Jean Paul
Museum
III. Frage über das Entstehen der ersten Pflanzen, Tiere und Menschen
eingestellt: 24.7.2007
Sonst hatte man nichts zur Antwort auf diese Frage nötig, als dem Frager das erste Kapitel des ersten Buchs Mosis aufzuschlagen, um damit den größten Knoten aller Untersuchungen - falls nicht die Frage über unsere Zukunft ein noch größerer ist - auf einmal zu zerschneiden.
In den neueren Zeiten wählen fast einmütig die Naturforscher, sowohl Gottglaubige als Gottläugner, einen andern und längern und gelehrteren Weg, um diesen Knoten zwar ebenfalls zu -
zerschneiden, nur aber ohne Moses und Gott. Nach ihnen ist das ganze organische Reich nur das Gewirk des in der Jugend feurigern Kräftebundes von Elektrizität, Wärme, Galvanismus u. s. w., und die höhern Organisationen sind nur Blüten und Früchte aus dem Laube der frühern niedrigen.
Keine Bescheidenheit ist zu groß, wenn man, wie ich, so vielen gelehrten und tiefen Naturforschern sich entgegenzustellen wagt, nicht etwan sie zurechtweisend - dazu gehören andere Kräfte und Bibliotheken
und Zeiten -, sondern nur scheu bekennend, daß man von ihnen selber nicht zurechtgewiesen worden, und daß ihre dicken Bücher nicht viel schwerer wiegen als das erste Blatt Mosis.
Der Verf. will vorher in den folgenden Paragraphen die organische Maschinenlehre - der Kürze wegen gelte diese Benennung -, so gut er sie aus verschiedenen Werken kennt, zusammendrängend darlegen und darin gegen seine Meinung so eifrig und aufrichtig sprechen lassen und selber sprechen helfen,
als er es für dieselbe später tut.
§ 2
»In den ersten Glühjahrhunderten der jungen Erde« - sagen die organischen Maschinenmeister - »wurden durch das Zusammentreten der größern Wärme und Gärung, der dichteren Luft, der Elektrizität und des Galvanismus wahrscheinlich die Wassertiere als die unvollkommensten (nach Lamarck ) zuerst gebildet; und zwar wurde mit den größten darin (wie nach Herder auch auf dem Lande), mit den Ammonshörnern,
angefangen. Nach Kant begann die lebendige Wasserwelt mit Infusiontierchen, deren Stoffe später zu Polypen, Mollusken und dann zu Fischen zusammengohren. Herder und Meiners und die meisten lassen die Pflanzen vor den Tieren anschießen. Priestley und Ingenhouß erklären die grüne Materie auf dem Wasser für Pflanzenkörner, welche zu lebendigen Tieren vermodern, deren neuer Moder wieder zu Flechten und anderen Pflanzen wird.
Gegen den Vortritt der Pflanzen im Meere streitet übrigens
Schuberts Bemerkung, daß erst aus untergegangenen Aufgußtierchen Pflanzen erkeimen; ferner die Tatsache, daß es im Meer eigentlich nur Tierpflanzen gebe; und endlich der Satz, daß Wärme ohne Licht wohl der tierischen Entstehung, aber nur eine mit Licht der vegetabilischen diene und helfe. - Alles Organische ist Geburt des Schleims, d. h. des Kohlenstoffs, mit Luft und Wasser geschwängert - der Meerschleim ist der Urschleim .«
§ 3
»Das aus dem
Meerwasser steigende Land wurde die Pflanzstadt der Flechten, Moose und Schwämme; und durch deren Verwesung das Lohbeet der ersten Gräser, deren Asche wieder als Samenstaub der ersten Stauden flog, bis gleichsam wieder in der letzten Aschenkrügen endlich wie in Treibkästen die hohen Bäume trieben und prangten. Aber diese organischen Abstufungen wurden vielleicht durch Jahrhunderte voneinander geschieden.«
§ 4
»Ebenso gebaren tiefe Tierklassen
immer höhere. Der Wurm kroch dem Krokodile, dem Vogel und Pferde voran. Die pflanzenfressenden waren die Ahnen der fleischfressenden, bis sich endlich das schaffende Brauen mit dem feinsten abgezogensten eau de vie, mit dem Menschen, schloß. Gleichsam als Nachspiel der ersten Aufstufung« - könnte der organische Machinist hinzusetzen - »durchläuft noch der Fötus alle Tierklassen, anfangs Wurm, dann unverwandeltes Insekt, dann durch Absonderungen, Molluske, endlich durch Knochenbildung rotblutiges
Tier. Auch bei dem ersten Tieraufguß (Infusorium) werden Jahrtausende sich zwischen der ersten Elephantenameise und dem ersten Elephanten gelagert haben, so daß dieser Erdball jahrhundertelang nur eine Wurm- und Insekten-Erde, dann ein friedliches brahmanisches Arkadien ohne Fleischfresser war, bis endlich die Menschen und die Menschenfresser die Erde schmückten, aus welchen sich aber kein neues höheres Tier wieder auferbauen wollte.«
§ 5
»Vielleicht, sagt Linnée, sind alle tausendartigen Pflanzen auf wenige Stammpflanzen zurückzuführen. Ebenso, sagt Darwin, laufen vielleicht alle Tiere in wenige ein, ja die ganze Tierwelt spann sich vielleicht vor Billionen Jahren aus einem einzigen Fleischfädchen an.«
§ 6
»Diese elternlose Leben-Krystallisationen fanden nur in der gärenden Saftzeit des Weltfrühling statt; daher wäre das jetzige Innehalten damit kein Einwand, sogar wenn
dasselbe nicht scheinbar wäre.
Vom vorigen Mark- und Herzschlag der Zeit geben uns schon die 24 Arten untergegangener Folio-Tiere Beweise, welche Cuvier beschreibt, fast alle riesenhaft; der mosaischen Riesenalter und der Riesenmenschen gar nicht zu gedenken. So die ausgestorbenen Ammonshörner von fünf Fuß im Durchmesser, indes die lebendigen nur hinter dem Vergrößerglase erscheinen; so die größeren, jetzo verschwundenen Fische, so die Überreste von Riesen-Vögeln im erstentdeckten
Neusibirien. Mit welcher heißen Üppigkeit mußte die junge Erde ihre Palmenwälder getrieben haben, um mit ihren Verkohlungen die unerschöpflichen Umber-Gruben der kölnischen Gegenden zu füllen!
Die Tatsachen eines früheren, fast tropischen Wärmegrades der Polarländer setzen - wenn man diesen nicht aus einer ungeheuern beispiellosen Vertiefung des Pols ableiten will - entweder eine ursprüngliche Glut und Verdampfung der Erde, oder (ohne diese und unabhängig von der Polhöhe) nach
Humboldt die Entbindung eines unermeßlichen Wärmestoffs voraus, als die Gebirgarten sich in den Wassern niederschlugen und die flüssige Erde zur festen verdampfte. Wie müssen nun in beiden letzten Fällen vollends die tropischen Meere des Äquators mit schaffenden Kräften gekocht und das wilde Heer ihrer Zerrbilder ausgegoren haben!«
§ 7
»Wem solche organische Geburten ohne Eltern im Welt-Mai unbegreiflich vorkommen, weil das geistige Kunstgebäude
des Lebens alle chemischen, elektrischen und andere mechanischen Bau-Kräfte zu übersteigen scheint: einem solchen braucht man nur zu zeigen, daß jetzo im Welt-Oktober täglich dasselbe, nur im Kleinern, wiederkommt. Man nenne z. B. die Eingeweidewürmer, welche bloß durch kränkliche Schwäche eines fremden Körpers entstehen, und in einem solchen Reichtum, daß Göze 3 503 Fischdarmwürmer im Blinddarm
eines Fisches, 28 000 Fadenwürmer in den Lungenlappen
einer Wasserkröte fand -
und ferner, was alle Möglichkeit der Eltern ausschließt, sogar Eingeweidewürmer im Ei einer Henne - nach Brendel und Selle sogar im Abortus - nach Cuvier Würmer in Insektenlarven, die im entpuppten Tiere nicht vorkommen - nach Fischer einen Wurm in der Schwimmblase einer Forelle - die Tiere der Krätze und des Eiters - so die Finnen nur in
zahmen Schweinen - so jene Schmarotzer-Tiere des Menschen, welche Herodes und Sulla lebendig auffraßen und welche nur die höchste Zersetzung
aller Säfte ausbrütet, desgleichen ihre Nebenverwandten, welche nur in lang getragnen wollenen, von der menschlichen Ausdünstung durchdrungenen Kleidern und (was besonders ist), wie ihre Nachbarn auf dem Kopfe, gerade bei Kindern und Greisen am meisten entstehen.«
§ 8
»Das nächste Beispiel elternloser Ur-Waisen könnt ihr jeden Tag aus dem feuchten warmen Mehltopfe ziehen, worin ihr Mehlwürmer, die sich verpuppen und entpuppen, für eure
Nachtigallen ins Leben backet und erschafft. Jetzo überschauet das nasse Weltgewimmel und Weltmeer der kaum sichtbaren Aufgußtierchen (Infusorien) hindurch, welche ihr zu verschiedenen Tiergeschlechtern aus (unsalzigen) Feuchtigkeiten und Pflanzen organisieren könnt.
Euch wird sogar die Ausflucht abgeschnitten, daß vielleicht am Ende doch nur aus altem Organischen (z. B. aus Pflanzen) neues erwachse; denn Doktor Gruithuisen erhielt aus Stinkstein, Granit, Ruß, Marmor, sogar mit
destilliertem kalten Wasser begossen, ohne Fäulnis noch denselben Tag lebende Tier-Weltchen. - Dieser Zwergfauna gesellt sich noch die Zwergflora der Aufgußpflänzchen zu, der Schimmel, und zwar wieder die Ausflucht organischer Samen-Einmischung versperrend; die Schwämme, die unter dem Namen Schimmel auf der Dinte wachsen, sind von den Konferven-Fäden des Schimmels auf Met und Bier verschieden. Mithin ist bloß der erste Bierbrauer und der erste Dintenkoch der Pflanzer und Gärtner dieser
lebendigen Körper-Abbreviaturen.
So ist also jetzo in der ermatteten verbrauchten Natur doch jedes Leben noch doppelt belebend, zugleich ein Vater und ein Schöpfer, seine eigne Gestalt fortpflanzend und eine ihm fremde erschaffend - jeder Regentropfe ist ein voller Besatz- und Streckteich schwimmenden Gewimmels - und jedes Tierglied eine Bruttafel neuer Gestaltungen, und sogar der elende Schwamm und seine Blüte ein organisches Treibhaus und ein Würmerstall. - - Und du willst über
frühere größere Schöpfungen, da die Erde noch ihre eigne Sonne war und vom Teige aller Keime und von Lebenmilch schwoll und mit Jahrtausenden an ihren brutheißen Gewirken brüten und ausarbeiten konnte, du willst über frühere größere Schöpfungen derselben staunen, fragen, ja zweifeln?«
§ 9
Ich antworte: allerdings will ichs und tu es, wie folgt:
Nicht die Tatsachen selber, sondern die Schlüsse und Erklärungen, womit sie umgeben werden, sind anzugreifen. Der organische Maschinenmeister setzt an die Stelle entweder der Eier oder der Eltern gemeinschaftlich zusammenwirkende Elementen-Kräfte. Hier tritt ihm zuerst die schwer drückende Frage entgegen, ob sonst Kräfte erschufen, welche jetzo
untergegangen sind, oder ob nur die jetzigen vormals nur kräftiger in günstigern Kreisen bildeten. Indes jetzo unbekannte, nun verlorne Bild-Kräfte nachzuweisen, wird wohl kein Naturforscher versuchen und vermögen, er müßte denn verborgne Ursachen (causae occultae) und doch ihm nicht verborgne zurückzuführen wissen. Mithin bleibt zum Beleb-Apparat der Urwelt nur die damalige größere Stärke jetziger matter Kräfte übrig, das warme neugeborne und neugebärende Getümmel, welches mit
elektrischen, galvanischen und anderen Kräften auf der leblosen Welt eine lebendige ausbrütete.
Diese Stärke müßte man denn so weit als möglich in die Frühzeit der Erde hinaus verlegen. Aber gerade in den vorfrühen Ruinen der letzten, in den Urgebirgen, findet man keine versteinerten Tier- und Pflanzenreste. Erst in den spätern, aus Ruinen und Absetzungen gestalteten Gebirgen der zweiten und der dritten Ordnung (montes secundarii und tertiarii), besonders in denen der letzten, deckt
sich uns die jetzige Lebenwelt begraben auf, vom Medusenhaupte der Vorzeit versteinert. Will man in diese Periode eingehen, wo der Meerkessel ein Braukessel des Fisch-Lebens und das Festland ein Brutofen der Pflanzen und Tiere war: so stößt man auf eine noch zu wenig genützte Erscheinung.
Alle Naturforscher nämlich bleiben darin einverstanden, daß, obgleich die Frühwelt sich in Versteinerungen sogar bis auf die zarten Blumen ausgedehnt und erhalten, welche letzte
in der Jetzterde (nach Büffon) die tiefsten Schichten einnehmen, daß dennoch von der Gipfelblume des Lebens, nämlich vom Menschen, nirgend versteinerte Reste gefunden worden, so sehr auch an sich die Menschenknochen (nach Berger) der Zeit länger widerstehen als die Fischgräten, die man neben den Blumen in den hohen Särgen der Vorwelt, den Gebirgen, findet. - Ja, nicht ein mal versteinerte Reste von Affen, deren es doch 70 Arten gibt, hat jene Ur-Zeit zurückgelassen.
Woher das
Ausbleiben oder Verschieben der edlern Gebilde, deren Erstehung man ja gerade von einer Zeit erwarten sollte, worin die ursprünglichen Lebens-Wecker mit größerer Stärke die Geburtstunden der Riesen-Tiere ausschlugen? - Ja man sollte dies noch mehr vermuten, da noch jetzo die Natur am einzelnen Tiere im Mutterleibe das Bilden und Gestalten immer bei den edlern Teilen, bei dem Kopfe und an diesem bei den höheren Sinnen, anhebt.
Die größte Einwendung ist endlich die Frage: wie denn
Elektrizität, Galvanismus u. s. w., welche jetzo in ihrem kleinern Grade kein Leben erschaffen können, es früher bloß durch ihren höhern sollen gegeben haben, da ja das Leben selber nicht von dem Unbelebten in dem Grade, sondern in der Art verschieden ist; daher die Elektrizität zwar das schwächere Leben, z. B. das Ei, wohl ausbrüten und erhöhen, aber nicht erzeugen kann. Sie - oder was man ihr gleichstellet - ist nicht der Atem, der dem Erdkloße Leben einbläst, sondern selber ein Teil des
Erdkloßes.
Eine andere Frage hat man noch gar nicht getan: ob nämlich die eine anregende Welthälfte, die aus elektrischen, galvanischen, wärmenden Kräften oder Reizen besteht, nicht zu gleicher Zeit die andere anregbare, die lebendige, voraussetze und der letzten so bedürfe wie diese ihrer; ob nicht tot-körperliche Welt mit organischer zugleich zu setzen, so wie Pflanzenwelt mit Tierwelt? Grüne Inseln ohne Tiere, elektrische Wüsten ohne Leben sind keine Einwendungen, da der Luftkreis
alle Eiländer und Wüsten mit dem Leben verknüpft und umringt.
§ 10
Dabei ist nun die alte Frage durchaus nicht wegzudrängen und abzuweisen, warum alle diese mechanischen Poussiergriffel jetzo auch gar nichts, nicht einen organischen Klumpen mehr schaffen. (Die Einwendung der Aufgußtierchen wollen wir später abtun.) Im feucht-warmen Äquator-Amerika, diesem Brennpunkte so vieler Reizkräfte, entstehen nur alte Tiere. Wer einwirft, daß allda eigentlich
nur die kleinern Tiergattungen gedeihen, dem stell ich wieder nicht nur den brasilianischen Tiger und die Boasschlange, sondern vorzüglich die kolossale Pflanzenwelt, die herrlichen Palmen und die Riesenblumen entgegen. - Und warum blieb denn gerade die neue halbe Erdrinde an so vielen Bildungen der alten unfruchtbar, so daß auf ihr kein ganzes Tiergeschlecht des alten heißen Erdgürtels gefunden wird? So wie besonders keine Schafe, Kamele, Esel, Pferde und Affen? Warum treiben Erdbeben und
Naturglut neue warme Inseln aus dem Meere, aber keine neuen Tiere auf ihnen? - Warum führt und treibt das größte Infusorium, das es gibt, und von welchem das Festland nur ⅓ der Erde ausmacht, das Meer, voll Leben, voll Mollusken-Fäulnis, voll Gewächse und überquellend vom Leuchten der Auflösung, uns unter seinen Gestalten-Heeren kein neues zu?
§ 11
Man hat auf diese Fragen mehr Antworten als Beantwortung. Z. B. die: »Neue Organismen
entstehen nicht mehr, weil schon zu viele alte da sind, welche den organischen Stoff verarbeiten.« - Aber wenn einmal die schaffende Mechanik so viel organischen Stoff teils erzeugte, teils gestaltete: wie sollten denn die Kombinationen der zahllosen Tierformen zu erschöpfen oder jener Kräfte-Mechanik zu verwehren sein? Wenn 24 Buchstaben tausend Quintillionen Male zu versetzen sind: wie oft nicht die Millionen Tiere selber wieder, so daß man sich wenig über die beiden geschnäbelten Säugtiere
(Ornithorhynchus paradoxus und aculeatus) zu verwundern hat!
Die gemeinste Ausrede ist das Veraltern der Erde. Organische Wesen und also ganze Völker können altern und verfalben, leiblich und geistig; und manches Volk wird ein kindischer Greis mehre Jahrhunderte vorher, eh es als ein kindliches Kind wieder wird. Aber unorganische Kräfte, die Elemente, Elektrizität, Galvanismus etc., behalten als Herzen des Erdballs alten Schlag und alte Glut; man müßte denn in ungeheuere Zeitfernen,
wohin keine Versteinerungen reichen, sie zurückschieben wollen. Nicht die Erde, sondern einzelne Länder altern, blühen oder wechseln. Als Siberien glühte, war der Äquator entweder von jenem Urmeere bedeckt, wovon nach Delamétherie ein 24tel verflogen ist, oder seine Glut rüstete ihn mehr zu einem Scheiterhaufen als Brutneste des Lebens zu. Stellen etwan die glühenden Gewürze und Tiere so vieler Gleicher-Inseln graues Haar der Erde vor? - Höchstens hat sich die ausbrütende Erwärmung der Länder
nur versetzt, nicht verloren.
Überhaupt entscheidet hier nicht allein Jugendwärme der Erde. Konnten denn die Tiere der Eisländer, wie z. B. das Rentier etc., in Glutzonen geformet werden? Fällt nicht jetzo noch bei manchen Tieren und Pflanzen die warme Zeit der Liebe und der Blüte gerade in die Wintermonate, z. B. bei Wölfen, Kreuzschnäbeln, der schwarzen Nießwurzel, den Schneeglöckchen und Moosen?
Solange die Erde - obwohl ihre Berge Scherbenberge (monti testacc.) der
Urwelt sind - noch so viele Kräfte übrig hat, um mit ihnen allen fortgesetzten Schöpfungen zu dienen und beizustehen, damit der Löwe werde und der Mensch und der höhere Mensch, so lange wollen wir dieser Allmutter oder vielmehr All-Amme so gut die Jahre und zugleich die Kräfte lassen als den Erzvätern, welche zwar immer im hohen Alter zeugten, aber doch Söhne, die wieder eines erlebten. Jetzo freilich dürfen wir in Untersuchungen schwerlich ohne Nachteil des Ernstes das europäische Alter
anführen, welches zeugt, und welches erzeugt wird; doch erlebt noch manche Eintagfliege einen Minuten-Enkel an ihren Stundenfliegen.
Ob die Erde vor der großen Flut mit viel jugendlichern Kräften gearbeitet als nach derselben, beantwortet die Erscheinung, daß die unterirdische versteinerte Tierwelt im Ganzen nur ein Abgußsaal der wiedergebornen jetzigen ist. Alle verlorne, uns in den Übergang- und Urflöz-Gebirgen nur als Versteinerungen übriggebliebnen Arten (die Belemniten, Lituiten,
Enkriniten etc.) sind als matte, kleine Erstgeburten der Erde mehr den menschlichen gleich, die gewöhnlich Mädchen sind, etwa die Ammoniten der Größe wegen ausgenommen. Aber diese, so wie die von Cuvier beschriebenen, nicht wiedergekommenen Tierklassen entscheiden wenigstens nicht durch bloße Glieder-Auftürmung für frühere große Bildkraft.
Als ein auseinandergezognes Tiergebirge muß z. B. der Walfisch, im kalten formlosen Element geboren und gewiegt, an Feinheit und Feuer aller Kräfte
tief vor den kleineren Landtieren und Lufttieren und den instinktreichen Insekten untertauchen, welche ein heißeres Schöpfung-Feuer fodern; so wie die noch weniger lebengeistigen Bäume an Riesenhaftigkeit wieder jene überragen; und wie wieder auch unter den Gewächsen die ungeheuern Giganten-Bäume sich in innerlichem Werte nicht mit der Sensitive oder einer Giftblume messen können. Auch wäre noch der punischen Elephanten-Kohorte von Cuvier die Frage entgegenzustellen, ob er denn gewiß wisse, daß
diese Knochen-Massen sich doch nicht in andern Ländern jetzo noch mit Leben und Fleisch bekleiden, da wir alle ja von Asien nur drei Viertel kennen, von Amerika drei Fünftel, von Afrika gar nur ein Fünftel; Land genug für alle seine Riesentiere, um darauf zu leben und zu rauben.
Übrigens sind seinen 24 Riesenklassen mehre Hunderte Zwergklassen von Muscheltieren verflüchtigt nachgeschwunden, die jetzo durch nichts anders an sich erinnern als - wie verjagte und ermordete Völker -
durch leere Behausungen.
Eine noch schwierigere Antwort liegt dem organischen Machinisten auf die zweite Frage zu geben ob, in welcher Gestalt sich die ersten Tiere zusammengegossen, ob in Eier-Gestalt oder in ganz ausgebildeter.
Es sei in der ersten: so fragen wir, durch welche denkliche Brutkräfte und entwickelnde und ernährende Gestalten z. B. das Pferde-Ei, das Adler-Ei, das Tauben-Ei ohne Milch, Fleisch und Korn und ohne alle Eltern-Sorge nur auf eine Woche lang von
blinden, tauben, harten Kräften aufzupflegen war. Will man vollends das zarte Menschen-Kindchen von der Spinnmaschine leb- und liebloser Kräfte nur einen Fuß lang ausspinnen lassen: so ist nirgends Aussicht und Rat. Die Erde ist kein Mutterleib, der Himmel keine Mutterbrust.
Wohl! so greife man denn in dieser Not zur Annahme, daß sogleich ganze vollständige Tiere vom metallnen Getriebe ausgeprägt worden. Aber noch hat jeder organische Machinist Anstand genommen, lebendige Tierherden
samt dem reifen Adam, als dem Hirten hinter ihnen, ausgewachsen vom Schiffwerft organisierenden Schlamms ins Lebenmeer einlaufen zu lassen. Indeß suchte man in der Verhüllung des Knotens die Auflösung desselben. Nämlich durch ein geschicktes philosophisches Spielen aus der Tasche - aber, wie ohnehin gewöhnlicher, mehr aus unserer als aus der des Spielers - wird aus dem Pflanzenreiche beigebracht, daß der nackt aus dem Wasser aufsteigende Fels zuerst sich mit Flechten, Moosen, Aftermoosen
überkleide. »Die Verwesung der ersten Flechten, Moose u. s. w. bereitete allmählig den ersten Gräsern, die der Gräser den ersten Stauden, diese den ersten Bäumen Leben (?), Wohnstätten und Nahrung vor.« Vor beiden letzten schwärzt er das Leben ein. Der verkappte unausgesprochne Fehl-Schluß ist dieser: »Die verbesserte fettere Modererde ist die Amme immer höherer Gewächse, folglich auch deren - Mutter, der Same der Gesträuche, Bäume u. s. w. wird hier nicht in die
Erde zufällig gesäet (z. B. vom Winde), sondern von ihr gemacht. Das Moos entfaltet sich durch den Niederschlag immer höherer Verfaulungen endlich zur Lilie und Palme.« - Aber nur wenn man die Erdkugel für eine Gehirn-Kugel ansieht, welche sich selber ohne Samen mit den seltsamsten Bastardgeburten und Fantaisie-Blumen überzieht und bevölkert, dann darf man durch eine solche Verwechslung der Wiege mit dem Ehebette die Erde befruchten und das Sprichwort: »conservatio est altera
creatio« so verändern: die Erhaltung ist die erste Schöpfung. Findet man nicht viele warme Länder, ungeachtet der treibenden Modererde, welche die Blumen-Musaik sein soll, oft Jahrhunderte von manchen Gewächsen entblößt, wenn ihre Samenkörner fehlen? Regen, Winde, Wogen, Vögel, Insekten sind die Säemänner und Samenhändler neuer Gärten und Wälder; aber die fettesten Beete besäen sich nicht selber, so wie auf den Glut-Eilanden mitten im Meer kein anderes Leben erscheinen kann als hingewehtes oder
hingeflognes, aber z. B. kein Landtier.
§ 12
Indes durch diese erschleichende Verwechslung der toten Nahrung mit lebendigem Samen wagt man sich von weitem an eine stärkere Verwechslung der höhern Kost mit der höhern Tiererzeugung. Aus Meertieren destilliert man die bessern Amphibien und die Vögel, gleichsam aus wässerigen Meteoren die feurigen; fleischfressende Tiere entstehen, sobald etwas zu fressen da ist, nämlich pflanzenfressende. Und sogar der Mensch entstand,
folgerecht nach dieser Hypothese ausgedrückt, aus dem Brode für ihn, eine Art Brodverwandlung, zwar nicht in einen Sohn Gottes, aber doch in ein Ebenbild Gottes. Ja Treviranus tut noch zwei unhaltbare Schritte weiter (dessen Biolog. z. B. S. 225-226). Erstlich läßt er die ausgestorbenen Zoophyten der Vorwelt als die Urformen höherer Bildungen nachher durch den Übergang in höhere Gattungen entweichen und erlöschen. Aber er antworte, warum hinter dem vollkommensten Erdgeschöpf, dem Menschen, nicht
das ganze Tiergerüste der tieferen Wesenleiter nach dessen Aufbau abgebrochen worden, und warum die Austerbank noch neben seiner Fürstenbank besteht. Noch kühner ist seine zweite Behauptung, daß sogar der Mensch sich in ein noch höheres Erdgeschöpf hinaufbilden und verlieren könne. Zu wünschen wäre der Menschheit ein solcher Untergang zum Übergange, und zumal jetzo wären ein Paar Hochmenschen, gegen welche wir nur Untermenschen und Affen wären, eine Erlösung durch ein messianisches Paar.
So wird denn wieder die Frage nur umschlichen oder verdeckt, aber nicht beantwortet, wenn der Machinist, ungleich den jetzigen jungen Leuten von Stand, früher zu ernähren als zu erzeugen sucht; denn damit der Löwe ein blumenfressendes Lamm selber als seine Blume abpflücke und fresse, muß nicht bloß das Lamm vorher da sein, sondern auch der ganze Löwe. Eigentlich will man nur meinen, daß die niedrigern Tiere die Aufgüsse (Infusorien) immer höhrer seien. Aber außerdem,
daß für die tieferen das Übergehen in die höheren zugleich ein eignes Vergehen und Verschwinden sein würde: so sollte doch erstlich nur die Möglichkeit der Übergänge der pflanzenfressenden Tiere in Raubtiere, der Amphibien in Vögel, oder dieser in Landtiere, und dann irgendeine Wesenleiter und Schneckentreppe, auf welcher Tiere Rang nach Rang sich auseinander entfalten, gebauet nachzuweisen sein; und vollends bei dem Menschen müßte geantwortet werden, ob der Affe, der Elephant oder der Fuchs
oder irgendein geripp-ähnliches Tier sein letzter Vorgänger und Figurist und Heckmännchen zu nennen sei, nachdem der Aufguß-Wurm sein erster Adam gewesen, so wie er jetzo dessen letztes Selbstgeschoß und Zergliederer wird. - Zwar Köhlreuter verwandelte wirklich eine Gattung Tabak (nicotiana rustica) durch lange Bastard-Bestäubungen in eine andere (nicot. paniculata); aber hier bringe man, außer menschlichen Scharf- und Vorsinn und Vorrichtung, noch den Hauptpunkt in Rechnung, daß
Tabak nur in Tabak verwandelt wurde , so wie etwan der Schakal nach Büffon nur sich in ähnliche Wölfe, Füchse, Hunde zerteilte; und zwar alles durch Befruchtungen, also vermittelst zweier schon ganz fertig dastehender Geschlechter.
§ 13
Diese aber fehlen ganz dem organischen Machinisten und müssen doch von ihm gepflanzt werden, damit die ersten Tiere sich fortpflanzen.
Hier wirft sich ihm die dritte schwere Frage
entgegen. Denn wenn er auch unter unzähligen Würfen und Nieten von bildendversuchenden Jahrtausenden so glücklich war, endlich die Quaterne eines vollständigen und aufrechten Tieres zu gewinnen: so hatt er so viel als nichts erbeutet - weil das Tier einsam im Kloster der Natur abstarb -, wenn er nicht auch die Quinterne, gleichsam als Prämie, dazugewann, nämlich ein zweites lebendiges Tier andern Geschlechts, und dieses zweite zwar durch alle Verhältnisse hindurch dem ersten organisch so
zugleich entfremdet und doch zugebildet, daß durch ihre Ausgleichung auf einmal sogar ein drittes Tier auf einem ganz andern Wege als auf dem des bisherigen Elementen-Getriebes sich bildet, und auch auf einem andern Wege, als es die im Lose gewonnenen Eltern vermochten, sich ernährt, nämlich von diesen selber, und endlich, daß dieses dritte Tier, aus dem Geleise des elterlichen Entstehens herausgewichen, nun künftig regelmäßig in die Quaterne und Quinterne zugleich zerspringt und weiter
erschafft.
Oder könnt ihr in der blinden Natur des organischen Machinisten eine Neigung der Kräfte nachzeigen, sich zu paarweiser Schöpfung zu entzweien, um sich selber auf diese Weise entbehrlich zu machen, ihre Nachschöpfer erschaffend? Wenn ein Gebilde sich harmonisch und nach abwiegenden Gesetzen ausbauet: so ist dies nur Natur-Notwendigkeit, weil im andern Falle die unharmonische Mißgeburt, das Mißgebilde, bestandlos sich selber aufriebe; wenn aber in zwei Wesen, die ganz
unabhängig voneinander sich formen, nämlich in beiden Geschlechtern alle Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten derselben mit schöpferischer Berechnung bloß für die Zukunft eines dritten unsichtbaren sich gestalten: so nenne man doch die blinden Kräfte, welche ein solches Zweierlei bilden, schauen und knüpfen. Nur nenne man nicht den Würfel der Aeonen-Unzahl, mit welchem der Gottleugner betrügt und gewinnt; denn in einer Jahr-Billion könnte wohl in einigen Tiergattungen diese unharmonische
Harmonie des Geschlechtes anklingen; aber ein solches Doppelgesetz unverletzt durch das ganze Reich des Lebens fortgeführt zu sehen - setzt einen Gesetzgeber voraus. Nach Linnee fehlen oft einer Pflanzengattung die Blätter (z. B. der Flachsseide) - einer andern der Stamm (z. B. einigen Flechtengattungen) - einer andern der Blumenstil (z. B. der Blätterblume) - einer andern die Wurzel (z. B. dem Meergras) - aber keiner die Befruchtteile. Ja, nach Persoon ist der ganze Schimmel nichts als
ein nacktes Befruchtwerkzeug. Nach Linnee sind die Zeugteile so sehr der eigentliche Pflanzengeist, daß alle Pflanzen, die sich in diesen ähnlichen, auch mit gleichen Arzneikräften wirken. - Der organischen Maschinerie müßte, sollte man denken, die Absonderung und Wechsel-Zubildung zweier Geschlechter gerade in den niedrigern unvollkommnern Gattungen, in welchen weniger auszugleichen und vorzubereiten ist, am stärksten gelingen; aber in diesen (z. B. den Schnecken) und in den Pflanzen herrscht
das zweierlei Geschlecht des Hermaphrodismus; und erst in den höhern vielteiligen treten die Geschlechter reiner und ferner auseinander. - -
Kurz, nach allem sagen uns die aufgestellten hölzernen Säemaschinen des Lebens nicht mehr als der Kanadier, welcher ganz faßlich alles auf einmal durch die Annahme erklärt, die Welt habe der große Hase geschaffen; wiewohl mancher solcher mechanischer Weltschöpfer sich vom kanadischen noch dazu durch die Kleinheit unterscheidet. Er erzeugt so
mit Schreibfingern - nicht geistige Geburten, sondern körperliche - wie der Riese Ymer einen Sohn sich mit den Füßen, indem er den einen an dem andern rieb. - Walther behauptet, jede organische Gestalt beginne mit dem Bilden eines Kreises; schön nachahmend fangen die organischen Machinisten derselben mit einem, obwohl nur logischen Zirkel an und setzen gern das voraus, was sie zu beweisen haben, so daß sie hier, wo eben von der Suchung des Anfangs oder Petition des
Prinzips die Rede ist, gerade am rechten Orte die logische Petitio principii anwenden.
§ 14
Aber die Paragraphen 7 und 8, welche uns Eingeweidewürmer, Aufgußtierchen und Aufgußpflänzchen als elternlose Geburten und als die Nachzeugen der früheren Entstehungen entgegenstellen, begehren mit Recht ihre besondere Erwägung.
Diese Erscheinungen sind nicht erklärende, sondern selber zu erklärende. Warum aber will man nicht lieber annehmen,
daß alle diese Organisationen schon als Eier und Körner vorher in den Elementen vielleicht Jahrtausende lang umgeschwommen, ehe sich die entwickelnde äußere Mutterhülle für sie vorgefunden? Raten uns nicht so viele Analogien dazu? Sogar vollendete Tiere halten den ganzen Scheintod im Eise des Winterschlafs und andere, wie die Krokodile und Schlangen, ihren im heißen ausgetrockneten Schlamme des Sommerschlafs so viele Monate aus, daß ihr Schlaf durch Verlängerung der Kälte und Hitze noch bis
zu unbestimmten Grenzen auszudehnen wäre. - Blieben nicht Kröten in hundertjährigen Eichen und in noch älterem Marmor unbeschädigt eingeschlossen? Der Same der Sinnpflanzen, Gurken und Kassien bewahrt sich unter der Erde unvermodert 50 Jahre lang zu künftigem Erkeimen auf. Ja die Kleisteraale kann man nach Bonnet, so oft man will, zu Scheinleichen eintrocknen lassen, und sie doch nach vielen Jahren mit einem Tropfen Wasser gleichsam wie mit Nervensaft wieder ins Leben zurücktaufen.
Warum soll die Aufgußwelt mit ihren einfachen niedrigen unentwickelten Keimen und Kernen nicht Jahrhunderte länger unerstorben auf die verschiedenen Lebenwasser und Brutreize für ihre verschiedenen Bewohner warten können? - Was der gemeine Wassertropfe belebend für den Kleisteraal, kann dies nicht noch reicher für das alte Ei des Eingeweidewurms das gleichsam magnetisierte Wasser thierischer Säfte sein? Und wenn der tierische Magnetismus so mächtig die höheren Organisationen zum
verklärten Wiederleben aufweckt: so kann ja alles Tierische noch leichter die tiefsten Organisationen zum Leben reizen. Vielleicht ist der Luftkreis und das Wasserreich das unendliche Eiweiß zahlloser kleiner Eidotterpünktchen, die nicht erst einen Vater brauchen, sondern nur eine warme Federbrust.
Die Beobachtungen Joblots, welcher im Heu-Aufguß sechs Arten Aufgußtierchen (wie Hill fünf im Regentropfen), ebenso viele im Austernwasser, endlich im Eichenrinden-Aufguß zwanzig fand,
schon diese Beobachtungen lassen den nämlichen Wassertropfen viel glaublicher für einen Besatz- und Streckteich als für einen Zeugteil verschiedener Tiergattungen auf einmal ansehen. Flogen hingegen vorher ihre tierischen Samenstäubchen umher: so konnten leicht mehr Arten in demselben Tropfen ihr Klima finden.
Es ist kühn, aber auch weiter nichts, zu vermuten, daß vielleicht seit der Schöpfung lebendige Keime kalt-unentwickelt umherfliegen, welche nur im jetzigen Jahrhundert eine eben
jetzo recht gemischte Feuchtigkeit ins Leben brütet, so wie nach den Sternkundigen manche Sonne oben leuchtet, die erst nach Jahrhunderten ihr Licht zu uns herunterbringt. Was gilt Zeit denn der Natur? Der Ewige wird nicht mit Jahren kargen, der Unerschöpfliche nicht mit Geschöpfen. Die Ewigkeit hat zu allem Zeit und zu allem Kraft.
Folglich beweiset das Erscheinen neuer Tiere auch in neuerfundnen Aufgüssen wie in Met, Bier, Dinte nichts gegen vorheriges
Eier-Dasein derselben. Nur ist die Frage sogar, ob es auch nur neue Tiere sind, und ob man mit ihnen nicht die neuen Klimate verwechselt; in den tiefen Tälern des niedrigsten Tierreichs wimmeln die Wesen ohne Scheidewände zahllos durcheinander; erst auf dem Gebirggipfel steht neben dem Menschen niemand, und fernab von ihm kriecht bloß der Affe, von der Meerkatze begleitet. Ebenso sind nicht die Wasserkügelchen, aber wohl die Weltkugeln einander unähnlich.
Wenn Fabritius und Müller
dreihundert und neunzig Gattungen Aufgußtierchen zählen und beschreiben: so muß man sie wohl fragen, ob die Kennzeichen dieser schwimmenden Pünktchen nicht vielleicht ebenso gut bloße Unterschiede ihrer Sekunden-Jahre - ihrer fingerbreiten Himmelstriche - ihres augenblicklichen Wachsens und Welkens und Nährens gewesen.
§ 15
Aber welche Rechnung wollen wir über alles dies ziehen? - Allerdings keine zum Nachteil des Naturforschers, welche in der Natur, wie der Zergliederer im Körper, nach nichts zu forschen hat als nach neuen Gliedern und nach deren Bund, aber nach keinem Geiste darin. Wollte er uns bloß mit einer Anweisung auf das erste Blatt Mosis bezahlen: so wäre er, so wie Jahrtausende und Buchtausende, zu ersparen gewesen. Gleichwohl halt er
nicht neue Erfahrungen für neue Erklärungen; noch weniger glaub er mit logischen Zirkelworten den Zauberkreis der Schöpfung zu durchbrechen. Z. B. der Blumenbachische Bildung-Trieb kann, wie schon das Wort Trieb sagt, nur im Einzelwesen, also im schon Gebildeten wohnen, er kann Leben nur fortpflanzen, nicht pflanzen. Dabei setzt ja der Bildtrieb seinen eignen Bildner voraus und dann sein Gebildetwerden zu einem bestimmten Ziele und Bilde. - Der hohe Herder, zugleich Natur- und
Gottgelehrter, will sich und uns mit organischen Kräften aushelfen, welche nur mit dem Organ wirken, das sie sich vorher zugebildet und umgeschaffen. Ist das Organ organische Materie, also selber organisch, so werden wir auf die alte Frage zurückgeworfen; ist es dieses nicht, so müssen, wie ich gezeigt, andere Bedingungen und Verhältnisse der Elemente, als bisher geschehen, nachgewiesen werden, damit aus jenen der Unterschied des Ursprungs der ersten Organisation von dem Ursprunge der
jetzigen erhelle. - Überhaupt wäre, wenn man, es mehr auf Philosophie als auf Wahrheitliebe anlegte, hier statt organischer Kräfte besser zu setzen und zu sagen: Eine allgemeine organische Kraft, welche sich etwan, wie Averroes Weltseele, nur in individuelle Kräfte, höhere und niedere, nach dem Werte der verschiedenen Materien, in welche sie sich einbauet, auseinander begibt. Dasselbe gilt vom allgemeinen Leben der Naturphilosophen, welches als existierend doch irgendwo, wenn auch überall,
wohnen muß, aber sich nur lebendig erzeigt, wenn es gleichfalls irgendwo, aber nicht überall, sondern bestimmt im Blatte, Käfer etc. erscheint und sich von sich selber abreißt, ohne Nachricht, ob der Tropfe sich wieder ins Meer verloren.
- Unglaublichen Vorschub leistet bei so schwierigen Fragen jedem und auch mir die bloße Sprache; denn zu denken weiß ich dabei nichts, und ich folge hier willig den Philosophen, welche, bei so vielen Sachen ohne
Worte in diesem Mysterien-Leben, gern häufig auch Worte ohne Sachen haben und verbrauchen.
§ 16
Schon die bloße Angst, die jeden bei Darwins obigem Satze (§. 5.) befällt und ihm das Herz einkerkert, daß aus einem Lebensfädchen sich der ganze Weltknäuel aufzwirnt zur Webe der Schöpfung, treibt zu weitern, sogar kühnen Forschungen und - Annahmen. Woher aber überhaupt der angeborne, kaum der Theoriensucht weichende Abscheu vor
einem geistigen Entstehen aus Körper-Mächten, vor jedem Uhr- und Räderwerk, das den Uhrmacher macht?
Ich frage woher; aber ich antworte: daher, weil wir selber ein viel höheres Bilden und Schaffen nicht nur kennen, sondern auch treiben, ja jedem niedrigern, um es nur einigermaßen zu begreifen, unseres unterlegen müssen.
Der Mensch ist als Geist ein Doppel-Schöpfer, der seiner Gedanken, der seiner Entschlüsse. Nur er vermag sich selber eine
Richtung zu erteilen, indes alle Körper eine nur erhalten. Er kann sagen und es durchsetzen: »Ich will über etwas nachdenken.« Aber was heißt dies anders, als Gedanken erschaffen wollen, die man voraussieht, weil man sie sonst nicht wollen und regeln könnte, und welche man doch nicht hat, weil man sie sonst nicht zu erschaffen brauchte. Keine andere Kraft kann daher eine Zukunft suchen und sie zu einem Gebilde ordnen als eine geistige. Sogar der Instinkt, obwohl von körperlichen Zügeln und
Spornen gedrängt und beherrscht, kann, da er in eine noch nicht einwirkende Ferne hinausgreift, z. B. die tierische Vorsorge für ungeborne Brut, nur in einer Seele leben. Nur im Geiste herrscht Ordnung und Zweck, d. h. Viel-Einheit, außerhalb in Körpern nur lose Einzelheiten, welche erst ein Geist vorauslenkend oder nachbetrachtend zum Bunde der Schönheit zwingt.
Über die zweite geistige Schöpferkraft der Entschlüsse, die Freiheit, ist hier der Ort zur langen Erwähnung zu enge. Die
ganze Natur ist Notwendigkeit, aber zu jeder Notwendigkeit fodern wir etwas Fremdes, das nötigt; die Freiheit hingegen setzt weder fremdes Nötigen noch fremdes Freisein voraus, sondern nur sich. Selber der alles durch Ursachen begründende Leugner der Freiheit nimmt wider Wissen im Schicksal oder in der ersten Urnotwendigkeit etwas von Gründen Unbedingtes als Freiheit an.
Das Nebeneinanderziehen selbstständiger verschiedener Körperkräfte zu einem Ziele setzt eine geistige
Kraft voraus, welche anspannte und lenkte. Oder wollt ihr das unzählbare Zusammenpassen äußerer Kunstgebilde mit den geistigen aus den Würfeln des Zufalls erklären? Oder wollt ihr noch kühner und schlimmer die geistige Ordnung selber zur Tochter der körperlichen, d. h. den Saitenspieler aus dem Nachklange eines Saitenspiels erklären?
Zum Verführen der organischen Maschinenmeister wirkt Folgendes mit. Eine sternlose Brautnacht liegt auf dem Entstehen durch Paarung. Sie wird noch
finsterer durch die Tiere, welche sich ohne Begattung durch freiwilliges Zerteilen vermehren, wie manche Aufguß- und die Samentierchen; - ferner durch die Armpolypen, für welche das verstümmelnde Messer die Geburtzange ist - und durch die Seeanemone und den Seestern, von welchen beiden (zufolge Treviranus nach Dicquemare und Baster) die Stücken, die an Felsenstellen im Fortrücken kleben bleiben, zu ihren Nachkommen werden - - und endlich durch die Wiedererzeugung abgeschnittener
Schneckenköpfe, Krebsscheren, Eidechsenschwänze u. s. w. Indes ist die Wiedererzeugung - um bei dieser anzufangen - kein anderes Wunder als das alltägliche der Ernährung, nur schneller verrichtet; denn da sogar der Mensch in drei Jahren (nach Boerhave) seinen alten Körper abwirft, so setzt er also, nur ohne Sprünge und Wunden, einen neuen an, und die Zeit löset mir so gut, nur leiser und langsamer, wie der Naturforscher einer Schnecke, den Kopf ab, und ein neuer wird von beiden Seiten
nachgetrieben. Die Wiedererzeugung abgeschnittener Glieder kann man auch der Häutung der Insekten gleichstellen, in welcher dem Tiere neue Augen, Kinnbacken, Gedärme, Lungen geboren werden. - Ebenso sollte die Fortpflanzung der Pflanzentiere sowohl durch freiwillige als durch abgenötigte Teilung uns nicht verwirren; ein Armpolype ist nicht einer, sondern ein System, ein Eierstock unentwickelter Polypen, wie eine mit Zwillingen Schwangere eine verhüllte lebendige Dreieinigkeit ist. Wie
vom Vogeleierstocke voll kleiner Eier sich das große ablöset, so bei dem Pflanzentiere das reife Inntier; der Messerschnitt reizt und zeitigt nur das unreife. - Aber alle diese Erscheinungen geben dem organischen Machinisten kein Recht zu seiner Lehre; denn in ihnen entsteht neues Leben ja nicht aus toter Adams-Erde, sondern aus altem Leben, welches einen Erklärer früher fodert als födert. Das Erklären der Erzeugung selber gehört in eine ganz andere, aber schwerste Untersuchung, welche sich
zuletzt über das Verhältnis von Geist zu Materie, von Freiheit zu Notwendigkeit, ja vielleicht über das von Unendlichem zu Endlichem zu erklären hat.
Begehen wir überhaupt nicht einen Fehler, daß wir die höheren Kräfte aus niedern entwickeln wollen und entstehen lassen, anstatt die Leiter umgekehrt an den Himmel anzusetzen, um auf ihr zur Erde herabzusteigen? Im niederen Wesen erscheint nur die Einschränkung und Hülse des höhern. In der Entwicklung ist die Verwicklung leichter zu
fassen und auseinander zu fasern als umgekehrt im Kleinen die unsichtbar und eng ineinander gelegte Entfaltung des Großen. Dem Baumblatte, dem Baumkerne, der Raupe etc. würden wir die regelmäßige Bildung nicht ansehen, wäre sie nicht vorher mit den großen Zügen eines Baums, eines Schmetterlings etc. leserlicher gegeben. Unser Bewußtsein unserer selber ist der Schlüssel der Welt, aber mehr der untermenschlichen als der übermenschlichen.
§ 17
Wenn
Stahl (der große Arzt des vorigen Jahrhunderts) die Seele für die Baumeisterin und Ärztin des Körpers hielt, so kann ihn wenigstens nicht der organische Machinist dadurch widerlegen, daß er ihm das Unbewußtsein derselben entgegensetzt, denn er erkennt ja dasselbe auch in allen materiellen Kräften an, die er an die Stelle der geistigen schiebt. Noch mehr verkleinert sich der Einwurf, wenn man über die Kunst-Kräfte der Gewohnheit und Fertigkeit - die allein nur Geistern eigen ist, nach Skaliger -
zu erstaunen hat, mit welchen der Mensch den nie etwas Geistiges erlernenden Leib unbewußt zu Sprach-, Ton- und allen Kunstbewegungen nötigt. So kann z. B. ein Klavierspieler, während er lieset und unachtsam spielt, richtig nach dem Generalbaß mit Fingern phantasieren, denen selber keiner beizubringen ist.
Am meisten stärkt sich Stahls Hypothese einer körperbauenden Seele durch Beobachtungen am menschlichen Magnetismus, daß die Hellseherin (clairvoyante), unkundig der Anatomie,
doch ihr Inneres und die Windungen der Nervengeflechte innerlich anschauet und anzugeben weiß; ferner die Zukunft ihres Befindens, Aufwachens und die Mittel ihrer Heilung zu weissagen und die dunkelsten Hintergründe tiefster Kindheit, eignes und fremdes Benehmen bei starresten sinnlosen Ohnmachten zurück zu weissagen vermag, indes gleichwohl das Erwachen ihr die ganze Kenntnis bis sogar auf die Erinnerung desselben raubt. Wie, wenn nun Seelen solche schon erwachte Hellseherinnen wären, welche
größere Dinge vollenden, als sie besonnen-wach deren erinnerlich oder fähig sind? - Eine noch größere Allmacht der Seele über den Leib, so groß auch die über den eignen durch bloßen Willen ist, offenbart sich am fremden dadurch, daß der Magnetiseur blos mit den scharf auf die magnetisierte Seelenbraut gehefteten Gedanken abwesend und entfernt die Wirkungen der Nähe an deren Körper ausübt und nachschafft.
Der Naturforscher strebe und jage immer (er hat Recht) den höhern Kräften nach,
die sich wie gebundnes Feuer in niedern einkerkern, so wie er den Magnet jetzo als Elektrizität, weiter hinauf als Galvanismus, diesen als organischen Magnetismus entdeckt hat. Nur halt er neue Erfahrungen nicht für Erklärungen der Erfahrungen überhaupt; nur glaub er nicht in immer höher hinaufgeläuterten Kräften an jene Kraft zu rücken, womit er selber alle läutert und ausforscht. Das rechte Erklären wäre eigentliches Verklären; aber der Naturforscher als solcher gleicht dem Bergmann, welcher,
in entgegengesetzter Richtung des Sternsehers Schätze holend, diesem nie begegnen, sondern nur weiter entkommen kann, wenn der letzte den Himmel auf einmal vor sich bekommt und den Glanz droben findet, den jener drunten gräbt. Wäre freilich dem Menschen das Vollenden der Naturforschung möglich, so würd er ein Bergmann, welcher, durch den Erdkern hindurch und hinaus grabend, sich mit dem Sternseher unter einem Taghimmel begegnet.
Wenn wir nämlich keine höhere, Körper
ordnende, also bauende Kraft kennen als die geistige, d. h. unsere, welche sich auch dem dürftigsten Auge wenigstens in äußerer Zusammenordnung und Bezwingung ganzer Körper als Freiheitgöttin zeigt, die nirgend wohnt als in der Menschenbrust: so ist es gewiß kein Knoten zerhauender Machtspruch, wenn wir von Leiber bauenden Seelen zum höchsten Geister-Architekten aufsteigen, welcher sowohl ihre freien als alle widersprenstigen irren Kräfte zu einer Ordnung schafft und bändigt;
denn damit wird hier nicht Unbegreiflichkeit aus Unbegreiflichkeit, sondern nur eine äußere scheinbare durch die innere erklärt, mit welcher wir auf jene fortwirken, und ohne welche wir das Wort »unbegreiflich« nicht einmal aussprechen könnten, weil dieses ein Begreifliches, aber nur in uns Liegendes voraussetzt.
§ 18
Nun so wollen wir denn, da die Ur-Seele viel bekannter unserer Nachseele ist als die Welt selber, die wir nur außer uns entziffern, dem menschlichen Heimweh nach einem Gott nachziehen.
Wir können allerdings keine besondere Wirkung Gottes für den Verstand ausscheiden, aber eben weil bei ihm alles nur eine ist; und er scheint nur zu ruhen, eben weil er nie ruht, so wie wir auf einer ewigen nachtlosen Sonne kein Licht wahrnehmen würden. Laßt uns von dem Verhältnis zwischen der allein regelnden Seele und dem blind dienenden Leibe zu dem höhern zwischen dem Urgeiste aufsteigen, welchem die geschaffne Geister-Natur nachschafft, indem sie blind verrichtet, was sehend von ihm entworfen und befohlen ist. Nur der Gedanke an ihn ist der Ankerplatz im unabsehlichen Meere der Kräfte, und nur ein Herzschlag erwärmt und bewegt das All.
Gleichwohl wollen wir uns nicht verschweigen und verschleiern, daß die Urseele uns nur als eine immer hellere, aber ewige Aurora am All erscheint, und daß diese Sonne nie aufgeht, weil das Auge der Endlichkeit an der Sonne stürbe. Nur das göttliche Morgenrot sieht und verträgt der Menschenblick.Nachschrift
Dieser furchtsame Versuch, wiewohl er mehr die Liebe als die Kraft der Untersuchung offenbart, sei als Herzens-Nachfeier des achten Februars dem erhabnen Verfasser der »Betrachtungen über das Universum« zugeeignet. Denn Er wird am liebreichsten dem Aufblick in das Überirdische - und der dankenden Liebe - und den Wünschen für Ihn und für Seinen Staat die kurze Zueignung eines kurzen Werkchens verzeihen und vergönnen. So bleibe denn dieses Kleine, wie Größeres und Großes, dem edlen Fürsten gewidmet!