Frei Lesen: Kein Durcheinander

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

I. | II. | III. | IV. | V. | VI. | VII. | VIII. | IX. | X. | XI. | XII. | XIII. | XIV. | XV. | XVI. | XVII. | XVIII. | XIX. | XX. | XXI. |

Weitere Werke von Jules Verne

Abenteuer des Kapitän Hatteras | Martin Paz | Das Dampfhaus - 2.Band | Der Chancellor | Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Erster Band |

Alle Werke von Jules Verne
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Kein Durcheinander) ausdrucken 'Kein Durcheinander' als PDF herunterladen

Jules Verne

Kein Durcheinander

III.

eingestellt: 23.7.2007



Weshalb sollte jener Verkauf am 3. December in dem gewöhnlichen Auctionssaale vor sich gehen, wo gewöhnlich nur bewegliche Gegenstände, Möbeln, Geräthe, Werkzeuge, Instrumente u. s. w., oder Kunstsachen, wie Bilder, Statuen, Denkmünzen, Alterthümer u. dgl. unter den Hammer kamen? ... Weshalb, da es sich um eine Immobilien-Auction handelte, ging diese nicht vor einem Notar vor sich oder vor den Schranken des Gerichtes, das für solche Amtshandlungen bestimmt war? ... Weshalb nahm man einen beeidigten Taxator zu Hilfe, da es sich darum handelte, einen Theil der Erdkugel zum Verkauf zu bringen? Konnte dieses Stück unseres Sphäroids mit irgend einem Stück Mobiliar verglichen werden oder war es nicht vielmehr die ausgesprochenste Immobilie der Welt?

Das schien in der That unlogisch, und doch war es beschlossene Sache. Die Gesammtheit der Polarregionen sollte unter diesen Verhältnissen an den Mann gebracht werden und der Kaufvertrag deshalb nicht minder giltig sein. Im Grunde wies das auch, in der Anschauung der »North Polar Practical Association«, keineswegs darauf hin, daß die in Frage stehende Immobilie etwas von einer Mobilie an sich habe, so als wenn es denkbar sei, sie von einer Stelle zur anderen zu versetzen. Immerhin ließ diese Eigenthümlichkeit gewisse, besonders haarspalterige Geister nicht zur Ruhe kommen, wenn es deren, selbst in den Vereinigten Staaten, auch nur wenige gab.

Uebrigens gab es für die Sache ein Beispiel, denn es war schon einmal ein Bruchstückchen unseres Planeten im Auctionssaale durch einen beeidigten Taxator zum Verkauf gebracht worden, und zwar ebenfalls in Amerika.

Mehrere Jahre früher wurde zu San Francisco in Californien eine Insel des Stillen Weltmeeres, die Insel Spencer , an den steinreichen William W. Kolderup verkauft, der seinen Mitbewerber J. R. Taskinar aus Stockton um hundertfünfzigtausend Dollars schlug. Diese Insel Spencer war mit vier Millionen Dollars bezahlt worden. Freilich betraf das eine bewohnbare Insel, nur wenige Längengrade von der kalifornischen Küste entfernt gelegen und mit Wäldern, Wasserläufen, fruchtbarem und verläßlichem Boden, Feldern und Wiesenflächen, welche sich zur Cultur eigneten, ausgestattet, und nicht eine wüste Gegend, vielleicht ein von ewigem Eise bedecktes Meer, deren Zugang das unübersteigliche Packeis sperrte und die voraussichtlich also überhaupt Niemand tatsächlich in Besitz nehmen konnte. Danach lag die Voraussetzung nahe, daß für jenes unsichere, zur Versteigerung gebrachte Polargebiet niemals ein so beträchtlicher Preis erzielt werden würde.

Nichtsdestoweniger hatte die Seltsamkeit des Vorkommnisses an dem betreffenden Tage, wenn nicht ernste Liebhaber, so doch Neugierige in großer Anzahl herangelockt, welche höchst begierig waren, dessen endlichen Ausgang zu erfahren. Interessant mußte der Wettstreit ja immerhin werden.

Ueberdies sahen sich die europäischen Abgesandten seit ihrem Eintreffen in Baltimore vielfach umringt, eifrig gesucht und selbstverständlich hartnäckig interviewt. Da der Vorgang sich in Amerika abspielte, ist es nicht zu verwundern, daß die öffentliche Meinung im höchsten Grade erregt war. Das führte zu sinnlosen Wetten – die gewöhnliche Form, unter der die Erhitzung der Köpfe in den Vereinigten Staaten zum Ausdrucke kommt, und deren ansteckendem Beispiele Europa willig zu folgen anfängt. Zerfiel die Bürgerschaft des amerikanischen Bundesstaates, sowohl die Neuenglands, wie die der Mitte, des Ostens und des Westens, in Gruppen mit verschiedenen Anschauungen der Sachlage, so wünschten doch Alle den Sieg ihrem Lande; sie hofften, daß der Nordpol sich unter den Falten des Banners mit den achtunddreißig Sternen bergen würde, obwohl sie sich in dieser Beziehung einer gewissen Unruhe nicht entschlagen konnten. Rußland, Schweden-Norwegen, Dänemark und Holland trauten sie nicht gar viel Erfolg zu. Aber auch das Vereinigte Königreich war zur Stelle, jenes England mit seiner Ländergier, seinem Heißhunger, Alles zu verschlingen, mit seiner gar zu bekannten Zähigkeit und seinen so leicht siegreichen Banknoten. So wurden denn sehr bedeutende Summen eingesetzt. Man wettete auf »Amerika« und auf »Großbritannien«, ganz wie auf zwei Rennpferde und übrigens auch mit einander fast die Wage haltenden Einsätzen. »Dänemark«, »Schweden«, »Holland« und »Rußland« wurden weit billiger angeboten, fanden aber keine Abnehmer.

Der Verkauf war auf die Mittagstunde angesetzt. Schon seit dem frühen Morgen hinderte die Ansammlung von Neugierigen in der Bolton-Street jedweden Verkehr. Seit gestern war die Erhitzung der Gemüther noch ganz außerordentlich gestiegen. Durch das transatlantische Kabel erfuhren die Zeitungen, daß die Amerikaner in ihren meisten Wettpropositionen auf England hielten, und Dean Toodrink hatte das sofort im Auctionssaale durch Anschlag bekanntgegeben. Die Regierung Großbritanniens, sagte man, hatte dem Major Donellan sehr beträchtliche Summen zur Verfügung gestellt... In der Admiralty-Office, bemerkte der »New-York Herald«, drängten die Lords der Admiralität zur Erwerbung der arktischen Gebiete, welche schon im Voraus bestimmt waren, unter der Namenliste der englischen Kolonien zu prangen u.s.w. u.s.w.

Was freilich thatsächlich war unter diesen Nachrichten, was sich bestätigen würde von diesen Erzählungen, wußte natürlich Keiner. An genannten Tage glaubten die Alles erwägenden Leute in Baltimore aber doch, daß die »North Polar Practical Association«, wenn sie auf ihre eigenen Hilfsmittel angewiesen blieb, im Wettstreit gegen England unterliegen müsse. Aus diesem Grunde versuchten die enragirtesten Yankees einen Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Inmitten dieser hochgehenden Wogen schien sich die in der bescheidenen Person ihres Agenten William S. Forsters verkörperte neue Gesellschaft wegen jener allgemeinen Befürchtung gar nicht zu beunruhigen, als wäre sie ihres Erfolges zweifellos sicher.

Je näher die entscheidende Stunde heranrückte, desto toller drängte sich die Menge in der Bolton-Street. Drei Stunden vor Eröffnung der Pforten war es schon gar nicht mehr möglich, in den Auctionssaal zu gelangen; der ganze dem Publicum vorbehaltene Raum war angefüllt, daß dessen Wände hätten bersten mögen. Nur die wenigen, für die europäischen Abgesandten bestimmten und mit einer Schranke umgebenen Plätze waren noch frei. Mindestens mußte diesen Herren doch die Möglichkeit geboten sein, den Phasen der Versteigerung genau folgen und ihre Gebote abgeben zu können.

Hier saßen also Erik Baldenak, Boris Karkof, Jakob Jansen, Jan Harald und Major Donellan nebst seinem Secretär Dean Toodrink. Sie bildeten eine dichte Gruppe, die mit den Ellenbogen aneinander stieß, wie zur Sturmcolonne angetretene Soldaten. Man hatte ja auch mit Recht sagen können, daß sie zum Sturmlauf auf den Nordpol bereit waren.

Von Seiten Amerikas zeigte sich Niemand außer dem Stockfischagenten, dessen sehr gewöhnliches Gesicht die größte Indifferenz erkennen ließ. Unzweifelhaft schien er unter allen näher Betheiligten am wenigsten erregt und dachte wahrscheinlich auch jetzt mehr an die Verwerthung der Ladungen, welche er mit den von Neufundland abgesegelten Schiffen erwartete.

Am lebhaftesten wurde die Neugier der Allgemeinheit gereizt von der Frage, welche Geldleute hinter diesem hausbackenen Manne stecken möchten, der in der nächsten Minute vielleicht so und so viele Millionen in die Wagschale werfen würde.

In der That konnte Niemand ahnen, daß J. T. Maston und Mrs. Evangelina Scorbitt bei dieser Sache die Hand im Spiele hatten. Wie hätte man das auch errathen sollen? Beide waren zwar mit anwesend, jedoch verloren in der Menge, ohne specielle Plätze, nur umgeben von einigen der hervorragendsten Mitglieder des Gun-Club (Kanonen-Clubs), den Collegen J. T. Mastons. Wie andere einfache Zuschauer, schienen auch sie völlig uninteressirt bei dem erwarteten Vorgänge zu sein. William S. Forster sah überdem aus, als ob er sie nicht einmal kenne.

Es versteht sich von selbst, daß hier – entgegen den Gepflogenheiten in den Auctionslocalen – das Verkaufsobject dem Publicum nicht zur Ansicht und Prüfung vorgelegt werden konnte. Man konnte den Nordpol doch nicht von Hand zu Hand gehen, von allen Seiten betrachten, mit der Loupe untersuchen und mit dem Finger abreiben lassen, um festzustellen, ob seine Patina echt oder künstlich sei, wie die eines antiken Schmuckstückes. Und antik war er gewiß – mehr als das Eisen-, das Bronze- und das Steinalter, denn er datirte ja vom Anfange der Welt her.

Wenn der Pol indeß im Bureau des vereidigten Auctionators nicht selbst vorlag, so zeigte doch eine große, für die Nächstbetheiligten durch ihre abstechenden Farben leicht erkennbare Wandkarte die Gestaltung der arktischen Regionen. Siebzehn Grade über dem Polarkreise umgrenzte eine sehr in die Augen fallende rothe Linie, entsprechend dem vierundachtzigsten Breitengrade, den Theil des Erdballs, dessen Versteigerung die »North Polar Practical Association« veranlaßt hatte. Wohl machte es den Eindruck, als ob dieses Gebiet von einem recht stark eisüberpanzerten Meere eingenommen wäre, doch das war ja die Sache der Ersteher desselben. Mindestens waren sie dann über die Natur des Kaufgegenstandes nicht getäuscht worden.

Schlag zwölf Uhr trat der vereidigte Auktionator, Andrew R. Gilmour, durch eine kleine, in der Holztäfelung der Hinterwand ausgesparte Thür und nahm an seinem Pulte Platz. Bereits trottete sein Ausrufer, Flint mit der Donnerstimme, gleich einem unbeholfenen Bär im Käfige, schwerfällig an der Schranke, die das Publicum zurückhielt, auf und ab. Beide schmunzelten innerlich bei dem Gedanken, daß dieses »Geschäftchen« ihnen enorme Percente einbringen mußte, die sie mit Vergnügen in ihre Tasche versenken würden. Selbstverständlich erfolgte dieser Verkauf gegen »Baar«, cash, wie der amerikanische Ausdruck dafür lautet. Der Ertrag, so bedeutend er auch sein mochte, sollte unverkürzt in die Hände der Abgesandten derjenigen Staaten fließen, welche den Zuschlag nicht erhalten hatten.

In diesem Augenblicke verkündete die Glocke des Saales mit lautem Schlage auch der Außenwelt – hier lassen sich mit Recht die Worte »urbi et orbi« anwenden – daß die Versteigerung ihren Anfang nehme.

Das war einmal ein feierlicher Moment! Alle Herzen klopften lauter, hier wie in der ganzen Stadt. Von der Bolton-Street und den Nachbarstraßen her drang, durch die Volkswogen sich fortwälzend, ein Rauschen und Tosen bis in den Saal.

Andrew R. Gilmour mußte warten, bis dieses vieltausendfache Geräusch sich allmählich gelegt hatte, ehe er das Wort nehmen konnte.

Dann erhob er sich, ließ einen Blick über den Kreis der Anwesenden schweifen, hierauf den Klemmer auf die Brust niederfallen und begann mit schwach erregter Stimme:

»Meine Herren! Gemäß einem Vorschlage der Bundesregierung und Dank der demselben ertheilten Zustimmung der verschiedenen Staaten der Neuen und selbst der Alten Welt werden wir eine Anzahl Immobilien, rund um den Nordpol gelegen, zur Versteigerung bringen. Dieselben erstrecken sich von letzterem bis zu dem heutigen vierundachtzigsten Grad nördlicher Breite und bestehen aus Landmassen, Meeren und Sunden, Inseln, Eilanden, Packeis – überhaupt aus festen und flüssigen Theilen jeder Art.«

Er zeigte jetzt mit dem Finger nach der Wand.

»Werfen Sie gefälligst einen Blick auf diese Karte, welche nach den neuesten Entdeckungen entworfen ist. Sie sehen da, daß die Gesammtheit dieses Looses eine zusammenhängende Oberfläche von annähernd vierhundertsiebentausend Quadratmeilen umfaßt. Zur Erleichterung des Verkaufsgeschäftes ist beschlossen worden, daß die Gebote dem entsprechend auf je eine Quadratmeile so abzugeben sind, daß ein Cent (etwa 4 Pf. = 2 Neukreuzer) gleich vierhundertsiebentausend Cents und also ein Dollar gleich vierhundertsiebentausend Dollars gerechnet wird. – Ich bitte um etwas Ruhe, meine Herren!«

Diese Aufforderung erschien nicht überflüssig, denn die Ungeduld der vielen Anwesenden machte sich in einem Lärmen Luft, den auch sehr laut abgegebene Gebote kaum hätten übertönen können.

Als es so halb still geworden – Dank der Mithilfe des Ausrufers Flint, der wie eine Alarm-Sirene im Nebelwetter brüllte – fuhr Andrew R. Gilmour folgendermaßen fort:

»Vor Beginn der Auction bin ich verpflichtet, auf eine der Clauseln des Ausschreibens nochmals besonders hinzuweisen. Jener unbewegliche Besitz am Pole wird unbedingt endgiltig erworben und ist dann gegen jede Einrede irgend welcher Art seitens der Verkäufer gesichert, – erworben, so wie er heutigen Tages von genanntem vierundachtzigsten Breitengrade eingeschlossen wird, welcher Art auch die geographischen und klimatischen Veränderungen wären, welche in Zukunft eintreten könnten.«

Immer diese eigentümliche Rechtsverwahrung, welche schon das erste Document enthielt und die Scherzreden der Einen ebenso wie die Aufmerksamkeit der Anderen erregte.

»Die Versteigerung ist eröffnet!« erklärte der vereidigte Auctionator nun mit bebender Stimme.

Und während der Elfenbeinhammer in seiner Hand zitterte, wie das von seiner Gewohnheit, ihn bei den öffentlichen Versteigerungen auf und ab spielen zu lassen, herrührte, setzte er näselnden Tones hinzu:

»Wir haben einen Käufer zu zehn Cents für die Quadratmeile.«

Zehn Cents oder ein Zehntel-Dollar (M. 0.4; fl. 0.2), das ergab eine Summe von vierzigtausendsiebenhundert Dollars (circa M. 163.000; st. 81.500) für den gesammten Immobilarbesitz am Pole.

Ob der Auktionator Andrew R. Gilmour nun wirklich einen solchen Käufer hatte oder nicht, jedenfalls wurde dieses Angebot durch Erik Baldenak für Rechnung der dänischen Regierung sofort überboten.

»Zwanzig Cents!« rief dieser.

– Dreißig Cents! meldete sich Jakob Jansen für Rechnung Hollands.

– Fünfunddreißig! ertönte es von Jan Harald für Rechnung Schweden-Norwegens.

– Vierzig!« bot Boris Karkof im Namen aller Reußen.

Das ergab nun bereits eine Summe von hundertzweiundsechzigtausend achthundert Dollars (circa M. 651.500; st. 325.750), und jetzt war die Versteigerung noch im Anfange!

Hier muß einschaltend bemerkt werden, daß der Vertreter von Großbritannien bisher weder den Mund aufgethan, noch auch nur die festgeschlossenen Lippen gezuckt hatte.

William S. Forster, der Stockfischagent, hüllte sich ebenfalls noch in undurchdringliches Schweigen. Sogar in dieser hochwichtigen Minute schien er mit dem Durchfiegen des »Mercurial of New-Found-Land« beschäftigt, aus dem er die Ankunft schwimmender Ladungen und den Tagescours der amerikanischen Handelsplätze ersah.

»Vierzig Cents die Quadratmeile! wiederholte Flint mit einer Stimme, welche in eine Art Triller auslief, vierzig Cents!«

Die vier Collegen des Major Donellan sahen einander an. Hatten sie schon mit Beginn des Wettstreites ihre Credite erschöpft? Waren sie bereits gezwungen zu schweigen?

»Nun, munter, meine Herren! fuhr Andrew R. Gilmour fort, vierzig Cents! Wer bietet mehr? .... Vierzig Cents! ... Die Kesselkappe des Nordpols ist doch wahrlich mehr werth!...«

Man glaubte schon, er wolle noch hinzufügen:

»... Garantirt reines Eis!«

Doch da unterbrach ihn der dänische Abgesandte:

»Fünfzig Cents!«

Der Vertreter Hollands überbot diesen sofort wieder um zehn Cents.

»Sechzig Cents die Quadratmeile! rief Flint, Sechzig Cents? Nun, bietet Niemand?«

Diese sechzig Cents ergaben bereits die beträchtliche Summe von zweihundertvierundvierzigtausend zweihundert Dollars (M. 1,221.000; fl. 610.500).

Die Zuhörerschaft begrüßte das Kaufgebot Hollands schon mit einem gewissen Murmeln der Befriedigung. Merkwürdiger und doch sozusagen nach echt menschlicher Art und Weise schienen die elenden Schlucker ohne einen Pfennig, welche da waren, die armen Teufel mit nichts in der Tasche, das höchste Interesse zu nehmen an diesem mit Dollarsrottenfeuer geführten Kampfe.

Nach jenem Angebote Jakob Jansens hatte Major Donellan, der den Kopf ein wenig hob, seinen Secretär Dean Toodrink angesehen. Auf ein kaum bemerkbares verneinendes Zeichen des Letzteren verharrte er jedoch noch immer festgeschlossenen Mundes.

William S. Forster machte, wie bisher in die Durchlesung seiner Handelszeitung vertieft, mit dem Bleistifte einige Randbemerkungen.

Was J. T. Maston anging, so antwortete dieser mit leichtem Kopfschütteln auf das Lächeln der Mrs. Evangelina Scorbitt.

»Wohlan, meine Herren, etwas lebhafter! ... Wir werden schläfrig! ... Da ist kein richtiger Zug drin! ... fuhr Andrew R. Gilmour fort. – Nun? ... Niemand bietet höher? ... Soll ich zuschlagen? ...

Der Hammer bewegte sich auf und nieder wie der Weihwedel zwischen den Fingern eines Küsterfamulus.

»Siebzig Cents! rief da Profefsor Jan Harald mit leise zitternder Stimme.

– Achtzig! schickte Oberst Boris Karkof sofort hinterher.

– Hören Sie? ... Achtzig!« rief Flint, dessen große Augen desto heller erglänzten, je mehr Feuer in die Versteigerung kam.

Eine versteckte Handbewegung ließ da den Major Donellan wie ein Federteufelchen emporschnellen.

»Hundert Cents!« sagte kurzen Tones der Vertreter von Großbritannien.

Dies eine Wort legte England eine Verpflichtung im Betrage von vierhundertsiebentausend Dollars (circa M. 1,500.000; fl. 750.000) auf.

Diejenigen, welche auf das Vereinigte Königreich gewettet, brachen in ein lautes Hurrah aus, von dem ein Theil der Anwesenden das Echo zurückgab.

Die, welche auf Amerika gewettet, sahen sich etwas verblüfft an. »Vierhundertsiebentausend Dollars? Das war schon eine recht hohe Summe für jene, bezüglich ihres Werthes höchst fragwürdigen Gegenden um den Nordpol. Vierhundertsiebentausend Dollars für – Eisberge, Eisfelder und Packeis!

Und der Mandatar der »North Polar Practical Association« sagte noch kein Wort und bewegte nicht einmal den Kopf! Jetzt mußte er doch bald daran denken, auch ein Gebot zu thun, selbst wenn er das hatte abwarten wollen, bis der dänische, schwedische, holländische und russische Vertreter ihre Credite erschöpft hatten, denn dieser Augenblick schien jetzt herangekommen. Die Haltung genannter Herren wies nämlich darauf hin, daß sie gegenüber den »Hundert Cents« des Major Donellan das Feld zu räumen entschlossen waren.

»Hundert Cents die Quadratmeile! wiederholte der vereidigte Auctionator mehrmals.

– Hundert Cents! ... Hundert Cents! ... Bis jetzt nur Hundert Cents! ließ der Ausrufer Flint seine Donnerstimme, die er noch durch die vor den Mund gehaltene hohle Hand verstärkte, vernehmen.

– Bietet Niemand mehr? fragte Andrew R. Gilmour. Sie haben es gehört ... geben sich damit zufrieden? ... Wird es Niemand später bedauern? ...

Ich ertheile also den Zuschlag« ... ? ...

Er bog schon den Arm, der den Hammer dirigierte, sandte einen aufmunternden Blick über die Anwesenden, deren Gemurmel jetzt zu erwartungsvollem Schweigen verstummte.

»Zum ersten! ... Zum zweiten ... und ... fuhr er fort.

– Hundertzwanzig Cents! meldete sich da sehr gelassen William S. Forster die Augen kaum erhebend von der Zeitung, von der er eben ein Blatt umschlug.

– Hip! ... Hip! ... Hip! ... riefen diejenigen der Zuhörer, welche mit den höchsten Einsätzen für Amerika ins Zeug gegangen waren.

Der Major Donellan hatte sich wieder aufgerichtet. Sein langer Hals schwankte mechanisch zwischen dem von den beiden Schultern gebildeten Winkel und seine Lippen verlängerten sich zu einem leibhaftigen Schnabel. Einen unversöhnlichen Blick schleuderte er auf den Vertreter der amerikanischen Gesellschaft, ohne, auch nur von Auge zu Auge, Erwiderung zu finden. Dieser Teufelskerl, der William S. Forster, rührte und regte sich nicht.

»Hundertvierzig! rief Major Donellan.

– Hundertsechzig! sagte Forster gelassen.

– Hundertachtzig! schickte der Major hinterher.

– Hundertneunzig! murmelte Forster.

– Hundertfünfundneunzig Cents!« stieß der Vertreter Großbritanniens hervor.

Danach kreuzte er die Arme und es sah aus, als messe er alle achtunddreißig Staaten der Union mit wegwerfendem Blicke.

Man hätte jetzt eine Ameise laufen, einen Weißfisch schwimmen, einen Schmetterling fliegen, einen Wurm sich winden, eine Mikrobe sich bewegen hören können. Alle Herzen klopften. Alle Augen hingen an Major Donellan. Sein sonst so beweglicher Kopf stand jetzt still. Dean Toodrink kraute sich am Hinterkopf, als wollte er sich die Locken ausreißen.

Andrew R. Gilmour ließ einige Augenblicke verstreichen, welche Allen »so lang wie Jahrhunderte« vorkamen. Der Stockfischagent las noch immer seine Zeitung und kritzelte mit Bleistift verschiedene Zahlen nieder, welche mit der schwebenden Angelegenheit offenbar außer jeder Beziehung standen. Man fragte sich, ob auch er mit seinem Credit zu Ende sei, ob er auf ein weiteres Ueberbieten verzichten wolle, ob jener Betrag von hundertfünfundneunzig Cents für die Quadratmeile oder siebenhundertdreiundneunzigtausend und fünfzig Dollars für das gesammte unbewegliche Gut seiner Anschauung nach die letzte Grenze des – Wahnwitzes erreicht habe.

»Hundertfünfundneunzig Cents!« wiederholte der vereidigte Auktionator. »Wenn Niemand mehr bietet, so ...«

Sein Hammer schien bereits auf dem Wege niederzufallen.

»Hundertfünfundneunzig Cents!« wiederholte der Ausrufer.

»– Zuschlagen! – Den Zuschlag ertheilen!«

Diese Zurufe rührten von einigen ungeduldigen Zuschauern her und klangen wie ein dem Zögern Andrem R. Gilmours ertheilter Tadel.

»Zum ersten! ... Zum zweiten! Zum dritten und ...« rief dieser.

Jetzt flogen alle Blicke nach dem Vertreter der »North Polar Practical Association«.

Und wahrlich, dieser merkwürdige Mann war eben dabei, sich gemächlich zu schnauzen, indem er mit einem großen carrirten seidenen Tuche die Mündungen der Nase heftig zusammenpreßte.

Inzwischen hatten sich die Augen J. T. Mastons auf ihn hingelenkt und die der Mrs. Evangelina Scorbitt folgten derselben Richtung. Aus der Entfärbung ihrer Gesichter hätte man die tiefgehende Erregung ablesen können, welche sie zu bemustern suchten. Warum zögerte auch William S. Forster den Major Donellan zu übertrumpfen?

William S. Forster schnauzte sich zum zweiten, dann zum dritten Male mit dem Geräusche einer Feuerwerks-Rakete. Zwischen den beiden letzten Explosionen seines Gesichtserkers hatte er aber mit sanfter und bescheidener Stimme geflüstert:

»Zweihundert Cents!«

Durch den Saal lief es wie ein innerliches Frösteln. Dann erschallten aber die Hips der Amerikaner, daß die Fensterscheiben klirrten.

Ueberlastet, vernichtet, erdrückt war Major Donellan neben dem nicht minder niedergeschmetterten Dean Toodrink zusammengesunken. Dieser Preis für die Quadratmeile ergab die ungeheuere Summe von achthundertvierzehntausend Dollars (M. 3,250.000; fl. 1,625.000), und es lag vor Augen, daß der britische Credit diese zu übersteigen nicht gestattete.

»Zweihundert Cents!« wiederholte Andrew R. Gilmour.

»– Zweihundert Cents!« heulte Flint mehr als er es ausrief.

»– Zum ersten! ... Zweihundert Cents zum zweiten!« erklärte der vereidigte Auctionator noch einmal. »– Niemand mehr? ...«

Wie durch unfreiwillige Bewegung richtete sich der Major Donellan noch einmal empor und starrte die anderen Abgesandten an. Diese setzten nur auf ihn die Hoffnung, es verhindert zu sehen, daß das Gebiet um den Nordpol den europäischen Mächten entginge. Diese Anstrengung war aber die letzte. Der Major öffnete den Mund, schloß ihn wieder und England setzte sich in seiner Person überwunden auf die Bank nieder.

»Zum dritten und ... letzten!« rief Andrew R. Gilmour, während der Elfenbeinhammer gleichzeitig auf das Pult aufschlug.

– Hip! ... Hip! ... Hip für die Vereinigten Staaten!« brüllten Diejenigen, welche auf das siegreiche Amerika gewettet hatten.

In einem Augenblicke verbreitete sich die Nachricht von der geschehenen Erwerbung durch ganz Baltimore, blitzte dann längs der Luftleitungsdrähte über die gesammte Conföderation hin und durch die Submarinekabel bis zur Alten Welt hin.

Die »North Polar Practical Association« war es, welche vermittels ihres Strohmannes, William S. Forsters, Eigenthümerin der vom vierundachtzigsten Breitengrade umschlossenen arktischen Gebiete geworden war.

Am nächsten Tage, als William S. Forster seinen Auftraggeber nannte, gab er den Namen Impey Barbicane an, und man trug darauf die bewußte Gesellschaft unter der Firma »Barbicane & Cie.« in die amtlichen Register ein.

< II.
IV. >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.