Jules Verne
Die fünfhundert Millionen der Begum
Fünfzehntes Capitel.
eingestellt: 4.7.2007
Die Börse von San-Francisco – gleichsam der condensirte und gewissermaßen algebraische Ausdruck einer ungeheuren Industrie- und Handelstätigkeit – ist eine der lebhaftesten und eigenartigsten der Welt. Als natürliche Folge der geographischen Lage der Hauptstadt Kaliforniens zeigt auch sie den kosmopolitischen Charakter, der jene so auffallend kennzeichnet. Unter ihren Säulengängen von herrlichem rothen Granit trifft der blondhaarige, hochgewachsene
Angelsachse zusammen mit dem gebrannten, dunkellockigem, mit beweglicherem und feinerem Gliederbau ausgestatteten Kelten. Der Neger begegnet hier dem Finnländer und dem Hindu. Erstaunt sieht der Polynesier neben sich den Grönländer. Der Chinese mit schiefer Augenspalte und sorgfältig gepflegtem Zopfe sucht den Japanesen, seinen historischen Feind, zu übervortheilen. Alle Sprachen, alle Mundarten schwirren hier, wie in einem modernen Babel, durcheinander.
Die Eröffnung dieses in seiner
Art einzig in der Welt dastehenden Mammonstempels erfolgte am 12. October ganz wie gewöhnlich. Schlag elf Uhr sah man die bedeutendsten Mäkler und Geschäftsagenten, lustig oder ernsthaft, je nach besonderem Temperamente, herankommen, Händedrücke wechseln und sich nach dem Restaurant begeben, um die Tages-Operationen durch ein Sühnopfer einzuleiten. Einer nach dem Anderen öffneten sie dann das kleine Kupferthürchen der numerirten Kästen im Vorraume, welche die Korrespondenzen der Abonnenten
enthalten, zogen ganz gewaltige Briefpackete daraus hervor und durchflogen diese mit zerstreuten Blicken.
Bald entwickelten sich die ersten Tageskurse, während die geschäftige Menge nach und nach anwuchs. Aus den zahlreicher gewordenen Gruppen stieg ein leichtes Murmeln auf.
Von allen Gegenden der Erde regnete es bald telegraphische Depeschen. Es verging kaum eine Minute, ohne daß ein mit lauter, alles Geräusch übertönender Stimme vorgelesener blauer Papierstreifen die an
der Nordwand des Saales angeheftete Sammlung von Telegrammen vermehrte.
Von Minute zu Minute wurde die Bewegung lebhafter. Eilig liefen die Handlungsagenten herzu oder wieder weg, stürzten nach dem Telegraphen-Bureau und brachten Antworten dorthin. Alle Taschenbücher waren geöffnet, mit Notizen und Durchstreichungen bedeckt oder theilweise gar zerrissen. Die ganze Menschenmenge schien eine ansteckende Tollheit ergriffen zu haben, als gegen ein Uhr irgend eine geheimnisvolle
Neuigkeit alle Gruppen wie ein Schauder zu packen schien.
Eine erstaunliche, unerwartete, unglaubliche Nachricht war eben von einem der Miteigentümer der »Bank des fernen Westens« überbracht worden und verbreitete sich mit Blitzesschnelligkeit weiter.
Die Einen riefen:
»Welch dummer Witz! ... Das ist ein Börsenmanöver! Wer soll eine solche Flause glauben?
– O, o, bemerkten Andere, kein Rauch ohne Feuer!
– Geht man in einer Lage
wie jene zu Grunde?
– Man kann aus jeder Lage versinken.
– Aber, Herr, die Immobilien allein und die Maschinen repräsentiren einen Werth von achtzig Millionen Dollars! versetzte der Erstere.
– Ohne die Gußstücke, den Rohstahl, die Vorräthe und fertigen Producte zu rechnen! vervollständigte der Zweite.
– Zum Kukuk, das sagte ich ja! Schultze ist gut für neunzig Millionen Dollars und ich verpflichte mich, seine Activa sofort dafür
zu realisiren!
– Ja, wie erklären Sie sich dann diese Zahlungseinstellung?
– Ich erkläre sie mir gar nicht! ... Ich glaube einfach nicht daran!
– Als ob solche Dinge nicht alle Tage und auch den ansehnlichsten Häusern passirten!
– Stahlstadt ist kein Haus, es ist eine ganze Stadt!
– Nun auf alle Fälle ist es damit nicht aus. Unzweifelhaft wird eine Gesellschaft zusammentreten zur Fortführung der Geschäfte.
– Warum, zum Teufel, hat aber Schultze eine solche nicht gebildet, bevor er seine Wechsel protestiren ließ.
– Richtig, mein Herr, das ist so sinnlos, daß es keine Prüfung aushält! Das Ganze ist nichts als eine falsche Nachricht, die wahrscheinlich von Nasch ausgeht, der für seine Stahlvorräthe dringend eine Hausse braucht!
– Nein, keine falsche Nachricht! Schultze ist nicht allein bankerott, er ist auch flüchtig.
– Was fällt Ihnen
ein?
– Durchgegangen, sag ich Ihnen. Das Telegramm mit dieser Mittheilung ist soeben angeheftet worden!«
Eine gewaltige Menschenwoge rollte nach der Depeschentafel. Der neueste blaue Streifen enthielt folgende Worte:
»New-York, 12 h 10 m. – Central-Bank. Werk Stahlstadt. Zahlungen eingestellt. Bekannte Passiva: 47 Millionen Dollars. Schultze verschwunden.«
Jetzt war kein weiterer Zweifel möglich, so überraschend
die Neuigkeit auch klingen mochte, und Vermuthungen über Vermuthungen kamen bald in Gang.
Um zwei Uhr begannen die Listen der durch Schultzes Fallissement mitgerissenen Häuser zweiter Ordnung den Platz zu überschwemmen. Die größten Verluste erlitt die Mining-Bank in New-York; die Firma Westerlay & Sohn in Chicago, welche mit 7,000.000 Dollars betheiligt war; das Haus Milwaukee in Buffalo 5,000.000; die Industrie-Bank in San-Francisco 1,500.000 Dollars; endlich ein kleiner
Ausschuß von Firmen dritten Ranges.
Andererseits machten sich, ohne weitere Nachrichten abzuwarten, die natürlichen Gegenwirkungen des Ereignisses in stürmischer Weise geltend.
Der nach Aussage der Sachverständigen am Vormittag so schwerfällige Markt von San-Francisco gewann um zwei Uhr ein gänzlich verändertes Aussehen. Welche Sprünge, welche Kurssteigerungen und zügellose Entfesselung der Speculation traten da zu Tage!
Hausse in Stahlsorten, die von Minute zu
Minute steigen. Hausse in Kohlen! Hausse in den Papieren aller Eisenhütten der amerikanischen Union! Hausse in den Erzeugnissen der Eisenindustrie jeder Art! Hausse auch in den Landpreisen von France-Ville. Fielen diese seit der Kriegserklärung auf Null und verschwanden sie fast von der Börse, so stand der Acre Land heute wieder auf 180 Dollars Geld!
Von dem Abend dieses Tages an wurden die Zeitungs-Expeditionen förmlich belagert. Wenn auch der »Herald« wie die »Tribune«, der »Alta«
wie der »Guardian« die mageren Nachrichten, welche sie sich zu verschaffen gewußt hatten, in Placaten mit Riesenlettern bekannt gaben, so reducirten sich dieselben im Grunde doch eigentlich auf nichts.
Was man wußte, beschränkte sich darauf, daß eine von Jackson, Edler & Comp. gezogene, von Herrn Schultze acceptirte Tratte über 8,000.000 Dollars bei Schving, Strauß & Comp., den New-Yorker Banquiers des Stahlkönigs, präsentirt worden sei und daß die genannten Herren constatirt
hätten, die Bilanz des Credits ihres Clienten reiche zur Deckung dieser enormen Zahlung nicht aus, während eine telegraphische Mittheilung an jenen bezüglich dieser Thatsache unbeantwortet geblieben sei; daß sie ferner bei Durchsicht ihrer Bücher mit Verwunderung gesehen hätten, wie ihnen von Stahlstadt seit dreizehn Tagen weder ein Brief noch irgend eine Deckung zugegangen; daß sich seit eben dieser Zeit die von Herrn Schultze auf ihre Casse gezogenen Tratten und Checks täglich mehr
angehäuft hätten, um dem Schicksale aller übrigen zu verfallen, d.h. mit der Bezeichnung no effects (keine Deckung) nach ihrem Ursprungsorte zurückzuwandern.
Vier Tage lang stürmten einerseits auf Stahlstadt, andererseits auf obige Bankfirma Bitten um Aufklärung, unruhige Telegramme und wüthende Anfragen haufenweise ein.
Endlich war aus Stahlstadt eine Antwort eingetroffen.
»Herr Schultze, so lautete das betreffende Telegramm, seit 17. September
verschwunden. Niemand vermag diese geheimnißvolle Thatsache aufzuhellen. Er hat keine Ordres hinterlassen und die Abtheilungscassen sind leer.«
Von jetzt ab konnte die Wahrheit nicht mehr verheimlicht werden. Die Hauptgläubiger hatten Angst bekommen und ihre Papiere bei den Handelsgerichten deponirt. Binnen wenig Stunden verbreitete sich der Zusammensturz mit Blitzeseile und riß sein Gefolge von secundären Bankerotten nach sich. Am Mittag des 13. October belief sich die Summe der
angemeldeten Forderungen auf 47,000.000 Dollars. Allem Anscheine nach betrugen die gesammten Passiva unter Hinzurechnung der kleineren Schulden nahe 60,000.000 Dollars.
Das war Alles, was man wußte und was die Journale, vielleicht noch mit einigen Übertreibungen, berichteten. Selbstverständlich stellten alle ohne Ausnahme für den folgenden Tag die verläßlichsten, eingehendsten Nachrichten in Aussicht.
Und wirklich hatte sich jede Zeitung in erster Stunde beeilt, ihre
Correspondenten nach Stahlstadt auszuschicken.
Vom Abend des 14. October ab sah sich Stahlstadt plötzlich von einer ganzen Armee Berichterstatter mit geöffnetem Notizbuche und gespitztem Bleistifte in der Hand belagert. Wie eine Woge am Felsenufer brach sich diese Armee aber an der äußeren Umwallung des Riesen-Etablissements. Die Wachen bezogen daselbst ihre Posten nach wie vor, und die Reporter konnten alle möglichen Verführungsmittel versuchen, es gelang doch Keinem, jene
pflichtvergessen zu machen.
Immerhin gelangten sie zu der Ueberzeugung, daß die Arbeiter nichts wußten und daß in deren betreffenden Section eine Veränderung nicht eingetreten sei. Die Werkmeister hatten jedoch am letzten Abend auf höheren Befehl mitgetheilt, daß in den Abtheilungscassen kein Geld mehr vorhanden, aus dem Centralblock auch weitere Instruction nicht eingegangen sei, in Folge dessen, außer bei Widerruf dieser Ankündigung, die Arbeiten am nächsten Sonnabend eingestellt
werden würden.
Alles das trug mehr dazu bei, die Situation zu compliciren, als sie zu klären. Nur darüber war Niemand länger im Zweifel, daß Herr Schultze seit fast einem Monate verschwunden sei. Dagegen kannte Keiner den Grund dieses Verschwindens oder vermochte die endlichen Folgen zu übersehen. Trotz aller Beunruhigung herrschte doch immer noch das unbestimmte Gefühl, daß die mysteriöse Persönlichkeit jede Minute wieder erscheinen könne.
Im Laufe der ersten Tage nahmen
die Arbeiten in den Werkstätten ihren Fortgang im gewohnten Tempo. Jedermann beschäftigte sich innerhalb seines beschränkten Gesichtskreises nur mit der eigenen Aufgabe. Die Abtheilungscassen hatten jeden Sonnabend die fälligen Löhne ausbezahlt. Die Hauptcassa deckte bisher die localen Bedürfnisse. In Stahlstadt war die Centralisation aber so sehr auf die Spitze getrieben, und hatte sich der Besitzer eine so ausnahmslose Aufsicht über den ganzen Geschäftsgang ganz allein vorbehalten, daß seine
Abwesenheit schon nach kurzer Frist den nothwendigen Stillstand des ganzen Getriebes herbeiführen mußte. So kam es, daß seit dem 17. September, dem Tage, au welchem der Stahlkönig seine letzten Anordnungen unterzeichnete, bis zum 13. October, wo die Hiobspost der Zahlungseinstellung wie ein Donnerschlag eintraf, Tausende von Briefen – darunter unzweifelhaft viele mit beträchtlichen Geldsendungen – mit der Stahlstadter Post anlangten, im Briefkasten des Centralblocks abgegeben und
jedenfalls auch in Herrn Schultzes Arbeitszimmer befördert wurden, nur hatte er sich allein das Recht vorbehalten, sie zu eröffnen, mit einem Rothstiftstrich als erledigt zu bezeichnen und ihren Inhalt dem Hauptcassier auszuantworten.
Selbst die höchsten Beamten des Werkes hätten sich niemals unterfangen, über den bestimmten Kreis ihrer Thätigkeit hinauszugehen. Besaßen sie ihren Untergebenen gegenüber eine fast unbeschränkte Machtvollkommenheit, so glichen sie doch Herrn Schultze
– und sogar dessen Erinnerung – gegenüber nur leblosen Werkzeugen ohne Autorität und Initiative. Jeder verschanzte sich hinter der Verantwortlichkeit seiner Stellung, hatte gewartet, aufgeschoben und die Ereignisse »kommen sehen«.
Endlich waren sie wirklich gekommen. Die eigenthümliche Lage verschleppte sich bis zu dem Zeitpunkte, wo die hauptsächlich interessirten und plötzlich erschreckten Geschäftsfreunde telegraphirten, Antwort begehrten, reclamirten, protestirten und
endlich gesetzliche Schritte thaten. Hierzu entschloß man sich nicht allzu schnell. Keinem wollte es einleuchten, daß ein so weltbekanntes Vermögen wirklich auf thönernen Füßen ruhe. Jetzt freilich lag die Thatsache offen vor Augen: Herr Schultze hatte sich seinen Gläubigern durch die Flucht entzogen.
Das war Alles, was die Berichterstatter erfahren konnten. Selbst der berühmte Meiklejohn, dadurch bekannt, daß es ihm gelang, dem General Grant, dem schweigsamsten Manne unseres
Jahrhunderts, politische Geständnisse abzulocken, und der unermüdliche Blunderbuß, weit bekannter als der Erste, der, ein einfacher Correspondent des »World«, dem Czar die große Neuigkeit von dem Falle Plewnas überbrachte, selbst diese Haupthelden des Reporterthums waren diesmal nicht glücklicher gewesen als ihre Genossen. Sie mußten eingestehen, daß weder die »Tribune« noch der »World« schon das letzte Wort bezüglich des Fallissements Schultzes sprechen könnten.
Was dieses
industrielle Unglück aber zu einem Ereigniß ohne Gleichen stempelte, das war die sonderbare Lage Stahlstadts als einer unabhängigen, gänzlich isolirten Ansiedlung, welche jedes regelrechte gesetzliche Eingreifen unthunlich machte. Freilich war die Unterschrift des Herrn Schultze in New-York protestirt worden und die Gläubiger desselben durften wohl voraussetzen, daß die durch das Werk selbst repräsentirten Activa zur Befriedigung ihrer Forderung ziemlich hinreichen würden. An welchen Gerichtshof
aber sollten sie sich wenden, um eine Beschlagnahme oder die Stellung unter Sequester durchzusetzen? Stahlstadt bildete bis heute noch ein für sich bestehendes, nicht in den Staatsverband aufgenommenes Territorium, wo Alles nur Herrn Schultze gehörte und von ihm abhing. Wenn er nur wenigstens einen Repräsentanten, einen Verwaltungsrath oder einen Stellvertreter zurückgelassen hätte! Hier war aber nur er allein der König, der Oberrichter, der commandirende General, der Notar, der Sachwalter
und das Handelstribunal seiner Stadt. In seiner Person verkörperte sich das Ideal der Centralisation. Sobald er fehlte, standen die Anderen dem einfachen Nichts gegenüber, und das ganze kolossale Gebäude stürzte wie ein Kartenhaus zusammen.
Unter allen anderen Verhältnissen hätten die Gläubiger ein Syndicat bilden, an die Stelle des Herrn Schultze treten, die Hand nach seinem Vermögen ausstrecken und sich der Leitung des Geschäftes bemächtigen können. Allem Anscheine nach würden sie
sich überzeugt haben, daß es dem ganzen Räderwerke zum Fortgange nur augenblicklich an ein wenig Geld und einer regulirenden Triebkraft mangle.
Das blieben aber Alles fromme Wünsche. Es fehlte an dem Gesetze, diese Substitution durchzuführen. Man stand hier vor einer moralischen Sperre, welche sich vielleicht noch unübersteiglicher erwies als die rings um Stahlstadt aufgeworfenen Wälle. Die bedauernswerthen Gläubiger sahen die Deckung für ihre Forderungen vor Augen, aber ebenso die
Unmöglichkeit, sich dieselbe anzueignen.
Es blieb ihnen nur der Ausweg, sich zu einer allgemeinen Versammlung zu vereinigen, ihre Angelegenheiten zu berathen und eine Eingabe an den Congreß zu richten mit dem Ersuchen, sich ihrer Sache anzunehmen, das Interesse der Staatsbürger zu sichern, Stahlstadts Einverleibung in den amerikanischen Bundesstaat auszusprechen und auf diese Weise jene monströse Schöpfung dem gemeinen Rechte civilisirter Länder unterzuordnen. Mehrere
Kongreßmitglieder waren persönlich bei der Angelegenheit interessirt; das Gesuch hatte, von mehr als einem Gesichtspunkte aus, etwas Verführerisches für den amerikanischen Volkscharakter, und man durfte sich wohl der Hoffnung auf durchschlagenden Erfolg hingeben. Leider hielt der Congreß jetzt keine Sitzungen ab und es stand ein langer Aufschub bevor, ehe ihm die Angelegenheit unterbreitet werden konnte.
In Erwartung dieses Zeitpunktes stockte nun in Stahlstadt jede Thätigkeit und die
Oefen erloschen einer nach dem anderen.
Unter der Bevölkerung von 10.000 Familien, welche von dem Werke lebten, herrschte natürlich eine nicht geringe Bestürzung. Was sollten die Leute aber beginnen? Die Arbeit fortsetzen in der Hoffnung auf eine spätere Ablöhnung, die vielleicht in sechs Monaten, vielleicht auch niemals erfolgen sollte? Niemand wußte Rath. Welche Arbeiten sollten wohl ausgeführt werden? Die Quelle der gewohnten Anordnungen war mit den übrigen versiegt. Herrn
Schultzes sämmtliche Clienten erwarteten, um ihre Verbindungen wieder aufzunehmen, die gesetzliche Regulirung. Die aller Befehle entbehrenden Abtheilungsvorsteher, die Ingenieure und Werkmeister konnten nichts vornehmen.
Nun gab es Versammlungen, Meetings, Verhandlungen, Vorschläge, aber es kam kein eigentlicher Plan zu Stande, weil das eben unmöglich war. Das allgemeine Feiern zog bald sein Gefolge von Elend, Verzweiflung und Verbrechen nach sich. Je nachdem sich die Werkstatt
leerte, füllte sich das Wirthshaus. Für jede Esse, welche nicht mehr rauchte, sah man in der Nachbarschaft eine Schänke entstehen.
Die klügsten und vorsichtigsten Arbeiter, die, welche sich in Voraussicht schlimmerer Tage eine kleine Baarschaft zurückgelegt hatten, beeilten sich mit Waffen und Gepäck – mit dem Werkzeuge und den der Logiswirthin so ans Herz gewachsenen Betten – zu entfliehen; bausbäckige Kinder jubelten voll Entzücken über den neuen Anblick der Welt,
den sie durch die Thürfenster des Waggons genossen. Diese Leute zerstreuten sich nach allen Himmelsgegenden und hatten bald, der im Osten, jener im Süden, ein Dritter im Norden eine neue Werkstatt, einen anderen Ambos, einen neuen Herd gefunden ...
Wie viele blieben aber für Einen, für Zehn, welche sich in dieser Weise helfen konnten, zurück, die das Elend an die Scholle fesselte! Da standen sie mit hohlem Auge und blutendem Herzen der bittersten Noth gegenüber!
Sie
blieben, verkauften ihre wenigen Habseligkeiten an eine Horde Raubvögel in Menschengestalt, die instinctmäßig überall zusammenflattern, wo sie ein geschehenes Unglück wittern, griffen binnen wenigen Tagen schon zu den letzten Hilfsmitteln, standen bald da ohne Credit wie ohne Lohn, ohne Hoffnung wie ohne Arbeit, und sahen vor sich, dunkel wie der Winter, der nun bald beginnen sollte, nichts als eine Zukunft von Sorge und Elend!
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