Frei Lesen: Der falsche Woldemar

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Willibald Alexis

Der falsche Woldemar

Zehntes Kapitel.

eingestellt: 23.7.2007



In einer Stube des Schlosses saß eine Gesellschaft bei nander, wie man sie nicht alle Tage auf Herrnhöfen sieht. Fürnehme Gäste warens, das verriethen ihre Blicke, die Art, als sie sich in den Armsesseln lehnten, und mit den Händen auf dem Tische spielten, der vor ihnen stand. Ein gemeiner Mann thuts nicht so leicht; streckt auch nicht so die Beine von sich. Aber ihre Wämmser strotzten nicht von Gold und Silber. Schiens umgekehrt, als hätten sie die schlechtesten Lederkoller vorgesucht, die in ihren Läden hingen, und darüber hatten sie grobe Reitermäntel, als ein Ritter sie nicht anbehält, wo er in das Zimmer einer edlen Frau tritt. Und das war es. Zierlich und fein und mit Teppichen verhangen; auch lag einer, der sehr schön war, auf dem Fußboden. Und doch streckten sich drauf ein drei bis vier große Hunde, und grunzten sich unterschiedlich an, auch biß wohl einer den andern, und sie fuhren auf einander los und den Herrschaften zwischen die Beine und unter die Stühle. Wo eine edle Frau im Zimmer, hätte sichs wohl geschickt, daß die Herren die Hunde draußen ließen; oder so sie das nicht mochten, hätten sie die Thiere zur Ruhe halten sollen. Aber sie lachten, wenn die zornig wurden und Lärm machten.

Die Wirthin lächelte nur. So nachlässig die Andern gekleidet waren, so reich und mit Geschick war ihr Anzug; und als wenig die Meisten von den Herren sich besonders aufmerksam gegen die edle Frau benahmen, so artig und aufmerksam war sie gegen ihre Gäste und bediente sie selber mit Wein und Früchten und süßem Imbiß. Denn es wurden keine Diener zugelassen, und das hatte Jeder auf den ersten Blick weg, die fürnehmen Herren wollten nicht, daß viel davon Redens wäre, daß sie im Schloß waren. Wenn sies aber durchaus wollten geheim halten, da hätten sies anders anfangen müssen. Ihre Rosse standen im Hofe, und wo ein Dutzend Knechte bei einander und mehr, die nichts zu thun haben, als auf ihre Herren warten, da soll wohl etwas verschwiegen bleiben. Allein um deswillen mußte es heraus, wer die Herren waren, da kein Knecht eines großen Herrn es duldet, daß Einer, der einem geringeren dient, ihm den Vorrang nimmt. Die Ehre der Herrschaften ist die Ehre der Diener, und sie ist ihnen mehr werth als ihrer Herren Heimlichkeiten.

So erfuhrens die Diener, wenn sie es nicht schon vorher wußten, wer die Herren waren, die heut im Verlauf des Tages, gleichsam zufällig, am Thor angesprochen. Einer kehrte von einer Reise zurück, der Andere war auf einer großen Jagd, und der und jener geistliche Herr hatte seinen Sprengel besichtigt oder vor einem wunderthätigen Bilde seine Andacht verrichtet. Das war nichts Auffälliges, daß Herzog Rudolf von Sachsen, der Alte, bei der reichen Gräfin von Nordheim ansprach; es war auch schon ehedem geschehen. Item verkehrten mit ihr wohl die Grafen von Anhalt; ihre Güter grenzten ja aneinander. Auch der und jener Prälat aus dem Magdeburgischen. Daß sie aber Alle grad heut hier zusammentreffen mußten, und sonder groß Gefolge, und ohne daß der Thürmer ins Horn stieß, und die Gräfin ihnen bis ans Thor entgegen ging, das war auffällig.

Darum brannten auch wohl nicht so viele Kerzen im Zimmer, als es sich sonst schickt, wo hohe Herrschaften beisammen sitzen und als Gäste einer Frau, die sich durch solchen Besuch geehrt fühlt. Aber vor ihnen auf dem runden Tisch lag eine große Landkarte, die sah schmutzig und ganz durchstrichen aus, weiß und schwarz. Es hatte jeder von den Herren mit der Feder oder mit der Kohle und Kreide darüber hingezogen, lauter Gränzstriche. Doch schiens nicht, als ob irgend ein Strich, den Einer that, einem Andern gefiel, denn ihm selber allein, der ihn that.

»Bis hier ist die alte Priegnitz. Schlag der Geier darein, so Ihr mir die Grenzen verrücken wollt!« rief Einer mit einem gar dicken Kopf. Ich wills verrathen: es war der Herzog von Mecklenburg.

»Das ist noch Uckermark, Euer Gnaden; ist meines Herrn, des Pommern«, rief ein Graf, ich weiß nicht seinen Namen.

Der schrie so, der Andere so.

»Ihr fordert mehr, als Euer Herr fordern thäte«, bedeutete ihm Einer.

»Das ist guter Dienstleute Art«, entgegnete der Pommer, »daß sie fordern, was ihren Herren zukommt von Rechtswegen.«

»Was kommt Euch denn zu von den Marken?« sprach der Graf von Anhalt, der gar finster vor sich blickte.

Der Pommer verzog den Mund: »Meine, die Pommern haben nicht umsonst den Baier bei Cremmen gelaust. Das Stück ist uckermärkisch und die ganze Uckermark kriegt Pommern; sonst wirds nichts. Ich sags Euch.«

» Greifen ist der Pommern Wappen!« sprach der Mecklenburger. »Aber ich wills Euch weisen, was mein ist, und laß es nicht.«

Da lehnte sich der Mecklenburger mit beiden Ellenbogen auf die Karte, und sein Gesicht stützt er in den Händen. Nun lachten Alle auf, denn Einer sagte: »Er drückt sein mecklenburgisch Wappen drauf. Da denkt er, er hats!«

Wie sie nun jetzt ihrer drei oder vier über dem Tisch lagen, daß ihre Köpfe sich fast stießen, und mit ihren dicken Fingern stauchten sie vor sich auf das Pergament, da erhub sich der Herzog Rudolf; er hatte ein Gesicht als Viele. Wars zu voll Fleisches, als daß es gut und bös sein konnte. Aber wie er aufrecht stand und den Federhut auf dem Kopfe schüttelte, sah er wie ein Fürst und Feldherr aus, vor dem man erschrecken kann, wenn er zürnt. Er schlug mit der flachen Hand, darauf er vorher den Büffelhandschuh gesteckt, auf die Karte und den Tisch, daß, was lose im Zimmer stand, wankte.

»Bei den eilftausend heiligen Jungfrauen, schneidet Ihr und kratzt, als Euchs gefällt. Die Kreide und Kohle thuts nicht, und der Gänsekiel auch nicht. Sos nach dem Rechten ging, das Ganze bliebe bei Einem, und der Eine wär ich, und Ihr hättet einen Quart von der Mark, Ihr Alle, daß Ihrs wißt.«

Einer im schwarzen Habit, es war der Kanzler des Magdeburger Erzbischofs, der sprach sehr ruhig:

»Eure Fürstliche Gnaden, es ging aber nicht nach dem Recht. Wären sonst nicht hier beisammen, um uns zu vertragen, was Recht sein soll.«

Die Meisten lachten auf, weil der Kanzler das so ruhig sagte. Der alte Herr von Sachsen gerieth gar in Zorn. Er sprach von seinem alten und gutem Rechte auf die Mark Brandenburg, darum, weil er der rechte und eheliche Nachkomme des Baiern Albrecht sei, von dessen zweitem Sohne Bernhard. Also sei von Gott und Rechtswegen, nachdem die markgräfliche Linie der Ballenstädter in Brandenburg ausgestorben, ihr Besitzthum auf die andere Linie, die in Sachsen herrscht, übergegangen.

Da erhob sich gegen den Sachsen der alte Graf von Anhalt, der zu Dessau sitzt, Albrecht hieß er: »Euer Liebden zu Gunsten, das heißt die alte Stänkerei wieder aufgerührt, und frommt uns zu nichts. Als ich weiß von meinen Vätern, so sind wir in Dessau nicht minder als Ihr zu Sachsen und des Bären Albrecht rechtem und gutem Blut. Und käm es darauf an, hätten wir einen als guten Anspruch denn Ihr.«

»Darauf kommt es aber nicht an«, sprach mit Bestimmtheit der Kanzler. »Wären Eure erlauchten Häuser zu gesammter Hand von Kaiser und Reich belehnt worden, es stünde um Euch besser. Aber die Mark verfiel, so meinen sie, als offen Lehen dem Reiche, nachdem des Bären Albrecht erstgeborene Linie, so allein erweislich belehnt worden, als es den Anschein hat, ausstarb.«

»Worauf kommts denn an?« rief der Sachse ungeduldig.

»Es kommt darauf an, meine gnädigen Herren«, sprach der Kanzler, »daß wir uns vertragen und nicht, daß wir uns zanken. Es kommt darauf an, daß die Vielen, so Jeder ein Stückchen Recht zu haben vermeinen, diese Stückchen zusammen thun, damit es ein großes Stück wird. Und dieses Recht lässet sich allein durch Eintracht gewinnen. Um so mehr aber ist Fürsicht und Einigung nöthig, als dieses Recht vor den Augen der Welt, Gott seis geklagt, nicht zu Tage liegt, als es sollte. Vielmehr, als Euch Allen wohl bewußt, ist der ursprüngliche Rechtsstand durch den vorigen ketzerischen Kaiser Ludwig völlig und dermaßen in Irrung verrückt, daß die deutsche Nation allen Ernstes vermeint, diese Mark Brandenburg gehöre durch Kaiserliche Belehnung an den Markgrafen Ludewig. Des Volkes Aug ist blöd. Dem gemäß fordert die Klugheit, die Verrückung des Rechtes wieder ins Geschick zu bringen. Und darum sind wir hier, und darum thut vor allem Noth, daß wir uns als kluge und gerechte Leute verständigen.«

»Ein Kaiser hats verdreht«, schrie der Sachse, »so kanns der andre Kaiser wieder grad rücken. Grad raus und wir jagten mit einander den Baiern zum Teufel!«

»Das ist menschliche Weisheit.«

»Eure ist Pfaffenweisheit«, fuhr der Sachse fort. »Und Euer Kaiser ist ein Pfaffenkaiser.«

»Kaiser Karl, den Gott erhalte, ist ein christlicher Fürst; er liebt nicht den Krieg und dankt dem Herrn, wo dessen himmlische Heerschaaren für ihn streiten, daß Blutvergießen gespart werde. Und hat der Herr nicht auch hier sich gezeigt? In den höchsten Nöthen wirkt er wie ein Wunder! Deß sollten wir Alle gute katholische Christen mit zerknirschtem Herzen uns freuen.«

»Ich sehs noch nicht«, sagte der Mecklenburger.

»Ihr seht es nicht, weil Ihr es nicht glaubt. Damit der Zwist unter den Erben aufhöre, erweckt er in seiner Gnade den Erblasser selbst. Damit ist aller Streit geschlichtet. Ist ihm die Wurzel abgeschnitten. Was ist Euer Recht, Herr Herzog von Mecklenburg, was der pommerschen Herren, was unser Aller, so der große Woldemar lebt?«

»Und was haben wir davon?« rief der Mecklenburger.

»Die Warnung des Himmels, daß wir bei Zeiten sorgen, wies wird, wenn er wieder stirbt. Denn ein alter Mann, Ihr gnädigen Herren, muß sterben. Nach der Satzung der Natur früher als junge und kräftige Männer. Gott gab ihm keine Kinder. Also benutzt er die wenigen Jahre, die er zu leben hat, – vielleicht geht er auch in ein Kloster – nur und allein, daß er sich vergleiche mit seinen Verwandten und Nachbarn, er ordnet die künftige Erbschaft im voraus; und hört auf guten Rath. Und an dem soll es ihm nicht fehlen.«

»Bei den Hirnschädeln aller Heiligen!« rief der Sachsenherzog, »ich glaubs Euch. Ist ein Gebäck aus Eurer Küche, und die Glatzköpfe werden ihn rasiren und stutzen als ihnen lieb ist. Mir gefällt das Ding nicht, ich sags Euch. Quirlt und backt Ihr nach Herzenslust, und wies dem Teufel gefällt. Eins aber sag ich: die Mittelmark ist mein, grad so als ichs hier verzeichnet, und die Kurwürde bleibt dabei. Und das verschreibt mir Eure Kreatur; kein Schloß, kein Dorf, kein Schweinekoben geht ab im Testament, und Ihr beschwörts und der Kaiser beschwörts. Wo nicht, so sollt Ihr Euer Männlein nicht so geschickt geschneidert und gestopft haben, ich reiß ihm das Wamms ab und zeig aller Welt, daß er ne Vogelscheuche ist. Verstanden, Ihr Herren? Will nicht den Hundetheil, wo von Gott und Rechtswegen Alles mein wär. Verstanden, ich laß nicht mit mir spaßen! Dem Faß stoß ich den Boden aus, so Ihr mich betrügt, so wahr ich heiße Rudolf von Sachsen!«

»Ist wie ein alt Weib«, sagte der Mecklenburger, als der Sachsenherzog gegangen war. Der Abschied war kurz. »Muß immer wieder von vorn anfangen, was man meint, es ist abgethan.«

»Gebt Achtung, er ist auch nicht mit der Mittelmark zufrieden, so es gut geht«, sprach der Abgesandte der Pommernherzöge.

»Blitz und Wetter«, rief der Mecklenburger, »ist er nicht zufrieden, so theilen wir weiter. Wir aus der Priegnitz, der Pommer aus der Uckermark, Ihr von Magdeburg, Gottes Segen! wir werden doch Grenzen finden. Nicht mit dem Gänsekiel, damit theilen wir –« und er ließ sein Schwert in der Scheide klirren.

Die Andern lachten, nur der Graf von Anhalt schaute finster drein. »Ihr gnädigen Herren«, sprach der Kanzler, »das war ein Spiel mit eisernen Würfeln. Und achtet wohl, daß es das nicht sein soll, vielmehr ein groß Gericht zum Wohl der Christenheit und der heiligen Kirche. Ein Krieg ist ein Spiel, wo der Stärkste gewinnt, und wir sehen doch nicht sein Ende ab. Um das Ungewisse zum Gewissen zu machen, darum ist unser Bund. Um den unseligen Krieg abzuwenden, darum reichen wir uns die Hände. Für seine Mitarbeit sollte Jeder belohnt werden; als wir es endlich hier im Vertrage festsetzten. Aber es war ein Unrecht, Den, der ein Recht hat, um seines bringen; denn allein durch dieses Recht der rechten Erben erwächst uns ein Recht, indem wir ihnen helfen. Das müssen wir festhalten. So sieht es mein hochwürdiger Erzbischof an, so die deutschen Fürsten, so unser erlauchter Kaiserlicher Herr, der allezeit als ein Schirmherr der Kirche waltet. Und darum allein behält er sich die Bestätigung unseres Bundes vor.

»Und nimmt dafür die Lausitz«, lachte der Mecklenburger.

»Wie Gott will, und das dereinstige Testament des Markgrafen Woldemar«, sprach der Kanzler mit einem Blick nach oben.

»Das die Pfaffen machen werden. Aber seht Euch für, Herr Kanzler, so Ihrs schreibt. Und wenn Ihr alle Esel schindet, um Testamente auf ihre Haut zu schreiben – wir erkennen nur das an, wo die Priegnitz zu Mecklenburg kommt.«

Die Herren waren schon aufgestanden und hüllten sich in ihre Mäntel.

Da fiel es Einem bei, daß er den Pokal erhob und er trank lachend auf das künftige selige Ende des Erblassers und die Andern stimmten lachend ein. Nur Einer sprach: »Was, Ihr trinkt schon auf seinen Tod und habt ihn noch nicht einmal leben lassen!« Darum that man auch das, wieder, als es schien, recht froh gemuth, und nun war es hohe Zeit zum Aufbruch für Alle.

Nur der Graf von Anhalt und der Kanzler von Magdeburg blieben noch. Da athmete die Gräfin schwer auf und warf sich, als ermüdet, in den Sessel.

»So ungeschlacht, schwerfällig!«

»Sie rennen als Stiere auf ihren Vortheil los!« sagte der Kanzler.

»Wäre das in Frankreich, in Welschland, heilige Barbara«, sprach die Gräfin, »wie machte solcher Bund sich von selbst! Aber diese deutschen Fürsten, fast mußte man sie zwingen. Zu Anfang die allerhand Gewissenszweifel. Nun die beseitigt, nun sie wissen, wer Kaiser ist mit ihnen, bricht die alte, gemeine Rohheit vor. Wie ihre Hunde fallen sie aufeinander los!«

»Und ehe noch das Thier gefallen ist«, sagte der Kanzler.

Die Gräfin blickte ihn rasch an: »Zweifelt Ihr, daß es fallen wird?«

»Wie sollten wir zweifeln, gnädigste Frau, da mein hoher Fürst aus so gutem Munde die Nachricht hat, daß der wahrhafte Markgraf Woldemar –«

»Aus wessen Munde?«

»Dem Euren, Gräfin von Nordheim.«

»Ich hörte ja wohl zuerst durch Euer Gnaden davon?« wandte sich die Gräfin zum Grafen von Dessau.

»Mir theilte es der Dechant Bruno mit; so ich nicht irre, wars nach einem Gespräche mit der Gräfin Nordheim.«

»Des Gespräches entsinne ich mich wohl«, entgegnete diese. »Aber es war, nachdem Bruno von Magdeburg kam. Dort war ein Geheimschreiber des Kaisers –«

»So streitet man, wenn eine Sache verloren ging«, fiel der Graf von Anhalt ein.

»Das wolle Gott verhüten!« sagte der Kanzler. »Durch Gräfin Mathildes Vertrauten, den Brandenburger Dechanten, von dem wunderbaren Ereigniß unterrichtet, gab mein hoher Herr seine eigenen Zweifel gefangen. Kommt der wunderbare Mann, nun ja er wird ihn prüfen, er muß ihn prüfen, aber das Zeugniß einer so frommen, so klugen Frau –«

» Mein Zeugniß! Thorheit!« rief die Gräfin. »Ich war ein Kind, als Woldemar starb.«

»Das wird sich Alles finden.«

Die Gräfin stand unruhig auf: »Wenn aber der Mann sich nicht findet!«

Die Beiden blickten sie verwundert an.

»So ists, Ihr Herren. Ein Königreich ist da, und der König fehlt.«

»Es war ja alles vorbereitet«, sagte der Dessauer.

»Fertig ein Thron, der Fürstenhut schwebt in den Lüften. Die heißen Wünsche des Volkes, Vasallen, Bundesgenossen erwarten ihn.«

»Sie beten in den Kirchen für ihn. Sie hängen sein Wappen an die Mauern.«

»Hilf Himmel! und die Kunde muß schon bis Baiern sein. Markgraf Ludewig darf nicht ins Land, bis wenigstens die Hauptstädte ihm huldigten.«

»Wem denn? Steckt einen Strohwisch hin, hängt ihm den Kurmantel um. Sie huldigten vielleicht auch.«

»Wer begreift das!«

Die Gräfin blickte vorsichtig um: »Ihr Herren, es ist nicht zu begreifen. Er ist verschwunden, spurlos. Alle meine Späher suchen vergebens. Als hätte ihn die Erde verschlungen, ein geheimer Feind ihn weggeschafft. Mein Verstand steht still. Sollte ein Anhänger Ludewigs ihn erkauft haben? Wer ist so reich?«

»Ihr vergeßt, Gräfin«, sagte der Kanzler, »daß wir keinen Betrüger, daß wir nur den wahrhaften Markgrafen Woldemar, des Markgrafen Konrad Sohn, erwarten.«

»Lügt Euch, was Euch beliebt, Ihr thuts für Euch. Mit Lügen ists nicht mehr gethan. Das Volk will einen Mann und der Mann fehlt.«

Der Kanzler stand mit einer feierlichen Miene auf:

»Nicht der Mann fehlt, es fehlt der Glaube. Um was denn thun wirs? Um dieses Landes Frieden, um das Wohl der Christenheit. Um das gekränkte Recht, um die Kirche, die wieder in Gloire aufstehn soll. Um des Glaubens willen, daß es so sein muß. Und so der Glaube als heilige Ueberzeugung in uns brennt, so wird er auch zur Wirklichkeit. So wird, was wir wünschten und träumten, durch die Fürbitte der Heiligen zur Wahrheit. Selig die da glauben, und selig, Gräfin, die nicht im Glauben wanken. Empfanget den Segen, den Euch mein Herr durch mich sendet. Ihr habts begonnen, Ihr dürft nicht wanken. Mit irdischer Klugheit hat er Euch ausgestattet zu seinem heiligen Werke. Traut ihm und Euch, und erwägt, daß es eine Sünde ist wider ihn, von dem begonnenen zu lassen, gleich als das Weib eine Sünde begeht, die ein Kind in die Welt stößt, und sie hat es geboren und Gott fordert es von ihr. Ihr dürft nicht wanken und auch nicht zweifeln. Als wie ein trocken Sommerfeld nach Regen dürstet, verlangen die Märker nach ihrem alten Fürsten. Und so wie der Herr den Regen sendet den Feldern, wird er den Märkern den Fürsten senden, denn ihr Glaube ist gut.«

Mit gekreuzten Armen auf der Brust hatten sie den Segen empfangen, aber ein böser Blick schnellte dem Kanzler nach, als er gegangen war.

»Wenn ihre Klugheit zu Ende, dann predigen sie. Und wenn sie ausreiten zur Schlacht, satteln sie zuvor den schnellsten Renner für den Fall, daß es schlimm ginge, zur Flucht. Ich glaube, mein Vetter von Magdeburg wäre im Stande und verriethe mich selbst, so es zum Wohl der Kirche geschähe.«

»Wir leben wieder in einer Pfaffenzeit, seufzte der Dessauer. Und es ist gut, auf ihrer Fährte bleiben; sie wittern am besten.«

»Aber bei allen Heiligen! Ihr vergeßt, daß uns die Hauptsache fehlt.«

»Die Puppe! Dafür laßt die Pfaffen sorgen. Sie verstehen es.«

»Ihr meint –«

»Daß sie wohl schon in Magdeburg fertig ist.«

»Wär es das! rief die Gräfin, und ihr Gesicht wandelte die Farbe. Ei, ei, mein frommer Vetter, Ihr könntet Euch verrechnet haben; ohne mich macht man keinen Markgrafen von Brandenburg!«

Sie ging unruhig auf und ab: »Sie meinen, meiner seien sie gewiß; wie einen überflüssigen Bundesgenossen könnten sie mich bei Seit schieben. Daher der Trotz des Sachsenherzogs, diese salbungsvolle Sprache des Kanzlers. Verrieth ich zu viel in meinem Zorne? Ja, ich kenne die Schwäche unsers Feindes; aber ich kenne auch seine Stärke. Bei allen guten Geistern, sie kennen mich nicht, wenn sie meinen, ich solle ihr gefällig Werkzeug sein zu ihren Zwecken.«

Der Gras von Dessau faßte ihre Hand: »Edle Frau. Es ist und bleibt ein gefährlich Spiel, und ein häßlich Spiel. Aber es geht nur, so wir einig bleiben. Sorgt nicht um unnöthiges. Unser bedürfen sie; denn so ein Glied ausfällt, ist die Kette gesprengt. Zudem, wir dürfen auf den Erzbischof bauen. Kann er die ganze Welt für sich erobern wollen? Wer ließe sie ihm! Kann er wünschen, daß der Sachse sie erhält, der ohnedies ihm ein zu starker Nachbar ist? Grade ihm muß der an Macht schwächste der liebste sein.«

Der Gräfin Gedanken waren weit voraus geflogen: »Und Ihr seid zufrieden mit dem Bettel, den man übrig läßt? Der die Uckermark, Der die Priegnitz, der Kaiser die Lausitz, der Magdeburger behält sich noch vor, was er für seine Mühe sich nehmen will. Allmächtiger Gott, vom großen Reiche Woldemars ein Stücklein nur für den Mann meiner Tochter! Das ist kein Fürstenreich. Ist Euer Neffe so zahmen Blutes, gährt nicht in ihm der Stolz des Hauses Anhalt? Seid Ihr für ihn zufrieden mit einem Fetzen aus dem Reiche Eurer Vorfahren?«

»Mein Neffe heißt Woldemar, und die Zukunft ist sein Reich.«

»Und doch seufzt Ihr! Wo ist er? – Wo bleibt er aus, da es uns Noth thut an Männern!«

»Ihr wißt, Gräfin, daß Eure Tochter –«

»Die war damals ein Kind, ist heute noch ein Kind. Aber sie ist ihrer Mutter Tochter, und ihrer Mutter Wille wird ihr Wille. – Das darf ihn nicht kümmern, das kümmert ihn nicht. Was ists! Warum zeigt er sich nicht? Weiß er vom Bunde? Wird er nach Magdeburg kommen?«

Des Grafen Stirn legte sich in Runzeln: »Weiß ich doch selbst kaum von ihm. Er ist ein Knabe, schweift umher, Gott weiß wo, träumt von den Zeiten, die nicht mehr sind, und sucht nach Abenteuern. – Laßt ihn aus unserm Bund. Sein Sinn ist zu rein und frei dafür.«

»Saul fand auch eine Krone. So er nur im rechten Augenblick zugreift! Und Ihr schüttelt doch den Kopf?«

»Es ist ein schweres, hartes Werk, Gräfin, eine saure Arbeit, für einen Mann, der Zeitlebens grad aus ging. – Ich hasse die krummen Wege. Aber, dies Land meiner Ahnen, mit ihrem Blute gedüngt, durch den Opfertod so vieler tausend Märtyrer den Slaven abgerungen, es wühlt mein Herz um, den Gräuel länger zu sehen. Dies große Reich, das Sachsen gegründet, wo ihre Sprache gesprochen wird, ihr Recht gilt, das in eines Franken Händen, ders nicht achtet, der drin wirtschaftet, als der schlechte Verwalter im Weinberge des Herrn: bei meinen Vätern, es ist nicht länger zu dulden. Darum geh ich auf Euren Wegen. Der Sachsen Sitte und Recht soll nicht ausgetilgt werden durch diese hochmüthigen Baiern. Nicht verschwenden sollen sie in ihrem frechen Leichtsinn, was unsre edlen Väter sich abdarbten, daß ihre Enkel daran zehrten, und ihr Werk fortführten. Darum schwör ich zu dem Bunde. Und nicht um mich. Ich bin ein alter Mann. Mein Dessau ist ein klein, aber ein schön Ländlein. Hätte genug. Um meines Neffen halb, darum bin ich bei Euch mit Leib und Seel und wünschte, es wäre mehr Ehr, als ist, bei Euch. Doch wie Gott will. Und als guter Vormund muß ich so thun. Aber meinen Neffen, den laßt außer dem Netz. Ist ein adlig Gemüth, spiegelblank wie sein Ritterkleid; möchte nicht, daß es befleckt wird durch der Pfaffen Geifer.«

Der Graf war schon im Gehen, als er sich noch einmal umwandte: »Aber, so unsre Sache gut wird durch des Kaisers Wort, dann steh ich für ihn. Getrost, Frau Gräfin, für eine gute Sache wird er schlagen als ein Ritter, und einstehn, wo es gilt.«

Mit einem Hohnlächeln um die Lippen blickte ihm die schöne Frau nach: »Und das Markgrafenthum nicht ausschlagen,« setzte sie die Rede fort, »das ihm ein so guter Vormund verschafft. Der nur um seinen Neffen, und die alten Sachsen, Der nur ums Wohl der Christenheit und der Kirche! Der Pommer nur um die Uckermark und der Mecklenburger nur um die Priegnitz.« Sie lachte bitter auf: »Ich sehe nur einen graden Weg; den geht eines gekränkten Weibes Rache!«

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