Frei Lesen: Der Ochsenkrieg

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Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg

4

eingestellt: 2.7.2007





Herren-Chiemsee brannte.



Und rings um den See herum stiegen die Feuersäulen der geschatzten Dörfer auf, wie kleine Kerzen einen schimmernden Altar umglänzen.



Damit Herrn Heinrichs Schwur – »Gott solls wollen!« – Erfüllung fände, ließ der Seipelstorfer zwei junge Chorherren, die man hinter Aufham gefaßt hatte, in den See stoßen. Drei, die man im Stift gefangen, mußten je tausend Dukaten Lösegeld bezahlen. Jene, die auf guten Gäulen entronnen waren – unter ihnen Bischof Engelmar und der Chorherr Hartneid Aschacher – flüchteten nach Ingolstadt.



Eine lange Reihe von Bauernkarren unter scharfer Bewachung, mit Plündergut aus Stift und Münster, mit Lösegeldsäcken und Sackmacherbinkeln, wurde nach Burghausen geschickt. Dann zog der Seipelstorfer mit dem zusammengeschmolzenen Trupp seiner Harnischer nach der Burg des Kaspar Törring, um den Belagerungshauf seines Herrn zu verstärken. Da kam er gerade noch recht, um das Ende der flinken Arbeit zu sehen, die Herzog Heinrich geleistet hatte.



Tag und Nacht waren die Büchsen und Bliden in ruheloser Tätigkeit gewesen und hatten vierzehnhundert Steinkugeln in die Burg geworfen. Die Antwerke hatte pechgetränkte Strohbauschen und glühende Lumpensäcke geschleudert und alles Brennbare der Burg in Flammen gesteckt. Nur der starke, aus gewaltigen Quadern erbaute Wachturm Hochtörring stand noch – ohne der Besatzung viel Schutz zu bieten; in diesem sicheren Turme hatte Kaspar Törring seine sechzig geliebten und berühmten Leithunde mit ihren Wärtern, mit ihrem Koch und ihrer Küche untergebracht. Schauerlich klang mit dem Gebrüll der Hauptbüchsen das tobende Hundegeheul zusammen, das immerzu aus den Wehrscharten des Hochtörring herausscholl. Neben diesem Turme, der die zentnerschweren Steinkugeln wie dürre Kletten von sich abschüttelte, war alles andere der schönen, stolzen Burg, die vor wenigen Tagen noch als ein steinernes Kleinod hinausgefunkelt hatte über die waldreichen Lande, eine qualmende Brandstätte und ein formloser Schutthaufen geworden.



Dennoch befahl Herr Heinrich den Sturm nicht. Er wollte sein Volk schonen. Durch die Geschütze des Törring und bei den verzweifelten Ausfällen, mit denen die Besatzung den feuerspeienden Ring zu sprengen versuchte, hatte der Herzog schon ein halbes Hundert seiner Leute verloren. Aber auch die Besatzung der Burg hatte sich um mehr als die Hälfte vermindert; ihre Toten schwammen im braungewordenen Wasser des Burggrabens; und siebenuriddreißig, die lebendig in die Fäuste der Herzoglichen gefallen waren, hingen an der Eiche, die das Zelt des Burghausener Profoßen beschattete – eines Profoßen, der seinem Salzburger Amtsbruder an Wohlwollen bedenklich nachstand. Die Äste des Baumes bogen sich unter dem Gewicht der vielen zweibeinigen Früchte. Manche von diesen sanft und schweigsam Schaukelnden hingen so tief herunter, daß die Gehilfen des Profoßen, wenn sie aus dem Zelte heraus oder in das Zelt hinein wollten, sich bücken mußten, um nicht an die schwankenden Füße der Gerichteten zu stoßen. Wenn die noch Lebenden der Besatzung das bunt gesprenkelte Grün dieser Eiche sahen, dachten sie: »Die habens überstanden!«



Die Übergabe des unhaltbar gewordenen Trümmerhaufens war stündlich zu erwarten. Aus Sorge vor dem Anrücken der Salzburger wollten die Belagerer das Letzte beschleunigen und nützten zu diesem Zweck eine alte Erfindung des Büchsenmeisters Kuen, der jetzt in der Plaienburg unter den heißen Luftwellen brennender Wälder schwitzte. Man nannte das in der Kriegssprache: >den Dachs ausschwefeln<. Aller Unrat des Belagerungsheeres, fest und flüssig, dazu noch alle Jauche der benachbarten Bauernhöfe wurde in Fässer geladen und aus den Antwerken in die Höfe der qualmenden Burgruine und in die Turmscharten hineingeschleudert. Das war nicht nur den Leuten des Törring, auch seinen edlen, an Reinlichkeit gewöhnten Hunden zu viel. Sie heulten und winselten, als wären die Steinkammern des Hochtörring die qualvollsten Höllenschlünde.



Es war am Nachmittag. Eine Schönwettersonne begann schon den lieben Weltboden und sein lebendes Gewimmel rot zu vergolden. Da verstummte das Gebrüll der Belagerungsgeschütze.



Herzog Heinrich, der in seinem großen, durch einen Wall geschützten Zelte angekleidet auf dem Feldbett lag, fuhr aus den Kissen auf und kreischte lachend: »Käsperlein? Kommst du?« Er saß und lauschte mit vorgestrecktem Hals, heißen Glanz in den Augen, die hageren Wangen von einer krankhaften Röte glühend, den kleinen Kopf umstarrt von dem dicken, kräuseligen Schwarzhaar.



Erschöpft durch die schweren Strapazen, denen sein zierlicher Körper nicht gewachsen war, litt Herr Heinrich seit dem verwichenen Abend wieder an einem Anfall seines rätselhaften Fiebers, das die Ärzte bald als Folge geistiger Übermüdung, bald als Wirkung eines schleichenden Giftes, bald als welsches Erbgut des Hauses Visconti erklärten, ohne ein Mittel dagegen zu finden. In aufgeregten Zeiten erschien das Fieber. Wurden die Tage ruhig, so verschwand es wieder. Im Volke tuschelte man, das käme von dem Fluch, den die Wittib des an einem Ostertage geköpften Landshuter Ratsherrn Leitgeb über den damals vierundzwanzigjährigen Herzog gesprochen. In jener Osterwoche – während der Herzog zu Regensburg turnierte – wurden vierundfünfzig Landshuter Bürger, weil sie aus der herzoglichen Residenz eine freie Reichsstadt machen wollten, um Haus und Habe gebüßt. Dreißig wurden verbannt, einem Dutzend stach man die Augen aus, ein Dutzend wurde hingerichtet, ihre Witwen und Kinder wurden des Landes verwiesen. Aber das war schon lange her. Genau zwölf Jahre. An dieses Vergangene dachte Herr Heinrich selten. Und was nach seinem Glauben notwendige Gerechtigkeit gewesen, beschwerte ihm die Seele nicht und beschleunigte ihm keinen Pulsschlag seines Blutes. Nur daß er seit damals nicht gerne in Landshut residierte. Er zog das verläßliche Burghausen vor.



Der jüngste Anfall seines rätselhaften Fiebers war so hitzig, daß die Sache dem Leibarzt bedenklich wurde. Herr Heinrich selbst war sorglos. Er hatte das unbequeme Leiden noch immer überstanden. Jetzt spielte zu seiner Beruhigung auch ein bißchen Aberglaube mit: Jener Nürnberger Galgenvogel, der ihm vor Jahren zu Landshut die lustige Botschaft von der Himmelstür gebracht, und dem er in diesen Tagen einen kostbaren Vorsprung gegen den Ingolstädter verdankte, der saß, wenn auch etwas beschädigt, doch ganz lebendig in einer gesunden Stube des Burghausener Schlosses.



Heiter lachte Herr Heinrich vor sich hin, als er die klirrenden Schritte vernahm, die sich dem Zelte näherten. Was da kam, erriet er. »Loys! Denk an den heutigen Tag! Du Starker! Heut hab ich dir deinen Besten auf Mus zerrieben. Gott hats wollen.«



Einer von den schwergepanzerten Leibtrabanten trat in das Zelt.



»Das weiße Fähnl?«



»Ja, gnädigster Herr! Auf dem Hochtörring haben sies ausgesteckt.«



»Der Dachs will frische Luft haben?« Ein Lachen. Und während sein Körper im Fieber schauerte, nahm Herr Heinrich den schwarz umstruwelten Kopf zwischen die glühenden Hände. Nach kurzem Nachdenken rief er ruhig: »Oswald!«



Ein schmucker, dreißigjähriger Mann, der hinter dem Bett gestanden, trat schnell herbei: »Oswald Ahaimer, des Herzogs Marschalk.«



»Geh hinauf zu diesem wilden Jäger! Ich möchte wetten, er denkt zuerst an seine berühmten Hunde und dann erst an Weib und Gesind. Ist binnen einer halben Stunde die Übergab vollzogen, so will ich ihm das gewähren –« Der Herzog schwieg eine Weile. »Seine Leute haben sich rechtschaffen gehalten, sie sollen freien Abzug auf Urfehd haben. Seiner edlen Hausfrau schwör ich Leben und Ehre zu. Dem Kaspar Törring geb ich ritterliche Freiheit nach demütiger Kopfbeugung vor meinem Bett.« Herrn Heinrichs Stimme wurde langsam: »Und wir wollen ihm gestatten, daß er – seine berühmten Hunde mitnimmt. Alle!« Er lächelte. »Wiederhole mir das!«

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