Frei Lesen: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch

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Kapitelübersicht

Die Reise | Befehlshaberschaft der Alhambra | Das Innere der Alhambra | Der Thurm der Comares | Gedanken über die maurische Herrschaft in Spanien | Die Haushaltung | Der Flüchtling | Des Verfassers Gemach | Die Alhambra im Mondlichte | Bewohner der Alhambra | Der Löwenhof | Boabdil el Chico | Erinnerungen an Boabdil | Der Balcon | Das Abentheuer des Maurers | Ein Spaziergang auf die Hügel | Örtliche Sagen | Das Haus des Wetterhahns | Sage von dem arabischen Astrologen | Der Thurm der Prinzessinnen | Sage von den drei schönen Prinzessinnen | Besucher der Alhambra | Sage vom Prinzen Ahmed al Kamel, oder der Liebespilger | Sage von des Mauren Vermächtniß | Sage von der Rose der Alhambra, oder der Page und der Geierfalke | Der Veteran | Sage von dem Statthalter und dem Notar | Statthalter Manco und der Soldat | Sage von den zwei verschwiegenen Statüen | Muhamed Abu Alahmar | Yusef Abul Hagig |

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Washington Irving

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch

Yusef Abul Hagig

eingestellt: 28.6.2007





Unter des Statthalters Wohnung in der Alhambra ist die königliche Moschee, wo die maurischen Monarchen ihre Andacht im Stillen verrichteten. Obgleich sie als katholische Kirche geweiht ist, hat sie doch noch Spuren ihres moslemitischen Ursprungs; die sarazenischen Säulen mit ihren vergoldeten Kapitälern, und die vergitterte Galerie für die Frauen sind noch zu sehen, und die Wappen der maurischen Könige sind auf den Mauern mit denen der kastilianischen Monarchen vermischt.

An diesem heiligen Ort starb der berühmte Yusef Abul Hagig, der hochherzige Fürst, welcher die Alhambra ausbaute, und der wegen seiner Tugenden und Talenten fast gleichen Ruhm verdient, wie ihr edler Gründer. Mit Freuden entreiße ich dem Dunkel, in welchem er allzu lange geblieben ist, den Namen eines zweiten dieser Fürsten, eines verschwundenen und fast vergessenen Geschlechts, welcher in Zierlichkeit und Glanz in Andalusien herrschte, während ganz Europa vergleichungsweise in Barbarei versunken war.

Yusef Abul Hagig (oder, wie es zuweilen geschrieben wird, Haris) bestieg im Jahr 1333 den Thron von Granada, und seine persönliche Erscheinung und seine geistigen Eigenschaften waren der Art, daß er sich Aller Herzen gewann, und eine gütige und segenreiche Regierung versprach. Er hatte ein edles Aeußere, körperliche Kraft, mit männlicher Schönheit gepaart; seine Gesichtsfarbe war ungemein schön, und er erhöhte, den arabischen Geschichtschreibern zufolge, die Würde und Majestät seiner Erscheinung dadurch, daß er seinen Bart in einer bedeutenden Länge wachsen ließ, und ihn schwarz färbte. Er hatte ein treffliches mit Schätzen des Wissens und der Gelehrsamkeit ausgerüstetes Gedächtniß; er war lebendigen Geistes, galt für den besten Dichter seiner Zeit und war anmuthig, zugänglich und fein in seinem Benehmen. Yusef besaß den, allen edlen Geistern gemeinschaftlichen Muth; aber sein Geist war mehr für den Frieden als für den Krieg gebildet, und er war bei den wiederholten Gelegenheiten, wo er zu den Waffen greifen mußte, gewöhnlich unglücklich. Er nahm die Milde seines Charakters mit in das Kriegsleben hinüber, verbot alle muthwillige Grausamkeit, und befahl den Frauen und Kindern, den Bejahrten und Kranken, und allen Mönchen und Personen eines frommen und abgezogenen Lebens Gnade und Schutz angedeihen zu lassen. Unter andern unglücklichen Unternehmungen begann er auch, in Verbindung mit dem König von Marocco, einen Feldzug gegen die Könige von Castilien und Portugal, wurde aber in der denkwürdigen Schlacht von Salado geschlagen, – ein großer Unfall, welcher der Macht der Moslemin in Spanien beinahe den Todesstoß gegeben hätte.

Yusef erfreute sich nach dieser Niederlage eines langen Waffenstillstandes, während welcher Zeit er sich dem Unterricht seiner Unterthanen und der Verbesserung ihres geistigen Zustandes und ihrer Sitten weihte. Zu diesem Zweck errichtete er in allen Dörfern Schulen, und führte eine einfache und gleichförmige Methode der Erziehung ein; jeder Weiler, der aus mehr als zwölf Häusern bestand, mußte eine Moschee haben; die Mißbräuche und Unziemlichkeiten, welche sich in die Religionsfeier, die Feste und öffentlichen Vergnügungen des Volkes eingeschlichen hatten, verbot er streng. Er hatte ein wachsames Auge auf die Polizei der Stadt, stellte Nachtwächter und Streifwachen auf, und beaufsichtigte alle städtischen Angelegenheiten. Seine Aufmerksamkeit war auch auf die Vollendung der großen Bauwerke, welche seine Vorfahren begonnen hatten, und auf die Errichtung anderer nach seinen eignen Planen, gewendet. Die Alhambra, welche der gute Abu Alahmar gegründet hatte, wurde jetzt vollendet. Yusef ließ das schöne Thor der Gerechtigkeit bauen, welches den Haupteingang zur Veste bildet, und das er 1348 vollendete. Er schmückte auch viele Höfe und Säle des Palastes, wie die Inschriften an den Wänden beweisen, wo sein Namen öfter vorkömmt. Er baute endlich den edlen Alcazar oder die Citadelle von Malaga, unglücklicherweise jetzt eine bloße Masse zerbröckelter Trümmer, wahrscheinlich aber in ihrem Innern einst eben so zierlich und prachtvoll, wie die Alhambra.

Der Genius eines Fürsten drückt seiner Zeit seinen Charakter auf. Die Edlen Granadas ahmten Yusefs zierlichen und anmuthsvollen Geschmack nach, und füllten die Stadt Granada bald mit prachtvollen Palästen, deren Säle mit Mosaik gepflastert, die Wände und Decken mit Bildnerarbeit geziert und schön vergoldet, und mit himmelblau, roth und andern glänzenden Farben ausgemalt, oder mit Cedern und andern kostbaren Holzarten fein ausgelegt waren, wovon noch Spuren in ihrem ganzen Glanze aus dem Strudel der Jahrhunderte gerettet worden sind. Viele von den Häusern hatten Brunnen, welche Wasserstrahlen verspritzten, um die Luft zu kühlen und zu erfrischen. Sie hatten auch hohe Thürme von Holz oder Stein, seltsam verziert und geschmückt, und mit Metallplatten belegt, welche in der Sonne glänzten. Der Art war der zierliche und verfeinerte Geschmack in der Baukunst, der unter diesem eleganten Volke herrschte, so daß, um das schöne Gleichniß eines arabischen Schriftstellers zu gebrauchen: »Granada in Yusefs Tagen eine Silbervase war, gefüllt mit Smaragden und Hyazinthen.«

Eine Anecdote wird hinreichen, den Edelmuth dieses trefflichen Fürsten zu zeigen. Der lange Waffenstillstand, der auf die Schlacht von Salado gefolgt war, ging zu Ende, und alle Bemühungen Yusefs, ihn zu verlängern, war vergebens. Sein Todfeind, Alonzo X. von Kastilien, zog mit einer großen Macht ins Feld, und belagerte Gibraltar. Yusef griff widerstrebend zu den Waffen, und schickte Truppen zum Entsatz dieses Platzes, als er inmitten seiner Bekümmerniß die Nachricht erhielt, sein gefürchteter Feind sey plötzlich als ein Opfer der Pest gestorben. Statt Freude bei dieser Gelegenheit an den Tag zu legen, erinnerte Yusef an die glänzenden Eigenschaften des Verewigten, und war eines edeln Kummers voll. »Ach,« sagte er, »die Welt hat einen ihrer trefflichsten Fürsten verloren, einen Fürsten, der das Verdienst in dem Feind wie in dem Freund zu ehren wußte.«

Selbst die spanischen Geschichtschreiber enthalten Zeugnisse von seinem großmüthigen Charakter. Ihren Nachrichten zufolge theilten die maurischen Ritter das Gefühl ihres Königs, und legten Trauer wegen Alonzos Tod an. Selbst die von Gibraltar, die so eng umzingelt waren, beschlossen unter sich, als sie hörten, der feindliche Monarch liege todt in seinem Lager, daß keine feindselige Bewegung gegen die Christen gemacht werden solle. An dem Tage, an welchem das Lager abgebrochen ward, und das Heer, Alonzos Leiche tragend, abzog. kamen die Mauren in Schaaren von Gibraltar, und sahen stumm und betrübt auf den Trauerzug. Dieselbe Ehrfurcht vor dem Hingeschiedenen bewiesen alle maurischen Befehlshaber an den Grenzen; sie ließen das Trauergeleite, das die Leiche des christlichen Königs von Gibraltar nach Sevilla brachte, ruhig seines Weges ziehen1).

Yusef überlebte den Feind, den er so edel beweint hat, nicht lange. Im Jahre 1354, während er in der königlichen Moschee der Alhambra betete, stürzte plötzlich ein Wahnsinniger von hinten auf ihn, und stieß einen Dolch in seine Seite. Das Geschrei des Königs zog seine Wachen und Höflinge zu seinem Beistande herbei. Sie fanden ihn in seinem Blute schwimmen, und in Krämpfen. Er wurde in die königlichen Gemächer getragen, starb aber fast augenblicklich. Der Mörder wurde in Stücke gehauen, und seine Glieder öffentlich verbrannt, um das wüthende Volk zufrieden zu stellen.

Die Leiche des Königs wurde in einem kostbaren Grabmal von weißem Marmor beigesetzt, und eine lange Grabschrift in goldnen Buchstaben auf blauem Grund verewigte seine Tugenden. »Hier liegt ein König und Martyr, von erlauchtem Geschlecht, edel, gelehrt, und tugendhaft; berühmt wegen der Anmuth seiner Person und seiner Sitten, dessen Güte, Frömmigkeit und Wohlwollen in dem ganzen Königreiche Granada gepriesen wurde. Er war ein großer Fürst, ein berühmter Feldherr, ein scharfes Schwert der Moslemin, ein starker Fahnenträger unter den mächtigsten Monarchen,« u. s. w.

Die Moschee, welche einst von dem Sterberuf Yusefs widerhallte, steht noch, aber das Grabmal, auf welchem seine Tugenden verzeichnet waren, ist seit langer Zeit verschwunden. Sein Name bleibt in den Verzierungen der Alhambra eingeschrieben, und wird in steter Verbindung mit diesem berühmten Gebäude bleiben, das zu verschönern sein Stolz und seine Freude war.

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