Frei Lesen: Die Trutze von Trutzberg

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Ludwig Ganghofer

Die Trutze von Trutzberg

14. Kapitel

eingestellt: 25.7.2007





In der Trutzbergischen Ehrenstube, in der es nach Wachs, Wacholder und Lavendel roch und nach einer jungen, frischen, warmen Menschenblume duftete, lag noch ein graues Zwielicht um den Brokathimmel des großen Fürstenbettes. Ein Bilderteppich hing über die Scheiben des Erkers herunter und ließ von dem trüben Regenmorgen nur eine matte Helle hereinglimmen.



Draußen das Gurgeln und Plätschern eines Wasserspeiers. Aus der anderen Stube klang durch die geschlossene Tür undeutlich die laute, erregte Zwiesprach, die der Puechsteiner und Herr Melcher um Dinge der Verteidigung miteinander hielten, während sie gemeinsam das Frühstück genossen.



Auch in der Ehrenstube, auf einem Stühlchen neben dem Bett, stand eine Zinnplatte mit Milch und Honig und Weizenbrot. Alles noch unberührt. Von den beiden, die in der Stube waren, dachte keines an Hunger und Speise.



In dem träumenden Zwielicht keine Stimme, kein Laut. Nur der leise Hauch beklommener Atemzüge.



Frau Scholastika, von der Dämmerung umwoben wie von einem grauen Schleier, saß gebeugt auf der Kante des Bettes, in einer wirren Glücksbetäubung und dabei durchzittert von der Sorge um ihren Mann. Er hatte eine böse Fiebernacht mit Ungeduld, mit derben Lebenswünschen und eigensinnigem Genesungswillen überstanden und immer von einer nötigen Kur geredet, die so grausam und schrecklich war, daß Frau Schligg lieber sterben wollte als solchen Wahnsinn geschehen lassen. Ihr Korbi war doch nur verwundet von einem blanken Eisen, nicht gebissen von einem tollen Hund. Und zu dem herzlähmenden Schreck, den sie übertauchen mußte, hatte er noch lachen können, als wäre ihr Jammer ein drolliges Fastnachtspiel. Ach, manchmal verstand sie ihren Korbi nicht. Je heißer sie ihn liebte, je tiefer sie sich sorgte für ihn, um so weiter rückte er weg von ihr. Seiner Nähe war sie nur sicher, wenn er sie in seinen Armen hielt und ihren Körper umschraubte, daß ihr vor Schmerz und Seligkeit fast die Sinnen schwanden. Und als er sie beim Ergrauen des Morgens von seiner heißen Brust hinübergehoben hatte in das kühlgebliebene Drittel des Perlenschreins, da hatte er mit seinem unbegreiflichen Lachen gesagt: »Jetzt wirst du doch wissen, wie du mit unserem Mädel reden mußt. Geh, Schligg! Und bring mir die Botschaft, die ich hören will. Es eilt ein lützel, daß unser Kind eines notfernen Lebens sicher wird.« Nach diesen fröhlichen Worten hatten seine glänzenden Augen wunderlich ernst geblickt, beinahe traurig. »Ihr Glück muß die Trutzburg sein. Was dreingeht, wird schmecken wie überständiges Kletzenbrot. Könnt ichs ändern, ich täts. Geh, Schligg, und lüg das liebe Mädel mit allem an, was für dich eine süße Wahrheit ist.«



Nun hatte Frau Schligg am Bett ihres Kindes geredet, fast eine Stunde lang, und sie selber wußte nimmer, was. Ihrem flüsternden Wirrsal von Sorge, stolzer Seligkeit und verlegener Scheu hatte Hilde stumm und mit groß geöffneten Augen gelauscht, klein zusammengehuschelt unter der Seidendecke des mächtigen Bettes, in dem sie lag wie ein Mäuschen in der Haferkiste. Schon seit einer Weile wartete Frau Scholastika auf eine Antwort ihres Kindes. Hilde schwieg noch immer, brennende Scham auf den Wangen, in den blauen Augen einen ungläubigen Schreck und ein wachsendes Grauen.



»Kind?«



Da stützte sich Hilde aus den Kissen auf, ihr Blick irrte in diesem grauen Zwielicht umher, und wie eine Träumende, die gequält wird von bösen Bildern, redete sie ins Leere: »Der Kaiser und die Kaiserin, der Herzog und die Herzogin, ein jeder Mann und seine Frau? Das hab ich ihn sagen hören. Ich weiß nimmer, wann. Was hats mich angegangen? Nur weil er sagte: Mutter und Vater ...« Ihre leise Stimme wurde wie ein erwürgtes Schreien: »Mutter, da hat mir gewidert vor ihm.«



»Kind?« stammelte Frau Schligg. »Ich versteh dich nit.«



Mit beiden Händen umklammerte Hilde den Arm der Mutter. »Ich kanns nit glauben, ich mags nit denken – Mutter, Mutter, sind wir Menschen denn nit ein besser Ding als die Ziegen und Ferken im Hof?«



Frau Scholastika war gekränkt. Dieser üble Vergleich entweihte alle süße Heiligkeit ihres verspäteten Eheglücks »Kind? Willst du klüger und besser sein, als Vater und Mutter sind? Ein dummes, unwissendes Mädel bist du. Steh auf! Der Vater wird reden mit dir.«



Immer schüttelte Hilde den Kopf, daß ihr das gelöste Braunhaar um Schultern und Wangen rieselte.



»Der Vater hat die besseren Wörtlein als ich. Er wird dir sagen, daß Lieb und Glück die süßeste Kostbarkeit eines Weibes sind.« Frau Scholastika unterbrach ihre zürnende Rede mit einem schluchzenden Laut, weil sie an die Gefahr hatte denken müssen, von der die kostbare Süßigkeit ihres sonst so armen Lebens bedroht war. »Ach, Kind! Du mein liebes Kind! Hast du so reiches Glück nur erst erfahren an deinem eigenen Blut und Herzen, so klammerst du dich dran mit Augen und Händen! Und sagst: das ist das Schönste und Heiligste! Und sagst: das ist mein Himmelreich auf der Welt! Und sagst: das ist die seligste von allen Gnaden, die Gott uns Frauen auf Erden vergönnen mag!«



»Nein, Mutter!« Hilde saß regungslos in den Kissen, die leis zitternden Hände über dem Schoß, das blasse Gesicht umhangen vom dunklen Haar, die Augen geschlossen. »Was schön und heilig sein soll, ist mir widerlich und ein Grausen. Ich muß es fortstoßen mit meinen Fäusten.« Ein wehes Lächeln. »Himmelreich sagst du? Ich tät es spüren müssen wie eine Höll. Gott weiß, ich bin nit schlecht. Er kann nit wollen, daß ich verbrennen muß.« Sie öffnete die Augen und sah die Mutter an. »Das sollst du meinem Brautherren sagen! Aus Lieb zu Vater und Mutter will ich seinen Namen tragen und will ihm eine redliche Hausfrau sein. Will schnaufen und sterben mit ihm. Sein Weib mag ich nit werden. Im Leben nit! Da tät ich lieber, was mich reuen müßt um meiner ewigen Seligkeit willen.«



In Schreck und Ratlosigkeit nahm Frau Schligg ihre Zuflucht zu einer Lüge. »Kind, Jesus, hörst du nit, wie da draußen der Vater nach dir ruft? In seinen Schmerzen?« Das wirkte. »Steh auf! Und laß dir helfen, komm!« Sie zappelte in der grauen Dämmerung hin und her, brachte ihrem Kind das Unterkleid und das braune Hauskittelchen, die Strümpfe aus weißer Hasenwolle und die Schuhe mit den blauen Bändeln. Auf dem Bänklein rückte sie das Zinnschüsselchen mit dem Waschwasser zurecht, die Seife, das leinene Zahnläpplein und die Handzwehle. Mit zitternden Händen strählte sie ihrem Kind das Haar, flocht ihm die Zöpfe, wand sie um ihres Kindes Stirn und suchte mit einem Band die Fülle der widerspenstigen Löcklein zu fesseln. Dann mahnte sie: »Ein Bröslein mußt du noch essen!«



»Mich hungert nit. Ich will zum Vater.«



»So komm!« Frau Scholastika huschte zur Tür und sah nicht, daß Hilde, wie von einem Schwindel befallen, den Arm vor die Augen schlug und mit der anderen Hand nach einer geschnitzten Säule des großen Himmelbettes tastete.



Als die Puechsteinerin hinauskam in die helle Stube, saß Herr Korbin schweigend in seinen heißen Kissen, und Herr Melcher, an der Brust mit Milch und Honig bekleckert, hockte breit auf dem Bettrand. Beide lauschten der Meldung Eberhards, der beim Fußbrett des Perlenschreines stand und von der Schlangenschanze und dem Wegbau der Seeburgischen berichtete.



»Guck! Einen Weg bauen sie? Für den Sturmwagen?« sagte Herr Korbin lachend. »Was gibt es sonst noch?«



»Viel Wasser!« Auch Eberhard lachte. »Auf der Rund hab ich alles in leidlichem Stand gefunden. Nur so einen Lauskerl hab ich zur Bußstub schicken müssen. Ein Goldgröschel hat er gestohlen. Wie ich ihn des Diebstahls überführt hab, will mir der Lump an den Hals springen. Die Schützen haben ihn festgemacht. Und zwanzig Grobe hab ich ihm zugesprochen. Jetzt hat er sie droben auf dem Buckel.«

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