Frei Lesen: Der Ochsenkrieg

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erster Band 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | Zweiter Band 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 11 |

Weitere Werke von Ludwig Ganghofer

Das Kasermanndl | Gewitter im Mai | Der Jäger von Fall | Hochwürden Herr Pfarrer | Bergheimat |

Alle Werke von Ludwig Ganghofer
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Der Ochsenkrieg) ausdrucken 'Der Ochsenkrieg' als PDF herunterladen

Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg

11

eingestellt: 2.7.2007





Auf dem Haidplatz, den die hochgegiebelten und getürmten Häuser der reichen Bürger in buntem Schmuck umgaben, drängte sich Kopf an Kopf.



Wie eine eiserne Mauer standen die fürstlichen Harnischer und die gepanzerten Stadtknechte um die Schranken her und ließen hinter ihren Schultern das Gedräng des Volkes verbranden.



Innerhalb des abgesperrten Raumes war ein Gewirre von Fahnen und Standarten, ein Gewirbel von hundert leuchtenden Farben und ein Gefunkel von blanken Waffen und Edelsteinen.



Als das Königspaar mit dem päpstlichen Legaten den Friedensthron und die Fürsten ihre roten, mit Wappen gezierten Hochsitze schon bestiegen hatten, füllten die Prälaten, die Ritter und Ehrbaren ihre Bänke. Dabei gewahrte Propst Pienzenauer in der ersten Reihe der Söldner einen Harnischer, dem über das braune, ernste Gesicht eine schwere Narbe herunterlief. An dieser Narbe erkannte er ihn wieder. Rasch trat er auf ihn zu und fragte erregt: »Du? Warst du nicht bei Dachau im Gefecht, als der Seipelstorfer den Herzog von Ingolstadt fangen wollte?«



»Wohl, Herr! Da hab ich mitgedroschen.« In die harte Stimme des Söldners kam ein leichtes Schwanken, als er neben dem Fürstpropst den Ritter Someiner stehen sah. »Und ich bin nit weit gewesen, wie Euch ein redlicher Mann unter dem niedergestochenen Gaul herausgezogen hat.«



»Mensch! Weißt du, wer das war?«



»Wohl!« Malimmes vermied es, den Ritter Someiner anzusehen. »Das ist mein guter Herr gewesen, der Richtmann Runotter von der Ramsau.«



»Wo find ich ihn?«



Ein rauhes Lachen. »Da braucht Ihr Euch mit dem Suchen nit plagen. Der ist weiter, als Menschen laufen oder reiten können.« Malimmes sah zur Sonne hinauf. »Wer den Runotter finden möcht, müßt fliegen lernen und höher steigen als ein Isländer Falk.«



Während Herr Pienzenauer erschüttert schwieg, stammelte Lampert Someiner mit heiserem Laut: »Malimmes –«



Neben dem Friedensthron begannen die Trompeten zu blasen. Ihr Geschmetter weckte ein dreifaches Echo an den hohen Mauern, und Hall und Widerhall verschmolzen miteinander zu einem rasselnden Tongewirr, das sich anhörte wie das Gelächter eines Riesen.



Nun eine summende Stille.



Auf dem Friedensthron erhob sich die Majestät im funkelnden Prunk der königlichen Würde.



Alle Gesichter der vielen Tausende, der Hohen und Niederen, waren dem schönen, lächelnden König zugewendet. Nur ein einziges nicht, das schmale, rosige Gesichtchen der zierlichen Königin. Die streckte das schlanke Hälslein und lugte hinüber zu den Reihen der Harnischer.



In anmutsvoller Bewegung die beringte Hand erhebend, begann die Majestät mit gutgeschulter, klingender Stimme zu sprechen:



»Ihr meine lieben Oheime und Vettern! Ihr hochgeborenen Fürsten und Herren, die Ihr Beschirmer der Gerechtigkeit und Liebhaber des Guten seid, Ausreuter des Übels, Vertilger von Schande und Laster, eine sichere Zuflucht für alle betrübten, gepeinigten und hilflosen Menschen!«



Die Fürsten blieben ernst, obwohl sie bei dieser Ansprache ein bißchen verwundert dreinguckten. Doch das Volk, das die spottende Heiterkeit flink erfaßte, brach in munteres Ge- lächter aus.



Durch die ganze Rede, die ein blühendes Loblied des Friedens wurde, schwang der König die anmutige Geißel des Spottes, der ihm die Herzen des Volkes eroberte. Und als er den Tausenden gebot, den in die bayerischen Lande heimgekehrten Engel des Friedens mit deutschem Heilruf zu begrüßen, rauschte ihm aus aufgereckten Händen eine brausende Woge der Freude und Begeisterung entgegen.



Noch ehe das frohe, dankende Geschrei verhallte, kam vom Hause der Weltenburger ein wunderlicher, gar nicht festlicher Zug einhergewandert; voraus der land- und dienerlos gewordene Herzog Ludwig, der die beiden Hunde an seinen Gürtel gekoppelt hatte; ihm folgten Kaspar Törring und Wieland Swelher mit zwölf von Ludwigs letzten Getreuen, und sie alle, der Herzog wie die Seinen, waren gleich gekleidet und trugen graue Knechtshosen, graue Bauernkittel und graue Kappen, die mit Marderschwänzen gezottelt waren.



Ein Lachen und Hälserecken im Volk, wie auf allen Bänken der Herren. Und belustigt fragte der König: »Oheim Ludwig? Was soll zu ernster Stunde dieser wunderliche Fasching?«



»Fasching? Nein, Majestät!« Stolz und ruhig hob Herr Ludwig den Kopf. »Das ist Würde und Weihe. Mit diesem grauen Gewande wollen wir die Sieger ehren, die uns in solchen Bauernkitteln bekriegten.«



Über den weiten Haidplatz rann ein Fragen und Schwatzen hin. Und Herzog Heinrich murrte geärgert: »Wollte ich so viel Geld an jeden billigen Spaß vergeuden, so wäre mein Schatzturm bald eine Flohfalle, aus der die gelben Flöhe bis auf den letzten entsprangen.«



Dieser heiteren Minute folgte eine ernste Zeremonie. Während umflorte Kirchenfahnen entschleiert und geknickte Wachskerzen aufgerichtet und entzündet wurden, bliesen dumpfe Posaunen. Würdevolle Spannung lag auf allen Gesichtern. Nur Kaspar Törring war nicht völlig bei dieser ernsten Sache. Immer musterte er die beiden Hunde, die an Herzog Ludwigs Gürtel gekoppelt waren. Und in Erregung flüsterte er gegen das Ohr des Freundes: »Du, Loys, das sind die zwei schönsten aus meinem Zwinger! Ein Rüd und eine Hündin. Die sollen der Welt ein neu Geschlecht erwecken. Fällt von ihnen der erste Wurf, so will ich dabei sein. Ich gehe mit dir nach Ungarn.«



Die feierlichen Posaunen schwiegen, und unter dem Baldachin des Friedensthrones erhob sich der päpstliche Legat, um den Ingolstädter vom Kirchenbanne loszusprechen und als reuige Seele in den Schoß der römischen Mutter zurückzuführen.



Während Herr Ludwig das gebeugte Knie streckte, sprach er mit starker Stimme: »Gott im Himmel wird mich richten nach meinem Herzen, nicht nach der Torheit meiner Fäuste und meines Blutes.« Er ging auf den Markgrafen von Brandenburg zu: »Verzeihe mir! Nach Verdienst belehnte mich die Majestät mit der Narrenkappe. Dich hätt ich erkennen und für mich gewinnen sollen.«



Fritz von Zollern reichte ihm die Hand und sagte lächelnd: »Mich mißversteht man immer. Ich weiß nicht, woher das kommt.«



»Ferne Berge sind den Narren wie Maulwurfshügel.« Und Herr Ludwig wandte sich zu den Herzögen von München: »Wider Euch hab ich schweres Unrecht getan. Wollt Ihr meiner üblen Torheit vergessen?«



Freundlich nickend, bot ihm Herzog Ernst seine schwere Rechte. »Dinge, die geschehen sind, sollen ein Gutes nicht bedrücken, das kommen will. Waren wir keine guten Vettern, so wollen wirs werden. Gelt?«



Schweigend sah Herr Ludwig dem Vetter in das lachende Bartgesicht. Dann wandte er sich, betrachtete den Herzog Heinrich, blieb wie steinern vor ihm stehen und wartete.



Mit langsamen Schritten kam der kleine Herzog näher: »Nach Inhalt des Urteils, das die Majestät gesprochen, bitte ich dich in schuldiger Demut um Verzeihung.«



Herr Ludwig sah die Narben an seinen Händen an und sagte rauh: »Du gibst mir schöne Worte. Wenn es dir wahrhaft leid wäre, müßtest du andere Augen haben.«



Ein feines Lächeln. »Ich habe Augen, wie Gott es wollte.«



Freundlich mahnte die Majestät: »Oheim Ludwig? Wollt Ihr diesem Bittenden nicht vergeben?«



Ruhig sagte Herzog Ludwig: »Ich vergebe ihm nach Form und Seele des Urteils.«



Ein Summen über den Köpfen der Menge. Und von dem goldenen Sessel, der höher war als der rote Stuhl des Königs, segnete der päpstliche Legat die Fürsten und das Volk. Freundlich streckte der Kardinal die Hände nach der Königin, hob sie zu sich empor und küßte sie auf beide Wangen, während der König die Herzöge von Bayern der Reihe nach umarmte. Herzog Ernst umarmte den Ingolstädter, Herzog Heinrich den Brunorio von der Leiter. Der Erzbisdiof von Salzburg und der Bischof von Chiemsee umarmten den Propst des heiligen Zeno. Herr Konrad Otmar umarmte den Fürstpropst Pienzenauer von Berchtesgaden, der heilige Zeno den heiligen Peter. Hauptmann Hochenecher umarmte den Hauptmann Seipelstorfer. Es umarmten sich die Ritter, von denen einer dem anderen die Burg gebrochen hatte. Und es umarmten sich die Bürgermeister von München und Ingolstadt, von Burghausen und Wasserburg, von Landshut und Freising, von Schrobenhausen und Pfaffenhofen, von Traunstein und Rosenheim, von Kufstein und Marquartstein.

  • Seite:
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
< 11



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.