Frei Lesen: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch

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Kapitelübersicht

Die Reise | Befehlshaberschaft der Alhambra | Das Innere der Alhambra | Der Thurm der Comares | Gedanken über die maurische Herrschaft in Spanien | Die Haushaltung | Der Flüchtling | Des Verfassers Gemach | Die Alhambra im Mondlichte | Bewohner der Alhambra | Der Löwenhof | Boabdil el Chico | Erinnerungen an Boabdil | Der Balcon | Das Abentheuer des Maurers | Ein Spaziergang auf die Hügel | Örtliche Sagen | Das Haus des Wetterhahns | Sage von dem arabischen Astrologen | Der Thurm der Prinzessinnen | Sage von den drei schönen Prinzessinnen | Besucher der Alhambra | Sage vom Prinzen Ahmed al Kamel, oder der Liebespilger | Sage von des Mauren Vermächtniß | Sage von der Rose der Alhambra, oder der Page und der Geierfalke | Der Veteran | Sage von dem Statthalter und dem Notar | Statthalter Manco und der Soldat | Sage von den zwei verschwiegenen Statüen | Muhamed Abu Alahmar | Yusef Abul Hagig |

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Washington Irving

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch

Die Haushaltung

eingestellt: 28.6.2007





Es ist Zeit, ein Bild von meiner häuslichen Einrichtung in dieser seltsamen Wohnung zu geben. Der königliche Palast der Alhambra ist der Sorgfalt einer guten alten jungfräulichen Dame, Donna Antonia Molina genannt, anvertraut, die jedoch, der spanischen Sitte zufolge, bei dem vertraulicheren Name Tia Antonia (Tante Antonia) gerufen wird. Sie hält die maurischen Säle und Gärten in Ordnung und zeigt sie den Fremden; zufolge dessen gesteht man ihr alle von Besuchern erlegten Nebengelder und den ganzen Ertrag der Gärten zu, ausgenommen, daß man erwartet, sie werde einen gelegentlichen Tribut von Früchten und Blumen an den Statthalter abgeben. Ihre Wohnung ist in einer Ecke des Palastes; und ihre Familie besteht aus einem Neffen und einer Nichte, den Kindern von zwei verschiedenen Brüdern. Der Neffe, Manuel Molina, ist ein junger Mann von gediegenem Werth und spanischer Gravität. Er hat in der Armee, sowohl in Spanien als in Westindien gedient; allein er studirt jetzt Medizin, in der Hoffnung, einstmal Arzt in der Festung zu werden, eine Stelle, die mindestens 150 Thaler des Jahres einträgt. Was die Nichte betrifft, so ist sie ein dickes, kleines, schwarzäugiges andalusisches Fräulein, Dolores genannt, die aber, wegen ihrer glänzenden Augen und ihrer fröhlichen Laune einen heiterern Namen verdient. Sie ist die erklärte Erbin aller Habe ihrer Tante, die in gewissen baufälligen Häusern in der Festung besteht und ein jährliches Einkommen von 150 Thaler abwirft. Ich war noch nicht lange in der Alhambra, als ich entdeckte, daß eine ruhige Liebschaft zwischen dem besonnenen Manuel und seiner strahlenäugigen Base vor sich ging und daß nichts fehlte, ihre Hände und ihre Erwartungen zu vereinigen, als das Doctor-Diplom und eine Dispensation vom Pabste, wegen ihrer Verwandtschaft.

Mit der guten Dame Antonia habe ich einen Vertrag gemacht, demzufolge sie mir Kost und Wohnung gibt, während die frohherzige kleine Dolores mein Zimmer in Ordnung hält und bei dem Essen die Stelle einer Dienerin vertritt. Ferner steht mir zu Befehl ein langer, stotternder, gelbhaariger Bursche, Pepe genannt, der im Garten arbeitet und gern Bedientenstelle vertreten möchte; darin aber war ihm Mateo Ximenes, der Sohn der Alhambra, zuvorgekommen. Dieser muntere und geschäftige Bursche hat es, ich weiß nicht wie, zu machen gewußt, daß er stets, seitdem ich ihm zuerst an dem äußern Thor der Festung begegnete, um mich hockte und sich in alle meine Plane verwob, bis er sich als meinen Kammerdiener, Cicerone, Führer, Wächter und historiographischen Knappen anstellte und festsetzte; ich bin auch genöthigt gewesen, dem Zustand seiner Garderobe nachzuhelfen, damit er seinen mannigfachen Dienstverrichtungen keine Schande mache, so daß er seinen alten grauen Mantel, wie die Schlange ihre Haut, abgelegt hat und jetzt in der Festung zu seinem unendlichen Vergnügen, und zum großen Staunen seiner Kameraden in einem schmuken andalusischen Hut und Jacke erscheint. Der Hauptfehler des ehrlichen Mateo ist eine übertriebene Aengstlichkeit, nützlich zu werden. Da er sich es bewußt ist, daß er sich in meinen Dienst eingeschlichen hat, und daß meine ruhigen und einfachen Gewohnheiten seine Lage zu einer Sinecure machen, so weiß er sich nicht zu rathen, um Mittel aufzufinden, sich für mein Bestes recht wichtig zu machen.

Ich bin gewissermaßen das Opfer seiner Dienstfertigkeit; ich kann meinen Fuß nicht über die Schwelle des Palastes setzen, um die Festung zu umgehen, so ist er an meiner Seite, um alles, was ich sehe, zu erklären; wenn ich es unternehme, in den umliegenden Hügeln umherzustreifen, so besteht er darauf, mich als Wache begleiten zu wollen, obgleich ich ihn stark in Verdacht habe, er möchte wohl der Länge seiner Beine mehr vertrauen, als der Stärke seines Armes, wenn ich angegriffen würde. Bei allem dem ist der arme Bursche doch zuweilen ein unterhaltender Gefährte; er ist einfachen Herzens von unendlich guter Laune und hat die Redseligkeit und Klatschhaftigkeit eines Dorfbarbiers; auch kennt er alle Fraubasen-Histörchen des Ortes und seiner Umgebungen; worauf er sich aber am meisten zu gut thut, ist sein Vorrath von örtlichen Kenntnissen, da er die wunderbarsten Geschichten zu erzählen weiß von jedem Thurm und Gewölbe und Thorweg der Festung, denen allen er den unbedingtesten Glauben schenkt.

Die meisten hörte er, seiner eignen Auskunft zu Folge, von seinem Grosvater, einem kleinen sagenreichen Schneider, welcher fast bis zu einem Alter von hundert Jahren lebte, während deren er nur zwei Wanderungen jenseits des Umkreises der Veste gemacht hatte. Seine Werkstätte war, während des größern Theils eines Jahrhunderts der Zusammenkunftsort eines Häufchens von ehrbaren Gevattern, welche halbe Nächte hier zubrachten und von vergangenen Dingen und den wundervollen Begebenheiten und den verborgenen Geheimnissen des Palastes plauderten. Das ganze Leben, Weben, Denken und Thun dieses kleinen historischen Schneiders war auf diese Art an die Mauern der Alhambra gebunden; innerhalb derselben war er geboren, hatte er gelebt, fand er sein Auskommen; innerhalb derselben starb und ward er begraben. Zum Glück für die Nachkommenschaft ist seine Sagen-Weisheit nicht mit ihm gestorben. Der wahrheitsliebende Mateo pflegte als ein kleiner Knabe den Erzählungen seines Grosvaters und der plauderhaften Gruppe, die sich um den Arbeitstisch versammelt hatte, aufmerksam zuzuhören und besitzt so einen Vorrath schätzbarer Kenntnisse über die Alhambra, welche man nicht in den Büchern findet und welche der Aufmerksamkeit jedes wißbegierigen Reisenden werth sind.

Dies sind die Personen, welche zu meinen häuslichen Bequemlichkeiten in der Alhambra beitragen, und es fragt sich, ob irgend ein Potentat, Moslem oder Christ, der mir in diesem Palaste voranging, mit größerer Treue bedient wurde oder einen heitrern Scepter führte.

Wenn ich am Morgen aufstehe, bringt mir Pepe, der stotternde Gärtnerbursche, einen Strauß frisch gepflückter Blumen, welche dann von der geschickten Hand der Dolores, die einen weiblichen Stolz in die Ausschmückung meines Zimmers setzt, in Vasen geordnet werden. Meine Mahlzeiten nehme ich zu mir, wo es die Laune will; zuweilen in einem der maurischen Säle, zuweilen unter den Arkaden des Löwenhofes, von Blumen und Brunnen umgeben; und wenn ich ausgehe, führt mich der eifrige Mateo zu den romantischsten Plätzchen des Gebirgs und in die köstlichen Lustörter der umliegenden Thäler, die ohne Ausnahme die Scenen irgend einer wundervollen Geschichte sind.

Obgleich ich den größeren Theil des Tages gern allein zubringe, begebe ich mich doch zuweilen an den Abenden in den kleinen häuslichen Kreis der Donna Antonia. Dieser versammelt sich gewöhnlich in einem alten maurischen Gemach, welches sowohl als Küche als auch als Gesellschaftssaal dient, indem man einen rohen Feuerheerd in einer Ecke anbrachte, dessen Rauch die Wände entfärbte und die alten Arabesken fast unsichtbar machte. Ein Fenster, mit einem Balkon, der das Thal des Darro übersieht, läßt den kühlen Abendwind herein; und hier nehme ich mein frugales Abendmahl, das aus Milch und Früchten besteht, ein und mische mich in die Unterhaltung der Familie. Die Spanier besitzen ein natürliches Talent oder, wie man es nennt, Mutterwitz, welcher sie zu verständigen und angenehmen Gesellschaftern macht, was auch ihr Stand und wie vernachlässigt auch ihre Erziehung seyn mag: dazu kömmt, daß sie nie pöbelhaft sind; die Natur hat sie mit einer angeborenen Würde des Geistes ausgestattet. Die gute Tia Antonia ist eine Frau von starkem und verständigem, obgleich ungebildeten Geiste; und die glüh-äugige Dolores hat, obgleich sie im ganzen Laufe ihres Lebens nicht über drei oder vier Bücher gelesen, ein einnehmendes Gemisch von Naivetät und gesundem Verstand und überrascht mich oft durch das Treffende ihrer kunstlosen Einfälle. Der Neffe unterhält uns häufig durch das Vorlesen irgend eines alten Lustspiels von Calderon oder Lope de Vega, wozu ihn augenscheinlich der Wunsch treibt, seine Base Dolores sowohl zu unterhalten, als ihrer Bildung ein wenig nachzuhelfen; obgleich das kleine Fräulein zu seiner großen Demüthigung gewöhnlich vor dem Ende des ersten Aktes einschläft.

Zuweilen erhält die Tia Antonia von ihren demuthvollen Freunden und Angehörigen, den Bewohnern des nahen Dorfes oder den Weibern der invaliden Soldaten, einen Besuch. Sie sehen mit großer Ehrerbietung zu ihr, als der Schirmerin des Palastes, empor und machen ihr den Hof, indem sie ihr die Neuigkeiten des Ortes oder die Gerüchte hinterbringen, die sie in Granada aufgelesen haben. Indem ich diesem Abendgeplauder lauschte, habe ich manche merkwürdige Thatsache erfahren, welche zur Erläuterung der Sitten des Volkes und den Eigenthümlichkeiten der Nachbarschaft dienen. Es sind dies einfache Einzelnheiten über einfache Freuden; die Natur des Ortes ist es allein, was ihnen Interesse und Wichtigkeit gibt. Ich betrete bezauberten Boden und bin von romantischen Bildern umgeben. Von meiner ersten Kindheit an, als ich an den Ufern des Hudson zuerst in die Blätter der alten spanischen Geschichte von den Kriegen von Granada mich vertiefte, war diese Stadt ein Gegenstand meiner wachen Träume und oft durchschritt ich im Geist die romantischen Hallen der Alhambra. Sieh da den Tagtraum nun verwirklicht! Doch kann ich meinen Sinnen kaum trauen und glauben, daß ich wirklich den Palast des Boabdil bewohne und von seinen Balkons auf das ritterliche Granada hinabschaue. Während ich durch diese orientalische Gemächer streife, und das Murmeln der Brunnen und den Gesang der Nachtigallen höre; während ich den Duft der Rosen einathme und den Einfluß des balsamischen Klimas fühle, bin ich fast versucht, mich in das Paradies Mohameds zu denken und in der dicken kleinen Dolores eine der stralen-äugigen Houris zu sehen, die bestimmt sind, das Glück der echten Gläubigen zu fördern.

< Gedanken über die maurische Herrschaft in Spanien
Der Flüchtling >



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