Frei Lesen: Reise um die Erde in 80 Tagen

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Capitel. | Zweites Capitel. | Drittes Capitel. | Viertes Capitel. | Fünftes Capitel. | Sechstes Capitel. | Siebentes Kapitel. | Achtes Capitel. | Neuntes Capitel. | Zehntes Capitel. | Elftes Capitel. | Zwölftes Capitel. | Dreizehntes Capitel. | Vierzehntes Capitel. | Fünfzehntes Capitel. | Sechzehntes Capitel. | Siebenzehntes Capitel. | Achtzehntes Capitel. | Neunzehntes Capitel. | Zwanzigstes Capitel. | Einundzwanzigstes Capitel. | Zweiundzwanzigstes Capitel. | Dreiundzwanzigstes Kapitel. | Vierundzwanzigstes Capitel. | Fünfundzwanzigstes Capitel. | Sechsundzwanzigstes Capitel. | Siebenundzwanzigstes Capitel. | Achtundzwanzigstes Capitel. | Neunundzwanzigstes Capitel. | Dreißigstes Capitel. | Einunddreißigstes Capitel. | Zweiunddreißigstes Capitel. | Dreiunddreißigstes Capitel. | Vierunddreißigstes Capitel. | Fünfunddreißigstes Capitel. | Sechsunddreißigstes Capitel. | Siebenunddreißigstes Capitel. |

Weitere Werke von Jules Verne

Das Dampfhaus - 1.Band | Meister Zacharius | Abenteuer des Kapitän Hatteras | Das Dampfhaus - 2.Band | Der Archipel in Flammen |

Alle Werke von Jules Verne
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Reise um die Erde in 80 Tagen) ausdrucken 'Reise um die Erde in 80 Tagen' als PDF herunterladen

Jules Verne

Reise um die Erde in 80 Tagen

Sechstes Capitel.

eingestellt: 5.7.2007



Jene Depesche in Betreff des Phileas Fogg wurde unter folgenden Umständen verbreitet:

Am Mittwoch, den 9. October, wurde zu Suez für elf Uhr Vormittags das Packetboot Mongolia erwartet, welches der Company peninsular and oriental gehörte, ein eiserner Schraubendampfer mit Verdeck, von zweitausendachthundert Tonnen Gehalt und fünfhundert Pferdekraft. Er machte regelmäßig die Fahrten von Brindisi nach Bombay durch den Suez-Canal, und war einer der schnellsten Segler der Compagnie, der die vorschriftsmäßige Schnelligkeit von zehn Meilen in der Stunde zwischen Brindisi und Suez, und von neun Meilen und dreiundfünfzig Hunderttheilen zwischen Suez und Bombay fast immer übertraf.

In Erwartung der Ankunft des Mongolia sah man am Quai ein Gedränge Einheimischer und Fremder, welche in dieser Stadt zusammenströmen, die kürzlich noch ein Flecken war, nun durch des Herrn von Lesseps großes Werk einer bedeutenden Zukunft sicher ist, – zwei Männer auf- und abgehen. Der Eine derselben war der zu Suez angestellte Consularagent des Vereinigten Königreiches, welcher – trotz der ungünstigen Vorausvermuthungen der britischen Regierung und der schlimmen Prophezeihungen des Ingenieurs Stephenson – nun täglich englische Schiffe diesen Canal passiren sah, welche so die bisherige Fahrt Englands nach Indien ums Cap der guten Hoffnung zur Hälfte abkürzte.

Der Andere war ein kleiner, magerer Mann, mit ziemlich gescheitem Gesicht und reizbar, der in auffallender Weise beständig mit den Augenbrauen-Muskeln zuckte. Unter seinen langen Wimpern glänzte ein sehr lebhaftes Auge, dessen Feuer er jedoch nach Belieben zu löschen verstand. In diesem Augenblicke gab er Zeichen von Ungeduld zu erkennen, lief hin und her, konnte nicht ruhig an der Stelle bleiben.

Dieser Mann hieß Fix, und war einer jener »Detectives« oder geheimen Agenten, welche die englische Polizei nach dem Diebstahl auf der Bank in die verschiedenen Häfen abgeschickt hatte. Sein Auftrag war, mit größter Sorgfalt alle Reisenden, die über Suez kamen, zu überwachen, und wenn ihm einer verdächtig vorkomme, ihm in Erwartung eines Verhaftsbefehls im Stillen nachzureisen.

Eben, vor zwei Tagen, hatte Fix vom Director der Londoner Polizei das Signalement des vermuthlichen Diebes erhalten, nämlich das des vornehmen und wohl gekleideten Mannes, welchen man im Zahlungssaal beobachtet hatte.

Der Detective, offenbar durch die für einen glücklichen Fang ausgesetzte ansehnliche Prämie gespornt, wartete also mit leicht begreiflicher Ungeduld auf die Ankunft des Mongolia.

»Und Sie sagten, Herr Consul, fragte er zum zehnten Mal, das Dampfboot müsse bald ankommen?

– Ja wohl, mein Herr, erwiderte der Consul. Es ist gestern auf hoher See bei Port-Said signalisirt worden, und die hundertsechzig Kilometer des Canals kommen bei einem solchen Segler nicht in Anschlag. Ich sage Ihnen nochmals, daß der Mongolia stets die Prämie von fünfundzwanzig Pfund gewonnen hat, welche die Regierung für jeden Vorsprung um vierundzwanzig Stunden vor der reglementaren Zeit ausgesetzt hat.

– Dies Packetboot kommt geradeswegs von Brindisi? fragte Fix.

– Gerade von Brindisi, wo es die Indische Briefpost aufgenommen hat, und am Samstag um fünf Uhr Abends abgefahren ist. Also haben Sie Geduld, es muß bald anlangen. Aber ich weiß wirklich nicht, wie es Ihnen möglich ist, nach dem Signalement, welches man Ihnen zugestellt hat, Ihren Mann, wenn er an Bord des Mongolia ist, zu erkennen.

– Herr Consul, erwiderte Fix, solche Leute wittert man vielmehr, als daß man sie erkennt. Man muß Spürkraft besitzen, die ist gleichsam ein besonderer Sinn, bei welchem Gehör, Gesicht und Geruch zusammen wirken. Ich habe in meinem Leben mehr wie einen solchen Gentleman verhaftet, und wofern nur mein Bankdieb an Bord ist, stehe ich Ihnen dafür, er wird mir nicht aus den Händen gleiten.

– Ich wünsche es, Herr Fix, denn es handelt sich um einen bedeutenden Diebstahl.

– Ein prachtvoller Diebstahl, versetzte der Agent voll Begeisterung. Fünfundfünfzigtausend Pfund! So ein Fund kommt einem nicht oft in den Weg! Die Diebe werden knauserig! Die Race der Sheppard wird selten! Jetzt bringt man sich um einige Schilling an den Galgen!

– Herr Fix, versetzte der Consul, Sie sprachen in einer Weise, daß ich lebhaft wünsche, Sie mögen Glück haben; aber, sag ich nochmals, in der Lage, worin Sie sich befinden, fürchte ich, es möge schwierig sein. Wissen Sie, nach dem Signalement, welches Sie empfingen, gleicht dieser Dieb durchaus einem ehrlichen Manne.

– Herr Consul, erwiderte dogmatisch der Polizei-Agent, die großen Diebe sehen immer honnetten Leuten gleich. Sie begreifen wohl, daß die, welche wie Schurken aussehen, keine andere Wahl haben, als rechtschaffen zu bleiben, sonst würden sie ihre Verhaftung veranlassen. Ehrliche Gesichter muß man vor allen Dingen ins Auge fassen. Das ist, geb ich zu, ein schwer Stück Arbeit, das nicht mehr eine Sache des Gewerbes ist, sondern der Kunst.«

Man sieht, es fehlte dem Fix nicht an einer gewissen Dosis Eigenliebe.

Inzwischen wurde der Quai allmälig belebter. Seeleute verschiedener Nationalitäten, Handelsleute, Makler, Packträger, Fellahs strömten da zusammen. Die Ankunft des Packetbootes war offenbar nahe bevorstehend.

Es war ziemlich schönes Wetter, aber in Folge des Ostwindes kalte Luft. Ueber der Stadt erhoben sich im blassen Sonnenschein einige Minarets. Südwärts zog sich ein zwei Meilen langer Damm wie ein Arm vor der Rhede von Suez. Auf der Fläche des Rothen Meeres schaukelten einige Fischerbarken oder Küstenfahrzeuge, von denen manche in ihren Formen noch das elegante Muster der antiken Galeere bewahrt haben.

Mitten in diesem Volksgewühl bewegte sich Fix nach Gewohnheit seines Berufes, und faßte die Vorübergehenden mit raschem Blick ins Auge.

Es war damals halb elf Uhr.

»Aber das Packetboot bleibt aus! rief er, als er die Hafenuhr schlagen hörte.

– Es kann nicht mehr ferne sein, erwiderte der Consul.

– Wie lange wirds in Suez verweilen? fragte Fix.

– Vier Stunden; so lange als nöthig, um Kohlen einzunehmen. Von Suez nach Aden, am Ende des Rothen Meeres rechnet man dreizehnhundertundzehn Meilen, und es muß sich mit Brennmaterial versehen.

– Und von Suez fährt das Boot direct nach Bombay? fragte Fix.

– Direct, ohne umzuladen.

– Nun denn, sagte Fix, wenn der Dieb diesen Weg eingeschlagen ist, und auf diesem Boot sich befindet, muß es in seinem Plan liegen, zu Suez ans Land zu gehen, und auf anderm Wege in die holländischen oder französischen Besitzungen in Asien zu gelangen. Er muß wohl wissen, daß er in Indien nicht sicher wäre, weil es englisches Gebiet ist.

– Sofern es nicht ein sehr starker Mann ist, erwiderte der Consul. Sie wissen, ein englischer Verbrecher ist stets in London leichter geborgen, als auswärts.«

Nach dieser Bemerkung, welche dem Agenten viel Bedenken erregte, begab sich der Consul wieder auf seine Bureaux, die nicht weit davon waren. Der Polizei-Agent blieb allein, voll nervöser Ungeduld und auffallendem Ahnungsgefühl, sein Dieb müsse sich an Bord des Mongolia befinden, – und in Wahrheit, wenn der Schurke in Absicht die Neue Welt aufzusuchen England verlassen hatte, so mußte er den Weg nach Indien vorziehen, da dieser weniger überwacht oder schwerer zu überwachen ist, als der über das Atlantische Meer.

Fix blieb nicht lange in seine Gedanken vertieft, als gellendes Pfeifen die Ankunft des Packetbootes meldete. Der ganze Schwarm der Packträger und Bauern stürzte auf den Quai mit einem Tumult, der für die Passagiere und ihre Kleider beunruhigend war. Zehn Nachen stießen vom Ufer ab und fuhren dem Mongolia entgegen.

Nicht lange, so sah man das riesenmäßige Schiff zwischen den Canalufern fahren, und Schlag elf Uhr warf der Dampfer auf der Rhede Anker, während sein Dampf mit großem Getöse durch die Rauchfänge entströmte.

Es waren sehr viele Passagiere an Bord. Manche blieben auf dem Verdeck, um das malerische Panorama der Stadt zu betrachten; aber die meisten begaben sich in den Nachen, welche herangekommen waren, ans Land.

Fix beobachtete aufs Genaueste Alle, welche ans Land setzten.

In dem Augenblicke kam Einer, nachdem er die mit ihren Dienstanerbietungen zudringlichen Fellahs kräftig zurückgedrängt hatte, zu ihm heran und fragte ihn sehr höflich nach dem Bureau des englischen Consularagenten. Und zugleich hielt dieser Passagier einen Paß hin, worauf er ohne Zweifel das englische Visa einholen wollte.

Fix nahm den Paß instinctmäßig und überlief mit raschem Blick das Signalement.

Eine unwillkürliche Bewegung erfaßte ihn, das Blatt zitterte in seiner Hand. Das auf dem Paß befindliche Signalement war gleichlautend mit dem, welches er vom Polizeidirector der Hauptstadt erhalten hatte.

»Es ist nicht Ihr eigener Paß? sagte er zu dem Passagier.

– Nein, erwiderte dieser, er gehört meinem Herrn.

– Und Ihr Herr?

– Ist an Bord geblieben.

– Aber, versetzte der Agent, er muß sich persönlich auf dem Consularbureau einfinden, um seine Identität festzustellen.

– Wie? Das ist nöthig?

– Unerläßlich.

– Und wo sind diese Bureaux?

– Dort an der Ecke des Platzes, erwiderte der Polizei-Agent, und wies auf ein zweihundert Schritte entferntes Haus.

– Dann will ich meinen Herrn holen, dem es übrigens nicht angenehm sein wird, gestört zu werden!«

Darauf empfahl sich der Passagier und kehrte an Bord des Dampfers zurück.

< Fünftes Capitel.
Siebentes Kapitel. >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.