Frei Lesen: Die Leute aus dem Walde

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Kapitelübersicht

Die hohe Polizei nimmt ein Protokoll auf | Der Polizeischreiber Fiebiger setzt seinen Chef in Erstaunen; Julius ... | Julius Schminken macht sich nützlich; Robert Wolf macht die ... | Treffliche Beschreibung des Hauses in der Musikantengasse und des ... | Große Gesellschaft bei dem Bankier Wienand Mr. Warner aus New-Orleans ... | Expektoration des Autors über die Einsamkeit; Lebensläufe aus ... | Auf dem Observatorium des Sternsehers Heinrich Ulex; Fräulein Juliane ... | Herr Leon von Poppen wundert sich ganz ungemein | Die Sterne Eva Dornbluths; Was sie sagten, wie man ihnen folgte und ... | Die Sterne Friedrich Wolfs aus Poppenhagen; Ein Stein des Anstoßes ... | Das Hinterhaus von Nummer zwölf in der Musikantengasse erfährt eher ... | Julius Schminkert für immer! Schlaue Bemerkungen des Autors uber die ... | Blick über die Dächer Veränderte Aussichten und Ansichten | Von einem grünen Gartenflecke, einer weißen Marmorbildsäule, einem ... | Herr Leon von Pappen zeigt sich als guter Sohn und liebenswürdiger ... | Viel Schutt und Trümmer fallen auf Helene Wienands Gärtchen, sowie in ... | Unter dem Schutt und der Asche – unter den Trümmern! | Schreckliches Unglück des Fräuleins Aurora Pogge Der deklamierende ... | Glänzende Fäden in dunkelm Gewebe | Zeigt an dem Beispiel des Barons Leon von Poppen, wie leicht es ist, ... | Große Krisis in Nummer zwölf –; höchst tragisches Kapitel Der ... | Die Lebendigen wandeln in Unruhe; – der Tod guckt in das Buch | Es kommt Nachricht von den Wanderern Robert Wolf läßt sich naßregnen ... | Reden der Weisen und Guten Herr Leon von Pappen hält sich aber auch ... | Zwischen Himmel und Erde Stimmen aus der Nähe und aus der Ferne ... | Auf der alten Stelle Zum zweitenmal soll der Schüler die Lektion ... | Robert Wolf beweist, daß man auf den alten Fleck zurückkommen kann, ... | Der Baron Leon von Poppen steigt wieder herunter vom Observatorium ... | Zeigt, daß Leute, die aus dem Blick entschwinden, darum doch an der ... | Robert Wolf steht an einem Grabe und tritt an ein Sterbebett Konrad ... | Es wird ein neuer Hügel unter den drei Fichten aufgeworfen Konrad von ... | Ein Ritt vom Stillen Ozean zum Missouri Konrad von Faber hält ... | Robert beschleunigt seine Heimreise; der Autor begleitet ihn und ... | Juliane, Freifräulein von Poppen, setzt wieder einmal ihren Willen ... | Es gewinnt den Anschein, daß die Sterne auch ihren Willen durchsetzen ... | Die Sterne setzen ihren Willen durch, ihrem Willen befiehlt der ... |

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Wilhelm Raabe

Die Leute aus dem Walde

Expektoration des Autors über die Einsamkeit; Lebensläufe aus vergangenen Tagen werden erzählt

eingestellt: 5.7.2007



O Einsamkeit, du starke Göttin, der Königlich Großbritannische und Kurfürstlich Hannoversche Leibarzt Johann Georg Zimmermann hypochondrischen Angedenkens hat vier dicke Bände über deine Süßigkeiten und deine Schrecknisse geschrieben; ich werde das nicht tun. Eine starke Göttin nenne ich dich, o Einsamkeit, weil die Wirkungen deiner Macht grenzenlos sind im Guten wie im Bösen. Je nachdem du dem Menschen die lichtblaue oder die dunkelfarbige Seite deines Schleiers über die Augen hängst, führst du seine Seele in die stillsten Auen irdischen Friedens, irdischer Glückseligkeit, stürzest du sein Ich in die gräßlichste Nacht der Verzweiflung und des Wahnsinns. Du bist eine gewaltige Zauberin, Einsamkeit; Mutter der Kunst, der Weisheit und des Heldentums bist du und bevölkerst doch die Welt mit Gespenstern, Fratzen, mit allem Gaukelspiel der Hölle. Mutter bist du und doch eine Jungfrau: dem einen Maria die Allbeseligende, dem andern die eiserne Gestalt des Mittelalters, deren Arme zerfleischende Messer verbergen. Deine Arme breitest du aus: Kommet her zu mir alle, die ihr betrübt, mühselig und beladen seid, ich will euch eurer Last entledigen, ich will euch trösten! Deine Arme breitest du aus: Kommet her zu mir, ihr Verstockten, ihr Fanatiker, ihr Verbrecher, ihr Unglücklichen jeder Art; das Bittere soll bitterer werden, härter das Harte, schlechter das Schlechte, giftiger jedes Gift! – Im größten wie im kleinsten wirkst du, Einsamkeit; die Flammen der Sinnlichkeit löschst du und schürst du zum verzehrenden Brande; anders erscheinst du jeglichem Menschen: dem Alter auf andere Art als der Jugend, dem Weibe anders als dem Manne, der Jungfrau anders als der Mutter. Mir bist du bona Dea, o Einsamkeit, die gute Göttin des Lebens; ich bitte dich, sei auch eine gute Göttin allen denen, welche ihr Auge auf dieses Blatt werfen; ich bin ihnen gewogen, darum zeige ihnen deine holdeste Gunst und Kraft!

Dicht am Dorfe Poppenhagen im Winzelwalde liegt das adelige Gut, der Poppenhof, welchem das Privilegium nobilitatis beigelegt war und damit die Vogtei und Untergerichtsbarkeit. Danach konnten die jedesmaligen Delinquenten »in solchen Delictis, so nicht in die peinliche Halsgerichtsordnung laufen, nach Beschaffenheit der Umstände mit einer Geldbuße beleget, incarceriret, auch mit Anschließung an das Halseisen, so auf dem Hofe befindlich, bestraffet werden«.

Am vierzehnten April 1803 sollte diesem Privilegio gemäß das Halseisen der Witwe Ulex aus dem Dorfarmenhause umgelegt werden. Ihr Mann war, wie der Vater Robert Wolfs, Forstwart auf dem Eulenbruch gewesen und hatte als blutjunger Mensch die Annexionskriege des Alten Fritz mitgemacht. Als Unteroffizier des Regiments Pasewalk invalid entlassen, heiratete er, indem er das erste junge weibliche Wesen aufgriff, welches ihm bei seiner Rückkehr aus dem Garnisonsdienst am Eingange des Dorfes Poppenhagen entgegenlief. Aus dieser Zufallsehe entsproß Heinrich Ulex, der Sternseher.

Um das Jahr achtzehnhundertundeins starb der Forstwart an einer Wilddiebskugel, welche eine alte Wunde aus dem Bayrischen Erbfolgekriege von neuem aufriß, und die Witwe zog mit ihrem Jungen nach Poppenhagen hinab in das Siechenhaus. Sie war dem Trunk ergeben und nahm es nicht allzu genau mit dem Mein und Dein. In der Kunst, Hühner zu stehlen, hatte sie es zu einer wahren Virtuosität gebracht, und wir benutzen die Gelegenheit, unsern Leserinnen zuzuraunen, daß es nicht nur eine Kunst ist, Herzen, sondern auch eine Kunst, Hühner zu stehlen. Vergeblich suchte die fromme Wirtswitwe Fiebiger, die ebenfalls mit ihrem Sohne Fritz ihre letzten Jahre in dem Siechenhause hinbrachte, moralisch auf die Sünderin einzuwirken; das Unterfangen war zu gefährlich und trug höchstens einige Kratzwunden ein. Die Fiebigerin war aber so still und demütig, wie die Witwe des Forstwarts wild und rebellisch war; sie konnte daher am vierzehnten April 1803 nur in den Winkel kriechen und die schreckliche Aussetzung ihrer Mitgenossin im Hunger und Elend des Armenhauses mit vors Gesicht gehaltener Schürze bejammern.

So stand denn unter dem trüben Himmel des regenhaften Tages auf dem Gutshofe die Ulexin im Halseisen, während der Großvater Leons von Poppen, der Rittmeister außer Dienst Gotthelf von Poppen, mit der Tonpfeife im Fenster lag und das diebische Weib mit den greulichsten Flüchen und Schimpfwörtern überschüttete, während die Bauern, ihre Weiber und Kinder samt den Gutsknechten mit abgezogenen Hüten, wenn auch angstvoll, so doch sehr befriedigt gafften. Ein zerlumpter, verwahrlost blickender Knabe wurde neben dem Halseisen von einem etwas jüngern, wohlgekleideten Knaben geneckt und mißhandelt und suchte sich schreiend an dem Lumpenrocke des gefesselten, beschimpften Weibes zu halten. Der eine Junge war Heinrich Ulex, der Sohn der Hühnerdiebin, der andere war Theodor von Poppen, der Vater Leons. Zitternd, mit atemloser Bangnis sah Fritz Fiebiger von dem Düngerhaufen aus dem häßlichen Schauspiel zu, und dasselbe tat ein kränklich blickendes Mädchen von der Tür aus, die in den Gutsgarten führte. Juliane von Poppen hieß die Kleine; ihre Mutter war tot, ihr Vater kümmerte sich wenig um sie, er zog bei weitem seinen Sohn, der einige Jahre jünger als das Mädchen war, vor. Hübsch war die Kleine jedenfalls nicht zu nennen, sie war zu bleich dazu; aber sie war mitleidig und hatte jetzt Tränen in den großen schwarzen Augen. Es war ein für ihr Alter winziges, nervöses Ding, und als sich der heulende, zerlumpte Betteljunge vor der Gerte ihres Bruders von der Schürze der Frau im Halseisen in ihre eigene Nähe flüchtete, machte sie sich von der Hand der Bonne los und trat mit abwehrenden Armen und geballten Händen dem jugendlichen Tyrannen und Dynasten vom Poppenhof entgegen.

Der Rittmeister oben im Fenster lachte darüber aus vollem Halse; aber Junker Theodor schien nun die größte Lust zu haben, seinen Stock gegen die Schwester zu gebrauchen. Nur des Vaters ernstliches: »Laß die kleine Katze!« konnte seinem Zorn Halt gebieten, ohne ihm jedoch Einhalt zu tun. Seit den frühesten Kindertagen herrschte eine tiefe Abneigung zwischen den Geschwistern, was man leider viel häufiger findet, als man gewöhnlich annimmt.

In dem schwächlichen, magern Körper des Mädchens steckte eine starke, willenskräftige Seele, welche hielt, was sie erfaßt hatte, Kenntnisse, Zuneigung und Abneigung, Liebe und Haß. Juliane von Poppen ward von dem Tage, wo seine Mutter am Halseisen stand, die erklärte Beschützerin von Heinrich Ulex, und der arme Knabe hing ihr dagegen mit der Ergebenheit eines Hundes an. Sie nahm das ganze Armenhaus unter ihre besondere Protektion, aber vorzüglich, wie gesagt, den Sohn der Hühnerdiebin. Sie hatte noch öfters Gelegenheit, ihn gegen die Ungeschlachtheit des Vaters und die Roheit des Bruders zu schützen, und wenn es ihr auch nicht gelang, jedes Ungewitter von ihm abzuwenden, so konnte sie doch manchen Blitz und Donner unschädlich seitwärts lenken.

Es entstand allmählich zwischen dem Fräulein von Poppen und dem Sohn der diebischen Bettlerin ein eigentümliches Verhältnis. Das Mädchen hatte in der Gesellschaft ihres Vaters und Bruders traurige, freudenlose Tage hingebracht; jetzt fand sie zum ersten Male auf ihrem Lebenswege ein Wesen, welches ihr alles zuliebe tat, was sie nur irgend verlangen mochte. Unklare Gefühle, geschöpft aus einer Bibliothek sentimentaler Romane, dem einstigen Eigentum der verstorbenen Mutter, durchspukten das phantastische Köpfchen; die junge Chatelaine gebrauchte den erworbenen Einfluß, um den Knaben aus dem Armenhause an sich zu fesseln, wie eine kleine geistreiche Fee einen blöden, dickköpfigen, ehrlichen Kobold. Da gab es für Heinrich Ulex Aufträge der verschiedensten Art. Seltene Blumen mußten gesucht werden in den Wäldern und auf den Bergen; auf glänzende Steine, zierliche Moose, Vogeleier und Federn mußte Jagd gemacht werden zum phantastischen Schmuck des Zimmers des Fräuleins. Es verging kaum ein Tag, an welchem die Kinder nicht miteinander verkehrten in Wald und Feld oder hinter den Gartenhecken von Poppenhagen. Und niemand durfte etwas merken von der Vorliebe des Fräuleins für ihren Kobold als Fritz Fiebiger, der Sohn der Wirtswitwe. Er wurde von Zeit zu Zeit in allerlei wichtige Geheimnisse der beiden andern hineingezogen und ging dann und wann mit auf die Jagd nach Blumen, Steinen und Vogeleiern.

Juliane von Poppen, welche vor ihrem Vater sich fürchtete und ihren Bruder haßte, wurde in der Einsamkeit des Waldes, in der Gesellschaft der beiden Knaben zum fröhlichen, liebenswürdigen Kinde. Das altkluge Gesichtchen verlor die bleiche Farbe, der ernste Mund lernte allmählich das heitere Lachen, und die schwarzen Augen behielten ihren Glanz, aber nicht ihre scheue Unstetigkeit.

Es rauscht und plätschert manch ein Bach durch den Winzelwald, und der große Forst, im Jahre 1803 noch viel wilder und dunkler als heute, bot manch ein geheimnisvolles Versteck, ganz gemacht, daselbst Märchen zu erzählen und auf Märchen zu horchen. An einem solchen Fleckchen, wo die Waldvögel in die Lektion des Fräuleins vom Poppenhof hineinsangen, wo die Sonne zitternde Schattenbilder auf das Lesebuch im Schoß der kleinen eifrigen Lehrerin warf, lernten Heinrich Ulex und Fritz Fiebiger das Lesen und Schreiben. Hier füllte dem armen Heinrich das elfenhafte, phantastische Mädchen das Herz mit den Gestalten und Bildern ihrer eigenen Lektüre. Ritter und Damen, Tyrannen, Henker, schuldlose Opfer, unglückliche Verliebte, Totengerippe, Gespenster, Räuber, Riesen und Zwerge zogen vorüber; und in wonnigem Bangen lauschten die beiden Kinder geheimnisvollen Klängen in der Ferne, sahen Gestalten hinter den Stämmen in der Dämmerung des Waldes und drängten sich scheu aneinander vor den Geistern und Schauern, welche sie selbst beschworen hatten. Dem mit gefalteten Händen horchenden Heinrich war oft zumute, als werde die Lehrerin mit ihrem Waldblumenkranz und den blitzenden schwarzen Augen sich gleich selbst in solch ein verschwebendes Bild auflösen und im Waldschatten, Vogelsang und Rauschen der Wasser verschwinden.

Wie aber schreckten die Kinder auf, wenn ein Laut des wirklichen Lebens sie in ihrer Einsamkeit störte, wenn die Axt des Holzhauers in der Nähe erklang oder das Pfeifen des Hirten. Da schoß das eine hierhin ins Versteck, das andere dorthin. Und wenn dann gar der Rittmeister von Poppen mit seinen Hunden durch den Wald ritt, begegnete ihm wohl sein Töchterlein einsam auf einem verwachsenen Pfade oder trat ihm aus dem Dickicht entgegen und ließ sich, stumm die Augen niederschlagend, anschnauzen über solch albernes Umherstreifen; dem Knaben gewann sie dadurch Zeit, tiefer in die Wildnis zu flüchten.

Zwei Jahre hindurch dauerte dies Verhältnis, harmlos und unschuldig. In ihrer Einsamkeit waren Heinrich und Juliane wie die Erstgeborenen der Erde, als der Baum der Erkenntnis noch unberührt stand im Paradiese. »Sie schämten sich nicht«, wie das Buch der Erschaffung so unbeschreiblich lieblich sagt. Und so kamen sie, ohne es zu merken, der Grenze der Kindheit immer näher. Im Herbst des Jahres 1806 gelangte jedoch das süße Spiel der Einsamkeit zu einem plötzlichen jähen Ende, und der Sohn der Bettlerin und das adelige Fräulein erwachten wie aus einem hübschen Traume.

Am zwanzigsten September dieses Jahres, um die sechste Abendstunde, an einem düstern, nebligen Tage, warf ein armes Weiblein, welches im Gehölz in der Nähe des Poppenhofes Reisig für ihren Küchenherd gesammelt hatte, ihren Tragkorb mit hellem Aufkreischen weit von sich, schleuderte ihre schweren Holzschuhe von den Füßen, um schneller laufen zu können, und stürzte halb sinnlos vor Angst und Schrecken dem Dorfe Poppenhagen zu. Das Weiblein hatte ein Gespenst gesehen. Unter den Tannen war eine lange, hagere, schwarze Gestalt, stocksteif aufgerichtet, langsam und unhörbar durch die Nebeldämmerung grade auf die Holzleserin zugeschritten. Diese unheimliche Gestalt, dieses Gespenst war die Gouvernante, welche auf dem Poppenhofe angekommen war, um dem gnädigen Fräulein den Ton und die Wissenschaft der schönen Welt beizubringen.

Mademoiselle Amalie Schnubbes Blütezeit war noch in die Blütezeit der Sentimentalität gefallen; aber diese Epoche lag weit zurück, und – sauer gewordene Mandelmilch ist ein sehr unangenehmes Getränk!

Mademoiselle Schnubbe nahm ihre Aufgabe sehr ernst, und ihre kalte, knöcherne Hand zerknickte erbarmungslos die wenigen Blumen, mit welchen die arme Juliane ihr einsames, verlassenes Kinderleben schmücken konnte, eine nach der andern, würdevoll, methodisch und vornehm. Freilich versuchte das Mädchen anfangs gegen die Lehren und Pflichten des bon ton sich aufzulehnen; aber ihre Kräfte erlahmten fürs erste bald, wenn das Joch auch kein dauerndes sein konnte. In dem Eishauch, mit welchem die winterliche Amalie ihre Schülerin umgab, versank das Frühlingsleben, welches die Natur in dieses junge Wesen gelegt hatte, in eine Art Winterschlaf. Die schreckliche Amalie besaß das Talent, unpassende Verhältnisse auszuspüren und zu Ende zu bringen, in einem erstaunlichen Grade. Sie spürte auch das Waldmärchen aus, welches zwischen Heinrich, Fritz und Juliane gespielt hatte, und verfehlte nicht, pflichtgemäß den gestrengen Papa davon in Kenntnis zu setzen. In einen wahren Wutanfall gerieten die beiden Poppen, Vater und Sohn, darüber; die Heftigkeit ihres Zornes übertraf jede Schilderung, welche davon gemacht werden könnte. Zum Glück für Heinrich Ulex und Fritz Fiebiger marschierten um diese Zeit die Franzosen in Deutschland ein, und das Heilige Römische Reich, in welchem schon so lange der Schwamm gesessen hatte, stürzte mit Gekrach zusammen vor dem Fußtritt des fremden Eroberers. In dem Wirrwarr, dem Kopfunterkopfüber, welche die Folgen der Schlacht bei Jena waren, konnten sich Heinrich und Fritz leichter aus dem Staube machen und der kleinherrlichen Willkür und Roheit sich entziehen, als es bei ruhigeren Zeitläufen möglich gewesen wäre. Sie nahmen kläglichen Abschied von ihren Müttern und gingen davon mit den winzigsten Bündeln, die sich vorstellen lassen. Die beiden Mütter hatten noch viel zu dulden, bis sich der Himmel ihrer erbarmte und sie beide am Hungertyphus der deutschen Kriegs- und Lehrjahre zu sich nahm. Sie wurden auf Kosten der Gemeinde, wie es ihnen zukam, im Winkel begraben, und als nach Jahren ihre Söhne die Gräber suchten, wußte niemand mehr ihre Stelle anzugeben.

Es fand auch eine letzte Zusammenkunft zwischen Juliane und Heinrich Ulex statt, und das Fräulein von Poppen gab dem Jugendgespielen zum Gedenkzeichen an die glücklichste Zeit ihres Lebens ein Medaillon, in welchem sich Haare ihrer seligen Mutter und eine kleine Locke von der eigenen Schläfe befanden. Als die drei wieder zusammentrafen, wie war da alles anders geworden in der Welt, wie war so manche Schwungfeder im Flügel der Seele geknickt; wie waren ihre Seelen matt vom Flug über die Welt, wie waren sie bedeckt mit dem Staub aus den Gassen und von den Märkten des Lebens!

Der November des blutigen Jahres 1806 fand Heinrich Ulex und Fritz Fiebiger ohne Kenntnis der Welt, ohne Hilfsmittel, ohne Zweck, freundlos und verlassen auf der Heerstraße, welche von fremden Truppenzügen, Zügen von Gefangenen, Marodeurs und abenteuerndem Gesindel wimmelte. Die Fährlichkeiten waren groß; aber noch größer war doch das Glück der Jünglinge. Ein dunkler Trieb zog sie der Hauptstadt zu, und nach mancherlei Schicksalen langten sie vor den Toren an in einer Equipage des Kaisers Napoleon, nämlich auf einem Bagagewagen der großen Armee. Eine Zeitlang bettelten und arbeiteten sie nach Gelegenheit, grade so heimatlos wie das ganze deutsche Volk, in den Gassen; dann liefen sie einem Mann vor die Füße, welcher fast noch übler daran war als sie. Dieser Mann war ein untergeordneter Beamter der Polizei, namens Meiners, welchen der Sturm der Zeit von seinem ziemlich bequemen Sitz im Staatsorganismus Friedrichs des Großen heruntergehoben und unsanft auf den harten, nackten Erdboden niedergesetzt hatte. Der Sekretarius hatte mit weinenden Augen den roten Kragen von dem preußischen blauen Rock trennen müssen; erst hatte er die Berlocken von der Uhr verkauft und dann die Uhr selbst. Ein wohlbehäbiges Bäuchlein, welches er vor der Katastrophe von Jena besaß, schaffte er gleichfalls allmählich ab; seine Frau war kränklich, und sein einziger Sohn hatte vorläufig die gelehrten Bücher in den Winkel geworfen und die Philologie an den Nagel gehängt, um seine Eltern kräftiger unterstützen zu können. Meiners, der Exbeamte, arbeitete in dem Bureau eines Advokaten, und in demselben Bureau fand Fritz Fiebiger eine Stelle als Ausläufer. Rudolf Meiners hatte eine Stelle bei einem Buchhändler angenommen und ebendaselbst einen Platz für Heinrich Ulex ausgemacht. Nichts führt die Menschen mehr zusammen, als wenn sie in ihnen ungewohnte Zustände geworfen werden, nichts versteht ein Gleichmachen besser als dira necessitas, die harte Notwendigkeit. Um seinem Berufe nicht ganz untreu zu werden, unterrichtete der frühere Philologe Rudolf die beiden Jünglinge Fritz und Heinrich. Aber nicht bloß Latein trieben die jungen Männer miteinander. Während die französischen Trommeln durch die Straßen wirbelten, saßen sie und forschten, wie es gekommen sei, daß diese fremden Trommeln so laut werden durften im Vaterlande. Der bleiche, schwächliche Rudolf war ein begeisterter Lehrer, wenn er vom Auf- und Untergang der Völker, ihren großen Helden, Weisen, Dichtern und Verbrechern redete; er hatte aber auch begeisterte Zuhörer, und vorzüglich der stille Heinrich Ulex trat ihm immer näher. So gingen die schweren Jahre hin, immer stolzer, höhnischer wirbelten die fremden Trommeln; immer eifriger dachten die drei Jünglinge darüber nach, was zu tun sei, diese frechen, gehaßten Klänge zum Schweigen zu bringen. Sie waren viel früher darüber im klaren, als die Zeit, Gedachtes zu Taten zu machen, kommen wollte; aber während des Wartens erwarb Heinrich Ulex mit Hilfe Rudolfs eine tüchtige Bildung. Sein Beruf zum Gelehrten trat immer deutlicher hervor. Er vermochte es, mit Rudolf Meiners ruhig zu sitzen und zu studieren, während andere haßerfüllte junge Seelen den schleichenden Tagen voranstürmten in die Zukunft und sich in qualvoller Ungeduld fast verzehrten. Nicht weniger als die andern jedoch jauchzten Rudolf und Heinrich, als endlich die im verborgenen geschmiedeten und geschliffenen Klingen ins Sonnenlicht hinausfahren durften.

Es war eine große Stille gewesen, und es ward ein großer Sturm.

Auf einem der ersten Fuhrwerke in der langen, mit freiwilligen Kämpfern besetzten Wagenreihe, welche der nicht ohne einigen Grund bedenkliche König Friedrich Wilhelm der Dritte von den Fenstern des Schlosses zu Breslau aus ankommen sah, befanden sich Rudolf Meiners, Heinrich Ulex und Fritz Fiebiger.

Im Tempo maestoso ging jetzt die Weltgeschichte ihren Gang, und die drei Freunde taten nach Kräften das Ihrige dazu, daß sie nicht wieder ins Stocken gerate. Bei Leipzig knieten die hohen Alliierten in ihren weißen Kaschmirbeinkleidern nieder und dankten Gott, daß das Geknalle, Hurrageschrei, Wut- und Wehegeheul nun endlich einmal ein Ende habe. Das erboste Schicksal legte den großen Kaiser Napoleon übers Knie und bearbeitete ihm nach Kräften einen unnennbaren Körperteil, während die Allerhöchsten Herrschaften der Heiligen Allianz samt ihren Diplomaten von ferne zusahen und der Lehre das entnahmen, was – sie gebrauchen konnten.

Manch ein weites Feld durch ganz Europa hatte der Krieg viel besser gedüngt, als die rationellste Landwirtschaftslehre es vermocht hätte. Die Walküren machten sich mit dem Gedanken vertraut, sich pensionieren zu lassen; denn ihr Dienst, die Seelen der Gefallenen von den Walstätten abzuholen, war zu angreifend geworden.

Rudolf, Heinrich und Fritz fochten bis zum Ende mit; aber zu Paris starb Rudolf Meiners in den Armen Heinrichs. Ein Blutsturz, die Folge der übermäßigen Anstrengungen des Feldzuges, endigte sein junges Leben; er starb mit leuchtenden Augen; denn die deutsche Trommel wirbelte jetzt durch die französische Hauptstadt: die Schmach des Vaterlandes war gesühnt. Er konnte ruhig gehen.

Mit den überlebenden Siegern kehrten Heinrich und Fritz heim. Der erstere brachte den Eltern Rudolfs die letzten Grüße des Sohnes und eine Locke seines Haupthaares; es war ein traurig-stolzes Wiedersehen. Man hat nichts umsonst in der Welt.

Unter den veränderten politischen Umständen hatte der alte Meiners natürlich seine Stelle wiedererhalten und trug wiederum den roten Kragen auf dem blauen Rock; aber er war ein gebrochener Mann, saß am liebsten mit seiner weinenden Alten im Winkel und ließ sich durch Heinrich Ulex immer von neuem von dem toten, tapfern, gelehrten Sohn erzählen. Zuletzt trat Heinrich in diesem trauernden Hause fast ganz in die Stelle, die Rudolf eingenommen hatte. Er wohnte in dessen Stube, er benutzte dessen Bücher – die Alten konnten seine Gegenwart zu ihrem Dasein nicht mehr entbehren.

Dem Unteroffizier der Freiwilligen Fiebiger verschaffte der Kommissär Meiners dagegen eine Stelle bei seiner Behörde, und so wurden beide Kinder des Winzelwaldes in Stellungen hineingeführt, von welchen ihnen an ihren Wiegen nichts gesungen worden war.

Der zweite Pariser Friede war geschlossen worden; man richtete sich aufs neue »auf alle Ewigkeit« in dem zertrampelten, blutbespritzten Europa ein. Über die Blutflecke fuhren die Kongreß-Herren mit ihren Pinseln voll blauer, grüner, gelber Farbe, zeichneten Grenzen und teilten Nationen im Namen der Einen und unteilbaren Dreieinigkeit und forderten die Völker auf, demütig Gott zu preisen und ihm Lob zu singen. Sie selbst freilich priesen nur ihre eigene Schlauheit und Gewandtheit; Gott aber sah, daß nicht alles gut war.

Heinrich Ulex besuchte jetzt die Universität, welche in der Hauptstadt selbst gegründet worden war. Fritz Fiebiger erhielt bald die Stelle, in der wir ihn zu Anfang dieser Erzählung noch gefunden haben. Er ward darin nicht ein stiller, nach den Sternen sehender Weiser, wie Ulex, wohl aber der kaustische, humoristische Betrachter und Beobachter menschlicher Zustände, den wir bereits etwas kennen gelernt haben, Ein Bureaukrat,wie ihn die Welt haßt, verspottet und fürchtet, war er nicht. Keiner seiner Vorgesetzten, selbst Tröster, der Polizeirat, nicht, hielt ihn für das Ideal eines Beamten. Es verstanden ihn wenig Leute; aber noch weniger Leute verstanden Heinrich Ulex den Sternseher und – Juliane Freifräulein von Poppen.

Das Fräulein war ihres eigenen Weges gegangen, bis sie mit den alten Jugendgenossen wieder in Verbindung trat. Mamsell Amalie Schnubbe hatte ihr Bestes getan, den frischen Geist auf das gewöhnliche Niveau gesellschaftlicher Liebenswürdigkeit herabzudrücken. Es war ihr nicht gelungen; und diese tyrannische Herrschaft hatte auch nur ihre Zeit und wurde von dem beherrschten Fräulein abgeworfen bei der ersten günstigen Gelegenheit. Über den Poppenhof kamen mit der Schlacht bei Jena schwere Tage. Der alte Dragonerrittmeister war wie vor den Kopf geschlagen über dies schmähliche Ende der preußischen Heeresglorie. Immer war er grobkörnigstolz auf den eigenen Zopf und den der Armee, welcher er angehört hatte, gewesen, und der Gedanke, daß ein schlauer Feind das »erste Kriegsheer der Welt« bei diesem selbigen Zopfe nehmen könne, war ihm nimmer gekommen. Ostwärts zu den Polacken und Russen begab sich die Armee Friedrichs des Großen auf die große Retirade und ließ den Herrn von Poppen auf dem Poppenhofe unter den feindlichen Fouragierern und Marodeuren ratlos zurück. Er wurde sehr liebenswürdig gegen seine Bauern, er war sehr höflich, ungemein höflich, fast zu höflich gegen die Fouragierer und Nachzügler. Vollständig zog er sein altes Wesen ab; aber er warf es nicht fort, sondern hing es sorgsam zu seiner alten Uniform in den Kleiderschrank, um es in bessern Zeiten wieder hervorzuholen. Sein Sohn Theodor ahmte dem Vater so gut wie möglich nach und saß still zu Hause bis zum zweiten Pariser Frieden, wo er aus dem Dunkel des Winzelwaldes hervorkroch und zur Hauptstadt kam, seine militärische Karriere zu beginnen. Er wurde im Laufe der Zeit Hauptmann in der Garde, heiratete ein Fräulein Viktorine von Zieger, zeugte seinen Sohn Leon, ruinierte den Poppenhof gänzlich und starb, ohne daß durch seinen Tod der Staatsorganismus ins Stocken geraten wäre, im Jahre 1835.

In den zwanziger Jahren hatte der Papa Gotthelf das Zeitliche gesegnet, ohne daß er der Tochter die sorgsame Pflege seiner letzten Tage Dank gewußt hätte. Auch Juliane kam nach der Hauptstadt; denn auf dem Poppenhofe unter der Regierung des Bruders war ihre Stelle nicht mehr. Sie besaß ein Vermögen von zehntausend Talern, doch wurde die Hälfte desselben von dem Bruder zurückgehalten; sie mußte von der bleibenden Hälfte leben und einen Prozeß gegen Herrn Theodor führen. Erst einige Jahre nach dem Tode des Bruders wurde dieser Rechtsstreit zu ihren Gunsten entschieden.

In der Hauptstadt lebte Juliane ganz zurückgezogen; sie liebte es immer noch, mit den niedern Volksschichten zu verkehren und ihnen nach Kräften mit Rat und Tat zu Hilfe zu kommen. Sie hatte das Unglück, an einem dunkeln Winterabend den Fuß auf einer Leiter, die in eine elende Dachkammer führte, zu brechen; aber ihr Lebensmut konnte durch nichts gebrochen werden. Sie hinkte durch die Gassen, eine allbekannte und doch geheimnisvolle Persönlichkeit; von allen Einwohnern der volkreichen Stadt wurde sie vielleicht am meisten gegrüßt.

Aus dem Giebel des Nikolausklosters hatte Heinrich Ulex nach dem Tode des Meinersschen Ehepaares sein Observatorium gemacht; in der Musikantengasse hatte sich Fritz Fiebiger eingerichtet; sie wurden allmählich ein paar alte Junggesellen, und eine ältliche, närrische Jungfer war Juliane von Poppen geworden.

In der großen Stadt kann man sich verstecken wie in dem Winzelwalde; jene hat ihre Schatten, ihre geheimnisvolle Lust und Schauer wie dieser. Wie in dem Winzelwalde fanden sich die drei frühern Genossen zusammen. Sie waren im Leben arg hin- und hergeworfen worden; sie suchten nunmehr die Einsamkeit und die Stille. Sie hatten alle viel gelernt; aber jeder sah die Welt auf seine Weise an; am kindlichsten war der Idealist Heinrich Ulex geblieben, am nüchternsten war Juliane von Poppen geworden; der Humorist Fritz Fiebiger bildete das verbindende Mittelglied. In dem Giebel des Sternsehers saßen sie nächtlicherweile, sahen nach den Gestirnen und beredeten den Lauf der Welt; ihnen hing die Einsamkeit die lichtblaue Seite ihres Schleiers über die Augen. Ein neues junges Geschlecht war um sie her aufgewachsen; das Weib fühlte am ersten und innigsten das Bedürfnis, mit der Jugend in Verbindung zu bleiben; – Juliane hatte sich zur Pflegemutter Helene Wienands gemacht.

Das war folgendermaßen gekommen. Um das Jahr 1827 betrat das Freifräulein zum ersten Male das Wienandsche Haus. Sie kam in Geldgeschäften, vergaß aber das Kontor über dem, was sie in dem Hause selbst erblickte. Sie traf es in der allergrößten Verwirrung und Aufregung. Der Bankier war in Geschäften verreist; am frühen Morgen war Helene geboren worden, und die Mutter war eine halbe Stunde nach der Geburt gestorben. Die ratlose Dienerschaft lief hin und her. Verwandte besaß der Bankier in der Stadt nicht; der Doktor Pfingsten selbst war auf dem Punkte, den Kopf zu verlieren. Das Kind schrie in seiner Verlassenheit, die tote Mutter war die einzige Ruhige im Hause. In diesem Wirrwarr erschien das Freifräulein wie ein Engel, gesandt vom Himmel. Nachdem sie den Sachverhalt erkundet hatte, bemächtigte sie sich sofort der Leitung der Dinge, und zwar auf eine Art, welche die höchste Bewunderung verdiente. Ihren Prozeß, ihre Geldnot, ihre jungferliche Stellung, alles vergaß das Fräulein um die unbekannte Tote und das unglückliche Kind. Sie war nur das tröstende, sorgliche, ordnende Weib; und als der Bankier Wienand zu seinem zerstörten Heimwesen zurückgeeilt war, fand er die tiefste Ruhe und Ordnung hergestellt, fand er sein Kind mit Amme und Wärterin aufs beste versorgt, fand er sein Weib im geschmückten Sarge und das Freifräulein in schwarzer Seide, die Bibel auf den Knien, feierlich ernst neben der Toten. Als der durch das plötzliche Unglück völlig betäubte Mann anfing, sich wieder zu besinnen und das Geschehene zu begreifen, als er dann von dem Doktor Pfingsten vernahm, was er der fremden Dame schuldete, da sah er ein, obgleich er von Herzen so egoistisch wie irgend jemand war, daß er dem Freifräulein auf keine Art jemals sich dankbar genug beweisen könne. Er beteuerte ihr das auch einmal über das andere, Juliane jedoch rümpfte die Nase, sagte: »Dummes Zeug, Albernheit!« strich ihr Kleid auseinander und glatt und lud dem Bankier gleichmütig die Beaufsichtigung des großen Prozesses Poppen contra Poppen auf. Das kleine, mutterlose Mädchen aber hatte sie unendlich in ihr Herz geschlossen, und es und der Prozeß bewirkten, daß kein Tag verging, ohne daß das Freifräulein in dem Hause des Bankiers erschien, die Leitung von beiden zu besprechen. Der Bankier nahm sich denn auch des Prozesses aufs beste an, sorgte für die tüchtigsten Konsulenten und Advokaten und hatte wirklich an der glücklichen Beendigung desselben einen nicht geringen Anteil.

Einen bessern Ersatz für die verlorene Mutter als Juliane von Poppen hätte der Vater Wienand seinem Kinde durch all sein Gold nicht erkaufen können. Das Freifräulein wurde der Schutzengel, welcher das kleine Mädchen in die Höhe hob, von der es frei und gesichert in das Gewühl der armen Menschheit blicken konnte. So wuchs und gedieh Helene Wienand unter diesem guten Schutz und ward zu einem an Leib und Seele schönen Jungfräulein, und der Bankier wunderte sich manchmal sehr darüber, wie die »Gnädige« es anfing, alle löblichen Eigenschaften des Kindes zu finden, zu erwecken und zur Blüte zu bringen. Der Bankier, der in ganz andern Anschauungen lebte, bekam zuletzt nicht nur Respekt vor dem hinkenden Freifräulein – das verstand sich von selbst –, sondern auch vor seinem Töchterlein. Auf diese Weise erreichte Helene Wienand ihr achtzehntes Jahr, und wir fanden sie auf dem Wege unserer Geschichte, wie wir sie im Anfange geschildert haben.

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