Frei Lesen: Der Ochsenkrieg

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Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg

6

eingestellt: 2.7.2007





Der Falkner Laitzinger, der sich bei Tag verstecken mußte, hetzte in den kurzen Sommernächten das gute Roß des Peter Nachtigall zuschanden. Dreimal war er auf diesem flinken Sattel den Straßenräubern entronnen. Zu Ende der fünften Nacht, zwischen Ampfing und Mühldorf, brach der erschöpfte Gaul zu Boden und stand nimmer auf. Laitzinger mußte laufen. Immer hielt er sich in den Wäldern, den ganzen Tag, schlug sich durch Dickungen und watete durch Moor und Sumpf. Zu Tod erschöpft, dem Verhungern nahe, in zerrissenen Kleidern, mit Schlamm behangen, sah er am sinkenden Abend von der Raitenhaslacher Höhe die Pfannenfeuer flammen, die man zu Burghausen entzündete, um die Arbeit am Hundstörring auch in den Nachtstunden vorwärts zu bringen.



Laitzinger wollte über das steile Waldgehäng hinunterklettern. Da kam von der Saalach ein klirrender Reiterzug die Straße herauf. Herzog Heinrich, von seinem ehrlichen Fieberanfall noch nicht völlig genesen, machte seinen abendlichen Erquickungsritt. Seine Leibtrabanten, an die vierzig Harnischer, waren ihm Schutz und Gefolge. Zwei mit Wachsfackeln ritten voraus.



Der Falkner hatte kein schweres Raten: Dieser kleine, flinke, braune Herr, der gesondert von den anderen trabte, trug an seinem zierlichen Leibe die Hand, für die das winzige, mit Schweiß durchtränkte, an einer Silberschnur um den Hals des Laitzinger gesiegelte Röllchen bestimmt war.



Als der schmutzige, zerlumpte Strolch so jäh aus den Stauden schnellte und auf den Herzog zusprang, wollten die Harnischer mit dem Eisen dreinschlagen. »Botschaft für den Herzog«, kreischte der Falkner, »von seinem besten Freund.« Er streckte die leeren Hände hoch. »Ich bin ohne Waffen.«



Herr Heinrich, der ein bißchen erschrocken war, befahl: »Nüremberger, Ramsauer! Faßt den Kerl an den Händen!« Er musterte beim Fackelschein den vor Erschöpfung Zitternden. »Von meinem besten Freund? Das ist gelogen. Unter Fürsten und Herren hab ich nur einen Freund. Der bin ich selber. Wer ist der Wunderliche, den du meinst?«



»Ich hab schwören müssen, daß ich schweig. Die Botschaft ist um meinen Hals gesiegelt. Nur Ihr allein, Herr, dürft sie lösen von mir.«



Auf einen Wink des Herzogs sprang Malimmes vom Gaul und entblößte die Brust des Laitzinger. Herr Heinrich schnitt mit seinem Dolche die silberne Schnur an des Falkners Hals entzwei, wickelte das mürbe, feuchte Röllchen auseinander und las bei der Fackelhelle. Er wurde bleich, und sein Gesicht verzerrte sich. Mit funkelnden Augen beugte er sich aus dem Sattel herunter und sah dem Boten ins Gesicht. Und las wieder.



»Heim!« Seine Stimme schrillte. Wars Zorn? Oder wilde Freude? »Hebt ihn hinter dem Jul auf den Gaul hinauf. Zwei magere Buben machen den Falben nicht müd. Und fort! Fort! Heim!« Der Herzog hatte sein Roß gewendet und ließ es jagen. Die Harnischer mußten ihre schlechteren Gäule treiben. Bei dem schnellen Ritte wehten die Fackelflammen, daß sie zu erlöschen drohten.



In diesem zuckenden Wechsel von Dunkelheit und Helle saß der Bote hinter Jul auf dem Falben und hielt die Arme um den jungen Reiter geklammert.



Malimmes, in einer galligen Verdrossenheit, murrte dem Runotter zu: »Guck! Dem Jul ist ungemütlich. Das paßt ihm nit, daß der ander die Arm so fest um ihn her hat.«



Der Ramsauer nickte, neigte sich im Ritte gegen den Söldner hin und flüsterte: »Ich selber merks. Und das ist seltsam. Früher einmal – ich weiß nimmer, wann – ist ein Maidl gewesen, das allweil ein lützel gebubnet hat. Jetzt seh ich einen Buben, der maidelen tut.«



Ein rauhes Lachen. Und Malimmes schlug seinem Gaul die Sporen in den Leib, ließ ihn ein paar Sätze nach vorwärts machen, faßte mit eiserner Faust den Boten am Nacken, riß ihn von dem scheuenden Falben zu sich auf den Ingolstädter herüber und hielt ihn umklammert, daß der Laitzinger stöhnen mußte. »Gelt, du? Bei mir ist das Hocken ein lützel gröber.«



Es wurde Nacht, bis der Reiterzug über die letzte Brücke hineinklirrte unter die Hallendächer des Schloßhofes.



In der großen, vielfenstrigen Stube brannten die Kerzen. Nikodemus saß mit vier Schreibern am Tische. Als Herr Heinrich so zur Türe hereinstürmte, wie er aus dem Sattel gesprungen war, in Panzer, Mantel und Helm, da merkte der Kahlköpfige gleich, daß ein schweres Ding sich ereignet hatte. Er schickte die Schreiber aus der Stube und fragte erschrocken: »Herr?«



Der Herzog sah mit blitzenden Augen die Spruchbänder an der Mauer an, lachte grell und rief über die Schulter: »Den Kerl herein!«



Die vier Harnischer, die seit dem Winter immer um seine Person waren – Malimmes, Runotter, Jul und ein alter Doppelsöldner – brachten den Laitzinger in seinem Schmutz und seiner bleichen, zitternden Angst über die Schwelle und führten ihn vor den Herzog hin. Drei von diesen vieren schienen sich bei dem Vorgang nicht aufzuregen; sie hatten gleichgültige, strenge Gesichter. Doch in den großen heißen Augen des Jul war ein scheues Erbarmen mit dem jungen Menschen, der sich vor Angst und Erschöpfung kaum noch auf den Beinen erhalten konnte.



Schweigend hatte der Herzog seinem Rat das kleine, mürbe, zerknitterte Pergament gereicht; und schweigend, mit vorgebeugtem Gesicht und unter raschen Atemzügen wartete er, bis Nikodemus gelesen hatte.



Der Kahlköpfige betrachtete das Blatt, sah verdutzt den Herzog an und las wieder.



»Nun?«



Nikodemus hob stumm die Schultern.



»Kennst du diese Schrift?«



»Das ist zierlich gemalte Klosterschrift, die keine Hand erkennen läßt.«



In Zorn geratend, drängte der Herzog: »Und die Botschaft? So rede doch!«



»Herr! Die muß man mit Vorsicht beschauen. Das kann ein furchtbares Ding sein. Aber auch ein dummer Schabernack.«



»Dreck oder Gold!« Herr Heinrich nickte: »Gold, wenn ich weiß, von wem diese Botschaft kommt.« Er ging mit flinkem Schritt auf den Laitzinger zu. »Hast du Kenntnis von dem Inhalt dieses Blattes?«



Der Bote schüttelte den Kopf.



»«Wer hat dich geschickt?«



»Herr, ich hab auf das heilige Brot geschworen, daß ich schweig.«



Da lächelte Nikodemus. »Als Priester sag ich dir: Erzwungener Eid ist keiner, Reden aus Zwang ist Schweigen. Ich absolviere dich.«



»Und bleibst du schweigsam«, fiel Herr Heinrich ein, »so laß ich dich auf die spanische Bank legen und schicke dich morgen mit diesem Blatt nach Ingolstadt zu meinem Vetter Loys. Dann wird der dich fragen.«



Der Bote schloß die Augen und wankte, daß man ihn stützen mußte.



»Redest du aber, so sollst du leben bei mir wie einer, der mich beschenkte mit einer unbezahlbaren Kostbarkeit.«



Laitzinger tat die verstörten Augen auf und kämpfte in seiner verlorenen Seele einen langen, stummen Kampf. Dann keuchte er: »Laßt mich leben, Herr! Ich will es Euch ins Ohr sagen.«



Gierig streckte Herr Heinrich den Hals. Und Laitzinger flüsterte am Ohr des Herzogs. Ein paar Worte nur.



Erschrocken wich Herr Heinrich zurück. Und während er sprachlos stand, war Entsetzen in seinen Augen. Den Arm des Kahlköpfigen umklammernd, stammelte er: »Nikodemus! Ich bin nicht der übelste der Menschen. Es gibt noch Dinge, die auch mich empören.« Mit jagendem Schritt verließ er die Stube. Und eilte durch den kahlen Gang zu einer Türe, vor der zwei Harnischer auf Wache standen. Als er im Geklirr seines Stahlkleides den kleinen dämmerigen Raum betrat, der von einer verschleierten Ampel nur matt erleuchtet war, erwachte der schlafende Knabe. Der Herzog riß ihn aus den Kissen und schüttelte heftig das feste, gesunde Körperchen. »Du! Du! Wirst du mich auch einmal verraten?« Er sah nicht das blasse Gesicht der Wärterin, sah nicht die Herzogin und ihren Schreck. Nur immer die Augen seines Kindes sah er an, diese noch schlaftrunkenen und doch schon neugierigen Knabenaugen. Der kleine Hemdschütz wollte unter dem harten Griff der gepanzerten Fäuste ein bißchen greinen. Aber da erkannte er den Vater, lachte, schlang die Ärmchen um Herrn Heinrichs Halsberge und sagte munter: »Gut Nacht, Vatti! Denk des Lllloys!«

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