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Willibald Alexis

Der neue Pitaval - Band 15

Francesco Fava

eingestellt: 22.7.2007



Zum Bischof von Concordia, der in Padua seine Residenz hatte, kam im Frühjahr 1607 ein Mann in mittleren Jahren, dessen schlichtes ehrwürdiges Ansehen der einfachen Priestertracht entsprach, welche er trug. Er kam, um seine Hülfe anzuflehen, und der Stand und Name, den er nannte, verfehlte nicht auf den Kirchenfürsten den Eindruck zu machen, den der Fremde wünschte.

Auch er war ein Bischof, Bischof von Venafri im Königreich Neapel. Seine Feinde hatten eine Intrigue gegen ihn angesponnen, und auf die falsche Anklage, daß er ein Liebesverhältniß mit der Tochter des Herzogs von Caetano unterhalten, war er seines Bisthums entsetzt worden. Er war nach Rom gegangen, um sich zu rechtfertigen. Die Wuth seiner Feinde hatte ihn aber auch bis dahin verfolgt. Er war seines Lebens unter den gedungenen Dolchen nicht mehr sicher, und verkleidet entflohen.

Der Flüchtling flehte seinen geistlichen Bruder um ein Asyl und Schutz gegen seine Verfolger an.

Der Bischof in Padua, ein freundlicher, wohlgesinnter Mann, war gerührt durch die Leidensgeschichte und versprach ihm alle Unterstützung. Dieser aber wollte ihn nicht durch einen langen Aufenthalt belästigen, und noch weniger seine Kasse in Anspruch nehmen. Sein Anliegen ging mehr auf Vermittelung, welcher sein College sich unterziehen möge.

Der Bischof von Venafri hatte bei seiner Flucht in Neapel 10000 Ducaten zurückgelassen. Sie lagen bei einem Freunde, dem Marquis de Ste. Arme. Er wünschte dieses Geld nach Venedig zu haben, getraute sich aber nicht, selbst deshalb Schritte zu thun, weil dies augenblicklich die Aufmerksamkeit seiner Verfolger auf ihn lenken müsse. Die Gunst, welche er bei seinem Collegen in Anspruch nahm, war, daß dieser ihm behülflich sei, dieses Geld in Venedig aufzunehmen.

Für diese 10000 Ducaten wollte er in Venedig Diamanten, Perlen und goldene Ketten zu Geschenken für gewisse Seigneurs und Kirchenfürsten einkaufen, mit deren Hülfe er hoffte, daß seine Angelegenheiten ausgeglichen werden und er sein Bisthum wieder erhalten könnte.

Der Bischof von Concordia fand das sehr natürlich und löblich. Er hatte in Venedig einen Freund, den Banquier Bartoloni, und verhieß ihm, daß durch dessen Beistand das Geschäft sehr leicht abgewickelt werden könne.

Gerührt und dankbar über die Bereitwilligkeit seines Amtsbruders empfahl sich der Flüchtling, ohne sich mehrere Tage hindurch sehen zu lassen, oder ihm sonst durch Anliegen lästig zu fallen. Er blieb gerade so lange aus, als ein Courier nöthig hatte, von Padua nach Neapel zu reisen und nach Abmachung seiner Geschäfte daselbst nach Padua und nach Venedig zurückzureisen. Der Courier kam auch wirklich in der Person eines gewissen Octavio Oliva mit einem ganzen Paket Briefe in Venedig an, welches an den großen Banquier Angelo Bossa daselbst adressirt war. Es enthielt erstens ein Schreiben des Banquiers Alessandro Bossa, der das größte Banquierhaus in Neapel hatte und Angelos Neffe war, an seinen Oheim in Venedig, mit dem Aviso, daß er ihm in einigen Tagen 10000 Ducaten übersenden werde, welche er dem Banquier Antonio Bartoloni in Venedig übermachen möge. Zweitens ein directes Schreiben desselben Ausstellers an diesen Bartoloni mit der Nachricht, daß er ihm in wenigen Tagen einen Wechsel auf 10000 Ducaten übersenden werde. Eingeschlossen waren zwei Briefe des Marquis de Ste. Arme, der eine an den Bischof von Venafri, der andere an den Bischof von Concordia, in welchem der Briefsteller diesem für die freundliche Aufnahme seines Freundes, des Bischofs von Venafri, dankte.

Die letzteren beiden Briefe gingen sofort nach Padua ab. Der flüchtige Bischof erschien aber auch jetzt noch nicht bei seinem Gastfreunde, entweder aus Bescheidenheit, oder um seinen Verfolgern keine Spur zu geben, sondern erst dann, als auch er eine directe Zusendung aus Neapel erhalten, und darin einen Brief und Wechsel, unterzeichnet von Francesco Bordenali, dem Associé Alessandro Bossas in Neapel.

Der freundliche Bischof von Concordia redete dem Flüchtling zu, nunmehr selbst nach Venedig, wo er ganz sicher sein könne, mit seinem Wechsel zu gehen.

Mit Empfehlungsbriefen des Bischofs an seinen Freund Bartoloni machte er sich nun auf den Weg nach der Inselstadt, und ward sofort von Bartoloni in dessen Hause aufgenommen und mit aller, einem Kirchenfürsten gebührenden Hochachtung behandelt.

Bartoloni war aber ein sicher gehender Geschäftsmann. Erst nachdem er bei Angelo Bossa angefragt, ob dieser den Wechsel honoriren werde, beeilte er sich den Wünschen seines Gastes nachzukommen. Er ließ in den besten Kaufläden und Werkstätten Venedigs die kostbarsten und schönsten Diamanten und Perlen aufsuchen und sie dem Bischof vorlegen, damit dieser, was ihm gefällig, auswähle. Der Bischof schien die Gegenstände wohl zu kennen und zu würdigen, er prüfte sehr sorgfältig und nahm nur das Beste, aber in großer Anzahl. Es konnten viele große Herren damit bestochen werden. Bartoloni zahlte Alles sofort baar aus.

Der Bischof von Venafri benahm sich übrigens während dieses Handels und seines ganzen Aufenthaltes in Venedig und in Bartolonis Hause mit der Würde, die man von einem Kirchenfürsten und Dulder erwarten konnte. Miene und Bewegungen waren die Demuth selbst; sein Blick hatte mystische Süßigkeit. Er sprach wenig, aber mit Salbung; Sprüche aus dem Evangelium mischten sich unwillkürlich in seine Unterhaltung. In der Hand hielt er immer sein Breviarium, auf das seine Blicke hafteten, wenn keine andern Gegenstände sie beanspruchten. So gewann er denn durch seine Würde und seine Bescheidenheit Aller Herzen im Hause des Banquiers.

Besonders gefiel der würdige Priester durch seine Tischgespräche. Er ließ nur dann und wann Erinnerungen an sein früheres Leben, Begebenheiten während seines Bischofamtes einfließen, stets gelegentlich, nie um sich zu rühmen, die Andern durch das Gefühl seiner Würde zu drücken. Die Pretiosen waren jetzt sämmtlich eingekauft, noch aber im Verwahrsam des Banquiers. Denn Bartoloni war ein zu guter Geschäftsmann und seinem Freunde, dem Bischof von Concordia, dienstgetreu, als daß er sie, ohne dessen specielle Anweisung, Jemandem ausgeantwortet hätte.

Der Bischof von Venafri schrieb aber jetzt an diesen, daß er seine Geschäfte glücklich in Venedig beendet, und erinnerte ihn an ein Versprechen, welches jener ihm mündlich in Padua gemacht. Der Bischof von Concordia hatte einen alten, treuen, ehrenhaften Diener, Don Martino, den er seinem Collegen als Begleiter auf seiner Reise angeboten. Denn jener Zeit pflegte man mit solchen Schätzen nicht gern ohne bewaffneten Schutz zu reisen; was mehr ein verfolgter Kirchenfürst, der die Dolche seiner Feinde fürchtete. Er ersuchte ihn, daß Don Martino sich bereit halte, wenn er nächsten Tages ankomme, um ihn von Padua aus zu begleiten.

Der Brief war unterzeichnet Don Pirotto. Der gute Bischof von Concordia hatte sich nicht einmal gemüßigt gefunden, vorhin seinen Amtsbruder nach dessen Familiennamen zu fragen, noch war ihm derselbe sonst bekannt.

Auch Bartoloni erhielt vom Bischof auf specielle Anfrage einen Brief, daß er sofort alle Pretiosen seinem Gaste gegen Quittung übergeben möge, die dieser denn auch ausstellte unter dem Namen: Carlo Pirotto, Bischof von Venafri.

Der Abschied war würdevoll und herzlich. Der Bischof konnte seinen Dank dem Gastfreunde nicht herzlicher ausdrücken, und der Banquier konnte sich schmeicheln, in ihm einen Gönner für sein Leben erworben zu haben. Doch begleitete Bartoloni ihn noch selbst, aus Respect für seine Würde, bis Padua. Außerdem war in seinem Gefolge Pietro Oliva, der Bruder dessen, der für ihn die Courierdienste geleistet. Man glaubte in ihm einen Anverwandten des Bischofs zu erkennen.

In Padua war natürlich sein erster Besuch beim Bischof von Concordia. Dieser wollte ihn zu Tisch behalten, aber der Reisende entschuldigte sich. Er wollte, so schnell es ging, nach Turin, wo er den Marchese DEste zu treffen hoffe, durch dessen Vermittelung seine Angelegenheiten arrangirt werden sollten. Leider war Don Martino abwesend. Dies hinderte ihn aber nicht, nur in Begleitung Pietro Olivas abzureisen.

Bartoloni kehrte nach Venedig zurück. Folgenden Tages, als er eine Geldkiste öffnete, stimmte die Summe darin nicht mit seinen Büchern, und es blieb kein Zweifel, daß 400 Kronenthaler fehlten. Bei näherer Untersuchung fand er Spuren einer Feile oder eines andern Instrumentes. Die Eisenstangen waren erbrochen gewesen, aber sehr geschickt wieder verschlossen worden. Die Kiste hatte entweder in den Zimmern gestanden, welche der Bischof bewohnt, oder doch in dessen Bereich. Ein leiser Verdacht stieg in ihm auf; er ließ ihn indeß nicht aufkommen.

Nach acht Tagen präsentirte er Angelo Bossa den ihm vom Bischof cedirten Wechsel, ausgestellt von Alessandro Bossa und erhielt darauf die Bezahlung.

Andern Tages kam aber schon ein Courier aus Neapel mit einem Briefe von Alessandro Bossa an seinen Oheim Angelo, des Inhalts: er wisse durchaus nichts von dem fraglichen Geschäft, und habe auch keinen Wechsel dem Marchese de Ste. Arme ausgestellt.

Angelo Bossas Bestürzung war groß. Er eilte Klage zu erheben bei der venetianischen Justiz, aber der Verklagte fehlte und das Institut der Steckbriefe war sehr unvollkommen zu einer Zeit, wo die Zeitungen noch hinkende Boten waren. Inzwischen vereinigten sich Bossa, Bartoloni und der Bischof von Concordia zu allen möglichen Anstrengungen, um den Betrüger zu entdecken und seiner habhaft zu werden. Denn daß er es mit einem falschen Bischof zu thun gehabt, daß der Bischof von Venafri, wenn er lebte, nicht abgesetzt worden und wahrscheinlich auch nicht Carlo Pirotto heiße, davon hatte muthmaßlich der Bischof von Concordia mittlerweile sich unterrichtet. Der schlaue und kühne Betrüger, der Alles so geschickt angefangen, hatte, wie man später erfuhr, nur den Umstand vergessen, sich nach dem Geschlechtsnamen der Person zu erkundigen, die er vertrat, und erst in Venedig aufs Gerathewol den Namen Pirotto angenommen.

Man schickte in alle Länder und Provinzen Italiens genaue Beschreibungen der erschwindelten Gegenstände. Man versprach das Viertel des Gesammtwerthes Dem, der zu ihrer Wiederbeschaffung verhelfe. Alles umsonst.

Glücklicherweise hatte man aber auch außer Italien einige Hauptstädte beschickt, und eine dieser Schriften kam an den Banquier Aumagres in Paris, der davon Abschriften verfertigen und an die Goldschmiede und Juweliere der Hauptstadt vertheilen ließ.

In Paris hatte ein kleiner Goldschmied, Namens Bourgoin, seinen Laden nahe an der Kirche St.-Lenfroy, unweit des Pont au Change. Eines Tages, im Januar 1608, erschien hier ein Italiener, der ihm Diamanten zum Kauf anbot. Bourgoin war nicht der Mittel, sie selbst zu erstehen, aber er versprach ihm Käufer zu verschaffen, und das vielleicht auf der Stelle. Der Italiener ging darauf ein und ließ ihm vier Schächtelchen mit Brillanten gegen einen Empfangschein zurück, um nach einigen Stunden wiederzukehren.

Bourgoin kannte seine Leute und hoffte ein gutes Geschäft zu machen. Er wandte sich an zwei Kaufleute und größere Juweliere, Maurice und Paris Turquet. Beide aber hatten von dem vorhin genannten Banquier Abschriften von der Beschreibung der in Venedig gestohlenen Pretiosen erhalten. Im ersten Augenblick erkannten sie die Schachteln, in denen die Diamanten lagen, für die in jener angegebenen. Nachdem sie die Schrift genauer mit dem Gegenstande verglichen, und gefunden, daß kein Zweifel bleibe, schlossen sie sofort eine Societät, um gemeinschaftlich zur Entdeckung des Diebes zu operiren und gemeinschaftlich das versprochene Viertel des Diebstahls zu gewinnen. Sie benachrichtigten auf der Stelle den Lieutenant der Grande prévoté de la Conetablie de France, Herrn Denis de Quiqueboeuf, davon, der sich auch sofort beim Juwelier Bourgoin einfand. .

Der Italiener kam. Denis de Quiqueboeuf gab sich für einen Kaufmann aus, der gern eine große Anzahl Edelsteine erstehen möchte. Der Italiener hatte keinen Arg und zeigte ihm außer den ersteren noch mehrere Schächtelchen. Die beiden großen Kaufleute erkannten auch in diesen Gegenstände des venetianer Raubes. Ihre Aufmerksamkeit auf Fassung und Schachteln, ihre Mienen und Blicke erregten im Italiener denn doch Verdacht. Er schützte plötzlich einen andern, dringenden Besuch vor und wollte in Kurzem wiederkommen. Da gab sich Quiqueboeuf zu erkennen. Der Italiener betheuerte seine Unschuld, daß er auf die redlichste Weise, durch den Handel, in Besitz der Steine gekommen. Der Polizeimann ließ sich aber nicht überreden, sondern verhaftete ihn. Man durchsuchte zugleich seine Wohnung, die er nennen müssen, und fand dort eine noch junge, schöne Frau und einen Familienkreis, der unverdächtig schien, in den Schränken und Kisten aber alle die Pretiosen, welche, außer den schon zu Tage gekommenen, als in Venedig gestohlen in der Beschreibung angegeben waren.

Dies geschah am 12. Jan. 1608. Beim ersten, am selben Tage vorgenommenen Verhör nannte sich der Italiener Francesco Fava, gebürtig aus Capria an der Grenze von Ligurien, alt etwa 45 oder 46 Jahr. Er sei seines Standes Doctor der Medicin, habe sich aber von früh auf mit dem Handel mit Edelsteinen abgegeben, und die jetzt bei ihm vorgefundenen in Piacenza für 5150 Ducaten erkauft.

Zugleich mit Fava war der uns schon bekannte Pietro Oliva, den Fava für seinen Schwager ausgab, entweder auf der Straße oder in seiner Wohnung gefangen worden. Noch am selben Abend fand dieser indeß Gelegenheit zu entkommen, und ward nie wieder gesehen.

Am folgenden Morgen, den 13. Jan., fuhr man mit dem Verhöre fort. Man hielt ihm die genaue Beschreibung der in Venedig entwandten Kleinode vor, zeigte, wie Stück für Stück auf die in seinem Besitz gefundenen passe, wie man nur diese und keine andern Pretiosen bei ihm gefunden. Er war sichtlich betroffen, verwirrte sich in seinen Antworten, und endete damit, daß er in Thränen ausbrach, den Richtern zu Füßen stürzte und Alles bekannte.

Die französische Justiz jener Tage ließ sich in der Regel genügen, wenn sie einen Verbrecher ertappt und er zum Geständniß der That, um deren willen er ergriffen war, torquirt worden, ohne sich sehr viel um seine frühere Verbrecherlaufbahn zu bekümmern, zumal wenn er ein Ausländer war. Francesco Favas Kühnheit und Glück muß doch aber ihr besonderes Interesse erregt haben, denn aus den Acten der Zeit hat sich mehreres aus seiner Vorgeschichte erhalten, und es sind dabei zugleich die Zweifel angedeutet, ob er nicht früher, in anderer Gestalt, noch andere ansehnliche Betrügereien begangen habe.

Er hatte oft seinen Namen wie seinen Stand gewechselt, indem er hier als Arzt, dort als Kaufmann auftrat. Den Namen Fava gab er aber vor Gericht als seinen wahren an und wollte aus einer ehrbaren Familie aus Finale bei Genua stammen. Von Jugend ab war er durch einen großen Theil Italiens gereist. Seine glänzende Laufbahn, heißt es, begann er als Arzt; ja, er hatte in der Arzneiwissenschaft einen gewissen Ruf erlangt, bezüglich seiner genauen Kenntnisse aller Arten von Vergiftungen.

Um sein Loos zu bessern, oder vielmehr, um mehr Ansehn und Einfluß zu gewinnen, hielt er es für angemessen, sich nach einer schönen und geistreichen Frau umzusehen. Er fand sie in Katharina Oliva, der Tochter eines Kaufmanns in Orta. Unter dem Namen Cesar Fiori führte er sich bei der Familie der jungen Neapolitanerin ein. Er hoffte, sein Ruf (als Giftdoctor?) allein werde ihm beim Vater zur Empfehlung gelten. Dieser aber verlangte Geburtsatteste, und Fava überbrachte ihm ein Attest des Richters von San Severino, worin ihm bezeugt ward, daß er aus der Familie der Fiori von San Severino stamme. Das Attest und Siegel darunter waren aber von ihm allein gefertigt.

Der Kaufmann glaubte, die Hochzeit ward gefeiert, und Francesco zog bald darauf mit seiner jungen Gattin von Orta weg nach Castelarca, einer Stadt, einige Meilen von Piacenza, wo er wieder den Namen Francesco Fava annahm und als Arzt practicirte.

Ob und wie ihm seine schöne Frau in seiner ärztlichen oder andern Praxis geholfen, wird uns nicht gesagt. Wir erfahren nur, daß sie ihn zum Vater vieler Kinder gemacht, und daß seine zahlreiche Familie ihm Sorgen verursachte, die sein Erwerb als Arzt nicht zu beseitigen vermochte.

Der Geist der Intrigue, der immer in ihm lebendig gewesen, trieb ihn, durch einen kühnen und verzweifelten Streich sich Mittel zu verschaffen, um den Rest seines Lebens in Ruhe zu verbringen. Im Jahre 1607 um Pfingsten, verließ er Castelarca und ging nach Neapel, wo er als Abbé ankam.

Sein erstes Geschäft war, sich nach den ansehnlichsten Banquiers daselbst zu erkundigen. Der reiche Alessandro Bossa war der erste. Er meldete sich bei ihm mit der Bitte, ihm einen Wechsel auf 50 Colonnaten auf Rom zu geben, wo er einen studirenden Neffen habe. Der Banquier stellte ihm diesen Wechsel gegen Empfang des Geldes aus. Fava behielt den Wechsel vierzehn Tage bei sich, die er dazu benutzte, Schrift und Unterschrift dergestalt nachzuahmen, daß die Täuschung vollkommen war. Alsdann brachte er dem Banquier den Wechsel zurück, vorgebend, daß er des Geldes in Rom nicht mehr bedürfe, und erhielt sein eingelegtes Geld wieder.

Bei der Gelegenheit hatte er indessen mehre Besuche im Comtoir des Banquiers gemacht und sich dabei manche unnütze Scripturen angeeignet, die aber für ihn nicht unnütz waren, weil sie die Handschrift Alessandro Bossas und seines Compagnons Bordenali in aller Ausführlichkeit enthielten.

Als eines Tages Alessandro Bossa nicht zu Hause war, bat er den jungen Mann, der im Comptoir arbeitete, auf den Banquier hier warten zu dürfen, und zugleich um etwas Papier, Siegellack oder Wachs und Petschaft, um während der Zeit einige dringende Briefe expediren zu können. Zweck war, die Papiersorte kennen zu lernen, auf der der Banquier gewöhnlich schrieb, und sein Siegel sich zu verschaffen.

Sein Aufenthalt in Neapel, oder vielmehr dieses vorbereitende Geschäft, hatte zwei Monate gedauert. Nachdem er sein Studium für vollendet hielt, reiste er ab, und wir sahen ihn in Padua als abgesetzten Bischof von Venafri ankommen. Was hier und in Venedig geschah, und wie geschickt er seine erworbene Wissenschaft ausbeutete, ist aus dem Obigen bekannt. Der Pietro oder Octavio Oliva, der ihm als Courier diente und sein beständiger Begleiter war, war einer der Brüder seiner Frau.

Als er eiligst Padua verließ, um vorgeblich nach Turin zu gehen, kehrte er in seine Wohnung nach Castelarca zurück, und schützte hier gegen seine Frau vor, daß es ihm gelungen, auf seinen Reisen von einigen faulen Schuldnern mehre Restsummen zu erheben. Mit diesen wolle er in Frankreich sich niederlassen und dort sein Glück versuchen. Auch reiste er bald darauf mit der ganzen Familie und einem seiner Schwäger dahin ab. Er wagte es, über Venedig zu gehen, wo er indeß nur so kurze Zeit blieb, als es unerläßlich war, und kam durch die Schweiz nach Frankreich und Paris, wo er im November sich eine meublirte Wohnung am Platze Maubert miethete.

Hier hielt er sich in voller Sicherheit. Dennoch fürchtete er, daß der Haß Derer, die er betrogen, später ihm doch auf die Spur kommen könne, und sein Plan war, wenn es ihm gelungen wäre, seine Diamanten an den Mann zu bringen, sich mit dem Erlös in irgend eine kleine Stadt des Poitou oder Anjous zurückzuziehen.

Noch zauderte er indeß. Er schrieb an einen seiner vertrautesten Freunde von früher, Francesco Corsina, der in Flandern als Apotheker etablirt war, er wolle sich mit ihm vereinigen. Sie könnten Beide, vermöge der Mittel, die er mitbringe, eine schöne, große Apotheke anlegen und ein vortheilhaftes Geschäft, mit Theilung des Gewinnstes, betreiben.

In Erwartung auf die Antwort Francescos, versuchte Fava jetzt einige der Diamanten loszuschlagen. In gerechter Besorgniß, daß die größern und reichern Juwelenhändler Notizen und Beschreibungen des venetianischen Diebstahls erhalten haben könnten, suchte er einen der kleinern auf, und ward darauf im Bourgoinschen Laden, wie oben angegeben, verhaftet.

Fava ward in das Fort Lévêque abgeführt. Hier überdachte er schnell sein Schicksal. Wie auch sein Prozeß sich entscheide, er schloß richtig, daß seine Zukunft in der bürgerlichen Gesellschaft verloren sei. Entweder der Brandmarkung der Schande oder dem schmachvollen Tode verfallen, wollte er sich selbst den letztern geben, und löste sich mit einem Federmesser die Adern an seinen beiden Armen an fünf verschiedenen Stellen. Da aber der Frost hinzutrat, hörte das Blutströmen auf. Er war zu schwach, um den Selbstmord zu vollenden, und mußte in seinen Schmerzen nach dem Kerkermeister rufen, der ihn mit aller Anstrengung ins Leben zurückbrachte.

Leidlich geheilt, legte er vor dem Richter ein vollständiges Bekenntniß des von ihm verübten Verbrechens ab. Befragt, ob seine Frau betheiligt gewesen, erklärte er, sie sei zu unschuldig und einfach, als daß er ihr das Geringste davon mittheilen dürfen. Bei der Confrontation mit ihr zeigte sich, daß er die Wahrheit angegeben. Sie schien von Schmerz und Scham über sein Verbrechen ganz überwältigt, und warf sich todtenblaß, und ohne ein Wort sprechen zu können, an seine Brust. Auch er ward gerührt und sagte zu ihr in zärtlichem Tone: »Mein theures Weib, beruhige Dich, bleibe ich am Leben, so wirst Du für immer Das besitzen, was Du liebst; sterbe ich aber, so verlierst Du die Ursache Deiner Betrübniß.«

Favas Richter zweifelten lange Zeit, daß er allein, ohne Beihülfe Anderer, im Stande gewesen, einen so fein durchgeführten Betrug zu begehen. Auch blieben sie steif und fest dabei, wie es unmöglich sei, daß er allein alle diese falschen Briefe geschrieben haben sollte. Fava erklärte ihnen lächelnd, daß sie sich irrten, sei er zwar weder Bischof, Marquis noch Kaufmann, so kenne er doch ihre Titel, Ehrenbezeigungen, kurz das ganze Formular des geselligen Lebens, dessen sich diese Stände untereinander bedienten. Außerdem könne er fremde Handschriften nur zu gut nachmachen. Sei diese verderbliche Wissenschaft doch leider der Grund seines Unglücks geworden. Ja, er wäre so fertig in dieser Kunst, daß er in weniger als einer Stunde 50 verschiedene Handschriften nachahmen könne, und in solcher Vollkommenheit, daß es schwer falle, sie von den Originalen zu unterscheiden. Wenn er nur einen Wachsabdruck von einem Petschaft habe, so könne er davon andere Petschafte desselben Stempels schneiden, wie nur der geschickteste Graveur.

Während der gerichtlichen Untersuchung war Francesco Corsina nach Paris gekommen, und hatte Mittel gefunden, den Gefangenen zu sehen. Er versprach ihm, seine Flucht zu ermöglichen, und bis dahin ihm Nachricht von Allem mitzutheilen, was auf seinen Prozeß Bezug habe. So erfuhr Fava am 25. Febr. durch ihn, daß der Courier von Venedig angekommen sei, und daß Antonio Bartoloni ihm auf dem Fuß folgen werde, um ihm den Prozeß zu machen.

Dies bewog ihn, keine Zeit zu verlieren, um Alles zu seiner Rettung zu versuchen, da der Ausgang dieses Prozesses unzweifelhaft schien. Er hatte bemerkt, daß ein Sprung aus dem Fenster des Zimmers, in welchem sein Kerkermeister wohnte, leicht sei, von dort brauchte er nur eine Mauer zu erklettern, die nicht unübersteigbar war. In das Zimmer des Kerkermeisters zu dringen aber war nicht schwer. Corsina mußte ihm Stricke verschaffen, und erhielt dafür das Versprechen, daß er ihm eine Apotheke herstellen wolle, in welcher sie Beide, zusammen wirkend, Schätze zu erwerben hofften. Am 27. Febr. ward dieser Fluchtversuch gemacht, aber im Augenblick der Ausführung entdeckt. Folge war engere Einsperrung.

Antonio Bartoloni war angekommen und hatte alle nöthigen Beweisstücke zur Führung des Prozesses mitgebracht. Dies und das Eingeständniß des Verbrechers schien aber jener Zeit doch noch nicht zu genügen, um einen unsers Bedünkens so einfachen Prozeß zu Ende zu führen. Denn Bartoloni brachte zuvörderst ein Empfehlungsschreiben seiner Republik mit, dann erforderte er die Unterstützung des venetianischen Gesandten in Paris, und durch diesen dem Könige vorgestellt, der sich für die Angelegenheit sehr interessirte, erhielt er von demselben ein offenes Schreiben an den Kanzler, des Inhalts, daß man ihm pünktliche und volle Gerechtigkeit angedeihen lasse.

An Flucht war nicht mehr zu denken. Fava faßte den Entschluß zu einer andern Flucht, er wollte sich, seine Frau und Kinder vergiften, um sie insgesammt der Schande, die ihrer warte, zu entziehen.

Am 4. März ließ er sich einen Barbier kommen, um Haare und Bart ihm zu scheeren. Er klagte ihm über Inflammation der Augen und bat ihn, ihm Rosenblätter, Rosinen von Korinthen, Zucker und eine halbe Unze Antimonium zu verschaffen. Davon wollte er sich eine Salbe bereiten. Der Barbier zeigte sich auch bereit und kaufte; da aber Antimonium ein Gift war, glaubte er dem Kerkermeister davon Notiz machen zu müssen. Das Antimonium ward dem Gefangenen nicht ausgeantwortet. Indessen scheint es, daß Fava sich auch schon damals etwas Antimonium anderweitig verschafft haben müsse, denn er wurde krank und litt ununterbrochen an Erbrechungen und Kolik.

Alle Formalitäten des Processes waren beobachtet und die Acten dem Advocaten Roland Bignon übergeben, um den Bericht zu machen.

Fava wußte am 22. März, daß der Bericht fertig und sein Prozeß am folgenden Tage entschieden werden sollte. Seine Frau war bei ihm zum Besuch. Er drückte gegen sie den Wunsch aus, eine italienische Pastete zu essen, die sie ihm schon mehre Male bereitet hatte. Sie sandte ihm dieselbe am andern Morgen durch ihren Sohn. Sobald er sie erhalten, brach er ein Stück aus, und nach einigen Manipulationen damit verschlang er es wie mit Heißhunger. Er ward blaß, entstellt und litt sichtbar. Seine Frau kam, er klagte über fürchterliche Schmerzen, ohne den Grund zu sagen. Der Tod stand auf seiner Stirn, er nahm von der Gattin Abschied auf immer, segnete zwei Mal seinen Sohn und drängte dann, daß sie fortgingen. Dann verlangte er nach einem Priester. Man wies ihm einen zu, der selbst Gefangener im Hause war. Diesen wollte er nicht. Aber während man nach einem andern schickte, wurden seine Qualen so furchtbar, daß er es nicht im Bette aushielt. Man mußte ihn herausheben und auf eine Strohdecke legen, wo er unter schrecklichen Convulsionen nach einigen Augenblicken starb, ohne dem Kerkermeister ein Wort zu sagen, und ohne daß Dieser Zeit fand, ihm Heilmittel beizubringen.

Er hatte in der Pastete eine starke Portion Arsenik verschluckt, ohne daß es der eifrigsten Untersuchung möglich geworden, zu entdecken, woher er dasselbe erhalten. Man fand das Gift bei der Leichenöffnung am 24. März 1608.

Der Prozeß ward nichtsdestoweniger gegen den Leichnam fortgesetzt, aber schon am selben Tage der Obduction entschieden. Francesco Fava ward als überführt erklärt: des Diebstahls, des Betrugs mit Schwindelei (eseroquerie), Führung eines falschen Namens, der Fälschung in Schriften und Siegeln, des vielfach wiederholten Selbstmordversuchs in seinem Gefängniß, endlich der vollbrachten Selbstentleibung, als sein Urtheil doch schon vor der Thür stand. Zur Buße dessen sollte sein Leichnam mit dem Gesicht gegen die Erde zur Nichtstätte geschleift und dort bei den Füßen an einem eigens dazu errichteten Galgen aufgehängt werden.

Sein sämmtliches Vermögen solle confiscirt werden zu Gunsten Dessen, der darauf ein Recht habe, nachdem zuvor so und soviel für Angelo Bossa zur Erstattung seiner Schäden zurückbehalten worden. Auch sollte auf Octavio Oliva, Pietro Oliva und Francesco Corsina gefahndet werden, und wenn man sie fände, auch ihnen der Prozeß gemacht werden.

Die Kaufleute und Juweliere erhielten nicht das versprochene Viertel, da Angelo Bossa sie schon vorher mit 100 Kronenthalern abgefunden und abgekauft hatte.

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