Richard Wagner
Die Walküre
III. Akt, Zweite Szene
eingestellt: 16.7.2007Die Vorigen, Wotan
Wotan
Wo ist Brünnhild, wo die Verbrecherin?
Wagt ihr, die Böse vor mir zu bergen?
Die acht Walküren
Schrecklich ertost dein Toben!
Was taten, Vater, die Töchter,
dass sie dich reizten zu rasender Wut?
Wotan
Wollt ihr mich höhnen? Hütet euch, Freche!
Ich weiss: Brünnhilde bergt ihr vor mir.
Weichet von ihr, der ewig
Verworfnen,
wie ihren Wert von sich sie warf!
Rossweisse
Zu uns floh die Verfolgte.
Alle acht Walküren
Unsern Schutz flehte sie an!
Mit Furcht und Zagen fasst sie dein Zorn:
für die bange Schwester bitten wir nun,
dass den ersten Zorn du bezähmst.
Lass dich erweichen für sie, zähm deinen Zorn!
Wotan
Weichherziges Weibergezücht!
So matten Mut gewannt ihr von mir?
Erzog ich euch, kühn zum
Kampfe zu ziehn,
schuf ich die Herzen
euch hart und scharf,
dass ihr Wilden nun weint und greint,
wenn mein Grimm eine Treulose straft?
So wisst denn, Winselnde, was sie verbrach,
um die euch Zagen die Zähre entbrennt:
Keine wie sie
kannte mein innerstes Sinnen:
keine wie sie
wusste den Quell meines Willens!
Sie selbst war
meines Wunsches schaffender Schoss
und so nun brach sie den seligen Bund,
dass treulos sie
meinem Willen getrotzt,
mein herrschend Gebot offen verhöhnt,
gegen mich die Waffe gewandt,
die mein Wunsch allein ihr schuf!
Hörst dus, Brünnhilde? Du, der ich Brünne,
Helm und Wehr, Wonne und Huld,
Namen und Leben verlieh?
Hörst du mich Klage erheben
und birgst dich bang dem Kläger,
dass feig du der Straf entflöhst?
Brünnhilde
Hier bin ich, Vater: gebiete die Strafe!
Wotan
Nicht straf ich dich erst:
deine Strafe schufst du dir selbst.
Durch meinen Willen warst du allein:
gegen ihn doch hast du gewollt;
meinen Befehl nur führtest du aus:
gegen ihn doch hast du befohlen;
Wunschmaid warst du mir:
gegen mich doch hast du gewünscht;
Schildmaid warst du mir:
gegen mich doch hobst du den Schild;
Loskieserin warst du mir:
gegen mich doch kiestest du Lose;
Heldenreizerin warst du mir:
gegen mich doch reiztest du Helden.
Was sonst du warst, sagte dir Wotan:
was jetzt du bist, das sage dir selbst!
Wunschmaid bist du nicht mehr;
Walküre bist du gewesen:
nun sei fortan, was so du noch bist!
Brünnhilde
Du verstössest mich? Versteh ich den Sinn?
Wotan
Nicht send ich dich mehr aus Walhall;
nicht weis ich dir mehr Helden zur Wal;
nicht führst du mehr Sieger
in meinen Saal:
bei der Götter trautem Mahle
das Trinkhorn nicht
reichst du traulich mir mehr;
nicht kos ich dir mehr den kindischen Mund;
von göttlicher Schar bist du geschieden,
ausgestossen aus der Ewigen Stamm;
gebrochen ist unser Bund;
aus meinem Angesicht bist du verbannt.
Die acht Walküren
Wehe! Weh! Schwester, ach Schwester!
Brünnhilde
Nimmst du mir alles, was einst du gabst?
Wotan
Der dich zwingt, wird dirs entziehn!
Hieher auf den Berg banne ich
dich;
in wehrlosen Schlaf schliess ich dich fest:
der Mann dann fange die Maid,
der am Wege sie findet und weckt.
Die acht Walküren
Halt ein, o Vater! halt ein den Fluch!
Soll die Maid verblühn und verbleichen dem Mann?
Hör unser Flehn! Schrecklicher Gott,
wende von ihr die schreiende Schmach!
Wie die Schwester träfe uns selber der Schimpf.
Wotan
Hörtet ihr nicht, was ich verhängt?
Aus eurer Schar
ist die treulose Schwester geschieden;
mit euch zu Ross durch die Lüfte nicht reitet sie länger;
die magdliche Blume verblüht der Maid;
ein Gatte gewinnt ihre weibliche Gunst;
dem herrischen Manne gehorcht sie fortan;
am Herde sitzt sie und spinnt,
aller Spottenden Ziel und Spiel.
Schreckt euch ihr Los? So flieht die Verlorne!
Weichet von ihr und haltet euch fern!
Wer von euch wagte, bei ihr zu weilen,
wer mir zum Trotz
zu der Traurigen hielt,
die Törin teilte ihr Los:
das künd ich der Kühnen an!
Fort jetzt von hier; meidet den Felsen!
Hurtig jagt mir von hinnen,
sonst erharrt Jammer euch hier!
Die acht Walküren
Weh! Weh!
Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.