Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

15. Abend

eingestellt: 6.6.2007





Der Vater fuhr fort:

Kinder, es ist ein wahres Sprichwort: guter Rath komt Morgen. Das können wir aus Robinsons Beispiel lernen.

Ihr wisset, welche thörigte Entschliessungen ihm gestern seine unmäßige Furcht eingab. Wohl bekam es ihm, daß er die Ausführung derselben auf den morgenden Tag verschieben muste: denn kaum hatte das liebliche Tageslicht die dunkeln Schatten der Nacht vertrieben, als er die Dinge von einer ganz andern Seite betrachtete. Was er gestern für gut, weise und nothwendig hielt, das schien ihm jezt schlecht, thörigt, und unnöthig zu seyn. Mit einem Worte, er verwarf alle die übereilten Anschläge, welche die Furcht ihm eingeflößt hatte, und faßte andere, welche von der Vernunft gebilliget wurden.

Sein Beispiel, lieben Kinder, diene euch zur Warnung, daß ihr in Dingen, die einigen Aufschub leiden, nie gleich von der ersten Entschliessung unmittelbar zur That schreitet, sondern vielmehr wenn es sein kan, die Ausführung auf den folgenden Tag verschiebet.

Robinson fand jezt, daß seine gestrige Furcht übertrieben gewesen sei. »Ich bin nun schon so lange hier, dacht er bei sich selbst, und noch nie ist ein Wilder in die Gegend meiner Wohnung gekommen. Beweis genug, daß auf der Insel selbst keine leben müssen. Aller Wahrscheinlichkeit nach, kommen also nur zuweilen einige derselben von einer andern Insel herüber, um hier ihre Siegesfeste zu feiern und ihre unmenschlichen Mahlzeiten anzustellen; und vermuthlich landen diese immer auf dem südlichen Ende der Insel, und fahren wieder ab, ohne sich weiter auf derselben umzusehen. Das ist also abermahls ein grosser Beweis von der Güte der götlichen Vorsehung, daß ich grade an diesen unfruchtbaren Theil der Insel habe müssen geworfen werden, welcher der sicherste für mich war. Wie solt ich ihr denn nicht zutrauen dürfen, daß sie auch ferner mich beschützen und vor Gefahren behüten werde, da ihre weisen und guten Führungen bis hieher so sichtbar gewesen sind!«

Hier macht er sich selbst die bittersten Vorwürfe, daß er bei seiner gestrigen übertriebenen Furcht so wenig Vertrauen auf Gott bewiesen habe; warf sich reuevoll auf seine Knie und bat um Verzeihung dieser seiner abermahligen Verschuldung. Dan trat er neugestärkt den Weg zu seiner Wohnung an, um dasjenige ins Werk zu richten, was er nunmehr beschlossen hatte.

Johannes. Was wolt er denn nun thun?

Vater. Er wolte nur noch einige Veranstaltungen zu seiner grössern Sicherheit treffen; und darin handelte er überaus vernünftig. Denn ohngeachtet wir der götlichen Vorsehung zutrauen müssen, daß sie, wenn wir nach ihrem heiligen Willen zu leben uns bestreben, uns in keiner Noth verlassen werde: so müssen wir doch auch von unserer Seite nichts versäumen, was zu unserer Sicherheit und zu unserm Glükke etwas beitragen kan. Denn dazu hat eben der liebe Gott uns unsern Verstand und alle andere Kräfte unserer Sele und unsers Leibes gegeben, daß wir zur Beförderung unserer Glükseeligkeit sie anwenden sollen.

Das erste, was er vornahm, war dieses, daß er in einer kleinen Entfernung von der Baumwand, die seine Wohnung einschloß, einen dichten Wald anlegte, welcher verhindern solte, daß seine Burg von fern nicht könte gesehen werden. In dieser Absicht pflanzte er nach und nach wohl 2000 Zweige von dem weidenartigen Baume ein, dessen leichtes Fortkommen und schnellen Wachsthum er nun schon erfahren hatte. Er pflanzte sie aber nicht in Reihen, sondern mit Fleiß unordentlich durch einander hin, damit das Ganze ein natürliches, nicht durch Menschenhände angelegtes Gebüsch zu sein schien.

Nächstdem beschloß er, aus dem innersten seiner Höhle einen unterirdischen Gang bis an das andere Ende des Berges durchzuführen, um, im Fal der Noth, wenn seine Festung von Feinden erstiegen wäre, sich durch diesen Ausgang retten zu können. Dies war aber wieder ein mühseeliges und langwieriges Geschäft und es versteht sich von selbst, daß die Schifbauerarbeit darüber vors erste eingestellt werden muste.

Er verfuhr aber bei diesem Ausgraben des unterirdischen Weges eben so, wie die Bergleute bei Anlegung der Stollen verfahren.

Gotlieb. Was sind das Stollen?

Johannes. Weißt du nicht mehr? Erst graben ja die Bergleute so grade hinein in die Erde, als wenn sie einen Brunnen machen wolten, das nennen sie einen Schacht; und denn, wenn sie schon ein bischen tief gegraben haben: so machen sie erst Quergänge zu den Seiten, und die nennen sie Stollen. Dan graben sie wieder einen Schacht und dan wieder einen Stollen, bis sie an Stellen kommen, wo das Erz liegt.

Vater. Gut erklärt! Nun, seht ihr, wenn sie nun so in die Quere, (man nent das Horizontal) graben: so würde ihnen die Erde von oben auf den Kopf fallen, wenn sie dieselbe nicht zu befestigen suchten. Also müssen sie, indem sie weiter arbeiten wollen, diese Erde erst durch Pfäle und Querhölzer stüzen, damit sie fest liege; und eben so macht es nun auch Robinson.

Alle Erde, die er heraus arbeitete, warf er an die Baumwand, und trat sie fest, so daß dadurch nach und nach eine Erdmauer entstand, die wohl acht Fuß dik und wenigstens zehn Fuß hoch war. An verschiedenen Stellen hatt er kleine Löcher, wie Schießscharten, offen gelassen, um durchsehen zu können. Zugleich hatt er einige Treppen eingeschnitten, um mit Bequemlichkeit auf und absteigen und seine Festung, wenn es einmahl nöthig sein solte, von der Mauer herab vertheidigen zu können.

Nun schien er vor einem plözlichen Ueberfalle hinlänglich gesichert zu sein. Aber wie? wenn die Feinde sich einfallen liessen, ihn förmlich zu belagern? Wie da?

Der Fal schien nicht unmöglich zu sein; er hielt es also für nöthig, sich auch darauf gefaßt zu machen, um nicht durch Hunger und Durst zur Uebergabe genöthiget zu werden. In dieser Absicht beschloß er, wenigstens ein milchgebendes Lama immer auf seinem Hofraume zu halten und zum Unterhalte desselben einen nur in der Noth anzugreifenden Heuschober in Bereitschaft zu haben; ferner so viel Käse, als er nur immer ersparen könte, aufzubewahren und endlich einen Vorrath von Früchten und Austern von einem Tage zum andern so lange zu sparen, als sie sich nur halten würden.

Auf die Ausführung eines andern Einfals must er Verzicht thun, weil er voraus sahe, daß sie ihm gar zu viel Zeit kosten würde. Er wünschte nemlich, die Quelle, welche nicht weit von seiner Wohnung hervorsprudelte und einen kleinen Bach machte, durch seinen Hofraum leiten zu können, um im Fal einer Belagerung auch mit Wasser versehen zu sein. Aber da hätte er eine ziemlich große Anhöhe durchstechen müssen, welches von einem einzigen Menschen ohne großen Zeitverlust nicht geschehen konte. Er hielt es daher für besser, dieses Projekt vor der Hand aufzugeben, und wieder zu seiner Schifbauerarbeit zurük zu kehren.

So verstrichen ihm nun wieder einige Jahre, in denen eben nichts vorfiel, welches erzählt zu werden verdiente. Ich eile daher zu einer der wichtigsten Begebenheiten, welche auf das Schiksal unsers guten Freundes einen grössern Einfluß hatte, als alles, was bis hieher auf seiner Insel ihm begegnet war.

Es war an einem schönen warmen Morgen, als Robinson, da er schon mit seinem Schifbau beschäftiget war, in einiger Entfernung von sich unvermuthet einen starken Rauch aufsteigen sahe. Seine erste Empfindung bei diesem Anblik war Schrekken, die zweite Neugier; und beide trieben ihn an, so geschwind er konte nach dem Berge hinter seiner Wohnung zu laufen, um von da zu sehen, was doch die Ursache davon sein mögte. Kaum hatt er den Berg bestiegen, als er zu seiner noch weit grössern Bestürzung wenigstens fünf Kanoes, oder kleine Kähne, am Strande, und bei einem großen Feuer wenigstens 30 Wilde erblikte, die unter barbarischen Gebehrden und Freudensbezeugungen einen Rundtanz hielten.

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