Gelehrte Streitigkeiten - oder antikritische Sitzungen
Und da sind sie, zwei auf einmal! Die verdammte biographische Vergangenheit ist fort, und man fängt ordentlich zu leben an. Künftig kann nun nichts mehr kommen, was ich öfter zu erzählen hätte als einmal in dem dazu anberaumten Kapitel, und alles, was nur vorfällt, ist den guten Lesern noch nicht erzählt, sondern wahre Neuigkeit. Vorfallen aber muß noch viel in den
künftigen Kapiteln, da ja Fibel, Mutter, Frau und alles noch lebt, was erst künftige Kapitel begraben.
Dadurch entkomm ich unschuldiger Verfasser dieses Werkes dem Vorwurf, dem Jupiter, dem größten Planeten, zu gleichen, als biographisch rückgängiger Stern; man sieht, daß mein Ruhm darin besteht, dieser größten Welt unsers Systems darin zu ähnlichen, daß ich wie er nach der scheinbaren Rückläufigkeit den schönen Bogen des Fortgangs rein beschreibe.
Ohne die
geistige und sauere Gärung gelehrter Streitigkeiten hätten wir schwerlich jene köstlichen Felsenkeller und Essigkammern voll März- und Oktober-Bier oder Oster- und Michaelismeßbücher, welche wir Bibliotheken nennen und aus welchen wir so schöpfen. Der Janustempel ist der Heidenvorhof zum Ehrentempel. Ich habe mehrmals den Ausdruck gelehrte Raufereien dadurch verfochten, daß ich gute schwarze polemische Dinte das echte eau épilatoire nannte, womit man in Paris jedes schönheitswidrige
Haar ausbeizt und durch welches oft ein Kritiker einen ganzen Weisheitsbart abnimmt. Und ich möchte auch wissen, was denn sonst anders als dieses Bespritzen und Beflecken mit polemischer Dinte uns von jeher zu jenen Streitschriften und Antikritiken aufgemuntert hat, worin wir Feuer speien und eben wie Vesuvius durch Speien und Auswerfen uns immer höher aufmachen. - Schon bloß was ich allein durch schreibende Feinde an Bescheidenheit auf der einen, und an Selbstachtung und Gelehrsamkeit
auf der andern Seite gewonnen, ist kaum zu berechnen. So manchem Rezensenten, der gleich den türkischen Schreibern mit dem Schreibzeug den Dolch trug, klopft ich stark auf die Achsel und sagte: »Schreib und stich, Männlein, du stichst mich in Kupfer, und dein Dinten-Ätzwasser ist mein Salböl.«
Wie schön hätte daher neuerdings Arndt in seinen »Briefen an Freunde« durch die Frechheit seines Urteils über mich auf mich einfließen können, wenn er dem Mangel an Verstand
und Wahrheit, woran das gute Urteil leidet, durch ein reiches Werk, worein ers gesteckt hätte, in etwas abgeholfen hätte. Aber er wollt es nicht recht, sondern schrieb ein leeres Buch, worin freilich sein Urteil, und wär es noch zehnmal frecher gewesen, für keine zwei Pfennige werte Besserung auf mich wirken konnte. Den Schaden hab ich allein, weil dadurch meine Verstockung wächst. Sonst ist das Werk als eine generatio aequivoca der frühern Schlegelschen Dinten-Infusion gut genug und der Zeit
angemessen, in welcher man höhern Orts Kraft ungern sieht. Es tat sich nämlich eine Gesellschaft schwächlicher Egoisten oder guter Maul-Riesen (nach Art der Maul-Christen) auf dem Druckpapier zusammen, welche die Tränen der Empfindsamkeit auszurotten suchte, und welche sagte, man solle mehr von Kraft reden. Es kann aber allen Ministern nicht oft genug bewiesen werden, daß diese scheinbar verdächtigen Kraft-Menschen ihren Namen so wie die Butterblumen führen, aus welchen niemals Butter wird (denn
die Kühe fressen sie nicht), und die man nur der gelben Farbe wegen so tauft; es sind gute tatenreine Seelen, welche, so wie man nach Martial, Lipsius und Bayle sehr wohl unzüchtig schreiben kann, ohne im geringsten so zu leben, mit ähnlicher Unschuld die Kraft-Sprache ohne schädlichen Einfluß ins Leben reden, wie Briten die französische ohne französische Gesinnung. Freilich sieht sich zuletzt mancher für ein Donnerpferd an, der nur ein Donneresel ist. Auch der gute Arndt findet beinahe alles
um sich her klein und gemein, wenn er es mit seinem großen Leben vergleicht; dieses besteht, seinem Buche zufolge, jetzt darin, daß er sich seiner Jugendzeiten erinnert, in welchen er sich großer Ritter- und Römer-Zeiten erinnerte, wenn er die halbe Nacht in den Rheingegenden und in Italien mit guten Freunden spazieren gegangen und getrunken. - -
Um zu Fibeln zurückzukommen, so gibt es sogar unter den Literaturzeitungen jetzt nur wenige, welche durch unschuldige Bosheit und Einfalt
Schriftsteller zu guten Streitschriften spornten und es tut mir leid, daß ich dem Universität-Tetrarchat von literarischen ökumenischen Konzilien, Heidelberg, Halle, Jena, Leipzig, jenes Lob nicht geben kann (höchstens ist ihre Dinte zuweilen offizineller Vier-Räuber-Essig); aber von der fünften Literaturzeitung (ein schönes fünftes Rad, das erträglich rädert), von der Ober-Deutschen, behaupten sogar Feinde, daß sie mit ihren Wassern jene erhabne Pisse-Vache für die unten stehenden
Köpfe Nieder-Deutschlands sei und, recht als Tropfbad unterwegs verstäubend, so wenig auffalle.
- Es ist Zeit, endlich der Pelzischen Antikritik-Sitzung beizuwohnen. Der Schulmeister Flegler war im Wirtshaus die gelehrte kritische Anstalt jeden Sonntag nach der Abendkirche und nach der Sitzungszeit. Er durfte freilich ein langes Gesicht dabei machen, daß er, so lange berühmter Schullehrer mit dem Wappenschild des Abchahns, der einen Prügel hält, und der
selber Fibeln unterrichtet und geprügelt hatte, nun von seinem jungen Jünger sich Schulbücher mußte in die Hand geben lassen; sein Hahnengeschrei im Wirtshause sollte den verleugnenden Petrus wenigstens ins Bereuen hineinkrähen. Da Pelz mit dessen Rügen und Hahnenkämpfen mehr als eine Sitzung bestreiten konnte: so trank er gerne nach dem Gottesdienst im Wirtshause sein Glas und holte vermittelst des Widersprechungs-Geistes gleichsam wie mit einem Stechheber aus dem Schulmanne alles Sauere gegen
Fibel heraus, was er in der nächsten Sitzung aufzutischen und abzusüßen hatte.
Ich glaube nicht, daß ich dem Schulmeister Abbruch tue, wenn ich seine gelehrten Angriffe Fibels in die gefällige Form einer Rezension, mit Auslassung seiner Sprache, zusammenziehe und nur so viele pöbelhafte Ausdrücke aufnehme, als sich mit einer gesitteten Rezension vertragen.
Oberdeutsche Literaturzeitung
No. 0000001
Pädagogik
A
A a b c d e f g h u. s. w. (von Herrn Gotthelf Fibel) ohne Druckort. (In Heiligengut bei dem Verfasser.) (Einen Oktavbogen stark.)
Es war uns vor Ekel unmöglich, den abscheulich-langen Titel abzuschreiben. Der Verfasser dieses sein sollenden Schulbuchs (es scheint ein junger Mensch zu sein) gehe doch ja vorher in eine Schule, aber nicht als Lehrer, sondern als Schüler, damit er wenigstens Rechtschreibung lerne. Peil statt Beil, Trache statt Drache (das wir von draco ableiten),
Yüdenkirschen statt Judenkirschen, Appfel statt Apfel sind wahrlich, zumal in einem Schulbuche, Schnitzer gegen den Priscian-Adelung, die wir wenigstens in unserem Hör- und Lehrsaale nicht einmal Abcschützen verzeihen würden, die noch nicht schreiben könnten. Der Schulbakel gehört weniger in als auf die Hand des Herrn Verfassers. Das Machwerk selber (bei dem wir uns nicht aufhalten) ist aus den allerbekanntesten abgedroschensten Sachen zusammengeflickt, aus dem Abc und den
Diphthongen (wobei der Verfasser sich ewig oben auf der Zeile jedes Blattes wiederholt ) - aus den bekannten Syllaben - aus dem Vaterunser, das der Plagiarius aus der Bibel wörtlich abgeschrieben, so wie die 10 Gebote, sogar das 7te - aus dem christlichen Glauben, der schon zu Luthers Zeiten im Katechismus gestanden.
Jetzt kommt aber der originelle Teil des Buchs, der uns eine Gemälde-Ausstellung mit einer (scilicet!) poetischen versio interlinearis auftischt. Wir wollen nun ein
wenig beleuchten, was Herr Fibel im Fache der Kunst geleistet. Was erstlich das Kolorit, so wie auch die Farbengebung anlangt, so gestehen wir gerne, daß uns das schlechteste Stück von Vecelli Titian (aus Friaul, gestorben 1576) tausendmal besser mundet als das beste in Herrn Fibels Galerie; denn unser große Kolorist fertigt alles mit 3 Farben ab, mit Gelb, Grün und Rot. In dieser dreifarbigen Kokarde ist besonders Rot seine Leibfarbe, es sei nun seine Schminke oder seine sonst nicht unnötige
Schamröte, wiewohl auch Zorn und Trunk rot machen. Genug unser Rotgießer und Rotgerber treibt uns einen roten Bären, roten Wolf und eine rote Katze vor; auch anderem Vieh, dem Kamel, Esel, Lamm u. s. w., legt er hinten und vorn immer etwas Rot auf. Ob nun aber durch diese türkische Garnfärberei die Jugend wahre Begriffe von dem Kolorite auch nur des gemeinsten Viehs einsauge, entscheide der Leser.
Was die Zeichnung anlangt, so schiebt dieser kleine Guckkasten zwanzig
Tierstücke und nur fünf Menschenstücke vor. Doch das sei; der Kunstkenner hält sich nicht an Stoff, sondern an Form, und ein guter Ochs ist Rezensenten lieber als ein schlechter Evangelist Lukas, darneben er steht. Aber leider müssen wir, wenn wir nicht ganz unsere niederländische Schule und niederländische Reise vergessen wollen, in diesem gemalten Viehstalle die Fragen aufwerfen: wo ist hier ein David Tenier (Vater und Sohn, jener 1649 gestorben, dieser 1674) - ein Potter - ein Stubb - ein
Jacob Ruysdal (aus Haarlem, gestorben 1681) - ? Freilich ein Lamm ist da, aber man vergleich es mit dem Nicolaus Berghem (aus Amsterdam, gestorben 1683); freilich ein Gaul ist da, aber man vergleich ihn mit einem Philipp Wouvermann (aus Haarlem, gestorben 1668)! Und so könnten wir die ganze herrliche Maler-Reihe durchgehen, aber immer vergeblich fragen: ist der und der da? - Wollte der junge Mann in der Blumenmalerei etwan einen Huysum erreichen oder gar übertreffen (wie es bei den blumistischen
Zeilen scheint: »Das Cränzlein ziert den Hochzeitgast; Vom Rettig man den Koth schabt ab; Nach Yüdenkirschen mich gelüst«). so soll uns jeder für einen Verleumder und Verkenner echter Malerei erklären, wenn wir je sagen, daß dieses herbarium vivo-mortuum nur von weitem an eines unsterblichen Huysums herbarium perenne reiche.
Noch sind, wie gesagt, 5 Menschenstücke darin. 1) Ein Mönch, gegen welchen ein Messer gerichtet ist; soll das bedeuten, daß Mönche Könige erstachen, oder daß
Mönche zu erstechen? 2) Eine Nonne; wer aber die Nonne della sedia von Urbino Raffael gesehen (gestorben 1520), der entscheide zwischen beiden Bildern. - Das dritte Menschenstück ist ein Jude, ja Judas mit Beutel, worunter die versio interlinearis steht: Der Jüde (Jude) schindet arme Leut. An sich mag der Jude mit dem Hute, und mit der Rechten am Magen, mit der Linken im Beutel, ganz gut und vielleicht das Beste in der ganzen Galerie sein; aber ob gegen die Zeichnung, Stellung und die
versio: »er schinde« nicht die ganze Judenschaft eine Injurienklage anstellen, ob nicht jetzt, wo die Christen immer jüdischer werden, gerade eine Annäherung und Gemeinschaft von Tempel und Kirche, gleichsam der Einband des alten Testaments ins neue, mehr dadurch gehindert als befödert werde, muß laut gefraget werden. Auch in den Jüdenkirschen kommt wider unser Vermuten später der Jude wieder vor, und der Verfasser gelüstet nach ihnen; was soll man davon denken? Der Verfasser ist gewiß zu
rechtschaffen, um sich an Juden (zumal da er auf keiner Universität war und da borgen mußte) durch Aufhetzung der Jugend zu rächen. Es ist aus dem Buche nicht anzunehmen, daß er sonst andere widrige Familienverhältnisse mit Juden gehabt; um so mehr fällt der Ausfall auf.
Das vierte Menschenstück ist ein Vogelsteller. Wir sagen nichts darüber - ein Sohn kann seinem Vater doch nicht so viel Unsterblichkeit zurückgeben, als er von ihm vorher erhalten, indem er vom Vater für die ganze
Ewigkeit gezeugt worden.
Das fünfte Menschenstück ist die Xantippe. Ihr Zurückflughaar und Vorwärtsschritt wird keinen Kenner, der nur einmal des Peter, sogenannten Höllen-Breughels (gestorben 1642) Furienbilder zu sehen bekommen, täuschen und bestechen, daß er diese Xantippe so wie auch den Trachen (im Buchstaben T des Abc) für etwas Gelungnes und Wahrhaftes hielte.
Schlüßlich bedauert Rezensent jeden Leser so wie sich, der sich durch dieses Machwerk
durcharbeiten mußte. Aber wie soll man erst einen armen Schulmann genug beklagen, welcher gar ein solches unhaltbares Flocken-Gewebe zum Leitfaden im Labyrinthe des Schulgebäudes täglich in die Hand zu nehmen und daran Kinder zu führen hat? O Dii immortales!
R. F.
Unter diese Rezension setzte die Redaktion folgende Note:
Zu unserer und gewiß auch des Lesers Freude ist noch eine zweite Rezension von einem großen Ästhetiker und Historiker eingelaufen, von welcher wir nur das Ende hier zum besten geben:
- Aber eine ganz besondere Aufmerksamkeit zieht der Herr Verfasser durch die Art auf sich, wie er ausländische Formen
behandelt und der Jugend darstellt; und diese sind q, x, y, z. Der Herr Verfasser schreibt so:
Q q Kuh - Q q Quarkkäs.
Was Wunder? die sehr rothe Kuh,
Giebt weiße Milch, Quarkkäs dazu.
Andere mögen den Jambus Quark-Käs rügen (offenbar ein Spondäus); wir bemerken für Schullehrer nur, daß nicht Q q, sondern Qu qu stehen muß, wenn der Schüler nicht Quark lesen soll wie Kuark. Gleichwohl kommt nach Qu(ark)
doch ein K(äse), wobei noch zu fragen, ob es denn in allen Käsekammern einen andern Quark gebe als einen käsigen (etwas anders ist freilich figürlicher). - Übrigens dauert es einen Verehrer des berühmten Verfassers, daß er sich in dieser Strophe durch die Ausdrücke »die sehr rothe Kuh«, ferner »gibt weiße (?) Milch, Quarkkäs dazu« (als ob sie auch den Käse aus dem Euter gäbe) schlechte Krittler auf den Hals hetzt. Auch dürfte mancher Verehrer der Fibelschen Dichtkunst den fast
gesuchten Gegensatz »sehr rothe Kuh und weiße Milch« wegwünschen, je mehr er sonst dessen von allem antithetischen Witze geläuterten Geschmack so schätzt.
Wir gehen nun weiter, aber leider zu bösartigen Punkten (denn der redliche Kunstrichter fragt nach nichts); und hier finden wir nun folgende Strophe:
X x Xantippe - X mal X.
Xantippe war eine arge Hur (Hur),
Die zehnmal Zehn macht hundert
nur.
Dieser Denkvers (versus memorialis) heftet dem jungen deutschen Volke nicht nur den Irrtum auf, das römische Zahlzeichen X sei mit dem deutschen Ix einerlei, sondern er vergiftet dem Volke, wenn es noch im Neste sitzt, den ersten gelehrten Imbiß mit einer Hure. Kann es der Verfasser am jüngsten Gerichte, wenn er mit der Xantippe verklärt aufersteht, bei ihr verantworten, daß er sie mit einem Strohkranz ins Dreh- oder Drillhäuschen öffentlich eingeschoben und gesperrt?
Wenn sie, wie einige vermuten, aus höherem Stande gewesen - wogegen wenig vorzubringen ist als höchstens des Sokrates Versicherung, daß sie sehr gut hausgehalten -, so ist das unschickliche Beiwort im Abcbuch eine wahre Injurie und Unmöglichkeit. Ja sogar wenn man annehmen will - was viele tun -, daß Damen, umpanzert von höchster Zartheit, Tugend, Prüderie und gegen die kleinsten Verstöße, gerade gegen die größten am unbewehrtesten sind, ordentlich den Haustüren in Aleppo ähnlich, welche
gegen Diebe von Eisenblech sind, aber nur hölzerne Schlösser haben; wenn man dies anführen will: so ist doch wieder auf der andern Seite für Xantippens Tugend zu bemerken, daß sie ungemein zänkisch und haushälterisch war und damit sich nahe an Altjungferschaft anschloß. Auch dieses Zanken und ihre Hausdragonaden sind durch die Geschichte längst entschuldigt - denn wie Sokrates ohne sie nicht Sokrates geworden wäre, so Xantippe ohne ihn nicht Xantippe, weil sie, hätt er mehr gezankt, es selber
nicht nötig gehabt hätte. Schweigen bringt die beste Frau auf, die eben im Keifen ist - ja auf einem so stillen Meere wie Sokrates kommt selber die wildeste nicht weit. Wie oft mag die gute Xantippe, wenn der wie ein mit Sporen gestochnes Pferd lautlos bleibende Sokrates ihre Geduld erschöpft hatte, vor ihrer Freundin geklagt haben: »O Gute, wenn du nun alles getan hast gegen einen solchen Ehemann und Pflastertreter, was nur gestattet ist, Vorstellungen, Tischumwerfen, Nachgießen, und er doch
immer bleibt, wie er ist: - so sage mir doch - prügeln und totschlagen kannst du ihn nicht -, wie du mit einem solchen Eisblock und Eisbock leben willst! Schon der bloße Gedanke daran macht mich wieder furiös und fuchswild.« - In unsern Zeiten ist freilich eine Xantippe (welcher der unparteiische Sokrates selber das Lob einer guten Haus- und Kinder-Mutter gegeben und welche in dessen Kerker so sehr um ihn geweint) kein gewöhnliches Geschenk für einen Ehemann, und man sollte den Beinamen Xantippe
nicht aus Schmeichelei an so viele Weiber verschwenden, als man tut.
Wir kommen zum Ypsilon.
Y y Ygel- Y y Yüdenkirschen.
Des Ygels Haut voll Stachel ist,
Nach Yüdenkirschen mich gelüst.
Der Jude und der Igel müssen sich hier ihren Anfang aus Griechenland holen, ein i grec. Mit dem Juden vornen, der den Beutel hält, ging er weit höflicher und orthographischer um. Überhaupt setzt den Verfasser
das Ende mit den drei Auslands-Buchstaben x, y, z in solche Not, daß er damit, wie die Mathematiker mit x, y, z, gesuchte (ihm) unbekannte Größen bezeichnen könnte. Denn auch im Z gehts her, wie folgt:
Z z Ziegenbock - Z z Zählbret.
Die Ziege Käse giebt zwei Schock,
Das Zähl-Bret hält der Ziegen-Bock.
Die zweite Zeile enthält die letzten sieben Worte des am Buch-Kreuz hängenden Verfassers; daher man bei
einem, der im Ausmachen ist, den sogenannten Verstand so wenig erwartet als findet. Auch im ersten Gnomon will der Sinn fehlen, da ohne Zeit-Bestimmung eine Ziege ebensogut 100 Schock als ein halbes gibt. Lächelnd bemerkt Rezensent, daß Käse dreimal im Werklein vorkommt, hier und im Q (Quark-Käse). Aber ernsthaft rügt Rezensent die Unvorsichtigkeit, die zarte Jugend durch das Fusti und Sporco der Zweideutigkeiten, durch die pontinischen Sümpfe des sechsten Verbots zu ziehen, da man vor Kindern
den alten Malern nachschlagen sollte, welche Adam und Eva sogar vor dem Falle mit Feigenblättern darstellen. Uns fällt noch einmal bei der Xantippe das Hochzeitkarmen oder der Trauschein zweier Tiere auf, welche ohnehin in keiner Kryptogamie (Geheim-Ehe) leben, sondern von welchen die eine eheliche Hälfte die andere in die Welt gesetzt, den sogenannten Sündenbock der Juden; - doch wollen wir hiemit nur vor Gefahr und Vergiftung der armen Kindheit zur Vorsicht warnen; denn wir lassen gerne zu,
daß der Verfasser nicht sowohl absichtlich als unvorsichtig und ohne Willen mehr gegen als für die Kindheit geschrieben. - -
I. P.
Pelz mag wohl manche Fleglereien selber ausgesonnen haben, um mit fremden Angriffen eigne Siege zu vervielfältigen. Aber was machte Fibel dabei? Das Lamm; er glaubte hundertmal grob und feindselig zu sein, wenn er nichts war als gerecht und still; seine Galle glich der Galle des Fötus, die nur süß ist; daher meinte
er eine Rache von Belang zu nehmen an Flegler, wenn er vor dessen Fenstern gar nicht vorbeiging, höchstens nur bei dessen Wegsein, oder im Finstern, weil ers für zu große Beleidigung hielt, sich am Tage nicht umzudrehen und alles am Fenster zu grüßen. Jeder Billige muß eine solche durchlöcherte Gallenblase oder Zornschale eines sonst guten Mannes vor einem antipathetischen Jahrhundert, in dessen Heldengedicht, wie in Voltaires Henriade, die Eris die Maschinengöttin ist - eine literarische wie
kriegerische Jahrszeit, worin, wie bei Nordischen, Arabern, Persern die Schwerter Namen trugen, man durch Schwerter einen gewinnen will - jeder Billige muß dergleichen entschuldigt zu sehen wünschen. Aber Fibel kann dadurch entschuldigt werden, daß Flegler im Lesen sein erster Lehrer und - da er selber nichts weiter lernte - sein letzter war. Die Unauslöschlichkeit der ersten Liebe gilt auch für die erste Achtung und Bewunderung gegen Lehrer; ja das Kind bewundert mehr den ersten
wissenschaftlichen Lehrer als den ersten moralischen, erstlich weil der moralische, z. B. der Vater, immer zwischen Irrgängen und Rechtgängen wechselt, wozu noch das kindliche Gewissen kommt, das nur eines kennt; zweitens weil das Kind Richter über das Herz, aber nicht über das Gehirn ist.
Sind, wie es scheint, die beiden Rezensionen gleichsam Vorlegblätter aller echten Rezensionen: so ist die Antikritik, die Pelz darauf vorlas, ein Muster, wie alle gute Antikritiken
abzufassen sind; denn er macht, ohne Fleglers Einwürfe im Geringsten zu berühren und sich durch unnützes Eingehen in die Sache den Streit absichtlich zu erschweren, den Schulmeister bloß lächerlich und verächtlich und hetzt ihn bloß im allgemeinen so gut ab und schickt ihn heim, daß jeder Antikritiker geradezu diese Antikritik wörtlich gegen jeden kritischen Anfall abschreiben und als stehende Antwort für sich selber gebrauchen kann. Er sagte nämlich folgendes in kurzen Sätzen:
Akademist würde den Seligen zu beleidigen glauben, wenn er auf die Rezension nur antwortete - Solcher Anfälle ist ohnehin jeder Schriftsteller gewärtig - Die Zeit wird gewißlich richten - Auch muß jedes Buch sich selber verteidigen - Und ist denn irgendein Menschenwerk vollkommen? Wo aber plura nitent, ego non offendor - Ich würd es auch schon darum für verlorne Mühe halten, dem Herrn Gegner zu antworten, weil zwar wohl in Kirchen-Geschichten Beispiele vorhanden sind, daß Märterer ihre
heidnischen Scharfrichter bekehret haben, aber keines in der Gelehrtenhistorie zu finden ist, daß ein Autor seinen Kunstrichter durch Antikritik herumgebracht hätte - Noch mehr ist dies der Fall, wenn, wie hier, Neid und Alter einstimmig miteinander in ein Horn auf der Stirne blasen, das sie für eine Famas Trompete ansehen. Unser Gegner - wir wollen ihn nur den Doktor Abcdarius heißen, wie man der Anfangsbuchstaben wegen den Bilderstürmer Andreas Bodenstein Carlstadt nannte - ist ein
Bilderstürmer der neuen Abcbilder, weil sein Fibel-Hahn seitdem nicht allein Hahn im Korbe sein darf. Es tut freilich einem greisen Lehrer nicht wohl, wenn sein Schüler seine Schultern besteigt und, um einen ganzen Mann höher, noch einmal so viel sieht und ihm dabei Schwielen tritt und seinem Kopfe den Hintern zukehrt. Aber in diesen Fall kommen wir alle, und auch ein Fibel kann einst nach Jahrhunderten so übertroffen werden, daß Schüler auf den Schultern thronen. - Indes gewisse grauweiße Köpfe
werden wie ungehopfte weiße Biere nie hell; sie glauben, wenn sie sich auf das stellen, was sie ihren Kopf nennen, gefüllten Wein-Flaschen zu ähnlichen, welche, auf den Kopf gestürzt, sich länger erhalten. - Zuweilen hab ich solche Neider eines Musenpferd-Reiters gern den Hunden verglichen, welche einem Pferde, je schneller es durch die Gassen fliegt, desto heftiger nachfahren und nachbellen. Aber wahrlich ihr Fehdehandschuh ist kein Hemmschuh; - und jeder Kunstrichter muß wie Herr Abcdarius das
Werk, das er angreift, abgreifen und abnützen und dabei denken: »Mein Tadel ist unparteiisch, aber das Buch ist trefflich, und ich streit ihm auch nur die Unsterblichkeit in der Mitwelt, nicht in der Nachwelt ab.«
Es soll keine Anzüglichkeit obwalten, wenn Akademist hier leicht anfragt, ob Abcdarius ein Werk, das sein eigner Landesherr laut genehmigt und hoch gestellt, ohne ein gelehrtes Majestätsverbrechen tiefer hängen dürfe. Der Abcdarius verdient freilich nicht unsere Schonung und
die Auslassung jeder Persönlichkeit, da er selber den Seligen mit dieser jede Minute angreift und als Kampfhahn sich nicht bloß mit Flügel- oder Schreibfedern bewaffnet, sondern wie die englischen Streithähne an den Sporen mit Federmessern, nämlich mit Anzüglichkeiten, unter welchen Akademist nur der Vorrückung des dreifachen Käses und des Bocks erwähnt. Ein Mann, der Fibels Leben und Haushalten näher kennt, müßte doch wissen, wie so vieles ist und wie eben ein Biograph die
feinsten Züge eines Schriftstellers aus seinem Leben leicht erklärt. Es kann Fibeln unmöglich Schande machen, daß er und seine Vor-Verwandtschaft dem Gott Jupiter geglichen, welcher noch als Dauphin sich von einer Ziege ernährte. Nun ist diese Ziege Amalthea ein so kurzes Ding, gegen eine lange Kuh gehalten, die in keinen kurzen Viehstall hineingeht, daß von jeher Arme, die von Viehzucht lebten, ihren Viehstand eben auf dieses läppische Springtierchen eingezogen und sich von dieser Franziskaner-
und Rumfordischen Milchsuppe erhalten haben. Desto mehr sollten Gelehrte es am edeln Wohlseligen loben, daß er als Sohn seiner Eltern die gedruckte Ziege auf seinen Gehirnhügeln herumklettern läßt.
Akademist beantwortet alle gelehrten (sic)! Einwendungen des Herrn Doktor Carlstadt bloß mit der einfachen Frage: was wohl für solche gelehrte Kriege zu schließen sei, welche mit Persönlichkeiten, gleichsam mit unmoralischen Scharfschützen angreifen; und woher anders kommen die
Persönlichkeiten als aus seiner eignen, da er, bisher von den Eier legenden Zins- oder Rauchhennen seines Fibelhahns beköstigt, sich aus des letzteren Schwanze eine Hahnenfeder ausrupft und sie auf den Hut steckt, mit welcher der Gottseibeiuns von jeher als Kokarde und Schwungfeder auf dem Haupte einhergetreten? Ist schon Erwidern der Persönlichkeiten schlecht: wieviel mehr Anfangen derselben! - Übrigens macht sich Akademist ein Vergnügen daraus, dem Herrn kritischen Abcdarius (eigentlich
Anti-Abcdarius) auf Ehre zu versichern, daß gerade die x+y+z-Stellen des Abcs, welche der gute Mann anficht, diejenigen sind, welche (vielleicht auch der Anstrengung wegen) bei dem Seligen stets die Preise davongetragen haben. Denn wenn jener Autor recht hat, daß gerade das, was dem Schriftsteller unter dem Niederschreiben am meisten gefallen und zugesagt, auch dem Leser am meisten gefallen werde, indes ein eigner Tadel bedenklich mit fremdem drohe: so dürfte wohl des Seligen Zufriedenheit
mit den Endpunkten und Dessert-Weinen des Abcs der stärkste Beweis ihrer Trefflichkeit sein, gegen welchen Kritiken sehr verschwinden.
Wenn Cicero bei allem Lobe und Werte doch gestehen muß: »Ich gefalle allen andern, aber nicht mir selber genug«, so sollten wir wahrlich Schriftsteller höher achten, welche wirklich von sich aussagen, daß sie andern und sich gleich sehr gefallen; ein seltenes Glück und Verdienst, sich nicht nur über fremden, auch über eignen Tadel erhoben zu finden, da
doch jeder sich am häufigsten bei sich hat und sich also kennen kann und alle Schwierigkeiten seiner Siege auswendig weiß.
Dies ist indes das wenige, was man den Doktor Abcdarius würdigen wollte, entgegenzusetzen. Eh er künftig urteilt, rät man ihm, doch selber ein ähnliches oder gleiches Abcbuch zu schreiben. Freilich möchte man unserem Nachbar Endres , da ihm dieser Rat sauer auszuführen fiele, lieber den leichtern erteilen, daß er wie sein Vorfahrer Carlstadt ein ordentlicher
Bauer würde, zu Markte führe und wie jener im hiesigen Wirtshaus als der neueste den ältern Bauern Bier einschenkte.
Und so glaubt denn Akademist den Nachbar Endres hinlänglich zurechtgewiesen und ihm die Leerheit seiner Einwürfe bloß durch kaltblütige Gründe ins Licht gestellt zu haben. Das Publikum aber wäge die Gründe beider Seiten ab. In jedem Falle belohnet sich Akademist mit dem Bewußtsein, daß er die Sache statt der Person angegriffen; ein Bewußtsein, wodurch diese Antikritik
sich vielleicht nicht zu ihrem Nachteile von andern Antikritiken unterscheidet. Dixi et locutus sum.
Vergnügt und überzeugt erhob sich die Sitzung aus der Fibelei heraus, besonders Fibel, Fuhrmann und Pompier.