Washington Irving
Bracebridge Hall oder die Charaktere
Der Maitag
eingestellt: 28.7.2007
Als ich diesen Morgen im Bett lag, mich jenes Zustandes zwischen Traum und Wachen erfreuend, der so angenehm auf dem Lande ist, wenn die Vögel um das Fenster singen und die Sonnenstrahlen durch die Vorhänge gucken, wurde ich durch den Klang einer Musik erweckt. Als ich die Treppen hinab ging, fand ich eine Anzahl Dorfbewohner in ihren Festkleidern, die eine mit Blumenkränzen und Bändern
geschmückte Stange trugen und unter Anführung des Schneiders, des blassen Burschen, der das Clarinett spielt, von den Dorfmusikanten begleitet waren. Sie trugen Alle Hagedornzweige, oder, wie man es nennt, »den Maien,« auf den Hüten, und hatten grüne Reiser und Blumen mitgebracht, um die Thüre und die Fenster der Halle damit zu schmücken. Sie waren gekommen, um anzuzeigen, daß der Maienbaum auf der Wiese errichtet werde, und die Hausgenossen
einzuladen, die Lustbarkeiten mit anzusehen. Wie gewöhnlich, ward nun die Halle ein Schauplatz geschäftigen Treibens und fröhlicher Verwirrung. Die Dienerschaft war Mai- und Musiktoll; und weder die Zungen noch die Füße der Mädchen, die sich schon im Voraus auf die Lustbarkeiten auf der Wiese und den Tanz am Abend freuten, waren mehr in Ordnung zu halten.
Ich ging schon frühzeitig nach dem Dorfe, um die Fröhlichkeit mit zu
genießen. Der Morgen war klar und sonnig, wie man einen Maimorgen immer beschreibt. Die Felder waren weiß von Schlüsselblumen, der Hagedorn war mit seinen duftenden Blüthen bedeckt, die Biene summte an jedem Hügel und die Schwalbe spielte hoch in der Luft um die Kirchthurmsspitze des Dorfes. Es war einer von den schönen Tagen, wo wir mit Wonne die Luft einathmen, die uns umgibt, und uns glücklich fühlen, wir wissen nicht, warum. Wer den Werth eines
würdigen Mannes jemals gefühlt, oder an einem liebenswürdigen Weibe innig gehangen hat, wird an einem solchen Tage das Andenken an sie gewiß zärtlich in sich erneuern, und sein Herz von längst begrabenen Erinnerungen neu belebt fühlen. »Denn zu dieser Zeit,« sagt der treffliche Roman vom König Arthur, »rufen die Liebenden die alte Zärtlichkeit und die alten Liebesdienste und manches freundliche Thun, das durch
Nachlässigkeit vergessen worden, wieder in das Gedächtniß zurück.«
Ich hatte das Dorf noch nicht erreicht, als ich schon den Maienbaum mit seinen bunten Kränzen und Bändern hoch über die Hütten emporragen sah, und den Klang der Musik hörte. Ich fand zum Empfange der Gesellschaft in der Nähe des Baumes Buden aufgeschlagen, und eine Laube von grünen Zweigen und Blumen war für die Maienkönigin, ein frisches,
rosenwangiges Mädchen aus dem Dorfe, auf das stattlichste ausgeschmückt.
Ein Haufe Mohrentänzer tummelte sich, in ihren phantastischen Kleidungen, mit Falkenschellen klingelnd, auf dem Rasen umher, mit einem Knaben als Jungfrau Mariane gekleidet, und dem Narren, der mit seiner Büchse rasselte, um von den Umstehenden Beiträge einzufordern. Auch die Zigeunerinnen trieben schon ihr geheimes Spiel in den Neben-Ecken des Dorfes, in den Händen der
einfältigen Bauernmädchen lesend, und ihnen allen wahrscheinlich gute Männer und Schaaren von Kindern versprechend.
Der Squire erschien während des Morgens, begleitet von dem Pfarrer, und wurde mit lautem Zuruf empfangen. Er mischte sich, den ganzen Tag über, unter die Landleute, Vergnügen gebend und empfangend, wohin er kam. Die Lustbarkeiten des Tages standen unter Slingsbys, des Schulmeisters Leitung, der nicht allein in der Schule
Zuchtmeister, sondern auch im Dorfe Ceremonienmeister ist. Mit der besorgten, ruhelosen Miene eines Mannes, welcher die schwere Last auf dem Herzen hat, für andrer Leute Unterhaltung herbeischaffen zu müssen, tummelte er sich umher. In Folge einer politischen Intrigue, bei welcher, beiläufig gesagt, Meister Simon und der Oxforder Student die Hand mit im Spiele hatten, und die sich auf die Wahl der Maienkönigin bezog. sah er sich in ein Dutzend Verlegenheiten verwickelt.
Er hatte sehr heftigen Widerstand bei einer Partei von Aletrinkern gefunden, die für eine dralle Schenkjungfer, die Tochter des Wirthes, stimmte; er hatte aber einen zu guten Rückhalt gehabt, um nicht seine Meinung durchzusetzen. Es geht daraus hervor, daß diese ländlichen Kronen, wie alle andere, Gegenstände lebhafter Bewerbungen und Kränkungen sind. Ich höre, daß Meister Simon, wenn gleich unter der Hand, doch einen großen Antheil an der
Wahl dieser Maienkönigin nimmt, und daß der Kranz gewöhnlich für eine der ländlichen Schönheiten bewahrt wird, die Gnade vor seinen Augen gefunden hat.
Im Laufe des Tages wurden mehrere Kraft- und Behendigkeits-Uebungen auf der Wiese vorgenommen, bei welchen ein Haufe von älteren Dorfbewohnern, als Kampfrichter, den Vorsitz führte. Unter diesen stand, wie ich sah, Hans Baargeld oben an, mit einem gelehrten und kritischen Auge die
Verdienste der verschiedenen Bewerber abwägend; und ob er gleich sehr lakonisch war und sich zuweilen nur durch ein Kopfnicken verrieth, so war es doch klar, daß seine Ansicht die der Redseligsten bei weitem überwog.
Der junge Hans Tibbets war der Held des Tages und trug die meisten Preise davon, obgleich er bei den Behendigkeits-Uebungen zuweilen von dem »verlornen Sohne« fast übertroffen wurde, der bei dieser Gelegenheit sehr in seinem
Elemente zu sein schien; aber sein gefährlichster Nebenbuhler war der berüchtigte Zigeuner, der furchtbare »Sternlicht-Thomas.« Ich freute mich, Gelegenheit gefunden zu haben, diesen »Liebling des Mondes« bei hellem Tageslicht beschauen zu können. Ich fand, daß er ein großer, schwärzlicher, gut aussehender Mann war, mit einer stolzen Miene, wie ich sie zuweilen bei indianischen Häuptlingen gesehen; und mit einer gewissen
nachlässigen, leichten und beinahe angenehmen Haltung, welche ich sehr oft an Leuten des Lazaroni-Stammes bemerkt habe, die ein müßiges, herumtreibendes Leben führen und eine vornehme Abneigung gegen alle Arbeit zeigen.
Meister Simon und der alte General recognoscirten zusammen die Gegend und erlaubten sich manchen unschuldigen Scherz mit den flinken Landmädchen. Meister Simon küßte manche von ihnen, wenn sie ihm in den Weg kamen, und
fragte nach ihren Schwestern, denn er ist mit den meisten Pächterfamilien bekannt. Zuweilen flüsterte er ihnen auch etwas zu, und that, als ob er ihnen schelmische Dinge sage, und wenn man ihn damit aufzog, wies er es mit Lachen zurück, obgleich es klar war, daß er gern für einen lustigen Lothario unter ihnen angesehen sein wollte.
Mit den Pächtern hatte er viel über ihre Pachtungen zu sprechen, und schien alle ihre Pferde beim Namen zu
kennen. Ein alter Mann, mit einem runden, rothen Gesichte und einer Nachtmütze unter seinem Hute, der Spaßmacher des Dorfes, nahm mehrere Male Gelegenheit, etwas Scherzhaftes an ihn zu richten, während seine Gefährten es hörten, zu denen er sich dann hinwandte und ihnen zunickte, wenn Meister Simon weggegangen war.
Ein Mal wäre indessen die Harmonie des Tages beinahe unterbrochen worden, indem der Radikale, mit zwei oder drei seiner Schüler,
auf dem Platze erschien. Er predigte bald mitten im Gedränge, aus dem ich seine Stimme hören und dann und wann seine dürre Hand eine halbe Meile aus dem Aermel hervorragen sehen konnte, indem er sie mit heftiger Geberde in die Luft erhob, und statt des Schwertes ein Pamphlet schwang. Er zog gegen diese eitlen, unsinnigen Vergnügungen in Zeiten der öffentlichen Noth los, wo es Jedermanns Geschäft sei, an andere Dinge zu denken und traurig zu sein. Die ehrlichen
Dorflogiker konnten sich, zumal da seine Proselyten ihm beistanden, gegen ihn nicht halten, als, zu ihrer großen Freude, Meister Simon und der General auf dem Schlachtfelde eintrafen. Ich sah, daß Meister Simon sich gern weggemacht hätte, als er sich in der Nähe dieses Branders fand; aber der General war zu gut gesinnt, als daß er in seiner Gegenwart so etwas hätte reden lassen sollen, und dachte, ohne Zweifel, daß ein Blick und ein Wort von einem
Gentleman hinreichen würde, einem so schäbigen Redner den Mund zu schließen. Dieser aber kannte kein Ansehen der Person, sondern schien sich vielmehr darüber zu freuen, so bedeutende Gegner zu haben. Er sprach mit größerer Geläufigkeit als je, und überschüttete seine Zuhörer bald mit einer Rede über Auflagen, Armengelder und die Nationalschuld. Meister Simon versuchte, auf seine gewöhnliche ablenkende Art, womit er bei den
Dorfbewohnern immer sehr gut herausgeholfen hatte, die Sache leicht zu nehmen; allein der Radikale war einer der verzweifelten Gesellen, welche immer streng an Thatsachen festhalten; und so hatte er in der That zwei bis drei Pamphlets in der Tasche, um Alles, was er behauptete, durch gedruckte Belege zu beweisen. Auch der General fand sich bald in einen ernsthafteren Kampf verwickelt, als es seine Würde erlaubte, und sah aus, wie ein mächtiger holländischer Ostindienfahrer,
dem von einem kleinen Kaper gewaltig zugesetzt wird. Vergebens blies er sich auf, gab sich ein Ansehen, sprach hochtrabende Worte, und suchte durch die Vornehmheit seines Ausdrucks die Armuth der Sache heraus zu putzen; jeder Hieb des Radikalen machte ihn gleich einem Blasebalg pusten und schien eine Masse Wind aus ihm herauszupressen. Kurz, die zwei Würdigen von der Halle wurden gänzlich stumm gemacht, und dieß noch dazu in der Gegenwart mehrerer großer Bewunderer des
Meister Simon, welche ihn immer als untrüglich angesehen hatten. Ich weiß nicht, wie er und der General es angefangen haben würden, ihre Streitkräfte anständig aus dem Felde zu ziehen, wenn nicht angekündigt worden wäre, daß durch eine Pferdehalfter gelacht werden sollte, worauf der Radikale sich mit großer Verachtung zurückzog, und sobald er weg war, das Gespräch sich einstimmig gegen ihn wendete.
»Habt Ihr je
solch eine Menge albernes Zeugs gehört, General?« sagte Meister Simon. »Man kann mit so einem Kerl, wenn er einmal den verwünschten Cobbett im Kopfe hat, nichts reden.«
»Wahrhaftig, Herr!« sagte der General, indem er sich die Stirn wischte: »solche Kerle müßten alle aus dem Lande verwiesen werden.«
Den spätern Theil des Tages statteten die Damen von der Halle auf der Wiese einen Besuch ab. Die
schöne Julie erschien, auf den Arm ihres Geliebten gelehnt, und sah ungemein bleich und anziehend aus. Da sie im Dorfe, wo man sie von Kindheit an gekannt hat, sehr beliebt ist, und man von ihrem neulichen Unfalle sehr viel gesprochen hatte, verursachte ihr Anblick allgemeines Vergnügen, und einige alte Frauen aus dem Dorfe segneten ihr liebes Gesicht, als sie vorüberging.
Während sie umhergingen, sah ich den Schulmeister in angelegentlichster Unterredung
mit dem jungen Mädchen begriffen, das die Maienkönigin darstellte; er war augenscheinlich bemüht, sie zu irgend einem gewaltigen Unternehmen aufzumuntern. Endlich kam sie, als die Gesellschaft sich ihrer Laube näherte, hervor, schwankte aber bei jedem Schritt, bis sie den Fleck erreichte, wo die schöne Julie zwischen ihrem Geliebten und Lady Lillycraft stand. Die kleine Königin nahm dann den Blumenkranz vom Haupte und suchte ihn der auserkorenen Braut
aufzusetzen; allein Beider Verwirrung war so groß, daß der Kranz auf den Boden gefallen sein würde, hätte nicht der Offizier ihn aufgefangen und lachend auf die schöne Stirn seiner erröthenden Geliebten gesetzt. Es war etwas Reizendes in der Verlegenheit dieser zwei jungen Wesen, Beide so schön, und doch so verschieden in ihrer Schönheit. Meister Simon sagte mir nachher, die Maienkönigin habe einige Verse hersagen sollen. die der Schulmeister
für sie geschrieben hatte; sie habe aber weder so viel Verstand gehabt, sie zu fassen, noch so viel Gedächtniß, sie zu behalten. »Uebrigens,« fügte er hinzu, »radbrecht sie unsers Königs Englisch fürchterlich, unter uns gesagt, und so hat sie sehr klug daran gethan, den Mund zu halten und sich auf ihr hübsches Gesicht zu verlassen.«
Unter den übrigen Personen aus der Halle war auch Mistreß Hannah, der Lady
Lillycraft Kammerfrau, herangekommen; zu meiner Verwunderung war sie von dem alten Christy, dem Jäger, und von seinem Gespenst von Windhund begleitet; aber ich finde, daß sie sehr alte Bekannte sind, da wahrscheinlich die gleiche Richtung ihrer Gesinnungen sie einander nähert. Mistreß Hannah bewegte sich mit steifer Würde unter den Landleuten, die sich vor ihr mit größerer Scheu zurück zogen, als vor ihrer Gebieterin. Ihr Mund schien wie mit einem
Schlosse verwahrt, ausgenommen daß dann und wann das Wort »Kerle!« ihren Lippen entschlüpfte, wenn sie zufällig im Gedränge etwas gestoßen wurde.
Aber es gab noch ein Herz, das nicht in die Fröhlichkeit des Schauspiels mit einstimmte; dies war das der einfachen Phöbe Wilkins, der Nichte der Haushälterin. Das arme Mädchen hat seit einiger Zeit nicht aufgehört zu weinen und sich abzuhärmen, und das Alles der
hartnäckigen Kälte ihres Liebhabers wegen; nimmer ist wohl eine kleine Koketterie strenger bestraft worden. Sie erschien heute auf der Wiese, von einem schmucken Bedienten, ohne Livree, begleitet, und war offenbar entschlossen, den gefährlichen Versuch zu wagen, die Eifersucht ihres Liebhabers zu erregen. Sie trug ihre besten Kleider, nahm ein sehr fröhliches Wesen an, sprach laut und mädchenhaft und lachte, wenn über nichts zu lachen war. Es schlug jedoch,
trotz alles dieses anscheinenden leichten Sinnes, ein wundes, schwerbedrängtes Herz in des armen Geschöpfes Busen. Ihr Auge schweifte jeden Augenblick umher, ihren treulosen Liebhaber suchend, und ihre Wange erbleichte, und ihre erborgte Fröhlichkeit verschwand, als sie sah, daß er der kleinen Maienkönigin auf seine Weise den Hof machte.
Meine Aufmerksamkeit ward nun durch neuen Lärm und größeres Getümmel angezogen. Man hörte
Musik aus der Entfernung; man sah eine Fahne den Weg heraufkommen, vor welcher Musikanten hergingen, die eine Art Marsch spielten, und denen eine Menge rüstiger Bauernbursche, die Ritterschaft eines benachbarten, nebenbuhlerisch gesinnten Dorfes, folgte.
Sie hatten nicht sobald die Wiese erreicht, als sie die Helden des Tages zu einer neuen Anstrengung ihrer Kräfte und Behendigkeit herausforderten. Mehrere Kämpfe erfolgten zur Ehre beider Dörfer. Bei einer
dieser Uebungen entspann sich ein sehr hartnäckiger Ringkampf zwischen dem jungen Tibbets und dem Anführer der Gegenpartei. Sie zogen und reckten und keuchten, ohne daß Einer Sieger werden konnte, bis endlich Beide zu Boden kamen und auf den Rasen rollten. Gerade jetzt kam die trostlose Phöbe herbei. Sie sah ihren abtrünnigen Liebhaber in einem heftigen Kampfe, wie sie dachte, und in Gefahr. In einem Augenblick waren Stolz, beleidigtes Gefühl und Koketterie
vergessen: sie stürzte in den Kreis, ergriff den nebenbuhlerischen Kämpen bei dem Haar und war im Begriff, ihre ohnmächtige Rache an ihm auszulassen, als eine dralle, rüstige Bauerndirne, die Geliebte des darniederliegenden Burschen, wie ein Falk auf sie herabstieß, und in einem Augenblick ihr schönes Gefieder ihr ausgerupft haben würde, hätte man nicht auch sie wiederum ergriffen.
Ein förmlicher Aufruhr folgte. Die Ritterschaft
der beiden Dörfer wurde handgemein. Schläge wurden ausgetheilt und Stöcke geschwungen. Phöbe wurde in Krämpfen vom Kampfplatze getragen. Vergebens strebten die Weisen des Dorfes zu vermitteln. Der spruchreiche Apotheker suchte das besänftigende Oel seiner Philosophie auf dieses stürmische Meer der Leidenschaften zu gießen, ward aber in den Staub getreten. Slingsby, der Pädagog, der ein großer Freund der Ruhe ist, begab sich, als Marschall
des Festes, mitten in das Gedränge, um dem Aufruhr ein Ende zu machen, er wurde aber zerzaust und kam, mit seinem Kleid, das in zwei Fetzen von seinen Schultern hing, heraus, worauf der verlorene Sohn mit Wuth in die Menge stürzte, um die von seinem Beschützer erlittene Beleidigung zu rächen. Das Gedränge ward dichter; zuweilen sah ich die Reitkappe des alten Christy, wie den Helm eines Anführers, mitten im Gewühl auftauchen, während Mistreß
Hannah, von ihrem tapfern Vertheidiger getrennt, schrie, und rechts und links mit einem verschossenen Sonnenschirm darein schlug, von der Menge in einer Weise gestoßen und umhergezaust, wie es wohl noch nie einer jungfräulichen Kammerfrau begegnet sein mag.
Endlich sah ich den alten Hans Baargeld sich einen Weg in das dichteste Gedränge bahnen; indem er dasselbe, wie es schien, aus einander sprengte und vi et armis Frieden erzwang. Es war
überraschend zu sehen, wie auf einmal Ruhe ward. Der Sturm schien sich plötzlich gelegt zu haben. Die Parteien, welche keinen eigentlichen Grund zu Feindseligkeiten hatten, waren leicht besänftigt, und wußten in der That selbst nicht recht, wie und warum sie einander in die Haare gerathen waren. Slingsby wurde schnell von seinem Freunde, dem Schneider, wieder zusammengenäht, und überließ sich seiner gewöhnlichen guten Laune von neuem. Mistreß
Hannah trat auf die Seite, um ihre zerknickten Federn wieder in Ordnung zu bringen; und der alte Christy, nachdem er ebenfalls seine Schäden ausgebessert hatte, nahm sie unter den Arm, und sie zogen wieder nach der Halle, zehnmal mehr gegen das Menschengeschlecht erbittert, als jemals.
Die Familie der Tibbets allein schien sich langsam von der Bewegung dieses Auftrittes zu erholen. Der junge Hans war durch den Heldenmuth der unglücklichen Phöbe offenbar sehr
bewegt. Seine Mutter, welche die Nachricht von dem Handgemenge auf den Kampfplatz gelockt hatte, war in großer Angst, und hatte ihre ganze Klugheit nöthig, ihn abzuhalten, seiner Geliebten zu folgen und es zu einer völligen Versöhnung kommen zu lassen.
Was die Unruhe und Verlegenheit der guten vermittelnden Frau vermehrte, war, daß die Sache sogar des alten Baargelds langsame Fassungskraft erregt hatte, welcher durch die unerschrockene Einmischung
eines so niedlichen, zarten Mädchens in Erstaunen versetzt, durchaus nicht begriff, wie er sich die gewaltige Bewegung in seiner Familie erklären sollte.
Als alles dieß dem Squire zu Ohren kam, war er nicht wenig aufgebracht, daß sein Maienfest durch einen solchen Zank entweiht worden sei. Er befahl, daß Phöbe vor ihm erscheinen solle; allein das Mädchen war so erschreckt und niedergeschlagen, daß sie schluchzend und zitternd
herbeikam, und bei der ersten Frage, welche er an sie that, wieder in Krämpfe fiel. Lady Lillycraft, welche erfahren hatte, daß diesem Unglück eine Herzensangelegenheit zum Grunde liege, nahm das Mädchen sogleich in ihre Gunst und unter ihren Schutz, und versöhnte sie mit dem Squire. Dieß war der einzige Vorfall, welcher die Harmonie des Tages störte, wenn wir die Niederlage Meister Simons und des Generals durch den Radikalen ausnehmen. Im Ganzen hatte
also der Squire immer noch Ursache zufrieden zu sein, daß er sein Steckenpferd den ganzen Tag über ohne andere Störung hatte reiten können.
Der Leser, der mit der Sache bekannt ist, wird einsehen, daß dieß alles nur ein schwacher Schatten der einst so fröhlichen und phantastischen Gebräuche des Maies war. Die Landleute haben das eigentliche Gefühl für diese Gebräuche verloren, und sie sind ihnen beinahe so fremd
geworden, als den Bauern der Mancha die Rittergebräuche aus den Tagen des tapfern Don Quixote. In der That, ich halte es für einen Beweis von der Einsicht, womit der Squire sein Steckenpferd reitet, daß er die Sache nicht weiter getrieben hat, und es nicht versuchte, mehrere veraltete Gebräuche des Tages wieder hervorzurufen, welche in den jetzigen praktischen Zeiten geziert und unsinnig erscheinen würden.. Ich muß sagen, obgleich ich es nur sub rosa
thue, daß der allgemeine Zank, welcher dieses Fest beinahe beschlossen hätte, in mir Zweifel erregt hat, ob diese ländlichen Gebräuche immer so friedlich und unschuldig waren, wie wir sie uns zu denken pflegen, und ob die Landleute in jenen Tagen wirklich so arkadisch waren, wie man sie uns dargestellt hat. Ich fange an zu fürchten –
– Die Tage waren nie; nur luftge Träume, Sie saßen zu dem Bild; des Dichters Hand Gab leeren Schatten Körper und Gestalt, Und setzte einen heitern Wahn für Wahrheit. Es sei; doch muß ich stets die Zeit beneiden, Die solchen Traum begünstigte. |
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