Willibald Alexis
Der falsche Woldemar
Neuntes Kapitel.
eingestellt: 23.7.2007
Als die Kunde von dem, was im Reiche geschehen, nach den Marken kam, nämlich, daß die Baierschen einen Gegenkaiser aufgestellt, den die Fürsten gekürt, und er war in Frankfurt gekrönt worden, erhob das nicht wenig den Muth Derer, die zu Ludewig hielten. Es war ein Stoß, der wiederkrachte von allen Enden; ein Funke, der durchs Herz zückt, auch die Fingerspitze und die Zehe am Fuß fühlt es. Denn nichts Großes geschieht für den Fleck, und die Stadt oder das Land allein,
wo es sich zuträgt, vielmehr es ist geschehen für alle Welt, und wirkt dahin; nur daß es jetzo schnell wirkt und ehedem gings langsam.
Die drei treuen Städte, Spandow, Brietzen und Frankfurt dünkten sich nicht wenig. Das baiersche Banner flatterte auf ihren Thoren ellenlang an Stangen, die wie Mastbäume ausschauten. Die von der Ritterschaft, welche zu der Baierherrschaft hielten, hoben auch ihre Köpfe, und wers vorhin nicht gewagt, jetzt stachelte es ihn, daß er es den Leuten zeige.
Ja, Mancher, der vorhin nicht das Maul aufthat, als doch Ludewig im Lande war, jetzt schrie ers in die Weite, daß er baiersch sei. Ists mit dem Muth eine eigene Sache. Manche sind zu jeder Zeit muthig, Manche immer feig. Aber Viele sind heut muthig, und erwartet man morgen, daß sies auch sind, da fährt ihnen plötzlich das Herz unters Wamms. Und item umgekehrt. Das ist so Schickung, und Den will ich glücklich preisen, dem der Muth immer ankommt, wenn er ihn zeigen soll.
Der
treue Voigt, Herrmann von Wulkow und die Ritter aus dem Oderbruch und dem Lande Lebus zogen aus Frankfurt in hellem Haufen durchs Land und neckten die Städte. Betkin Osten und ein Wedel von drüber der Oder, die hatten Gesindel zusammengerafft, Gott weiß woher, und wies zu der baierschen Farbe kam, sie streiften durch die Mittelmark und von der Zauche bis zur Ukermark. Wer ihnen in die Hände fiel, mußte auf die Knie fallen und beten für Kaiser Günther, der allein Kaiser sei, und Karl sei
abgesetzt, von Rechts wegen. Item schwören, daß Ludewig der Baier allein Markgraf sei, und den alten Woldemar in die Hölle wünschen. Das that Jeder schon; denn was thut Einer nicht, wenn ihm das Eisen überm Halse schwebt und es kostet ihn nichts als ein Wort; und die Junker hatten ihre Kurzweil dran, wie die Kaufleute dem Kaiser abschworen und ihren Markgrafen schimpften. Aber wenn sie an ihre Packwagen gingen, um zu sehen, wie sie sagten, daß nichts Baiersches drin sei, dann
schrieen sie und lamentirten, und um ein Stuck Tuch setzte Mancher sein Leben zehn Mal dran. Ein Kaufmann ist allerwärts ein Kaufmann, und Räuber sind allerwärts Räuber. Wer nur ein Paar Leute zusammenbrachte, die auch nichts zu verlieren hatten, und sie gehorchten ihm, der nannte sich einen baierschen Hauptmann, und lagerte auf den Straßen und brandschatzte, und war doch weg und verschwunden, wenn sie aus den Städten ausrückten.
Und die Grafen von Lindau besetzten Ruppin im Namen
Ludewigs; auch Gransee einmal, daraus sie aber nachmalen wieder fort mußten, und streiften durchs Havelbergische, bis an die Elbe. Dazu zogen sich die Mecklenburger auf der Priegnitz zurück, darum, weil der König von Dänemark, Ludewigs Schwager, den Mecklenburger gezwungen, daß er sich vom Bunde lossage. Er that es ungern, nicht aus Liebe zum alten Woldemar, sondern aus Liebe zur fetten Priegnitz. Die besetzten nun die Grafen von Ruppin. Ja es hätte schlimm gestanden, um das Haus Anhalt und den
alten Markgrafen, so der nicht, gleich einem jungen Manne, zu Roß und überall gewesen wäre, wo es Noth that, trotz des Winters und des Schnees, der hoch lag, und der grundlosen Wege, wo er schmolz. Der alte Mann ritt acht, zehn Meilen in einem Tag, und wo er ankam, und die Leute waren schwierig gewesen, er brauchte sich nur zu zeigen und zu sprechen, da war die Ordnung wieder hergestellt.
Also hielt er die Mark, und die Städte hielten treulich zu ihm und die Mehrzahl der Ritterschaft;
und wo er mit seinen Reisigen erschien, wichen die von der Widerpart in die Wälder oder über die Flüsse. Daß die Mecklenburger abzogen, war ihm gar nicht unlieb. Denn sie lagen wohl, dem Namen nach für ihn, in Wahrheit aber für sich auf der Mast in der Priegnitz; und leichter meinte er die Ruppiner auszutreiben als Rebellen, denn die Mecklenburger als Freunde.
Darauf kam die andere Kunde in die Mark, daß der Gegenkaiser an Gift erkrankt sei, bei Eltwill am Rhein, und er dem Reiche
entsagt und in Frankfurt, da man ihn wählte, verstorben und begraben. Da zog Mancher sächtchen über Nacht die Baiersche Fahne von der Stange, und wartete der Dinge, die da kommen würden. Die an den Anhaltinern hingen frohlockten, und sandten Verordnete an den alten Markgrafen, daß sie ihre Freude ausdrücken sollten. Woldemar, der Alte, empfing sie gnädig, aber er sagte, das sei er gewärtig gewesen, daß es so kommen müsse; denn wer die Hand aufhebe wider den Herrn, den strafe der Herr.
Viel Boten ritten dazumal hin und her, und die baierisch Gesinnten schöpften doch wieder Athem; denn es hieß von Abkommen und Verträgen, zwischen Kaiser Karl, der obgesiegt, mit den Baierherzogen. Aber laut wurde darüber nichts, und was der Eine sagte, das leugnete der Andere. Einen Fürstentag ließ der Kaiser ausschreiben nach Spremberg und einen andern nach Bautzen; dort wolle er die Sache vortragen lassen. Da forderte er auch den alten Woldemar vor: daß er komme und sein Recht vertheidige.
Woldemar aber blieb in der Mark, und ritt nicht nach Spremberg und nicht nach Bautzen.
Das dünkte Einigen kühn, denn eines Kaisers Wort müsse Jeder gehorchen, Andere aber sagten: er hat des Kaisers Wort für sich, und so der Kaiser gegen ihn spräche, kann er sich mit dem Kaiser vertheidigen. Die Rechtsgelehrten aber sagten: Er ist im Besitz, und wer besitzt, der soll nicht aufstehn; sonst setzt sich ein Anderer auf den Stuhl.
Woldemar sagte gar nichts, er waltete und that im
Lande, als ein Fürst soll, und die schwere Zeit es zuließ. Seine Vettern, die seine Erben werden sollten, – man wußte nur nicht wer und wie – die zog er in allen wichtigen Dingen zu Rathe, und hörte sie aufmerksam an und lobte ihre Meinung; aber so man nachforschte, so that er, was ihm recht dünkte. Und so sie sich wunderten, daß es nicht sei, was sie gewollt, so bewies er ihnen, daß sie es so gewollt. Und er berief die Stände der Marken nach dem alten Berlin. Dort wollte er mit
seinen Lieben Getreuen tagefahrten, und verhandeln zu des Reiches Bestem und festsetzen, und niederschreiben lassen, wie es bleiben solle für alle kommenden Zeiten.
Nach Spremberg und nach Bautzen ging er darum nicht, meinten Einige, weil der Erzbischof von Magdeburg ihm heimliche Botschaft senden ließ, er möge nicht erscheinen, so auch der Kaiser ihn lade und wieder lade. Denn das müsse Karl thun, weil ers den Fürsten zugesagt im Vertrage am Rhein. Aber er vergebe sich des Rechtes,
das er inne habe, so er erscheine, und der Kaiser selber wünsche es nicht. Der werde, als ein kluger Mann, die Fürsten hinhalten mit Worten und Verheißungen, und nimmer zugeben, ob ers auch zum Scheine ihnen versprochen, daß die Baiern wieder in der Mark herrschten.
Woldemar that übel, daß er nicht nach Bautzen ging. Er traute dem Flüstern des Magdeburgers nicht, aber er traute sich selber. »Der Böhme kann und darf mich nicht verlassen, und wenn« – er flüsterte noch mehr vor
sich; aber er hat es Niemandem verrathen.
Zu Bautzen in der Lausitz kamen so viel Fürsten zusammen, als Häuser in der Stadt sind, und so viel Sprachen hörte man, und so viel Sinne gab es. Nur die Sprache, die in den Gassen geredet ward, die hörte man nicht in den Fürstensälen. Denn Die auf den Gassen sprachen wendisch, von den Herren aber verstand das kaum Einer.
Zu Spremberg im Spreewald hatten die Gelehrten den Woldemar für einen untergeschobenen Mann erklärt, und
dasselbe thaten sie zu Bautzen; Alles, wie sie sagten, nach fürgebrachten Beweisen und gültigen Zeugnissen. Und wenn die Gelehrten das an der Tafel fürbrachten, schlugen die Fürsten und Herren, die seine Feinde waren, mit ihren Stahlhandschuhen auf den Tisch, daß es ein schreckhaft Getös gab. Dann aber brachten andere Rechtsgelehrte andere Gründe für und dann schlugen die zum Hause Anhalt hielten auch so auf den Tisch, daß die Fenster klirrten. Es mußte ein fein Ohr sein, das heraus hörte, wer
stärker schlug, und mehr Lärm machte. Es hörte Keiner zu auf die Gründe, als der Kaiser allein; und wenn man meinte, es sei abgethan, warf er so seine Fragen auf, so die Klügsten ihm nicht gleich beantworten.
Pfalzgraf Ruprecht der Aeltere saß dem Gericht vor, als es im Deutschen Reiche Herkommen ist, aber sie waren nicht mit ihm zufrieden, denn er sah immer auf den Kaiser und achtete, was der winken würde. Der aber zog es stets in die Länge, und wenn sie hitzig vom Streit waren, und
sie sich durstig geschrieen, dann war unvermerkt Mittag worden, und er ließ die Trompeter blasen zur Mahlzeit. Eines Tages aber wurden sie gar heftig, und drängten die Widerpart und den Kaiser in die Enge, und es war noch nicht Mittagszeit. Ludewig der Baier selber, dens zunächst anging, sprach wenig, außer, daß er zuweilen auffuhr und schimpfte. Sonst lag er im Sessel und gähnte, oder sah zum Fenster hinaus. Desto lauter war er bei Tafel und schiens, als wär er ein Herz und Sinn mit seinem
Todfeinde Karl geworden, der ihn, das muß man gestehn, über die Maaßen auszeichnete. Aber Ludewigs Freunde, sein Bruder, der Römer, Herzog Erich von Sachsen Lauenburg und vor Allem der König von Dänemark die gingen Karl so zu Leibe, daß er sprechen und entscheiden solle, da es ja offen zu Tage liege.
»Sag mir Einer«, fuhr König Woldemar von Dänemark auf, »das soll ein heilig Römisch Reich sein, wo, der sein Haupt ist, der Heiligen lästert.«
»Euer Liebden, mein Vetter von
Dänemark, Eure Zunge geht durch«, fiel Karl ihm ins Wort.
»Vielleicht haben die Heiligen in Deutschland eine andere Sprach. Bei uns im Nordland haben sie gepredigt, daß ein Christ soll wahr sein und Recht thun. Und der über ein christlich Volk herrscht, soll ihm vorangehn in Tugend und Wahrhaftigkeit. So er schlecht ist, das mag hingehn, der Herrgott läßt seine Sonne scheinen auf Schlechte und Gute, und so er schlecht thut, giebt er den Andern eine Lehre, wie sies nicht nach thun
sollen. Aber so er das Volk verführt zum schlechten Glauben, dann ist er ein Diener des Satans, und, hilf mir der Himmel, er verdiente –«
»Was, lieber Vetter!« sagte Karl. »Sprecht es aus, was ein solcher Fürst verdient. Kanns doch nicht zu arg sein, so er sein Volk verführt zum Irrglauben. Denn vor dem Ketzerthum bewahre der gütige Gott das deutsche Volk.«
»Wer redet vom Ketzerthum! Wir schlichten hier –«
»Nicht über Bann und Interdict, sehr richtig,
Euer Liebden. Das steht Dem zu allein, dem Sanct Petrus den Schlüssel gab zum Lösen und zum Binden. Damit will ich nichts wider Eure Ehr gesagt haben, liebe Vettern von Brandenburg und Baiern. Ihr wißt, was an mir, thue ich und wills thun, daß der heilige Vater den Bann vom Eurem Haupte nehme. Ja, so Ihr wollt, wir reiten zusammen nach Avignon, und Ihr sollt mit Eurem Sachwalter zufrieden sein.«
»Was schert mich der Papst und Avignon!« rief der Däne. »Ein König bin ich und kein Pfaff,
und Ihr seid ein Kaiser, und wills Gott, kein Pfaff! Ein Pfaff lügt und trügt, ein Kaiser soll – bei allen heiligen Königssöhnen, daß ichs raus sage, daß Ihr einen Betrüger unterstützt habt, und ihm ein Land zu Lehn gegeben, wo der rechte Herr da war.«
Die von der baierschen Seite freuten sich. Einige lachten, die Andern murmelten gar: »So ists recht.« Ludewig saß vergnügt in seinem Stuhl; seinem Bruder, dem Römer, wars nicht recht. Er meinte, der Däne möge, so gut ers meine,
das Spiel verderben.
»Das sind vergeßne Dinge«, sprach er, »laßt die jetzt ruhn.«
Aber Karl erhob sich: »Wer ist der Betrüger, wer der Betrogene! Dank Euch, Vetter von Dänemark, daß Euer Zorn überwallte. Wärs nicht über Eure Lippen kommen, wie hätt ichs lesen sollen, was Euch drückte, und es drückt doch meine Ehre auch. Wohl dem Fürsten, der solche Freunde hat, und wehe dem, der des Volkes Stimme nur hört, als das dumpfe Gemurmel der Brandung. Er weiß nicht, was sie meinen,
und kann sich nicht vertheidigen wider Anschuldigungen, die er nicht kennt. Einem Betrüger hätt ich ein Deutsches Reichsland zum Lehn gegeben, das meint Ihr, und mit gutem Vorwissen, absichtlich, boshaft und voll Tücke wider meinen edlen Freund, der es mit Recht besitzt, ja jetzt doppelt mit Recht, da ers zum zweiten Mal aus meiner Hand empfängt! Ei, seht mich an, Vetter von Dänemark. Ihr schlagt die Augen nieder, weil Ihr Euch schämt, mich solcher Untreue zu zeihen. Nein, seht mir klar ins Aug.
Schau ich wie Einer, dem Gottes Gericht nichts gilt? Ich nahms als seines Zorns Verhängniß, als die Fürsten mich des Reichs entsetzten und jenen Günther, Gott habe ihn selig, mir zum Widerspiel wählten. Er starb. Nun wäre ich Kaiser gewesen. Wer wollts mir wehren! Nein, ich ließ mich von Neuem wählen. Sieht das nach einem Betrüger aus. Und was Ihr von jenem Falle denken mögt, ich meine von dem Manne, über den dies hohe Fürstengericht entscheiden wird, ist er mein Sohn, mein Bruder, Vetter,
Neffe? Hat er mich bestochen? Bezaubert? Gütiger Himmel, so gleichgültig als der Löwe dem Spiel des Frosches zusieht, der sich in der Sonne bläht. Möcht er zerplatzen in seiner Eitelkeit, wenn All das wahr ist, was die Zungen wider ihn aussagen, und ich zweifle nicht, obwohl ich Niemand Unrecht thun möchte. Ich bin kein Fürst, der in eigenwilligem Trotz allein Recht haben will und keinen Andern hört. Ich horche und höre auf jede Stimme, und was die Besten sagen, das ist meine Meinung, der
hochwürdige Otto von Magdeburg, Albrecht von Dessau, Rudolf von Wittenberg, die sind Einem Gewährsmänner. Mit Denen zankt; fragt sie, woher sies wissen. Sie sind alte Leute, kannten den alten Markgrafen, von Gesicht zu Gesicht. Auf ihr Wort baute ich Häuser, auf ihren Eidschwur schwor ich wieder.«
Da gingen die Thüren auf, die Drommeter bliesen zur Mahlzeit. Hätten sie nicht geblasen, der Kaiser hätte noch viel länger geredet. Nun faßte er den König von Dänemark unter den Arm, wie ein
Freund dem andern thut, den er ehren will, und führte ihn selbst zur Tafel, und dort ließ er ein hohes Kelchglas füllen und tranks ihm zu.
»Jeder seinem besten Freunde!« sprach er. »Und der ist der beste, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Denn wer nur Liebes uns hinterbringt, daß er uns schmeichle, der hintergeht uns, und thut uns keinen guten, sondern schlimmen Dienst, zumal uns Fürsten, die wir so selten die Wahrheit hören.«
Bei Tisch hatte man den Kaiser noch nie so
gnädig gesehen als heute. Sagte Jedem etwas Angenehmes, zumal aber den Baierfürsten, mit denen er viel scherzte und von den Marken sprach, wie sie das Regiment führen möchten und drin walten, daß sie Nutzen draus zögen. Kamen sie aber auf den alten Markgrafen zu sprechen, so wars, als mein er, die Sache sei abgethan; und als der Wein sie lustig machte, spottete er leis über ihn und seine Art. Deß waren die Baiern sehr froh. Sie glaubten, der Wein, der ein Verräther ist, schwatzte die Wahrheit
aus.
»Nun, Euer Majestät, läßt sichs nicht länger hinhalten«, sprach nach der Tafel der Kanzler. »Der Pfalzgraf muß den Ausspruch thun.«
»Weil der Däne sein breites Maul aufthut.«
»Weil des deutschen Reiches Ehr auf dem Spiel steht.«
»Meine kümmert Dich wenig«, sprach der Kaiser.
»Des Kaisers Ehr ist, mein ich, verwachsen mit der Nation Ehre.«
»Da hast Du recht. Der Frosch soll platzen. Aber ich meinte noch nicht.«
»Worauf wartet mein kaiserlicher Herr?«
»Diese zähen Menschen begreifen, daß ihnen Brandenburg nichts nutzt, daß es ihre Blutlast ist; sie sehen mit hellen Augen, daß sie das störrige Volk nicht unterdrücken; die Disteln schießen unter ihrem stählernen Fuß wieder auf. Der Ludewig wankte schon einmal.«
»Aber den Römer, seinen Bruder, zwingt mein Kaiser nicht zur Einwilligung. Vergebene Mühe, Herr, jetzt verkauft ers nicht, Brandenburg so wenig als seine Ehre. Um Eure
handelt sichs. Das Aergerniß wird täglich größer. Schon murren die Fürsten, daß ein fremder König, der Däne, kommen muß, um Gerechtigkeit zu schaffen. Sie fragen, ist Deutschland nicht groß genug, hats nicht gerechte Männer, um selbst Recht zu finden?«
»Das ist schlimm.« Karl stand auf.
»Es wird noch schlimmer, mein kaiserlicher Herr. Als ich vernehme, wollen die von Anhalt und Sachsen an den Schweden gehen. Den König Magnus Smek wollen sie zum Schiedsmann
anrufen –«
»Das sollen sie nicht«, sprach der Kaiser.
»Um Euer Ansehn wärs gethan.«
»Des Reiches Ansehn, Kanzler. Brandenburg ist mir lieb als mein Augapfel. Und ich muß es haben. Aber der Schneebarbar, der Tyrann Magnus, unter dem seine eigenen Völker blutige Thränen seufzen, so wenig als der Czaar von Moskau, soll der über Deutsche sprechen! Ich wills, bei Gott, ich wills. Sag Dus den Fürsten.«
Da drängten sich die Fürsten und Herren andern
Tags, als sie den Rausch verschlafen, in den Saal, gewärtig, daß der Pfalzgraf das Urtel sprechen werde. Aber der Pfalzgraf ließ lang auf sich warten, und da er kam, kam er ohne den Kaiser, und von Mund zu Munde gings, der Kaiser sei über Nacht abgefahren nach Prag.
Der Pfalzgraf sprach kein Urtel, aber er lud die Herren zum Fürstentag nach Nürnberg. Da sollten sie um Ostern erscheinen, und Woldemar, der sich Markgraf von Brandenburg nenne, solle geladen werden bei des Reiches Acht,
daß er sich vertheidige wider schwere Anschuldigungen, und was wieder die Drohungen waren, die klangen schreckhaft.
Da ging ein Murmeln durch den Saal, und Blicke sah man, die waren wie Blitze. Und dann kam der Donner nach, Flüche und Verwünschungen. Schrieb ich sie auf, Ihr glaubtets nicht, daß Fürsten und Herren so auf ihren gekrönten Kaiser schimpfen mögen. Heute schrieen sie: Hochverrath; und das Reich ginge zu Ende, wenn mans dulde. Und es gäbe schreckliche Prozesse. Damals
krähte kein Hahn danach, denn es gab noch keine Zeitungen, und das Reich ging darum nicht unter. Ludewig der Römer ward kirschbraun und konnte kein Wort fürbringen. Erich von Lauenburg drückte den Kanzler an die Wand, daß der sie betrogen habe, wegen dessen, was er gestern gesagt. »Gnädigste Herren!« stammelte er. »Was kann ich dafür, er hat sich über Nacht anders besonnen.«
»Und mit Rechten«, rief Pfalzgraf Ruprecht, der genug zu thun hatte, daß er die Herren zu Sitte und Ordnung
hielt. »Und mit Rechten, sag ich, aber und abermals. Denn nach Sachsen- und Schwabenrecht, muß der Angeklagte dreimal geladen werden, ehe daß ihn der Richter verdammt. Das ist der Deutschen Gesetz. Gott schütze des Reichs uralte Satzungen!«
»Gott schütze die Schnecken!« rief zornig der Dänenkönig. »Sie kommen auch zum Ziel.«
»Aber Sanct Gürgen auf ner Schnecke, da lebte der Lindwurm heute noch«, schrie Ludewig von Brandenburg.
Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.