Frei Lesen: Der Ochsenkrieg

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Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg

11

eingestellt: 2.7.2007





Malimmes, noch immer mit der Binde um die Augen, spürte einen zarten Duft von Rosenwasser, Lavendel und reifen Birnen. »Teufel, da schmeckts aber fein. Beim Hallturm hats übler gerochen.«



Ein leises Kichern.



Er hob den Kopf. »Ui, jetzt bin ich angeschmiert. Ich hab gemeint, man holt mich zu einer. Da kudern viere. Und eine steht hinter mir, die sich nit zu mucksen traut.«



»Deine Sinne sind scharf!« sagte ein leises, heiteres Stimmchen. »Wer bist du?«



»Kluge Frauen fragen nit, was sie schon wissen. Warum die Zeit vergeuden?«



Wieder das vierstimmige Kichern. Und das heitere, leise Stimmchen: »Bist du jener Malimmes, der schreien kann wie ein Elefant?«



»Soll ichs tun, Frau?«



Ein erschrockenes Nein. Dann die flüsternde Frage: »Bist du jener Malimmes, der siebenmal hängen mußte und siebenmal wieder auferstand?«



»Siebenmal? Ganz sicher weiß ichs nit. Kann auch bloß sechsmal sein. Oder der Hänfene des Fischbauren vom Hintersee müßt gelten als voll.« Seine Stimme wurde ernst. »Nachher wirds wohl so sein, daß jetzt der achte kommt, der gefährlich ist.« Er streckte sich. »«So in der Finsternis, das taugt mir nit. Ich muß Licht haben. Frau, ich bin ein Verläßlicher. Ich red nit aus, was ich seh.« Er nahm die Binde herunter und warf sie fort. Die Magd, die ihn hergeführt hatte, hob das Tuch vom Teppich und verschwand.



Eine große, schöne, matt beleuchtete Stube mit kunstvoll geschnitztem Getäfel, mit wertvollen Bildern auf Goldgrund, mit dem Gefunkel silberner Geräte. Gegen die Gasse lag ein mächtiges Fenster, in dessen bunten Scheiben die Wappen des Bayerlandes einen aufrechten, mit der Tatze schlagenden Löwen umgaben. Eine offene Türe führte zu einer Kammer, in der eine farbige Helle war.



Ein leerer Sessel vor einem kleinen Tisch, auf dem eine Platte mit Früchten, ein schwerer Krug und fünf zierliche Becher standen. Hinter dem Tisch eine geschnitzte Bank mit roten Polstern. Da saßen vier junge schmucke Weiblein, alle gleich gekleidet wie die Dienerinnen einer fürstlichen Frau. Jede von ihnen hatte um den Kopf einen rötlichen Schleierbund, der die Stirn, die Augen und auch das halbe Näschen bedeckte.



Malimmes guckte rasch über die vier Frauen hin, und forschend blieb sein Blick an der einen haften, die zierlicher war als die anderen; sie hatte ein rosiges, heiteres Mädchengesicht; doch die schweren, schwarzen Locken, die wie zwei starre Wände über die nackten Schultern bis zu den halb entblößten Brüsten herunterhingen, machten das kleingesichtige Köpfchen ein bißchen unförmig. Und immer betrachtete sie den Malimmes, immer lächelte sie; er schien ihr zu gefallen.



Der lange Söldner tat einen schwülen Atemzug; dann sagte er ruhig: »Da sieht man so viel schöne Sachen, daß man gar nimmer weiß, wo man hinschauen muß.« Er sah die Platte mit den Früchten an. »Das tät mir taugen. Am Abend bin ich nit zum Speisen gekommen. Da hab ich nötige Sachen erledigen müssen. Jetzt hungert mich. Darf ich zugreifen?«



Die mit den schwarzen Locken sagte: »Alles darfst du!« Die drei anderen kicherten.



»Das wär ein lützel zu viel. Man muß genügsam nach dem Besten greifen.« Er nahm die schönste Birne von der Platte, ließ sich auf den Sessel nieder und biß in die Frucht. Sie schmeckte ihm, und während er wortlos schmauste, guckte er ein bißchen spöttisch die vier jungen Frauen an. Auch gab er sich Mühe, nett und reinlich zu essen. Bevor er nach einer neuen Birne griff, säuberte er an seinem braunen Langhaar die Finger.



Mit vorgestreckten Hälsen sahen ihm die munteren Weibchen in wunderlicher Neugier zu. Immer hatten sie über ihn zu lachen. Halb wars ein Auslachen, halb ein Gekicher des Wohl- gefallens.



»Warum bist du so schweigsam?«



Ohne zu antworten, aß er eine Frucht zu Ende. Dann sagte er: »Man schwätzt nit, derweil man schluckt. Das können die Herren tun, die keiner anraunzt. Ein Knecht muß gute Sitten haben. Jetzt bin ich satt, jetzt kann ich reden. Also, ihr feinen Knösplein? Weswegen bin ich da? Man wirds mir sagen müssen.« Er schmunzelte. »Selber komm ich nit drauf.«



»Du sollst uns erzählen, warum man dich siebenmal gehangen hat.« Immer sprach nur die Schwarzgelockte. »Und wie du, siebenmal wieder lebendig wurdest. Willst du?



»Meintwegen! Aber bloß ein Karren pfeift, wenn er trücken ist. Ein Mensch, der reden soll, muß den Schnabel feuchten.«



Alle viere griffen nach dem Krug. Die mit den schwarzen Locken sagte: »Ich will ihm geben.« Sie füllte die kleinen Becher.



Als vier Becher gefüllt waren, stülpte Malimmes den fünften um. »Die taugen für eure dünnen Hälslein. Ich hab noch nie aus einem Fingerhütl getrunken. Ich nimm den Krug.«



Ein heiteres Lachen. Und die Schwarze sagte lustig: »Nein, du Genügsamer! Für uns soll auch noch bleiben.« Sie glitt zur Wand hinüber und streckte sich, um von dem Bord mit dem Silbergerät einen getriebenen Kupf herunterzunehmen. Dabei sah man, wie leicht sie gekleidet war.



Malimmes bekam eine Furche auf der Stirn und schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, versuchte er zu lachen und nahm den großen Becher, den man für ihn gefüllt hatte. Ein leichtes Beben war in seiner Stimme: »Euch zum Wohlsein, ihr feinen Frauen! Auf alles Gute und Schöne der Welt! Dessen ist so viel, daß man nit greifen muß nach dem Schlechten. Wers tut, soll hängen.« Er hielt ihnen mit der eisernen Faust den Becher hin, den sie ein bißchen verwundert und ein bißchen erregt mit den kleinen Kelchen antippten. Zuerst nahm Malimmes nur einen kurzen Schluck, um zu kosten. »Teufel! Ist das einer!« Er leerte den Becher mit einem flinken Sturz und lachte: »Der kann einen Heiligen um die fromme Seel betrügen und einen Sünder um die letzte Reu.« Die Hand streckend, fragte er, in der Stimme ein heißes Betteln: »Also, krieg ich noch einen?«



Unter übermütigem Lachen füllte ihm die Schwarzgelockte den Silberkupf; die drei anderen wurden ängstlich, guckten einander an und hätten es gern gehindert.



Malimmes merkte ihre Sorge. »Um meinetwegen, ihr feinen Knösplein, müssen euch nit die Graushaar wachsen. Mich hat noch kein Roter und kein Weißer umgeschmissen. Meine Seel bleibt hell.« Er leerte den tiefen Kelch, als wärs eine Haselnußschale. »Das ist gewesen wie ein Tröpfl auf glühendem Ofen.« Die Schwarze, deren Lachen einen seltsam gereizten Klang bekam, füllte ihm gleich den Becher wieder. Er sah den dunkel rinnenden Strahl des Weines an. »Den hab ich noch nie gekostet. Wie heißt denn der?«



Sie neigte sich flüsternd zu ihm: »Lacrimae Christi, Tränen des lieben Herrn.«



Die Augen des Malimmes wurden groß. Er hielt den vollen Becher vor sich hin. »So ists ein billiger. Weils mehr von ihm geben muß als Wasser und Blut. Das ist ein Jahr gewesen, in dem der liebe Herr hat weinen müssen vom ersten Morgen auf dem Hängmoos bis zum heutigen Abend bei der Steinernen Bruck.« Er stand vom Sessel auf, hob den Kelch und sah zur Stubendecke: »Du lieber Herr, schau her, ich trink, daß du bald wieder lachen sollst!« Er schlürfte den Wein mit ruhigen Zügen. Und stellte den Becher auf den Tisch. Und als die wunderlich erregte Schenkin den Krug wieder heben wollte, sagte Malimmes streng: »Nit, schöne Frau! Heut trink ich keinen Tropfen nimmer!«



Sie reichte den Krug den drei anderen hin, trat flink auf den langen Söldner zu, streckte sich, hob den Arm, dessen weiter Ärmel bis zur Schulter fiel, und während in ihrem halbverhüllten Gesicht eine heiße Spannung war – wie im Gesicht eines Kindes, das einen seltenen Schmetterling gefangen – strich sie mit dem Finger langsam und zart über die große Narbe herunter.

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