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William Shakespeare

Julius Cäsar

Zweiter Aufzug

eingestellt: 5.6.2007




Erste Szene

Rom. Der Garten des Brutus

Brutus tritt auf

Brutus.
He, Lucius! auf! -
Ich kann nicht aus der Höh der Sterne raten,
Wie nah der Tag ist. - Lucius, hörst du nicht? -
Ich wollt, es wär mein Fehler, so zu schlafen. -
Nun, Lucius, nun! Ich sag: erwach! Auf, Lucius!

Lucius kommt.

Lucius.
Herr, riefet Ihr?

Brutus.
Bring eine Kerze mir ins Lesezimmer,
Und wenn sie brennt, so komm und ruf mich hier.

Lucius.
Ich will es tun, Herr. (Ab.)

Brutus.
Es muß durch seinen Tod geschehn. Ich habe
Für mein Teil keinen Grund, ihn wegzustoßen,
Als fürs gemeine Wohl. Er wünscht, gekrönt zu sein;
Wie seinen Sinn das ändern möchte, fragt sich.
Der warme Tag ists, der die Natter zeugt;
Das heischt mit Vorsicht gehn. Ihn krönen? - Ja -
Und dann ists wahr, wir leihn ihm einen Stachel,
Womit er kann nach Willkür Schaden tun.
Der Größe Mißbrauch ist, wenn von der Macht
Sie das Gewissen trennt; und, um von Cäsarn
Die Wahrheit zu gestehn, ich sah noch nie,
Daß ihn die Leidenschaften mehr beherrscht
Als die Vernunft. Doch oft bestätigt sichs,
Die Demut ist der jungen Ehrfurcht Leiter;
Wer sie hinanklimmt, kehrt den Blick ihr zu;
Doch hat er erst die höchste Spross erreicht,
Dann kehret er der Leiter seinen Rücken,
Schaut himmelan, verschmäht die niedern Tritte,
Die ihn hinaufgebracht. Das kann auch Cäsar:
Drum, eh er kann, beugt vor. Und weil der Streit
Nicht Schein gewinnt durch das, was Cäsar ist,
Legt so ihn aus: das, was er ist, vergrößert,
Kann dies und jenes Übermaß erreichen.
Drum achtet ihn gleich einem Schlangenei,
Das, ausgebrütet, giftig würde werden
Wie sein Geschlecht, und würgt ihn in der Schale.

Lucius kommt zurück.

Lucius.
Die Kerze brennt in Eurem Zimmer, Herr.
Als ich nach Feuerstein im Fenster suchte,
Fand ich dies Blatt, versiegelt; und ich weiß,
Es war nicht da, als ich zu Bette ging.

Brutus.
Geh wieder in dein Bett; es ist noch Nacht.
Ist morgen nicht des Märzen Idus, Knabe?

Lucius.
Ich weiß nicht, Herr.

Brutus.
Such im Kalender denn, und sag es mir.

Lucius.
Das will ich, Herr. (Ab.)

Brutus.
Die Ausdünstungen, schwirrend in der Luft,
Gewähren Licht genug, dabei zu lesen.
    (Er öffnet den Brief und liest.)
«Brutus, du schläfst. Erwach und sieh dich selbst!
Soll Rom? - Sprich, schlage, stelle her!
Brutus, du schläfst. Erwache! -»
Oft hat man schon dergleichen Aufgebote
Mir in den Weg gestreut.
«Soll Rom?» - So muß ich es ergänzen:
«Soll Rom vor einem Manne beben?» Wie?
Mein Ahnherr trieb einst von den Straßen Roms
Tarquin hinweg, als er ein König hieß.
«Sprich, schlage, stelle her!» Werd ich zu sprechen,
Zu schlagen angemahnt? O Rom, ich schwöre,
Wenn nur die Herstellung erfolgt, empfängst du
Dein ganz Begehren von der Hand des Brutus!

Lucius kommt zurück.

Lucius.
Herr, vierzehn Tage sind vom März verstrichen.

(Man klopft draußen.)

Brutus.
s ist gut. Geh an die Pforte; jemand klopft. (Lucius ab.)
Seit Cassius mich spornte gegen Cäsar,
Schlief ich nicht mehr.
Bis zur Vollführung einer furchtbarn Tat,
Vom ersten Antrieb, ist die Zwischenzeit
Wie ein Phantom, ein grauenvoller Traum.
Der Genius und die sterblichen Organe
Sind dann im Rat vereint; und die Verfassung
Des Menschen, wie ein kleines Königreich,
Erleidet dann den Zustand der Empörung.

Lucius kommt zurück.

Lucius.
Herr, Euer Bruder Cassius wartet draußen;
Er wünschet Euch zu sehn.

Brutus.
Ist er allein?

Lucius.
Nein, es sind mehr noch bei ihm.

Brutus.
Kennst du sie?

Lucius.
Nein, Herr, sie tragen eingedrückt die Hüte
Und das Gesicht im Mantel halb begraben,
Daß ich durchaus sie nicht erkennen kann
An irgendeinem Zuge.

Brutus.
Laß sie sein. (Lucius ab.)
Es sind die Bundesbrüder. O Verschwörung!
Du schämst dich, die verdächtge Stirn bei Nacht
Zu zeigen, wann das Bös am freisten ist?
O denn, bei Tag, wo willst du eine Höhle
Entdecken, dunkel gnug es zu verlarven,
Dein schnödes Antlitz? - Verschwörung, suche keine!
In Lächeln hüll es und in Freundlichkeit!
Denn trätst du auf in angeborner Bildung,
So wär der Erebus nicht finster gnug,
Vor Argwohn dich zu schützen.

Cassius, Casca, Decius, Metellus Cimber und Trebonius treten auf.

Cassius.
Sind wir gelegen? Guten Morgen, Brutus!
Ich fürchte, daß wie Eure Ruhe stören.

Brutus.
Längst war ich auf und wach die ganze Nacht.
Kenn ich die Männer, welche mit Euch kommen?

Cassius.
Ja, jeden aus der Zahl; und keiner hier,
Der Euch nicht hoch hält, und ein jeder wünscht,
Ihr hättet nur die Meinung von Euch selbst,
Die jeder edle Römer von Euch hegt.
Dies ist Trebonius.

Brutus.
Er ist willkommen.

Cassius.
Dies Decius Brutus.

Brutus.
Er ist auch willkommen.

Cassius.
Dies Casca, dies Cinna, und dies Metellus Cimber.

Brutus.
Willkommen alle!
Was stellen sich für wache Sorgen zwischen
Die Nacht und eure Augen?

Cassius.
Auf ein Wort,
Wenns Euch beliebt. (Sie reden leise miteinander.)

Decius.
Hier liegt der Ost: bricht da der Tag nicht an?

Casca.
Nein.

Cinna.
Doch, um Verzeihung! und die grauen Streifen,
Die das Gewölk durchziehn, sind Tagesboten.

Casca.
Ihr sollt gestehn, daß ihr euch beide trügt.
Die Sonn erscheint hier, wo mein Degen hinweist;
Das ist ein gut Teil weiter hin nach Süden,
Wenn ihr die junge Jahreszeit erwägt.
Zwei Monde noch, und höher gegen Norden
Steigt ihre Flamm empor, und grade hier
Steht hinterm Kapitol der hohe Ost.

Brutus.
Gebt eure Hand mir, einer nach dem andern.

Cassius.
Und lasset uns beschwören den Entschluß.

Brutus.
Nein, keinen Eid! Wenn nicht der Menschen Antlitz,
Das innre Seelenleid, der Zeit Verfall -
Sind diese Gründe schwach, so brecht nur auf,
Und jeder fort zu seinem trägen Bett!
Laßt frechgesinnte Tyrannei dann schalten,
Bis jeder nach dem Lose fällt. Doch tragen
Sie Feuer gnug in sich, wie offenbar,
Um Feige zu entflammen und mit Mut
Des Weibes schmelzendes Gemüt zu stählen:
O dann, Mitbürger! welchen andern Sporn
Als unsre Sache braucht es, uns zu stacheln
Zur Herstellung? Was für Gewähr, als diese:
Verschwiegne Römer, die das Wort gesprochen,
Und nicht zurückziehn? Welchen andern Eid,
Als Redlichkeit mit Redlichkeit im Bund,
Daß dies gescheh, wo nicht, dafür zu sterben?
Laßt Priester, Memmen, listge Männer schwören,
Verdorrte Greis und solche Jammerseelen,
Die für das Unrecht danken; schwören laßt
Bei bösen Händeln Volk, dem man nicht traut.
Entehrt nicht so den Gleichmut unsrer Handlung
Und unsern unbezwinglich festen Sinn,
Zu denken, unsre Sache, unsre Tat
Brauch einen Eid; da jeder Tropfe Bluts,
Der edel fließt in jedes Römers Adern,
Sich seines echten Stamms verlustig macht,
Wenn er das kleinste Teilchen nur verletzt
Von irgendeinem Worte, das er gab.

Cassius.
Doch wie mit Cicero? Forscht man ihn aus?
Ich denk, er wird sehr eifrig für uns sein.

Casca.
Laßt uns ihn nicht vorübergehn.

Cinna.
Nein, ja nicht.

Metellus.
Gewinnt ihn ja für uns. Sein Silberhaar
Wird eine gute Meinung uns erkaufen
Und Stimmen werben, unser Werk zu preisen.
Sein Urteil habe unsre Hand gelenkt:
So wird es heißen; unsre Hastigkeit
Und Jugend wird im mindsten nicht erscheinen,
Von seinem würdgen Ansehn ganz bedeckt.

Brutus.
O nennt ihn nicht! Laßt uns ihm nichts eröffnen,
Denn niemals tritt er einer Sache bei,
Wenn andre sie erdacht.

Cassius.
So laßt ihn weg.

Casca.
s ist wahr; er paßt auch nicht.

Decius.
Wird niemand sonst, als Cäsar, angetastet?

Cassius.
Ja, gut bedacht! Mich dünkt, daß Mark Anton,
Der so beliebt beim Cäsar ist, den Cäsar
Nicht überleben darf. Er wird sich uns
Gewandt in Ränken zeigen, und ihr wißt,
Daß seine Macht, wenn er sie nutzt, wohl hinreicht,
Uns allen Not zu schaffen. Dem zu wehren,
Fall Cäsar und Antonius zugleich.

Brutus.
Zu blutge Weise, Cajus Cassius, wärs,
Das Haupt abschlagen und zerhaun die Glieder,
Wie Grimm beim Tod und Tücke hinterher.
Antonius ist ja nur ein Glied des Cäsar.
Laßt Opferer uns sein, nicht Schlächter, Cajus.
Wir alle stehen gegen Cäsars Geist,
Und in dem Geist des Menschen ist kein Blut.
O könnten wir doch Cäsars Geist erreichen
Und Cäsarn nicht zerstücken! Aber ach!
Cäsar muß für ihn bluten. Edle Freunde,
Laßt kühnlich uns ihn töten, doch nicht zornig;
Zerlegen laßt uns ihn, ein Mahl für Götter,
Nicht ihn zerhauen wie ein Aas für Hunde.
Laßt unsre Herzen, schlauen Herren gleich,
Zu rascher Tat aufwiegeln ihre Diener.
Und dann zum Scheine schmälen. Dadurch wird
Notwendig unser Werk und nicht gehässig;
Und wenn es so dem Aug des Volks erscheint,
Wird man uns Reiniger, nicht Mörder nennen.
Was Mark Anton betrifft, denkt nicht an ihn,
Denn er vermag nicht mehr als Cäsars Arm,
Wenn Cäsars Haupt erst fiel.

Cassius.
Doch fürcht ich ihn,
Denn seine Liebe hängt so fest am Cäsar.

Brutus.
Ach, guter Cassius, denket nicht an ihn!
Liebt er den Cäsar, so vermag er nichts
Als gegen sich; sich härmen, für ihn sterben.
Und das wär viel von ihm, weil er der Lust,
Der Wüstheit, den Gelagen sich ergibt.

Trebonius.
Es ist kein Arg in ihm; er sterbe nicht.
Denn er wird leben und dies einst belachen.

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