Frei Lesen: Die Trutze von Trutzberg

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

1. Kapitel | 2. Kapitel | 3. Kapitel | 4. Kapitel | 5. Kapitel | 6. Kapitel | 7. Kapitel | 8. Kapitel | 9. Kapitel | 10. Kapitel | 11. Kapitel | 12. Kapitel | 13. Kapitel | 14. Kapitel | 15. Kapitel | 16. Kapitel | 17. Kapitel | 18. Kapitel | 19. Kapitel | 20. Kapitel | 21. Kapitel | 22. Kapitel | 23. Kapitel |

Weitere Werke von Ludwig Ganghofer

Das Kasermanndl | Bergheimat | Der Ochsenkrieg | Gewitter im Mai | Der Jäger von Fall |

Alle Werke von Ludwig Ganghofer
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Die Trutze von Trutzberg) ausdrucken 'Die Trutze von Trutzberg' als PDF herunterladen

Ludwig Ganghofer

Die Trutze von Trutzberg

4. Kapitel

eingestellt: 25.7.2007





In der Erkerstube gabs ein Aufsehen, als Hilde so plötzlich auf der Schwelle stand, ohne Nelkenkranz, über dem Haar das grüne Hütlein mit den beiden Schwanenfedern und fertig zum Heimritt.



Frau Scholastika erschrak. Herr Korbin aber dachte sich gleich das Richtige und rief zwischen Zorn und Lachen: »Mädel! Hast du merken müssen, daß auf dem Trutzberg das Pulver nit trocken ist?«



Der Burgherr in seinem ausgewachsenen Rausche hatte steife und ratlose Augen, wahrend seine säuerliche Hausehre von einem dunklen Anfall ihres Mißtrauens überrumpelt Wurde und sorgenvoll gegen das schweigende Mädchen hinkreischte: »Wo ist mein Sohn? Was hast du meinem Sohn getan?«



Ohne zu antworten, trat Hilde auf ihre Mutter zu und sagte ruhig: »Mir ist nit gut. Auf dem Taubenturm ist mir schwindlig worden. Tu mich heimführen, Mutter!«



Schwermütig lallte Herr Melcher in seinem Sessel: »Wird halt auch ein lützel zu viel gesoffen haben!« Es war nicht völlig klar, wen er meinte.



Herr Korbin schien auf den Jungherrn zu raten und sagte: »Frau Engelein! Sucht Euren Buben auf! Mir deucht, seine Ohren sind grün. Schlagt ihm ein Dutzend feste Tachteln drauf. So lang, bis sie rot werden. Es ist nötig, daß die Trutzbergischen Farben friedsam miteinander hausen.«



Frau Angela hatte nicht die Absicht, diesen Rat zu befolgen. Aber sie entfernte sich mit großer Eile, das Mutterherz beschwert von einer bangen Sorge um Leben und Gesundheit des ihr einzig verbliebenen Sprößlings. In ihrem gereizten Mißtrauen sah sie allerlei böse Bilder, sah den Sohn mit einem Haarpfeil erstochen bei den Taubennestern sitzen, sah ihn mit zerschmetterten Gliedern unter dem Burgfried liegen. Doch wenige Minuten genügten, um Frau Angela von diesen romantischen Angstbildern zu erlösen und ihre tugendstrenge Seele zu der Einsicht zu bringen, daß der Ratschlag des Ritters Korbin von Puechstein nicht vollständig abzulehnen war. Nach kurzem Verhör, bei dem der greise Burgkaplan Veranlassung fand, eine größere Zahl von schwer verständlichen Wörtern zu sprechen, verwandelte sich die besorgte Mutter Angela in eine erbitterte Sittenrichterin. Ihr Zorn hatte einen Zug von Gerechtigkeit. In diesem Zorne schlug sie noch viel wirksamer drein, als Herr Korbin ihr geraten hatte.



Das Himmelreich, das Jungherr Eberhard sich an diesem reizvollen Junitag mit aller Macht seines strebsamen Christenwillens erfochten hatte, war nicht goldfarben oder silberschön, sondern grün und rot. Sogar noch ein bißchen blau dazu. Im Besitze dieser mehrfarbigen Seligkeit verzichtete er aus höfischen Gründen darauf, sich von seiner Braut und Seelengattin zu verabschieden, die beim Tor des Brückenturmes bereits im Sattel ihrer ungeduldig scharrenden Fuchsstute saß, während Herr Korbin seine sorgenvolle Gemahlin auf einem frommen Schimmel hob.



Wie der Jungherr, so blieb auch die Hausfrau des Trutzberges bei diesem Abschied unsichtbar. Nur Herr Melcher hatte sich, aller Unsicherheit seines Rausches zum Trotz, über die Treppe heruntergewagt, war in der Melancholie seines besoffenen Elends tief gerührt, umarmte den Freund und Verbündeten etwa ein dutzendmal mit wachsender Zärtlichkeit und flehte: »Korbi, sei ein Christenmensch! Geh nit fort! Bleib bei mir und laß uns selbander weitersaufen. Tust du mich allein lassen, so putzt mir das schieche Weib meine Flecken aus!«



Lachend riet der Puechsteiner: »Zieh die Wad herunter, leg dich nackicht ins Bett und häng den Kittel mit Strumpfhosen und Kräuslein an den Nagel! Da spürst dus nit, wenn Frau Engelein rippelt und klopft.«



Kreischend fiel die Brücke herunter, die vier Geleitsknechte des Puechsteiners ritten los.



Hilde ließ ihren ungeduldigen Goldfuchs traben, und Frau Scholastika flüsterte unter der Torhalle ihrem Gatten die beklommene Frage zu: »Glaubst du, daß es mit den Kindern auseinandergeht?«



Er schüttelte ruhig den Kopf, auf dem die blaue Stahlhaube funkelte: »Ist doch alles verbrieft und gesiegelt, Und der Melcher steht allweil zu uns, solang ich ihn nit allein laß. Drum muß ich daheimbleiben, bis wir das Mädel unter dem Trutzbergischen Betthimmel haben.« Über das Gesicht der Frau Scholastika glitt eine heiße Röte, während Herr Korbin weitersprach: »Gar so was Schieches mag ja wohl auf dem Taubenturm nit geschehen sein. Der Bub wird halt ein lützel schleckig vor der Zeit. Und guck ich das liebe Mädel an, so kann ichs dem Jungherrn nit verargen. Und da wird halt das Mädel erschrocken sein. Ist ein junger, grüner Spatz, der noch allweil nit weiß, was Falken sind. Heut laß das Mädel zur Ruh kommen! Aber morgen red mit ihr! Ich mein, man sollt die Hochzeit beschleunen. Da will ich mit dem Melcher schwatzen drüber, in einer nüchternen Stund.«



Frau Scholastika erblaßte und nahm sich vor, alle Himmelskraft ihres Willens darauf zu richten, daß die Hochzeit der Kinder nicht wider Pergament und Siegel beschleunt, sondern um Wochen und Monate, vielleicht um ein Jahr verschoben würde. Nach dem ersten Schreck erwachte in ihr ein Gefühl der Freude. Nun hatte sie ein hilfreiches Wort gefunden: »Reitest du fort von daheim, so gehts mit den Kindern auseinander.« Sie wußte, wie sehr es ihm anlag, sein Kind aus der knappen Not des Puechsteins zu erlösen und in das sichere Wohlleben der Trutzbergischen hineinzusetzen.



Die Knechte hatten den Forellenbach erreicht und wollten den Weg zur Puechsteiner Grenze nehmen. Herr Korbin rief ihnen zu: »Wir reiten gegen den Seeforst. Ich will mit dem Jäger reden. Und ein frisches Lüftl auf festem Umweg wird uns bekommen. Frau Engeleins Mahl ist mager und ohne Würze gewesen, aber der Wein, den der Melcher schluckt, ist schwer. Ein lützel spür ich ihn auch.«



Es ging auf die vierte Nachmittagsstunde. Obwohl der Abend noch ferne war, bekam die Sonne schon einen goldenen Glanz.



Die Gäule gingen im Schritt. Auf dem Seesträßlein konnten Vater, Mutter und Tochter Seite an Seite reiten. Die Knechte ritten paarweis unter heiterem Schwatzen voraus. Auch Herr Korbin fing lustig zu plaudern an, rühmte an seinem Freunde Melcher alle Tugenden eines edelfesten Lebens, versöhnte sich mit unterschiedlichen Eigenschaften der Frau Angela und schilderte den Trutzbergischen Jungherrn als eine noch nicht völlig entwickelte, aber doch unanzweifelbare Blumenknospe der Ritterschaft. Auch Frau Scholastika begann in dieses Loblied auf den Jungherrn einzustimmen, nachdem Herr Korbin ihr ein paarmal mit deutlicher Mahnung zugeblinzelt hatte.



Hilde verhielt sich stumm und guckte über das blühende Moor hinaus, in dem der mild und farbig heranziehende Abend das Federwild aus den Schlupfen zu locken begann. Viele Schmetterlinge flatterten über die Straße hin und her und am Damm entlang. Hilde bemerkte die lieblichen Gaukler nicht. Immer blickte sie mit erhobenem Näschen nach der Richtung, in der sich aus Stauden und Röhricht ein graubraunes Ding hervorhob, das einem auf zwei Räder gestellten Sarge glich. Dennoch sah sie weder den Schäferkarren, noch die Trutzbergischen Schafe, noch den Hirten, dessen Schippenschäufelchen manchmal in der Sonne blitzte. Daß ihr sonst so heller Blick alle Dinge verschwommen sah, war eine Folge des feuchten Schimmers, der ihre Augen umflorte.



In ihrem jungen Leben zitterte noch immer der sonderbare Schreck, den sie auf dem Taubenturm hatte erleben müssen. Diese Erinnerung war in ihr wie ein Schmerz, wie ein übler Schimpf. Doch während sie den Vater und die Mutter so viel Gutes über den Jungherrn reden hörte, wurde sie ruhiger und suchte sich darüber klar zu werden, was denn eigentlich auf dem Taubenturm geschehen war? Sicher wußte sie nur dieses eine: daß sie einen namenlosen Schreck verspürt hatte. Weshalb: Weil Eberhard sie streicheln, sie liebkosen, sie in seine Arme nehmen wollte? Hatte er dazu als ihr Bräutigam und Seelengatte nicht ein Recht? Freilich, er hatte seiner höfischen Sitte ein bißchen sehr vergessen. War das eine unverzeihliche Schuld? Ein Taubenturm ist keine adlige Stube. Auch hatte Eberhard ein wenig getrunken. Der Wein verführte doch auch ihren eigenen Vater zu Worten und Dingen, die er in nüchternem Zustande vermied. Von Herrn Melcher gar nicht zu reden!

  • Seite:
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
< 3. Kapitel
5. Kapitel >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.