - er versetzte nach Pelzens Rat: er bitte sich die Gnade aus, daß seine Werke in allen Ländern und Staaten Ihro Durchlauchtigkeit dürften einpassieren und gekauft werden, anstatt der ganz alten Abcbücher. Überall rasch, so wie scherzvoll und prunklos, resolvierte der Fürst auf der Stelle, Fibel solle davon so viel drucken, als
anginge, er räume ihm drei unbrauchbare Zimmer im alten Schlosse zu Heiligengut dazu ein und werde seinem Konsistorium befehlen, durch einen Umlauf das verbesserte Abc-Buch allen Schulen des Landes vorzuschreiben.
- Beiläufig! Sollte nicht eine Konsistorial-Anstalt, die ein ganzes Land zum Findelhause eines vielgebärenden Kopfes auftut, wie z. B. die baireuthische längst für Dr. Seilers Religionsschriften als Muster getan, viel öfter, als geschieht, für geistarme Geistliche,
welche schreiben, durch solche Einfuhr-Gebote sorgen, gleichsam wahre gezwungene Leser-Anlehen, welche ja geistarme weit mehr als geistreiche, die sich selber einführen und bezahlen, bedürfen.
- Fibels Erstaunen darüber war vielleicht das größte nach dem Falle Adams, wenn nicht noch größer als das paradiesische adamitische, denn Er stieg, aber Adam nicht. - Dennoch war sein Stolz auf die Umarbeitung des Staats oder gar der drei Markgrafen nicht so groß, als er hätte sein dürfen;
vielleicht war bei letzterem Untertanen-Demut im Spiele, vielleicht auch die Betrachtung, wie ohnehin gewöhnlich es von jeher war, daß die Thronhöhen und Thronbühnen immer von unten her, von den mittlern Ständen, erhellet werden, wie das Theater (oft besetzt von größten Königen) nur durch Lichter von unten herauf erleuchtet oder durch den so tief sitzenden Vorhelfer und Einbläser (Souffleur) belehrt wird.
Aus Behagen an Fibels Luft- oder Äthersprüngen der Entzückung oder an dessen
unbeholfenem Eiertanz zwischen den unausgebrüteten Eiern seiner aufwiegenden Zukunft behielt ihn der Fürst zum Abendessen bei sich, das er gewöhnlich ohne Damen und Rang nur mit frohen Genossen genoß, unter welche auch der Rektor magnifikus seiner Residenz und Universität gehörte. Übrigens litt es seine jovialische Gutmütigkeit nie, daß ein Gast irgendeine andere mitessende Seele in ein lächerliches Licht setzte als diese sich selber; eben dadurch gewann Fibel die Freiheit, sich selber rein
darzustellen und auszusprechen und wie eine unschuldige bescheidne Jungfrau ohne Selbstwissen durch sein ganzes Wesen zu ergötzen; er konnte (er war dazu aufgefodert) sein verlebtes Leben seinem Landesherrn vortragen, ohne zu erraten, in welche lachende Stimmung er damit diesen so wie mehrere Große des Reichs in der Stube versetze.
Aber so viele Freude leidet der Teufel an keinem Menschen; auch hier folgte der Satan seinem alten Naturell, nach welchem er an jeden Wiener Apollosaal der
Freude gern ein kleines Zucht- und Totenhaus derselben anlegt, neben jeden Freuden-Tempel eine Begräbnis-Kapelle. Es waren nämlich damals noch die Zeiten, daß Markgrafen, Herzoge und andere Standespersonen Tabak rauchten, so wie Rektores magnifizi; der Landesherr präsentierte daher dem Studenten so gut wie dem Rektor magnifikus den Pfeifenkopf. Fibeln nun konnt es jetzt keinen Vorschub tun, daß er niemals in seinem Leben geraucht. Denn da er dessenungeachtet den Pfeifenkopf heiter genug ansetzte
- weil er es für Majestäts-Verbrechen hielt, seinem Regenten und dessen Beispiele nicht nachzufolgen und nachzurauchen -: so mocht er kaum zehn bis zwölf Züge getan haben, als fremde Dinge in seinem Kopfe, in seinem Herzen, in seinem Magen vorgingen und aufstanden, welche ich nur sehr matt und unklar darstelle, wenn ich sie mit den bekannten Umwälzungen des berühmten Stein- und Kunstkenners Stosch zusammenhalte, welche in diesem Kenner walteten, als ihm in Paris, nachdem er als echter
Kunstfreund im großen Kunstkabinett das berühmte Angelos-Petschaft weniger wie ein anderer den Goethe als wie Johannis das Buch verschlungen hatte, nämlich wirklich und ohne Metapher, als diesem Kunstfreunde, sag ich, ein Brechmittel vom höflichen zarten Aufseher des Kabinetts (weil er nicht zum besten aussehe, sagte der menschen- und petschaftsfreundliche Mann) ordentlich aufgedrungen wurde, welches ihm und seinem Magen nichts kostete und nahm als eben nur das - Petschaft, das so für ihn aus
einem geschnittenen Stein zu einem schneidenden wurde; - - und doch vergleich ich Stoschen nicht mit Fibeln.
Der treffliche Markgraf, ein fertiger Gesichter-Leser, zumal wenn sie, wie feuer-speiende Berge, rauchten, tat nur einfach die Frage an Helf, ob er etwan sich an andern Tabak gewöhnt habe; der Rauch-Schüler beteuerte: er kenne gar keinen bessern als diesen.
Noch einige Zeit sah die Tabagie auf seinem Gesichte das Mienen-Gefecht immer hitziger werden, wodurch er -
aber sittlicher als andere - das Seinige zu behalten suchte: als endlich der Fürst dem Leibhusaren einen Wink gab, den tapfern Gesichts-Fechter in die benachbarte Bibliothek abzuführen. - Fibel gehorchte Fürsten, geschweige fürstlichen Bedienten und folgte sogleich.
In dieser nahen Bibliothek wies ihn der Leibhusar auf den Leibstuhl an, zeigend auf einen der größten Folianten, in welchem jemals ein Blatt war; so sehr maskieren Große nicht nur Batterien, oder sich, oder Schönheiten des
Parks, oder durch Tapetentüren Schönheiten des Kabinetts, sondern auch alles. Aber Fibel wurde weder von seinem Magen mit dessen Krebsgängen, noch von seinem Kopfe mit dessen kartesianischen Wirbeln auf die Sprünge des Husaren gebracht, sondern er dachte ganz anders und nahm an: »da ein Foliant vielleicht das Größte ist, was je geschrieben worden - wieviel mehr dieser da, der noch größer ist!« Als er vollends dessen schönen Rückentitel las: »Compendieuse Hand-Bibliothèque und Repertorium
gelehrter Sachen«, konnt er da wohl als ein vernünftiger Mann sich einbilden, daß der Foliant der Feind aller Folianten sei - und die Untiefe so mancher strandenden Unsterblichkeit - der Kassationshof der gelindesten Rezensionen - die papinianische Maschine und das Gebeinhaus sowohl theologischer als philosophischer Skelette - der Judenkirchhof der Akten - die Schneiderhölle von Depeschen - kurz daß der große Foliant und Polyphem nur eine kleinere Allgemeine deutsche Bibliothek und Oberdeutsche
Literaturzeitung sei, welche bloß die Gefährten des Ulysses verzehrt? Hieße dies nicht (mußt er annehmen) den Bock zum Gärtner der umherstehenden Bücher, sogar aller seiner Abcbücher setzen?
Da endlich der Husar sah, daß Fibel die Sache nicht herausbrachte: so deckte er ihm das, was zum Verständnis des Folianten nötig war, auf und ging, ihn seiner eignen Einsicht überlassend, davon.
Nüchtern, leicht, aber gebleicht, als hab er unterirdische Erscheinungen gehabt, kam Fibel
ins heitere Zimmer zurück und rauchte mit frischen Kräften die Pfeife gar aus. Übrigens spielte er den ganzen Abend den Mann von Lebensart durch, so daß - weil er wußte, wie sehr ein Gast dem Wirte jede Mühe abzunehmen habe - er fleißig die Wachslichter schneuzte. Wenn indes Fibel Abendstunden lange den Mann von Welt in einem solchen Grade vorstellte, daß nichts an ihm auszusetzen war als höchstens der Dorf-Insasse, der einem ledernen Schlauche gleicht, von welchem dem feinsten geistigsten Wein,
den man in Spanien darin aufbewahrst, einiger Leder-Geschmack nachbleibt, wenn er, sag ich, sich so poli benahm: so übertreibe man dennoch nicht sein Lob; ihm wurde ja der Mann von Lebensart leichter als andern, die von Fürsten etwas zu suchen haben, denn er hatte schon gefunden; für ihn war der Fürst eine Uhrfeder, die seine schöne Zukunft in Gang erhielt, nicht eine Uhrfeder, womit ein Gefangener sich aus den Ketten sägt.
Als ihm zuletzt der Fürst die Einweisungs-Akte auf die drei
Zimmer des alten Schlosses besiegelt und unterschrieben mitgab: so - dies ist Tatsache; denn jedes Pferd war ihm eine Schnecke - rannte er zu Fuße nach Hause. Welche glückliche Inseln und Rosentäler er da ausgepackt, konnte man noch um drei Uhr nachts sehen; so lange blieb das Haus erleuchtet, überall brannten Lichter, sowohl in der Stube als in der Kammer, in jeder eines - Pelz und Pompier tanzten miteinander eine Brautmenuett, und Pelz sagte, morgen sag er noch etwas - Die Mutter weinte
freudig über ihren begrabnen Mann, weil er noch früher den Markgrafen gesehen - und Drotta besah das Siegel des Befehls an den Schloßverwalter. Nur Fibel war bei sich, freilich die einfältigste Stelle oder Person, bei welcher er in solchen Verhältnissen sein konnte.