Frei Lesen: Horacker

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Kapitel | Zweites Kapitel | Drittes Kapitel | Viertes Kapitel | Fünftes Kapitel | Sechstes Kapitel | Siebentes Kapitel | Achtes Kapitel | Neuntes Kapitel | Zehntes Kapitel | Elftes Kapitel | Zwölftes Kapitel | Dreizehntes Kapitel | Vierzehntes Kapitel | Fünfzehntes Kapitel | Sechzehntes Kapitel | Siebenzehntes Kapitel | Achtzehntes Kapitel | Neunzehntes Kapitel | Zwanzigstes Kapitel |

Weitere Werke von Wilhelm Raabe

Alte Nester | Der Hungerpastor | Abu Telfan | Die Leute aus dem Walde | Die Akten des Vogelsangs |

Alle Werke von Wilhelm Raabe
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Horacker) ausdrucken 'Horacker' als PDF herunterladen

Wilhelm Raabe

Horacker

Fünftes Kapitel

eingestellt: 1.8.2007



Es war ein Wunder, daß in diesem Sommer der Kuckuck nicht Horacker! Horacker! in unserm Walde rief, sondern bei seinem altgewohnten Ruf Kuckuck! Kuckuck! geblieben war. Er hielts wahrscheinlich für überflüssig, auch seinerseits in den allgemeinen Schrei einzustimmen, und im Grunde hatte er darin recht: Dorf und Stadt, Berg und Tal hallten doch schon genug wider von dem kuriosen Wort und Namen: »Horacker! Horacker! Cord Horacker!«

Ein lustigerer panischer Schrecken hatte sich selten der Bevölkerung einer Gegend bemächtigt als hier von dem Tage an, seit Horacker aus Gansewinckel im großen Walde als kühner Räuber und blutiger Mörder sein Geschäft aufgetan hatte, also seit ungefähr vierzehn Tagen oder drei Wochen. Vergebens hatte der Staatsanwalt der Ortsgelegenheit sozusagen auf seine Ehre im Kreisblatt versichert, daß wenig oder eigentlich gar nichts an den fürchterlichen Gerüchten sei; vergebens versicherte er jedem, der ihn hören wollte, mündlich, daß, wenn Horacker selbst kein Phantom sei, der Räuber Horacker unbedingt als ein Mythus aufgefaßt werden müsse: kein Mensch, kein Bauer und noch viel weniger irgendein Bauerweib glaubte seinen schriftlichen wie mündlichen Versicherungen, und selbst mit den Bürgern und Bürgerinnen seiner Kreisstadt hatte er seine liebe Not.

O, er, der Herr Staatsanwalt, hatte gut reden und schreiben, er saß sicher in seiner Amtsstube zwischen seinen Akten und konnte sich bei jedem Wege und selbst des Abends auf seinem Wege nach der Kegelbahn von seinen Landdragonern eskortieren lassen; sie aber, die Bauern der Walddörfer, konnten dieses nicht. Hinter jeglichem Busch hervor sprang Horacker ihnen, ihren Weibern und Töchtern auf den Nacken; und ihre Butter, ihren Käse, ihre Eier und ihre Hühner mußten sie doch in die Stadt schicken, und nichts war sicher vor dem neuen Bückler, Schinderhannes, baierschen Hiesel oder Hundssattler. In der Hinsicht trauten sämtliche Bauerschaften der Umgegend weit mehr dem Räuber als dem Herrn Staatsanwalt Wedekind. Von dem einen wußte man gewiß, daß er vorhanden sei, und der andere – hatte gut reden.

Aber nicht bloß in den Dörfern, sondern auch in der Kreisstadt wußte man und erzählte man von den mannigfaltigen Schandtaten Horackers. Wir waren vorhin dabei, als die Frau Konrektorin Eckerbusch ihren leichtsinnigen alten Eheherrn und den Kollegen Windwebel vor ihm warnte. Selbst die, welche über diese Mordgeschichten lachten, nahmen doch einen dickern Stock als sonst auf ihre Spazierwege mit und genossen am liebsten in möglichst großer Gesellschaft das Naturvergnügen und die Kühle der vor drei Wochen noch so harmlosen Schattenwege des großen Forstes. Und selbst dann, wenn sie sich einer auf den andern verlassen konnten und es im Gebüsch rauschte, blickten sie immer noch etwas scheu über die Achseln und faßten ihre Handstöcke fester.

Der Staatsanwalt hatte nur sein Kreisblatt, aber Fama verfügt, wie wir auch aus der Mythologie wissen, über viele tausend Zungen; und von Tag zu Tage nahmen die Horackerhistorien kühnere und grellere Formen und Farben an. Horackers Taten bildeten das Gespräch in der Schenke wie im Klub der Honoratioren, Horacker wurde in der Küche und in der Putzstube verhandelt, von Horacker unterhielt die Gattin den Gatten, das Kind die Eltern, die Großmutter die Enkel und die Enkel den Großvater. Wenn der von einer Fahrt über Land heimkehrende Hausvater den Seinigen gesund, mit heilen Knochen und dem Geldbeutel in der Tasche wiedergeschenkt worden war, so wurde er von Weib und Kind nicht wie sonst gefragt: »Was bringst du uns mit?«, sondern man hing sich an ihn und um ihn und schrie ihn an: »Ist dir Horacker nicht begegnet?« Und selten kam jemand nach Hause, dem Horacker nicht begegnet war, wenn auch nicht persönlich, so doch in den Mäulern der Leute. Selten waren in kürzerer Frist so viele alte Geschichten aus dem neuen Pitaval und aus Basses Verlag in Quedlinburg aufgewärmt worden wie hier seit dem Tage, an welchem Horacker einem alten Butterweibe aus Dickburen unter den »Uhlenköpfen« über den Weg gesprungen war; uns aber überfällt es in diesem Moment heiß und kalt, daß wir den alten Eckerbusch und den Zeichenlehrer Windwebel bis jetzt allein im wilden Walde laufen ließen, ohne uns ihnen zur Begleitung mitzugeben; – wie leicht können auch wir nachher es mit dem Staatsanwalt zu tun kriegen, wenn ihnen infolge unserer Vernachlässigung eine Unannehmlichkeit passiert ist und wir zum Beispiel nur noch ihre verstümmelten Leichname seitab vom Pfade in der Wildnis, und auch nur vermittelst unseres Geruchssinns auffinden?

Vivat, noch leben sie! Vivant in saecula saeculorum! Von der Stadt heraufwandelnd hatten sie beide nach einem etwas mühseligen Marsche auf schmalem Wege zwischen einem ziemlich tiefen Hohlwege und weiten, recht sonnigen Ackerfeldern den Waldrand erreicht und damit das Hauptlustrevier des alten Philologen seit den frühesten Jugendtagen. Alles, was ihn im langen Leben bedrückte oder hemmte, hatte er diesen Hohlweg und diese Roggen- und Weizenbreiten entlang den drei Eichen entgegengetragen, die an der Waldecke einige Bänke, aus Feldsteinen aufgeschichtet, überschatteten. Nicht hundertmal, sondern tausendmal hatte er von diesen Bäumen, und nicht bloß im Sommer, Frühling oder Herbst, sondern auch am schärfsten Wintertage und -abend, auf die Heimatstadt hinabgesehen und dann allerlei – mit sich selber abgemacht.

Der Konrektor hatte viele gute Bekannte und Freunde in der Stadt und auf dem Lande; aber zu den besten gehörten doch die drei Eichen; und die Freundschaft war auch eine gegenseitige, was in solchen Dingen eigentlich das allerbeste ist.

»Da kommt er wieder!« riefen die Dryaden vergnügt, und die alten Bäume steckten lustig rauschend die Köpfe zusammen, und manchmal fragte es auch in den Wipfeln: »Wen bringt er denn heute noch mit?«

So heute; und –

»Μα Απολλωνα, den Kollegen Windwebel!« riefen alle drei klassischen Baumjungfern, noch vergnüglicher zwischen dem rauschenden Gezweig durch auf den Waldweg hin auslugend.

Auch der Konrektor Eckerbusch begrüßte seine drei Lieblingsbäume und saß einen Augenblick auf einer der Bänke nieder, um nach dem heißen Emporsteigen Atem zu schöpfen. Der Kollege stand und studierte die Beleuchtung der Berge jenseits der Stadt im Tale und des Flusses.

»Hier saß ich als Quartaner und präparierte mich auf den Cornelius Nepos; und fragen Sie mal meine Ida, was noch alles ich hier getan habe. Windwebel, Sie sind weit in der Welt herumgekommen, ehe Sie zu uns hiehergelangten; Sie haben jedenfalls manche schöne Stelle kennengelernt, lieber Freund; was mich anbetrifft, so habe ich in keinem Klassiker eine schönere als diese hier ausfindig gemacht. Stellen Sies sich nur vor; da, wo Sie stehen, stand ich auch einmal, und hier, wo ich sitze, saß meine nunmehrige langjährige Proceleusmatica. ›Aura veni!‹ rief ich; denn es war ein sehr schwüler Sommerabend und ein kühlendes Lüftchen höchst erwünscht. Aber was sagte meine Prokris – nein, ich will doch lieber sagen meine Ida? ›O Gott, Herr Kollaborator – lieber Werner, ist es denn wirklich und wahrhaftig dein Ernst? Nun dann habe ich auch nichts dagegen!‹... Und, Windwebel, so purzelten wir aus den ›Metamorphosen‹ nach Gottes Willen mitten hinein in die ›Ars amatoria‹ und gingen hinunter in die Stadt und sagten es den Eltern. Gütiger Himmel, wie die Zeit hingeht! Jetzt lassen Sie uns aber auch weitermarschieren. Winckler, der damals als Hülfsprediger drunten in der Stadt hungerte, gab uns zusammen; Sie sehen es ihm jetzt in Gansewinckel nicht mehr an, wie dünn er damals an den Wänden hinlief. Ja, seine Frau und seine Bauern haben ihn recht ordentlich herausgefüttert.«

Der Zeichenlehrer sah nach rechts und links an sich herunter und überlegte sich, was seine Hedwig wohl bei seinem Gehalte und dem, was er sich und ihr durch Privatlektionen dazuverdiente, aus ihm machen werde.

»Hübsch ist es zwar, wenn ein Künstler nicht zu fett wird«, murmelte er; »aber unbedingt nötig ists grade nicht, daß er so mager bleibt wie ich jetzt.«

Sie gingen, und die Dryaden in den dunkeln Eichenwipfeln kicherten lustiger denn zuvor. Sie erinnerten sich gleichfalls ganz genau jener holden Sommerabendstunde, in welcher der Kollaborator Eckerbusch nach Kühlung zu ihnen emporrief und Fräulein Ida Weniger das klassische Zitat so sehr falsch und doch so ganz und gar richtig verstand.

Es war freilich eine lange Zeit hingegangen; aber solch eine Nymphe in so einer alten Eiche hat ein recht zähes Altjungferngedächtnis, und so erinnerten sie sich nicht allein an den Eutropius und den Cornelius Nepos, sondern auch an den Publius Ovidius Naso, zumal der letztere sie mehrfach auch recht lieblich und liebenswürdig besungen hatte. – Einen angenehmeren Weg- und Waldgenossen als den Kollegen Windwebel konnte es für den Kollegen Eckerbusch nicht geben, und umgekehrt blieb die Sache ganz die nämliche. Was der eine nicht sah, roch und hörte, das hörte, roch und sah sicherlich der andere. Sie verfügten über, oder vielmehr standen alle zwei unter dem Bann einer Phantasie, die sie nicht selten zu einem Gaudium für gesetztere Leute machte, aber ihr eigen Gaudium an der Welt und ihren Erscheinungen ungemein erhöhte. Sie gehörten wahrlich nicht zu den achtungswerten Naturen, die jedesmal nach einer Brücke suchen, wenn sie einen lustigen Waldbach quer über ihren Weg springend finden.

»Man wird älter«, seufzte der Konrektor. »Sonst pfiff kein Vogel in Busch und Bauer, dem ich nicht nachzupfeifen verstand; aber dazu gehören Zähne, und diese mangeln nunmehr allmählich. Es erinnert einen alles an das Grab – an das unausweichliche Menschenverhängnis, Windwebel.«

»Doch – in der Beschränkung zeigt sich erst der Meister«, zitierte der Zeichenlehrer. »Als Hund und Katze im Kampfe werden Sie immer mustergültig bleiben. Ihre Leistungen als auf den Schwanz getretener Kater sind geradezu erschütternd.«

»Meinen Sie, lieber Freund?« fragte der alte Herr geschmeichelt. »Ja, denken Sie, grade dieses, wie ich selber glaube, nicht übel individualistisch durchgebildete kakophonische Kunststück gefällt meiner Frau am wenigsten, und wir bitten keine Abendgesellschaft mit Bowle zusammen, ohne daß ich vorher gebeten werde, die Dummheiten unterwegs zu lassen und mich und sie, nämlich Ida, nicht zum Narren zu machen. Na, nächstens sollen Sie uns mal Ihre Bauerfrau, die ein Ferkel in einen Sack zwängt, vorführen; und Ihr Weibchen, Ihre kleine Hedwig –«

»Hat es mir streng untersagt und knüpft mir nie das Halstuch um, wenn wir einer Gesellschaftseinladung folgen, ohne mich mit Tränen in den Augen zu bitten, mein Versprechen zu halten.«

»Bah! das sind Flitterwochenverbote und -versprechungen. Was habe ich in der Beziehung alles versprochen!... Quieken Sie nur ruhig zu; ich miauze und fauche auch. Stellen andere Menschen – Talente, stellt etwa der Kollege Neubauer sein Talent unter den Scheffel? Dichtet er nicht, und liest er uns seine Gedichte nicht vor? Lassen Sie ihn erst mal mit seiner Sechsundsechsiade zu Rande sein und warten Sie ab, was wir dann erleben. In Hexametern kann ich freilich meinen Hinz und meinen Pudel nicht zur Wirkung bringen.«

»Kollege«, flüsterte der Zeichenlehrer dicht am Ohr des Konrektors, und nach allen vier Weltgegenden scheu sich umsehend. »Kollege, wir sind hier mitten im Walde – unsere Damen sind nicht zugegen, der Herr Kollege Neubauer auch nicht – – haben Sie schon einmal meinen asthmatischen Mops, der auf Fräuleins Sofa tat, was nicht hübsch von ihm war, – vernommen?«

»Niemals!« rief der Alte, mit allen Gliedern vor Spannung zuckend. »Schießen Sie los! Schießen Sie los!«

Es war ein lauschiges grünes Plätzchen in der Wildnis, rund umgeben von hohen schlanken Buchenstämmen, schattig überwölbt. Zwei Eichkätzchen, die sich bis jetzt munter um die Stämme gejagt hatten, setzten sich fest hin und sahen und horchten kunstverständig zu; aber daß die Frau Ida Eckerbusch, die kleine Frau Windwebel und der Herr Oberlehrer Dr. Neubauer sich nicht unter dem Publikum befanden, als der Kollege Windwebel losschoß, war freilich besser. Es kam eine ganz ideale Schöpfung zum Vorschein!

»Hätte ich das Geld dazu, ich baute Ihnen ein eigen Theater, Windwebel!« kreischte der Konrektor. »Traute ich meinen alten Knochen noch, so schlüge ich Rad auf der Stelle. Noch einmal, Bester, Einzigster! Kein Gedanke, kein Bild, die nicht vom Ton vollkommen gedeckt werden! Das ist das richtige melodramatische Kunstwerk, Windwebel! Ihnen gehört von jetzt an die Zukunft nach jeder zweiten Bowle! Ich habe bloß vom Berge Nebo in die Kunst hineingesehen. Vivat der Mops und das Fräulein! Alle heraus!«

Die beiden Eichkätzchen entfernten sich in hastigen Sätzen; die beiden Weg-, Kunst- und Seelengenossen zogen fürder durch den Wald, der Konrektor mit den Butterbröten und der Zeichenlehrer Windwebel mit der Bordeauxflasche, dem »Schato Heidelbeere«, hinten in der Rocktasche. Auf vielgewundenen und sehr verwachsenen Pfaden wanden sie sich durch; und da ein jeder jeder seiner Liebhabereien auf der Stelle nachfolgte – Farbenwirkungen, Wolkenfigurationen, Käfern und Pflanzen – und da beide in gleicher Weise Freunde von Champignons, Hahnenkämmen und sonstigen eßbaren Pilzen waren, so kam ihnen nicht selten jeder betretene Weg abhanden. Und als sie nun einmal wieder derartig im Busch steckten, und der alte Eckerbusch sogar ziemlich fest in einem zärtlichst sich anhäkelnden Dornenbusch, da bemerkte Windwebel:

»Herr Kollege, jetzt wäre für ihn die günstigste Gelegenheit da. Wissen Sie, was ich wünsche?«

Mit einem letzten Ruck seine Rockschöße dem Gestrüpp entreißend, erwiderte der Alte:

»Sie haben mancherlei Wünsche und ich auch. Nun, Zeus wird wohl wissen, was zwei geplagten Schulmeistern an einem Nachmittag wie heute gegen das Ende der großen Vakanz am dienlichsten ist! Was zum Exempel wünschten Sie denn nun einmal wieder?«

»Wir stießen auf ihn oder er auf uns.«

»Auf wen? Auf was? He?«

»Auf Horacker natürlich! Stellen Sie sich den Triumph und das Erstaunen, die Anerkennung von oben und vielleicht gar das Allgemeine Ehrenzeichen von höchster Stelle vor, wenn wir ihn packten und die Gegend von ihm befreiten!«

»Windwebel?!« rief der Konrektor. »Das ist wieder ein Gedanke! Da haben Sie ja wahrhaftig wieder recht. Horacker!... Da hängen wir in der Wildnis fest und denken an nichts. Das wäre in der Tat ein Triumph, wenn wir beide ihn brächten – ihn dem Freund Wedekind auf der Kegelbahn zuführten! Horacker, Horacker! Vorausgesetzt, daß er nicht uns packt und die Gegend von uns befreit!... Einerlei! Ich gebe den Chateau dran! Rufen Sie doch mal, Kollege; wenn ich das Vergnügen meiner Alten machen könnte – – – rufen Sie dreist! Rufen Sie laut! Es wäre eigentlich von Rechts wegen seine Schuldigkeit, uns den Gefallen zu tun; rufen Sie dreist, rufen Sie laut!«

»Horacker! Horacker! Horacker!« schrie der Kollege Zeichenlehrer in den Wald hinein, und –

»Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck!« klang es zurück.

»Nun bitt ich Sie, hören Sie den Schäker, den Cuculus – den Cuculus canorus, Windwebel! Ist es nicht grade, als ob ihn uns Idchen und Hedchen – meine Alte und Ihre Junge meine ich – nachgeschickt hätten, um uns an unsere Pflichten als Gatten – und Sie auch als künftigen Papa zu erinnern? Ich sage Ihnen, Windwebel, weder Ihnen noch mir traut die Proceleusmatica den Verstand und die Vernunft des Kollegen Neubauer zu.«

»Der sitzt und skandiert.«

»Das gönne ich ihm!« sprach der Konrektor Eckerbusch mit Grabesruhe. »Schrecklich metzelt jetzt Steinmetz Schweinsschädel erstürmend. Ob der Hexameter und die historische Tatsache richtig sind, weiß ich augenblicklich nicht und will ich auch nicht wissen. Unsere Aufgabe, Kollege, ist vorderhand, die Rotweinflasche nicht unentkorkt nach Gansewinckel zu bringen. Sehen Sie sich doch im Weiterwandern nach einem behaglichen Plätzchen um, Kollege Windwebel; den trocknen Proviant habe ich gleichfalls lange genug in der Rocktasche getragen.«

Der Gymnasialzeichenlehrer verstand auch sein Latein. »Restauremus nos!« sagte er, und der alte Eckerbusch, der das seinige gleichfalls noch nicht gänzlich an seine Sekundaner weggegeben hatte, schloß:

»Winckler würde es uns nie verzeihen, wenn wir ihm nicht einen intakten Hunger und Durst mitbrachten: Restauremus nunc; das heißt, richten wir uns itzo ein wenig wieder auf, um uns demnächst in Gansewinckel vollständig herzustellen.«

< Viertes Kapitel
Sechstes Kapitel >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.