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Ludwig Uhland

Gedichte

Der Überfall im Wildbad

eingestellt: 10.6.2007





                        In schönen Sommertagen, wann lau die Lüfte wehn,
Die Wälder lustig grünen, die Gärten blühend stehn,
Da ritt aus Stuttgarts Toren ein Held von stolzer Art,
Graf Eberhard der Greiner, der alte Rauschebart.

Mit wenig Edelknechten zieht er ins Land hinaus,
Er trägt nicht Helm noch Panzer, nicht gehts auf blutgen Strauß,
Ins Wildbad will er reiten, wo heiß ein Quell entspringt,
Der Sieche heilt und kräftigt, der Greise wieder jüngt.

Zu Hirsau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein.
Dann gehts durch Tannenwälder ins grüne Tal gesprengt,
Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt.

Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Haus,
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus,
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast,
Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast.

Wann er sich dann entkleidet und wenig ausgeruht
Und sein Gebet gesprochen, so steigt er in die Flut;
Er setzt sich stets zur Stelle, wo aus dem Felsenspalt
Am heißesten und vollsten der edle Sprudel wallt.

Ein angeschoßner Eber, der sich die Wunde wusch,
Verriet voreinst den Jägern den Quell in Kluft und Busch,
Nun ists dem alten Recken ein lieber Zeitvertreib,
Zu waschen und zu strecken den narbenvollen Leib.

Da kommt einsmals gesprungen sein jüngster Edelknab:
»Herr Graf! es zieht ein Haufe das obre Tal herab.
Sie tragen schwere Kolben, der Hauptmann führt im Schild
Ein Röslein rot von Golde und einen Eber wild.«

»Mein Sohn! das sind die Schlegler, die schlagen kräftig drein, –
Gib mir den Leibrock, Junge! – das ist der Eberstein,
Ich kenne wohl den Eber, er hat so grimmen Zorn,
Ich kenne wohl die Rose, sie führt so scharfen Dorn.«

Da kommt ein armer Hirte in atemlosem Lauf:
»Herr Graf! es zieht ne Rotte das untre Tal herauf.
Der Hauptmann führt drei Beile, sein Rüstzeug glänzt und gleißt,
Daß mirs, wie Wetterleuchten, noch in den Augen beißt.«

»Das ist der Wunnensteiner, der gleißend Wolf genannt, –
Gib mir den Mantel, Knabe! – der Glanz ist mir bekannt,
Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut,
Bind mir das Schwert zur Seite! – der Wolf, der lechzt nach Blut.

Ein Mägdlein mag man schrecken, das sich im Bade schmiegt,
Das ist ein lustig Necken, das niemand Schaden fügt,
Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld,
Dann gilts, wenn nicht sein Leben, doch schweres Lösegeld.«

Da spricht der arme Hirte: »Des mag noch werden Rat,
Ich weiß geheime Wege, die noch kein Mensch betrat,
Kein Roß mag sie ersteigen, nur Geißen klettern dort,
Wollt Ihr sogleich mir folgen, ich bring Euch sicher fort.«

Sie klimmen durch das Dickicht den steilsten Berg hinan,
Mit seinem guten Schwerte haut oft der Graf sich Bahn,
Wie herb das Fliehen schmecke, noch hatt ers nie vermerkt,
Viel lieber möcht er fechten, das Bad hat ihn gestärkt.

In heißer Mittagsstunde bergunter und bergauf!
Schon muß der Graf sich lehnen auf seines Schwertes Knauf.
Darob erbarmts den Hirten des alten, hohen Herrn,
Er nimmt ihn auf den Rücken: »Ich tus von Herzen gern.«

Da denkt der alte Greiner: »Es tut doch wahrlich gut,
So sänftlich sein getragen von einem treuen Blut;
In Fährden und in Nöten zeigt erst das Volk sich ächt,
Drum soll man nie zertreten sein altes, gutes Recht.«

Als drauf der Graf gerettet zu Stuttgart sitzt im Saal,
Heißt er ne Münze prägen als ein Gedächtnismal,
Er gibt dem treuen Hirten manch blankes Stück davon,
Auch manchem Herrn vom Schlegel verehrt er eins zum Hohn.

Dann schickt er tüchtge Maurer ins Wildbad alsofort,
Die sollen Mauern führen rings um den offnen Ort,
Damit in künftgen Sommern sich jeder greise Mann,
Von Feinden ungefährdet, im Bade jüngen kann.


< Das versunkene Kloster
Der Königssohn >



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