Frei Lesen: Der Jäger von Fall

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Ludwig Ganghofer

Der Jäger von Fall

2

eingestellt: 17.6.2007





»Zu was brauchst denn du dös viele Wasser? He, Punkl! Hörst heut schon wieder nix?« rief auf der Grottenalm die Modei durch das kleine Hüttenfenster einer alten Sennerin zu, die am Brunnen stand und Wasser schöpfte. Mit der Schulter lehnte das junge Mädel am Fensterrahmen, während es sich mit der blauen, groben Leinenschürze die Hände trocknete. Es war eine schlanke, schmuck gewachsene Gestalt in ärmlicher, aber sauber gehaltener Kleidung; der dunkelbraune Rock reichte kaum handbreit über das Knie und ließ noch die grünen Wadenstrümpfe sehen; ein schwarzes Tuchleibchen umspannte die Brust; das Hemd von ungebleichter Leinwand reichte hoch an den Hals und ließ nur die Arme nackt. Das Gesicht hatte wenig Farbe; wie Schwermut lag es in den großen, dunklen Augen, und ein schmerzlicher Zug war um den Mund geschnitten; die Stirn war hoch, und darüber lagen, schwer und schwarz, drei durcheinandergewundene dicke Flechten.



»Punkl! Punkl!« rief Modei wieder. »Hörst denn heut gar nix?«



»Ah, Modei, du bists!« klang es von draußen mit einer heiseren Altstimme. »Machst schon bald Feierabend?«



»Ja! Geh, kehr a bißl zu, eh nach deiner Hütten auffisteigst!«



Ein tiefer, mehr drollig als schmerzhaft klingender Seufzer. »Heut hab ich wieder an schiechen Tag. Alls tut mir weh, der Kopf und der Buckl und d Fuß und alls. Aber was ich sagen will –« die Stimme kam näher, »weißt es schon! Der alte Veri, mit dem ich vor a zwanzg a dreißg Jahr schiergar a kleins Liebschaftl angfangt hätt, der is jetzt in der Monika ihrer Hütten droben als Hüter eingstanden. So viel hat er mir zugsetzt! Vor a zwanzg a dreißg Jahr. So viel zugsetzt. Aber net an einzigs Ruckerl hat mei Unschuld gmacht. Fest bin ich blieben. Fest wie an Eisenstangerl. Und jetzt kommt er als Hüter da auffi. Sag mir nur grad, was sagst jetzt du zu so einer Neuigkeit? Ja, ja, schau, so kommt man halt wieder zamm.« Die Alte trat an das offene Fenster heran und reichte Modei die Hand.



Ein müdes Lächeln kräuselte die Lippen des Mädels. »No, da wirst dich aber gwiß recht freuen drüber! Ob man früher oder spater zammkommt – wann nur überhaupt amal –«



»Was?« Punkl hob die hohle Hand hinter das linke Ohr. »Was hast gsagt?«



»Daß dich freuen wirst!«



»Heuen? Ah na, drunten sind s schon lang fertig mitm Heuen.« Die Alte verschwand vom Fenster und erschien auf der Türschwelle, eine kleine, komisch unförmliche Gestalt, weiblich nur in der oberen Hälfte, in der tieferen Halbscheid ein sonderbares Mannsbild. Die Röcke waren wulstig in die blauzwilchene Arbeitshose hineingestopft, so daß die Punkl um die Mitte herum aussah wie ein nach abwärts gerutschter Riesenkropf. Nach unten hin wurde sie in den trichterförmigen Hosenschäften immer magerer. Fromm bekreuzte sie das braune, von wunderlichen Fältchen durchschnittene Spitzmausgesicht. »Lieber, gnädiger Vater im Himmel droben, segne meinen Eingang!«



»Du? Punkl?« sagte Modei, seltsam erregt. »Tuts dich net reuen ?«



»Wie? Wo? Wer?« fragte die Alte flink, mit dem mißtrauischen Blick der Schwerhörigen.



»Obs dich net reuen tut?« schrie ihr Modei ins Ohr.



»Reuen? Was?«



»Daß fest blieben bist? Vor a zwanzg a dreißg Jahr.«



Nachdenklich studierte die Alte und fing zu nicken an. »Ja ja, a bißl tuts mich schon reuen, ja! Aber s Frieren hab ich halt net derlitten. Dös Luder, dös damische, is allweil bei der Nachtwachterei zu mir ans Fenster kommen, im Winter, weißt, wanns a söllene Kälten ghabt hat, daß man scheppern hat müssen im Hemmed. Ah na, ah na! Da is mir s warme Bett allweil lieber gwesen. No ja, und spaternaus, wies a bißl gwarmelet hat, da hat sich gar kei Glegenheit nimmer geben.« Ein meckerndes Lachen. »Jetzt daucht mir, s alte Sprüchel kunnt wahr sein: Nimmt er ihm nix, der Mensch, so hat er nix.« Gähnend guckte die Alte in der Sennstube herum.



Modei war zum Herd getreten. Verloren sagte sie vor sich hin: »Und nimmst dir ebbes, so wirds a Gwicht und du mußt tragen dran, bis d müd bist an Leib und Seel.« Sie begann mit einer Sandbürste die hölzernen Milchgeschirre zu säubern, umfunkelt von der roten Abendsonne, die einen Strahl hereinwarf durch das kleine Fenster.



Die Stirn in Falten ziehend, guckte Punkl um sich her, als hätte sie ein geheimnisvolles Rätsel dieser Stube zu lösen. »Ich weiß net, wie dös kummt, bei dir in der Stuben schauts allweil nett und freundlich aus. Und bei mir droben in der Hütten is allweil a Saustall, daß eim grausen kunnt. Oft muß ich selber sagen: Pfui Teufel!«



Das schien die junge Sennerin nicht gehört zu haben. Zerstreut und müde redete sie bei rastloser Arbeit: »Heut is er hart gwesen, der Tag. Die Blässin, unser beste Kuh, is a bißl marod. Ich hab schon Botschaft abisagen lassen, daß der Doktormartl auffikommt. Und unser Geißbock, der Muckerl, muß sich verstiegen haben. Der Lenzl sucht ihn schon den dritten Tag. Allweil hat man a Sorg auf der Seel, bald mit ein Menschen und bald mitm Viech, s Leben is hart.«



Wieder gähnte die Alte und trommelte mit der Hand auf ihren kreisrund geöffneten Schnabel. »Jetzt hab ich gmeint, bei dir gibts an Unterhaltung. Derzeit wurstelst du am Herd umanand und redst kein Wörtl!«



»Was?« Modei mußte lachen, trat auf Punkl zu und rief ihr ins Ohr: »Ich hab ja die ganze Zeit allweil gredt!«



Verwundert sah die Alte drein. »Ah geh! Kein Wörtl net hab ich ghört. Es ist mir bloß allweil so gwesen, wie wann a Brünndl rauscht.«



»Heut hast wieder an schlechten Tag mit die Ohrwascheln.«



Draußen ein schwerer Schritt. Friedl trat in die Stube. »Grüß Gott beinand! Is verlaubt, daß man zukehrt?«



»Nur eini, nur eini!« kicherte Punkl. »Wo Weiberleut schnaufen, is a Jager a lieber Gast. Und gar a söllener, wie du einer bist.« Sie hatte Friedl am Arm gefaßt und ihn mitten in die Stube gezogen; nun hob sie sich auf die Fußspitzen, um den kleinen Strauß frischgepflückter Almrosen betrachten zu können, den Friedl auf dem Hut stecken hatte. »Du! Den Buschen, den auf deim Hütl hast, den mußt der Sennerin schenken! Dös is Brauch auf der Alm.«



»Gern auch noch!« Friedl nahm den Strauß vom Hut. »Da hast ihn, Modei!«



Die Alte schnitt ein langes Gesicht und brummte mißmutig: »No also! Alt sein heißt allweil, hint dran sein.«



Modei, ohne die Blumen zu nehmen, wandte sich zum Herd. »Ich dank dir schön für den guten Willen. Aber da heroben in der Einöd kunnt ich mit deim Sträußl kein Staat machen.«



»Wie? Was? Nimmst es ebba gar net?« zeterte Punkl. »O du Schlauche du! Gelt, ja? An eim Buschen, den a Jager tragt, is allweil a bißl a Wildblut dran. Und s Blut hat a sintipadetische Kraft, s Blut, sagen s, hat Einwirkung auf d Herzmuschkelatur. Gelt, tust Angst haben vor der Einwirkung?«



»Ah na!« sagte Modei ruhig. »Vor so was fürcht ich mich net. Da is ebbes gut dafür. Gib her!« Sie nahm die roten Blumen aus Friedls Hand und steckte sie an die Brust.



Mit schwermütigem Blick hing Friedl an der Gestalt des Mädels. Dann ging er schweigend zur Tür, wo er das Gewehr an einen Holznagel hängte und den Bergstock in die Ecke stellte. »Was is denn«, sprach er die Alte an, als er zum Herd zurückkehrte, »warum bist denn auf amal so stad? Was hat dir denn d Red verschlagen?«



»Was hast gsagt? Wen hab ich gschlagen?«

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