Willibald Alexis
Der falsche Woldemar
Zwölftes Kapitel.
eingestellt: 23.7.2007
Die Gräfin sah inzwischen Alles und sah nichts. Sie lehnte, als eine starre Bildsäule, am Fenster. Schlacht und Gemetzel wogte an ihr vorüber; Todte saßen zu Roß und stritten mit den Lebendigen. Immer und immer wieder rasselte ein Gerippe, mit klaffenden Wunden im Nacken, vorüber. Das schwarze Roß bäumte sich; zu ihr blickte das hohle Auge auf, zu ihr streckte der Reiter dräuend den Arm empor: »Das ist Dein Werk!« gähnte der Graf von Nordheim.
Ihr Herz
blieb kalt, ihr Blick starr. Ein hoher Reiter sprengte vorüber; der Helmsturz bedeckte das Gesicht. Nur die fürstliche Gestalt, den aufgerichten Leib, die blauen und weißen Federn, wallend vom Helmkamm, sah die Gräfin. Sie sah, wie er im Sattel sich hob, die Spitze seines Schwertes leuchtete in den Flammen – da wars, als wenn das Schwert bis tief ins Herz ihr drang. Nein, das wäre eine Todeswunde, ein Schmerz wars, als wenn tausend Nadeln hinein bohrten. Sie wollte schreien, die Arme
ausstrecken, zum Fenster hinaus sich stürzen. Sie konnte nicht den kleinen Finger rühren.
Heut nennen sies einen Starrkrampf. Sie lebte und lebte nicht. Ein Feuer brannte und kochte in ihrem eiskalten Körper; der Schweiß brach vor und leckte ihre Marmorstirn. Aber glühend und glühender hauchte die Luft und trocknete das Naß. Da brach es, es mußte brechen. Ein Sausen und Zischen und Krachen. Der Mörtel der Decke löste sich, es regnete, rauschte, hagelte um sie, lichte Gluth über ihr.
Der Zauber war gelöst, sie schlug die Hände über den Kopf und war frei.
»Mein Kind! Maria! mein Kind!«
Sie stürzte nach der Thür. Von selber sprang sie auf, ihr entgegen. Die krachenden Dachbalken öffneten alle Thüren, alle Fugen sprangen, um das Verderben sehen zu lassen, das über das Hans einbrach.
Sie sah nichts von der Verwüstung, sie achtete nicht, wie die Flammen schon an den Pfeilern der Gallerie leckten. Sie sah nicht, wie sie sich zwischen den brennenden
Speichern mit Erbitterung schlugen, wie über die niedergerissenen Zäune und Ställe, durch die zertrümmerten Wagen Pickelhauben und Schilde brachen. Sie stürzte über die Schwelle nach der Seite, wo ihre Frauen wohnten, ihrer Tochter Kammer zu. Die Gallerie schwankte unter ihren Tritten. Ihr Herz schlug freier. Da leckten noch nicht die Flammen; die Treppe, die von der Gallerie dort zum Hofe führte, war noch fest.
Aber kaum auf halbem Wege blieb sie stehen. Ihr Auge traf auf Etwas, das
sie nicht erwartet. Die Treppe dort hinauf stürmten Bewaffnete. Ein Ritter vorauf. Wie muß der Feind aussehen, vor dem eine Mutter erschrickt, und ihr Fuß bleibt regungslos, eine Mutter, die eine Tochter aus den Flammen retten will!
»Mir nach!« rief der Ritter. Unter seinem ehernen Fußtritte dröhnte die Stiege. Der Funkenregen sprühte über seinen Harnisch. Es war ihm zu heiß; er schlug das Visir zurück. »Mir nach! Dort sind die Frauen!«
Weiter hörte sie nichts, weiter sah
sie nichts. Sie hatte das eine Gesicht gesehen, was sie nicht sehen mochte, seine Augen hatten starr, zweifelhaft auf die Frau geblickt. Die Kniee sanken ihr. Sie wollte sich am Geländer halten, die Hände glitten kraftlos aus. Hülfreiche Arme faßten sie auf, und trugen die Besinnungslose durch Flammen und Gemetzel hinab.
Es war nur noch der Kampf um einen guten Rückzug, den die Brandenburgischen fochten. Ihre Schwerter hieben ihnen Bahn, bis Woldemar von Anhalt das Thor erreicht.
Ihrer waren weniger die ausreiten wollten, als die einritten. Viele jagten noch durch die Straßen, Viele kämpften in den Häusern.
Der Graf von Anhalt wischte den Schweiß von der Stirn, der ihm die Augen trübte und schaute zurück: »Wagen wirs, Heinrich? – Noch einmal zurück! Es blieben gute Leute drinnen!«
»Wagt es!« rief eine Stimme wie aus dem Grabe. Wer hätte der nicht gehorcht, so er der Frau in des angsterfüllte Antlitz schaute, die den Namen ihres Kindes
in die Lüfte schrie.
Die Gräfin war zum Bewußtsein erwacht und rang die Hände. Wie mag ein guter Ritter widerstehen dem Schmerz einer Mutter! Der junge Woldemar stieß ins Hifthorn. »Gnade mir Gott, ich bring Euch das Fräulein, oder kehr nicht wieder«, rief er. »Heinrich, bewache Du das Thor! Sanct Gürgen mit uns.«
Ihrer waren genug, die das Thor bewachten, die Wunden und Müden und die sonder Rosse waren. Das dachte Heinrich, und biß sich in die Lippen. Zuschauen der Angst
einer Frau ist schlechte Lust. Auf einem Vorsprung der Thorwarte stand sie und riß den Eisenring, dran sie sich hielt, fast aus der Mauer. Ihr Auge hing, wie festgezaubert, an den Federbüschen; da athmete sie auf, da winkte sie, als wolle sie warnen, ihnen die Wege zeigen. – Jetzt kam ein Luftzug, eine Schwüle und eine Kälte zugleich, ein Druck der Luft, und die rothe Lohe schlug himmelhoch; dann ein Krachen, eine Erschütterung, die Pferde scheuten, die Krieger fuhren an einander. Die
große Herberge, deren Giebelbalken noch immer als Wahrzeichen in den feuerrothen Himmel gestanden, stürzte zusammen.
»Edle Frau«, sprach der Marschalk, »zaget nicht, unser Fräulein ist sicherlich gerettet.« – Und er zitterte mehr, da er redete, als die Frau, der er zum Trost reden wollte.
Sie hörte ihn nicht. Sie schaute umher, und ihr Blick fiel auf Heinrich:
»Ein Krieger Du!«
»Euch zu beschirmen«, antwortete er mit gerunzelter Stirn.
»Dort ist Dein Platz!« rief sie. »Dein Fürst sinkt, was thust Du unter Weibern?«
Das war genug für Heinrich. Er blieb nicht unter den Weibern. Es war das letzte Gefecht. Aber als ein Brand, der im Erlöschen ist, er hat Alles aufgezehrt, zum letzten Male noch einmal auflodert, es war furchtbar. Die Besten waren da aneinander. Helm an Helm, Faust an Faust. Die Klinge seines Schwertes war ihm gesprungen, Heinrich schleuderte das Gefäß in die Feinde und griff eine Lanze mit dem Fähnlein
von Anhalt: »Hie Brandenburg!« drüben rief es: »Hie Baiern!«
»Hie auch Brandenburg!« rief Einer auf der Baiern Seite. Der schwang sich unterm Thorweg der Herberg aufs Roß, das ihm seine Diener hielten. Das war kein Anderer als Markgraf Ludwig, der Baier selbst. Der schaute sich zornig um, was hier noch zu thun sei, er meinte, es wäre abgethan. Nun stand das Haus, was die Herberg von Brietzen gewesen, wohl in Flammen, und der Dachstuhl war niedergestürzt, aber der hatte schier das
Feuer erdrückt. Unterm Thorweg war es heiß, aber zur Zeit noch sicher, das Gewölbe schützte die darunter standen. Und unter ihnen ein Fräulein, halb ein Kind noch. Unsre liebe Frau schütze jedes Mägdlein vor solcher Lage. Ohne ihren Schutz ists um das Kind gethan.
Beim Turnier soll ein gut geboren Fräulein nicht mit den Augen blinken, wenn die Lanzen krachen, auch so der Stoß ihren Liebsten aus dem Sattel wirft. Aber das ist kein Schauspiel für edle Frauen, was sie hier sah.
»Bei allen heiligen Rittern!« rief der Markgraf, als er sah, wie Heinrich ihm seine Besten niederstach, »wer ist der Goliath? Er sticht als Sanct Gürg.«
Da führten sie Nicolaus Köckeritz an ihm vorbei. Er hing nur im Sattel, blaß, und der Helm war ihm abgestoßen. Die Backen aufgerissen vom Mund bis zum Ohr.
»Nun, so mir Gott, Du sollsts entgelten!« rief der Fürst, als die Seinen wichen, und sie hatten ihn selbst schon zurückgedrängt.
An einander rannten sie,
als hätten Beide sich ausersehen. Aber das Glück, so im Frieden, als im Krieg, es führt die zusammen, die an einander sollen. Und ein Fürst ist in der Schlacht als ein geringer Mann, und kein Stahlharnisch ward so geschmiedet, daß nicht eine Lanze in die Fuge dringt.
Ein Stoß krachte gegen den Panzer des Baiernherzogs, daß die Lanze brach. Das Roß bäumte sich und der Fürst wankte. Entfiel ihm die Waffe. Er wäre zu Boden gesunken, hätten ihn die Getreuen nicht gehalten.
Der
Baiern Wuth brach furchtbar aus, aber da wars zu spät. Denn sie hatten vollauf zu thun, daß sie den Getroffenen aus dem Gedränge schafften.
Waren nicht fünf Minuten um, da sah man vorm Thore ein Schauspiel, beschreiben läßt sichs nicht, und wie paßts, möchte Einer fragen, zu Blut, Leichen, Brand? Eine Mutter, die sahe nichts, und hörte nichts, denn sie hielt ihr Kind in den Armen, und immer wieder schlang sie die Arme darum, und herzte es, und fragte es und hörte nicht, was es
antwortete, und nicht, was die Andern sprachen: das sei keine Zeit, und daß sie eilen müsse.
Nun hob man die edlen Frauen auf Rosse, und Heinrich hielt der, die er gerettet, den Bügel; und an seiner Hand stieg sie hinauf. Dann als ein Schatzmeister, der den Schatz, den ihm vertrauten, hüten muß, führte er beide Frauen am Bügel durchs Thor und über die Brücke. Sein eigen Pferd mußte ein Anderer am Zaun nehmen. Und als Alle hinaus waren, schloß er mit dem Letzten die Thorflügel von
außen, und derweil sie eine Balkenstange daran stießen, hämmerten Andere an der Brücke und rissen Bohlen los und schlugen Löcher, daß die Rosse einbrächen, so der Feind ihnen nachstürzte. Da erst, als die Baiern das Thor wieder aufstießen, schwang er, der Allerletzte, sich auf sein Pferd.
Etliche Bolzen sausten ihm nach, aber es trifft Keiner, der in die Nacht schießt. Am Saum des Waldes hielten sie und schauten zurück. Das war wohl ein traurig Schauspiel für Alle. Roth war der
Himmel, und aus den dicken Mauern und hinter den dicken Thürmen brachen noch die Flammen vor. Die drinnen hatten zu thun, daß sie ihrer Meister wurden, und die Rauchwolken deckten den Himmel, und der Qualm scheuchte die Vögel aus den Wäldern, und wer sich schüttelte, der stiebte Asche von sich.
Daran dachte Keiner. Sie waren traurig und ergrimmten, da sie sich anschauten, und sahen, wie ihrer so wenig waren. Da riefen sie einander bei Namen, aber die Einen waren schon in den Wald
hinein, die Anderen blieben zurück, um ihre Freunde zu suchen, oder einen Wunden, oder ein Beutestück mitzuschleppen. Die Anführer aber trieben, daß sie ritten, ehe daß der Tag sie hier fände.
Und war drinnen mehr Trost! Da stand ein Drittel der Häuser in Flammen. Gottes Gnade noch, daß der Sturm sich gelegt, sonst wäre schon dazumal wenig überblieben von der alten Stadt. Die Bürger mit Spritzen, Stangen, kletterten auf die Mauern und über die glimmenden Balken, zwischen den Flammen;
die Weiber schöpften an den Brunnen, Eimer und Gefäße gingen an langen Reihen von Hand zu Hand. Gutes Werk in schlimmer Noth; es stopfte ihre Klagen um was sie verloren, und schonte ihre Thränen um die Wunden und Todten. Da lagen umher Ritter, Reisige, Bauern und Räuber, und die Minoriten knieten an den Sterbenden. Und derweil der Eine seine letzte Beichte stöhnte, zupfte ein arm Weib den Mönch am Aermel, daß er sich haste, und zu ihrem Manne komme; der wollte ja auch sterben, und auch in den
Himmel, und seine Sünden drückten ihn auch. Der jetzt beichte, sei ein Räuber wesen, und ihr Mann ein guter Bürger. So Einer zur Hölle hätte fahren müssen, sei es doch gerechter, daß der Gottlose dahin geht, als der Friedfertige.
Es war viel Jammern, und in mancher Stadt ists schlimmer. Nicht überall jagen sie die Feinde hinaus und bleiben Herren.
Markgraf Ludewig war nicht zum Tode getroffen, auch die Wunde war gering. Nur daß ihn der Stoß betäubt, und als sie ihm den
Harnisch aufgeschnallt und den Helm abgenommen, mochte er wieder, auf zween Treue gestützt, aufrecht stehen. Da trugen sie auf einer Bahre einen andern Wunden vorüber. Ein junger Held, und sein anmuthig Gesicht war bleich. Es war nicht die Wunde allein, die ihn schmerzte.
Der Baier faßte seine Hand und schüttelte sie: »Euer Liebden, als ich weiß, haben wir Beide zu klagen, drum ists zum Besten, wir schweigen Beide.«
»Bin Euer Gefangner«, sprach Der auf der Bahre, und schlug
das Auge nieder.
»Heut mir, morgen Dir«, lächelte Markgraf Ludewig. »Geht nicht anders im Krieg. Und will Euch ritterlich halten, so Ihr auch nach meinem Fürstenhut greift. Damit Ihr, so Gott fügte, daß Ihr mich finget, mich auch ritterlich haltet. Ob ich auch den Hut festhalten will, mit meinem Kopf, das sag ich Euch, Herr Graf von Anhalt, und so der Wind, als er jetzt Asche bläst, Markgrafen ins Land bliese!«
Vorm Rathhause standen die Bürger und ihre Rathmannen, und der
Bürgermeister mit verbundener Stirne, und Frauen und Mägdlein auch. Wie sie den Markgrafen sahen, da war es, als hätten sie Alle ihr Leid vergessen, die guten Leute. Alle schrieen, und überschrieen sich: »Hoch lebe unser Markgraf Ludewig!«
Welchen Fürsten sollte das nicht freuen. Aber er war todtmatt. Nicht von Wunde und Kampf, allein er war zwölf Meilen den Tag geritten, um die Stadt zu retten, und von den Baiern waren Wenige mitgekommen, und hätte es Gott nicht gefügt, daß er die
treuen Brandenburgischen traf, und seinen Hauptmann Friedrich von Lochen, so wäre es anders kommen.
»Sagt mir um Gott, wer war der flämische Gesell sonder Zeichen, der mich in die Rippen faßte?« sprach der Fürst, und hatte sich nieder geworfen auf einen Haufen Stroh, da auch Andere seiner Ritter lagen, was auch die Rathmannen dagegen hatten, die ihn ins Rathhaus führen wollten. Und er faßte sich stöhnend in den Rippen.
Niemand wußte dem Fürsten Rede. Aber Einen von den
Gefangenen stießen sie vor, der gelächelt und gesagt, er kenne ihn.
»Gnädigster Herr Markgraf!« sprach Der: »Flämisch ist er auch wohl, denn er kam zu uns Freien im Walde aus einem flämischen Dorfe. Sie hatten ihn fortgeschickt. Er war ein Schmiedegesell.«
Da brach ein höhnisch Gelächter unter den Baiern aus, und der Markgraf verzog den Mund.
Betke Botel rief: »Der verdiente doch, daß wir ihn am höchsten Galgen hängen.«
»Erst ihn fangen«, lachte Betkin
Osten, der neben dem Fürsten auf dem Stroh lag.
»Und weiter war der Kerl nichts?« sprach der Markgraf.
»Es mußte was an ihm sein«, sprach der Gefangene, »die Hauptleute hielten auf ihn, und er kam schnell zu hohen Ehren bei uns.«
»Die höchste wartet sein noch«, lachte ein Ritter und machte ein häßlich Zeichen.
»Wahrhaftig«, rief der Fürst, »so sein Herr, den Mann mein ich im Leichenhemd, vom selben Schrot und Korn ist als dieser Gesell, der bricht
Manchem von uns eine Rippe, bis wir ihn wieder dahin gepeitscht, da er herkam.
Nun meinten die Ritter, daß es recht sei, und sich schicke, man solle alle Gefangenen aufknüpfen sonder Verhör, weil sie von den freien Banden wären, und auf handhaftiger That ergriffen. Auch den Bürgern gefiels. Wenige nur schüttelten die Köpfe, weil sie nicht als Räuber ergriffen, sondern in Diensten der Herren und Fürsten, die den Markgrafen abgesetzt.
Die Gefangenen sahen schlimm aus, die
Hände auf dem Rücken gebunden, standen sie und lasen ihr Urtel im Gesichte des Fürsten. Dem reichte aber des Bürgermeisters Tochter einen Becher Weines. Er nahm ihn, und blickte sie an, und sprechen hatte er wollen: »Auf Euer Wohlsein, schöne Maid!« aber sie war nicht schön, und es wollte ihm gar nicht über die Lippen, der Wein noch der Spruch, und da fielen ihm ins Auge die kläglichen Gesichter der Gefangenen, und sprach, denn etwas muß man sprechen, wenn man trinkt:
»Auf das Wohl
der erbärmlichen Schelme da. Um den langen Schmiedegesellen sei ihnen ihr Leben geschenkt!«
Die Rathleute standen schon längst ihn anzureden, als es sich gebührt, und konnten doch nicht zur Rede kommen. Friedrich von Lochen flüsterts ihm zu. Da hob sich Ludwig mit dem Leib aufrecht und saß als ein Fürst, ob es auch kein Thron war, nur ein Bund Stroh, er streckte den Arm aus, daß er ihre Rede hinderte; er liebte es nicht, lange Reden zu hören, und fiel den Bürgermeistern immer ins
Wort, wo sie erst anfingen.
»Spart Eure Worte, Ihr treuen Männer von Brietzen. Eure Thaten haben besser für Euch geredet, als Euer Mund könnte. So lieb ichs. Das ist brandenburgisch. Privilegien sollt Ihr haben, daß die andern Städte vor Neid bersten, und Euer Schade werde Euch doppelt ersetzt. Und als Ihr meinen Namen in Euren Herzen bewahrtet, will ich Euren in meinem hegen, und soll Brietzen so viel heißen als Treue, und der Name soll Eins werden mit Eurem.«
»Das danken
Dir, Herr, die Bürger Deines treuen Brietzen« – hub der Bürgermeister an, und wollte nun doch die Rede halten. Aber der Fürst fiel schnell ein: »Heißt nicht noch eine Stadt so in meinem Lande?«
»Ja, Herr, das Brietzen an der Oder, das zu dem Manne hält.« –
»So tauf ich dich um, du treue Stadt«, sprach er, und sprützte, was Weins im Becher war, über das Stadtwappen vorm Rathhaus. »Von Stund ab sollst du heißen zum Unterschied nicht Brietzen, sondern
Treuenbrietzen in Ewigkeit, hört Ihrs! Die Brietzener verstoß ich und die Treuenbrietzener drück ich ans Herz. Ihr Herren, das sind meine guten Freunde, versteht mich. Nun ruft mit Eurem Markgrafen ein Hoch dem guten Treuenbrietzen.«
Die Drommeten schmetterten, und die Pauken wirbelten, und wer schreien konnte, der schrie aus Leibeskräften mit dem Herzog, dem es gar sehr behagte, wie die Bürger fast außer sich waren vor Freude. Ja, in dem Augenblick wars, als hätten sie ihr
groß Leid vergessen. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wären sich um den Hals gefallen, und wo die Flammen ihrer Häuser den Platz beleuchteten, und das Blut ihrer Brüder die Steine netzte, da hätten die jungen Burschen die Mädchen umfaßt, und einen Tanz ausgeführt, vor großer Lustigkeit.
So sind die Brandenburgischen, von gutem Herzen. Und wenn ein Fürst nur ein freundlich Wort zu ihnen spricht, fließen ihnen die Augen über. Und darum, daß Ludewig zween Silben zu ihrem Namen gethan,
es kostete ihm nicht einen rothen Heller, aber wenn ers verstanden, und hätte jetzt Steuer von ihnen gefordert, deren beste Habe doch brannte, und die Armuth stand vor der Thür, sie hätten ihm Alles bewilligt und wären noch glücklich wesen.
Die baierischen Herren lachten im Bart; meinten, solch ein Land läßt sich leicht regieren, wo die Leute zufrieden sind mit einem Namen. Bei uns gehts nicht so.
Keiner aber war zufriedener als Ludewig, dem die Lust der Bürger die
allergrößte Lust machte, und wie der Bürgermeister auf den Knieen ihm dankte, es sei zu große Ehre und Gnade, die er der Stadt erweise und womit sies gut machen sollten bei ihm, was er an ihnen übermaaßen Gutes gethan. Und so die Rathmannen und die Hausväter und ihre Frauen und Töchter. Die schauten mit gar inniger Lust und Ehrfurcht den hohen Fürsten an, und segneten ihn von fern, und wagten kaum heranzutreten, wie er sie auch huldreich rief, daß sie ihm näher träten, und er sprach mit Der und
Dem ein freundlich Wort. Die Frauen und Mägdlein wurden blutroth und knixten gar verlegen, und wußten kaum zu antworten.
Betkin Osten, der, als gesagt, neben ihm lag, konnte es kaum verbeißen, wie ihn auch der Fürst mit dem Ellenbogen stieß, daß er ernsthaft schaue. Denn er, der Ludewig gut kannte von früher, und hatte manche nächtliche Ritte mit ihm gemacht, wo der Markgraf den Purpurmantel nicht mitnahm, und hatte an mancher Leiter unten Wache gestanden, wo der Herzog
hinaufgeklettert – wars auch einmal umgekehrt, denn Ludewig war ein gar leutseliger Fürst und gönnte seinen Leuten, was er für sich nahm – also Betkin Osten, der wußte, was die Reden zu bedeuten hatten; weil er sie lobte um ihrer Schönheit und Ehrbarkeit willen, die seien der Frauen schönster Schmuck.
Die Frauen wären nachgehends für den Markgrafen durchs Feuer gegangen, so Artiges hatte er Jeder gesagt. Aber das hörten sie nicht, als er sich müd aufs Stroh warf und dem
Osten ins Ohr sprach: »Du, Betkin, doch auch kein einzig hübsch Gesicht unter Allen.«
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