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William Shakespeare

Was ihr wollt

Zweiter Aufzug

eingestellt: 21.7.2007

Erste Scene



Die Strasse.

Antonio und Sebastiano treten auf.

Antonio.

Ihr wollt also nicht länger bleiben? Und ihr wollt auch nicht erlauben, daß ich mit euch gehe?

Sebastiano.

Nein, verzeiht mir's; meine Sterne scheinen dunkel über mir; der mißgünstige Einfluß meines Schiksals möchte auch das eurige ansteken; erlaubt mir also, daß ich mich von euch beurlaube, um mein Unglük allein zu tragen. Es würde eine schlechte Belohnung für eure Freundschaft seyn, wenn ich euch auch nur den kleinsten Theil davon auflegen wollte.

Antonio.

Laßt mich wenigstens nur wissen, wohin ihr gehen wollt.

Sebastiano.

Meine Reise ist in der That nichts anders, mein Herr, als ein wunderlicher Einfall, ohne besondere Absicht - - Doch diese edle Bescheidenheit, womit ihr euch zurükhaltet, mir abzunöthigen, was ich, wie ihr merket, gerne bey mir behalten wollte, verbindet mich, von selbst näher gegen euch heraus zu gehen. Wisset also, Antonio, daß mein Name Sebastiano und nicht Rodrigo ist, wie ich vorgab; mein Vater war dieser Sebastiano von Messaline, von dem ihr ohne Zweifel gehört haben müßt. Er hat mich mit einer Schwester hinterlassen, die in der nemlichen Stunde mit mir gebohren worden; möcht' es dem Himmel gefallen haben, daß wir auch ein solches Ende genommen hätten. Aber ihr, mein Herr, verhindertet das; denn ungefehr eine Stunde, eh ihr mich aus dem Schiffbruch aufnahmet, war meine Schwester ertrunken.

Antonio.

Ich bedaur' euch von Herzen.

Sebastiano.

Eine junge Dame, mein Herr, welche, ob man gleich eine sonderbare Aehnlichkeit zwischen ihr und mir finden wollte, doch von vielen für schön gehalten wurde; und wenn ich gleich über diesen Punkt nicht zu leichtgläubig seyn möchte, so darf ich hingegen kühnlich von ihr behaupten, daß sie ein Gemüthe hatte, das der Neid selbst nicht anders als schön nennen könnte: Nun ist sie ertrunken, mein Herr, und ihr Andenken preßt mir Thränen aus, die ich nicht zurükhalten kan.

Antonio.

Vergebet mir, mein Herr, daß ihr nicht besser bedient worden seyd.

Sebastiano.

O mein allzugütiger Antonio; vergebet mir die Unruhe die ich euch gemacht habe.

Antonio.

Wenn ihr mich für meinen guten Willen nicht ermorden wollt, so laßt mich euer Diener seyn.

Sebastiano.

Wenn ihr eure Wohlthat nicht wieder vernichten, und ein Leben wieder nehmen wollt, das ihr erhalten habt, so muthet mir das nicht zu. Lebt wohl auf immer; mein Herz ist zu sehr gerührt, als daß ich mehr sagen könnte; meine Augen reden für mich - - Ich muß an des Herzogs Orsino Hof; Lebet wohl. (Er geht ab.)

Antonio.

Die Huld aller Götter begleite dich! Ich habe mir Feinde an Orsino's Hofe gemacht, sonst solltest du mich dort bald in deinem Wege finden: Und doch, es entstehe daraus was immer will, ich liebe dich so sehr daß mich keine Gefahr abschreken kan; ich will gehen. (Geht ab.)

Zweyte Scene



Malvolio trift Viola, in ihrer Verkleidung als Cäsario an, und richtet den Auftrag bey ihr aus, den ihm Olivia vorhin gegeben, und da Viola den Ring nicht annehmen will, wirft er ihn endlich vor ihre Füsse und geht ab.

Viola (allein.)

Ich ließ keinen Ring bey ihr ligen; was meynt diese Dame damit? Das Unglük wird doch nicht wollen, daß ihr meine Gestalt in dieser Verkleidung gefährlich gewesen! Sie schien mich mit günstigen Augen anzusehen, in der That, so sehr, daß ihre Augen ihre Zunge verhext und gelähmt zu haben schienen; denn sie sprach sehr zerstreut und ohne Zusammenhang - - Sie liebt mich, so ist es; und der Auftrag den sie diesem plumpen Abgesandten gemacht, ist ein Kunstgriff, mir ihre Liebe auf eine feine Art zu erkennen zu geben - - Sie will keinen Ring von meinem Herrn; wie? er schikte ihr ja keinen; ich bin der Mann - - Wenn es so ist, (und es ist so) das arme Fräulein! so wär es noch besser für sie, in ein blosses Phantom verliebt zu seyn. Verkleidungen sind, wie ich sehe, eine Gelegenheit, deren Satan sich wol zu bedienen weiß. Wie wenig es braucht, um in ein wächsernes Weiber-Herz Eindruk zu machen! Himmel! daran hat unsre Gebrechlichkeit Schuld, nicht wir; wenn wir so gemacht sind, was können wir dafür, daß wir so sind? - - Aber wie wird sich das zusammen schiken? Mein Herr liebt sie aufs äusserste; ich, arme Mißgestalt, bin eben so stark von ihm bethört; und sie, durch den Schein betrogen, seufzt um mich. Was wird aus diesem allem werden? In so fern ich ein Mann bin, könnte meine Liebe zu Orsino in keinem verzweifeltern Zustand seyn; in so fern ich ein Mädchen bin, wie viele vergebliche Seufzer wird die arme Olivia aushauchen! Hier ist lauter Hoffnunglose Liebe, auf allen Seiten. O Zeit, du must diß entwikeln, nicht ich; es ist ein Knoten, der zu hart verschlungen ist, als daß ich ihn auflösen könnte. (Sie geht ab.)

Dritte Scene



Verwandelt sich in Olivias Haus. Sir Tobias und Sir Andreas, nebst dem Narren.

Vierte Scene



Maria, und endlich auch Malvolio zu den Vorigen. Diese beyden Zwischen-Scenen sind der Uebersezung unwürdig, und eines Aufzugs unfähig.

Fünfte Scene



Verwandelt sich in den Pallast.

Der Herzog, Viola, Curio, und andre.

Herzog.

Macht mir ein wenig Musik; nun guten Morgen, meine Freunde: Wie, mein wakrer Cäsario, in der That, das Stükchen, das alte ehrliche Gassen-Liedchen, das wir lezte Nacht hörten, machte mir leichter ums Herz als diese flüchtigen Läuffe, diese studierten Säze einer rauschenden und schwindlicht sich im Kreise herumdrehenden Symphonie - - Kommt, nur eine Strophe - -

Curio.

Gnädigster Herr, es ist niemand da, der es singen könnte.

Herzog.

Wer sang es denn gestern?

Curio.

Fest, der Pikelhäring, der Narr, mit dem der Gräfin Olivia Vater soviel Kurzweil hatte. Er ist ausgegangen.

Herzog.

Sucht ihn auf, und spielt indessen die Melodie. Komm hieher, Junge: wenn du jemals erfahren wirst was Liebe ist, so denk' in ihren süssen Beklemmungen an mich; so wie ich bin, sind alle Liebhaber: unstät und launisch in allen andern Vorstellungen, als allein in dem Bilde des Geliebten, das immer vor ihren Augen schwebt - - wie gefällt dir dieser Ton?

Viola.

Er giebt ein wahres Echo von dem Siz, wo die Liebe thront.

Herzog.

Du sprichst meisterlich. Ich seze mein Leben dran, dein Herz ist nicht so unerfahren als du jung bist; du hast geliebt, nicht wahr, Junge?

Viola.

Ein wenig, Gnädigster Herr.

Herzog.

Von was für einer Gattung Weibsbilder ist sie?

Viola.

Sie sieht Eu. Gnaden gleich.

Herzog.

So ist sie deiner nicht werth. Wie alt, ernsthafter Weise?

Viola.

Von euerm Alter, Gnädigster Herr.

Herzog.

So ist sie zu alt; ein Weibsbild soll immer einen ältern nehmen als sie ist, so daurt sie ihn aus, und ist sicher, ihren Plaz in ihres Mannes Herzen immer zu behalten. Denn, glaube mir, Junge, wir mögen uns so schön machen als wir wollen, so sind doch unsre Zuneigungen immer weit schwindlichter, unsteter, schwankender, und leichter abgenuzt und verlohren, als der Weiber ihre.

Viola.

Das denk' ich selbst, Gnädigster Herr.

Herzog.

Wähle dir also eine Liebste die jünger als du bist, oder deine Liebe wird von keiner Dauer seyn: Denn Weiber sind wie Rosen; in der nemlichen Stunde, da ihre schöne Blume sich völlig entfaltet, fällt sie ab.

Viola.

Und so sind sie; wie schade, daß sie so sind! daß sie in dem Augenblik sterben, worinn sie den Punkt ihrer Vollkommenheit erreicht haben. Curio und der Narr zu den Vorigen.

Herzog.

O, komm du, guter Freund - - Das Lied von gestern Nachts - - Gieb Acht darauf, Cäsario, es ist alt und einfältig; die Spinnerinnen und Strikerinnen, wenn sie an der Sonne bey ihrer Arbeit sizen, und die muntern Webers-Mädchen, wenn sie zetteln, pflegen es zu singen; es ist ein läppisches, kindisches Ding, aber es sympathisiert mit der Unschuld der Liebe, wie man vor Alters liebte.

Narr.

Seyd ihr fertig, Herr?

Herzog.

Ja; sing, ich bitte dich. Ein Lied.*

Herzog.

Hier ist was für deine Mühe.

Narr.

Keine Mühe, Herr; singen ist ein Vergnügen für mich, Herr.

Herzog.

So will ich dir dein Vergnügen bezahlen.

Narr.

Das ist ein anders, Herr; Vergnügen will über kurz oder lange bezahlt seyn.

Herzog.

Du kanst nun wieder gehen, so schnell du willst.

Narr.

Nun, der melancholische Gott der Liebe behüte dich, und der Schneider mache dir ein Wamms von schielichtem Taft; denn dein Gemüth ist ein wahrer Opal. Leute von solcher Standhaftigkeit müßte man mir über Meer schiken, damit ihr Geschäfte allenthalben und ihr Ziel nirgends wäre; denn das ist gerade was man braucht, um von einer langen Reise nichts nach Hause zu bringen. Lebt wohl. (Er geht ab.) * Der Verfasser der Beurtheilung des ersten Theils dieser Uebersezung, in der Bibliothek der schönen Wissenschaften hat eine so glükliche Probe mit einem Liede des Narren im König Lear gemacht, daß wir ihm auch dieses Gassenhauerchen überlassen wollen. Es ist in der That alles was Orsino davon sagt, aber es müßte, um nicht alles zu verliehren in der Sprache Sebastian Brands oder einer noch ältern, in der nemlichen oder einer ganz ähnlichen Versart, mit der nemlichen Wahrheit der Erfindung, und tändelnden Einfalt des Ausdruks, übersezt werden - - eine Arbeit, welche vielleicht schwerer ist, als das feinste Sonnet von einem Zappi, in Reime zu übersezen.

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