Frei Lesen: Abenteuer des Kapitän Hatteras

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Capitel. | Zweites Capitel. | Drittes Capitel. | Viertes Capitel. | Fünftes Capitel. | Sechstes Capitel. | Siebentes Capitel. | Achtes Capitel. | Neuntes Capitel. | Zehntes Capitel. | Elftes Capitel. | Zwölftes Capitel. | Dreizehntes Capitel. | Vierzehntes Capitel. | Fünfzehntes Capitel. | Sechzehntes Capitel. | Siebenzehntes Capitel. | Achtzehntes Capitel. | Neunzehntes Capitel. | Zwanzigstes Capitel. | Einundzwanzigstes Kapitel. | Zweiundzwanzigstes Capitel. | Dreiundzwanzigstes Capitel. | Vierundzwanzigstes Capitel. | Fünfundzwanzigstes Capitel. | Sechsundzwanzigstes Capitel. | Siebenundzwanzigstes Capitel. | Achtundzwanzigstes Capitel. | Neunundzwanzigstes Capitel. | Dreißigstes Capitel. | Einunddreißigstes Capitel. | Zweiunddreißigstes Capitel. |

Weitere Werke von Jules Verne

Martin Paz | Der Archipel in Flammen | Reise um die Erde in 80 Tagen | Der Chancellor | Meister Zacharius |

Alle Werke von Jules Verne
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Abenteuer des Kapitän Hatteras) ausdrucken 'Abenteuer des Kapitän Hatteras' als PDF herunterladen

Jules Verne

Abenteuer des Kapitän Hatteras

Zwölftes Capitel.

eingestellt: 17.8.2007



Der Forward drang mit Dampfeskraft zwischen den Eisfeldern und Eisbergen rasch vorwärts. Johnson hielt selbst das Steuer. Shandon untersuchte mit seiner Schneebrille den Horizont; aber seine Freude dauerte nicht lange, denn er erkannte bald, daß man am Ende des Fahrpasses sich rings von Bergen umgeben fand.

Doch zog er den Schwierigkeiten einer Umkehr das Mißliche einer Fortsetzung der Fahrt vor.

Der Hund lief auf der Eisfläche hinter der Brigg her, aber in ziemlicher Entfernung. Da hörte man, wenn er zurückblieb, ein eigenthümliches Pfeifen, worauf er sogleich zurückkehrte.

Als sich dies Pfeifen zum erstenmal hören ließ, sahen sich die Matrosen um; sie waren allein auf dem Verdeck und beriethen zusammen; kein Fremder, kein Unbekannter; und doch vernahm man das Pfeifen noch einigemal. Clifton ward zuerst unruhig.

»Hören Sie? sagte er, und sehen Sie, wie das Thier springt, wenn es pfeifen hört.

– Das ist ganz unglaublich, erwiderte Gripper.

– Jetzt sind wir fertig! rief Pen; weiter gehe ich nicht.

– Pen hat Recht, versetzte Brunton; das heißt Gott versuchen.

– Den Teufel versuchen, erwiderte Clifton. Lieber geb ich meinen ganzen Theil an der Prämie hin, als daß ich noch einen Schritt weiter gehe.

– Wir kommen nicht wieder zurück«, sagte Bolton niedergeschlagen.

Die Mannschaft war im höchsten Grade entmuthigt.

»Nicht einen Schritt weiter! rief Wolsten; seid Ihr einverstanden?

– Ja! Ja! erwiderten die Matrosen.

– Nun denn, sagte Bolton, so gehen wir zum Commandanten; ich übernehme es mit ihm zu reden.«

Die Matrosen gingen in dichten Haufen aufs Hinterdeck zu.

Der Forward kam eben an eine große kreisrunde Stelle von etwa achthundert Fuß Durchmesser; sie war vollständig rings versperrt, mit Ausnahme des einzigen Auswegs, welchen man gekommen war.

Shandon begriff, daß er sich selbst eingesperrt hatte. Aber was nun anfangen? Wie zurückkehren? Er fühlte seine ganze Verantwortlichkeit; es ballte sich ihm die Faust.

Der Doctor schaute mit gekreuzten Armen, ohne ein Wort vorzubringen. Er sah die Eiswände an, deren Höhe durchschnittlich dreihundert Fuß betragen mochte. Dichter Nebel lagerte über diesem Abgrund.

In diesem Augenblick redete Bolton den Commandanten an.

»Commandant, sprach er mit bewegter Stimme, wir können nicht weiter!

– Das sagt Ihr? erwiderte Shandon, dem der Zorn über die Verletzung seiner Autorität ins Angesicht stieg.

– Wir erklären, Commandant, fuhr Bolton fort, daß wir für den unsichtbaren Kapitän genug geleistet haben, und wir sind entschlossen, nicht weiter vorwärts zu gehen.

– Sie sind entschlossen? ... rief Shandon. So sprechen Sie, Bolton! Hüten Sie sich!

– Ihre Drohung macht nichts aus, erwiderte Pen brutal; wir gehen nicht weiter!«

Shandon ging auf die empörten Matrosen zu, als der Rüstmeister leise zu ihm sagte:

»Commandant, wenn wir wieder von hier heraus wollen, haben wir keinen Augenblick zu verlieren. Da schwimmt ein Eisberg zu dem Fahrpaß hin, der kann uns ganz absperren.«

Shandon untersuchte nochmals die Lage.

»Sie werden mir später Ihr Verhalten verantworten, sagte er zu den Aufrührern. Inzwischen, das Schiff gewendet!«

Die Matrosen eilten an ihre Posten. Der Forward wendete rasch, die Oefen wurden stärker geheizt; es galt dem schwimmenden Berg zuvor zu kommen. Es war eine Wettfahrt zwischen der Brigg und dem Eisberg; die erstere eilte südlich, um hinauszukommen, der letztere trieb nordwärts, den Weg zu versperren.

»Heizen, Heizen! rief Shandon, mit vollem Dampf! Brunton, verstehen Sie?«

Der Forward glitt rasch, wie ein Vogel zwischen den zerstreuten Eisblöcken durch, welche sein Vordertheil rasch durchschnitt; die Schraube wirkte, daß der Rumpf des Schiffes zitterte, und das Manometer zeigte eine äußerste Spannung des Dampfes, der zum Betäuben laut pfiff.

»Die Klappen beschwert!« rief Shandon.

Der Maschinist gehorchte, auf die Gefahr hin, das Schiff in die Luft zu sprengen.

Doch waren diese verzweifelten Anstrengungen vergebens; der Eisberg, von einer unterseeischen Strömung getrieben, kam zuvor; die Brigg war noch drei Kabellängen entfernt, als der Eisberg wie ein Keil in den freien Paß eindrang und jeden Ausweg sperrte.

»Jetzt sind wir verloren! rief Shandon, dem das unvorsichtige Wort entschlüpfte. – Verloren! rief die Mannschaft.

– Rette sich, wer kann! sagten die Einen:

– Die Boote ins Meer! riefen Andere.

– In die Vorrathskammer! schrien Pen und Andere seines Gelichters; sollen wir ersaufen, so wollen wirs im Gin!«

Alle Zügel rissen, die Unordnung stieg auf das höchste. Shandon fühlte sich übermeistert; er wollte commandiren, stammelte, stockte; sein Gedanke konnte nicht Worte finden. Der Doctor ging voll Unruhe auf und ab. Johnson kreuzte mit stoischem Schweigen die Arme. Da ließ sich plötzlich eine starke, energische, gebieterische Stimme vernehmen, mit dem Ruf:

»Jeder an seinen Posten! Rasch gewendet!«

Johnson gehorchte zitternd, ohne sich zu besinnen ließ er eiligst das Rad des Steuers drehen.

Es war hohe Zeit; die Brigg war im Begriff, mit aller Kraft wider die Wände prallend, zu scheitern.

Aber, während Johnson instinctmäßig Folge leistete, eilten Shandon, Clawbonny, die gesammte Mannschaft bis auf den Heizer Waren und den Neger Strong aufs Verdeck, und alle sahen aus der Cabine, dessen Schüssel allein im Besitz des Kapitäns war, einen Mann heraustreten ...

Dieser Mann war der Matrose Garry.

»Garry! rief Shandon erbleichend – Sie ... was haben Sie für Recht hier zu commandiren? ...

– Duk!« rief Garry, und wiederholte das Pfeifen, welches der Mannschaft so sehr aufgefallen war.

Als der Hund seinen wahren Namen vernahm, sprang er mit einem Satz auf das Hinterdeck und legte sich ruhig zu den Füßen seines Herrn.

Die Mannschaft ließ keinen Laut vernehmen.

Dieser Schlüssel, welchen allein der Kapitän des Forward in Händen haben konnte, dieser Hund, welchen er geschickt und der eben so zu sagen sein Persönlichkeit beurkundet hatte, dieser Befehlshaberton, den man unmöglich verkennen konnte, – alles dies machte einen mächtigen Eindruck auf die Matrosen, und genügte, Garrys Autorität festzustellen.

Uebrigens war Garry nicht mehr kenntlich; er hatte den breiten Backenbart, welcher sein Gesicht umrahmte, abgelegt, und um so mehr traten seine leidenschaftslosen Züge voll Thatkraft und Befehlshaberwürde ins Licht; er trat auf in seiner Standeskleidung mit den Abzeichen des Commandanten.

So wurde denn auch die Mannschaft des Forward wider Willen fortgerissen und rief einstimmig:

»Hurrah! Hurrah! Hurrah für den Kapitän!

– Shandon, sprach dieser zu seinem Stellvertreter, lassen Sie die Mannschaft sich aufstellen, ich will Musterung halten.«

Shandon gehorchte und gab mit bewegter Stimme seine Befehle. Der Kapitän trat vor seine Officiere und Matrosen und sprach zu Jedem, was seinem bisherigen Verhalten gemäß passend war.

Hierauf stieg er auf die Companie und sprach in ruhigem Ton die folgenden Worte:

»Officiere und Matrosen, ich bin Engländer, wie Sie auch, und mein Wahlspruch ist der des Admirals Nelson:

»England erwartet von Jedem, daß er seine Pflicht erfülle.

»Als Engländer will ich nicht, wollen wir nicht, daß kühnere Männer dahin dringen, wohin wir nicht vermocht hätten. Als Engländer will ich nicht, wollen wir nicht geschehen lassen, daß Andere den Ruhm davon tragen, weiter nach dem Norden zu dringen. Wenn jemals eines Mannes Fuß das Polarland betreten darf, so muß das der Fuß eines Engländers sein! Hier ist die Flagge Englands. Ich habe dies Schiff ausgerüstet, ich habe mein Vermögen an das Unternehmen gesetzt, und will mein Leben und das Eurige dafür einsetzen, aber diese Flagge soll am Nordpol wehen. Lassen Sie es an Zuversicht nicht fehlen. Tausend Pfund Sterling sind Euch für jeden Grad zugesagt, welchen wir von heute an weiter nördlich vordringen. Jetzt sind wir unterm zweiundsiebenzigsten, und es sind neunzig Grad. Nun rechnet. Mein Name wird Ihnen übrigens eine Bürgschaft sein; Energie und Patriotismus sind ihm eigen. Ich bin der Kapitän Hatteras!

– Der Kapitän Hatteras!« rief Shandon.

Dieser Name war unter den englischen Seeleuten wohl bekannt. Die Mannschaft vernahm ihn mit stillem Respect.

»Jetzt, fuhr Hatteras fort, soll man die Brigg an die Eisblöcke festankern, die Feuer ausgehen lassen, und Jeder gehe an sein gewöhntes Tagewerk. Shandon, ich habe mit Ihnen über die Schiffsangelegenheiten zu reden. Kommen Sie nebst dem Doctor, Wall und dem Rüstmeister zu mir in meine Cabine. Johnson, lassen Sie die Leute auseinander gehen.«

Hatteras, kaltblütig und kühl, stieg ruhig vom Hinterdeck herab, während Shandon die Brigg festankern ließ.

Wer war denn dieser Hatteras, und weshalb machte sein Name einen so tiefen Eindruck auf die Mannschaft?

John Hatteras, der einzige Sohn eines Brauers zu London, der im Jahre 1852 im Besitze von sechs Millionen starb, widmete sich noch in jungen Jahren, trotz des glänzenden Vermögens, das er erben sollte, dem Seewesen. Nicht der Handelsberuf führte ihn dazu, sondern sein Herz war vom Trieb nach geographischen Entdeckungen durchdrungen; er sann unablässig darauf, seinen Fuß dahin zu setzen, wohin noch kein Mensch gedrungen war.

Bereits zwanzig Jahre alt besaß er die kräftige Leibesbeschaffenheit magerer und sanguinischer Menschen: energische Gesichtszüge mit geometrisch bestimmten Linien, hohe Stirn senkrecht auf der Ebene schöner, aber kalter Augen, seine Lippen eines wortkargen Mundes, mittlere Statur, fester Gliederbau mit eisernen Muskeln – gaben das Gesammtbild eines Mannes von erprobtem Charakter. Sein Aussehen verrieth Kühnheit, sein Ton kühle Leidenschaft; unbeugsam, nie zurückzuweichen fähig, war er bereit, das Leben Anderer mit gleicher Ueberzeugung, wie das seinige auf das Spiel zu setzen. Es galt daher zweimal zu überlegen, ehe man sich zur Theilnahme an seinen Unternehmungen entschloß.

Den Stolz des Engländers besaß er im höchsten Grade. Als in seiner Gegenwart ein Franzose mit vermeintlicher Höflichkeit und selbst Liebenswürdigkeit sagte:

»Wäre ich nicht Franzose, so möcht ich Engländer sein«, so erwiderte Hatteras:

»Wäre ich nicht Engländer, so möcht ich Engländer sein.«

Ueber Alles ging ihm der Wunsch, den Ruhm geographischer Entdeckungen seinen Landsleuten allein zu wahren; aber zu seinem großen Mißfallen hatten diese im Laufe der früheren Jahrhunderte in Hinsicht auf Entdeckungen wenig geleistet.

Die Entdeckung Amerikas verdankte man dem Genuesen Christoph Columbus, Indiens dem Portugiesen Vasco de Gama, Chinas dem Portugiesen Fernand dAndrada, der Feuerlande dem Portugiesen Magelhaen, Canadas dem Franzosen Jacques Cartier; die Sunda-Inseln, Labrador, Brasilien, das Cap der guten Hoffnung, die Azoren, Madeira, New-Foundland, Guinea, Congo, Mexiko, Cap Blanco, Grönland, Island, die Südsee, Californien, Japan, Cambodja, Peru, Kamtschatka, die Philippinen, Spitzbergen, das Cap Horn, die Behrings-Straße, Tasmanien, Neu-Seeland, Neu-Britannien, Neu-Holland, Louisiana, die Insel Jan-Mayen – wurden von Isländern, Skandinaviern, Russen, Portugiesen, Dänen, Spaniern, Genuesen, Holländern aufgefunden; aber kein einziger Engländer befand sich unter ihnen; für Hatteras zum Verzweifeln, daß seine Landsleute nicht dieser glorreichen Schaar von Seefahrern angehörten, welchen man die großen Entdeckungen des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts verdankte.

Die neueren Zeiten konnten Hatteras ein wenig trösten; die Engländer fanden doch eine Entschädigung an ihrem Sturt, Daniel Stuart, Burke, Wills, King, Gray in Australien; an Palliser in Amerika, an Cyrill Graham, Wadington, Cummingham in Indien, an Burton, Speeke, Grant, Livingstone in Afrika.

Aber dies reichte nicht hin; nach Hatteras Ansicht waren die Leistungen dieser kühnen Reisenden vielmehr Vervollständigungen, als Entdeckungen; er strebte nach Besserem.

Er hatte bemerkt, daß, obwohl die Engländer nicht unter den ältern Entdeckern die Mehrzahl bildeten, und daß man bis auf Cook zurückgehen mußte, um Neu-Caledonien (1774) und die Sandwich-Inseln (1778) zu bekommen, es doch eine entlegene Gegend des Erdballs gab, wo sie durch vereinte Bemühungen etwas geleistet hatten, nämlich die Eismeere und Nord-Länder Amerikas.

Die Entdeckungen der Polarlande übersieht man an dieser Zusammenstellung:

  • Seite:
  • 1
  • 2
< Elftes Capitel.
Dreizehntes Capitel. >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.