Frei Lesen: Der neue Pitaval - Neue Serie, Band 9

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Kapitelübersicht

Vorwort. | Hans Kohlhase und die Minckwitz'sche Fehde. | Die Ermordung des Typographen J. W. Lackner. | Die Gebrüder Streicher. | Anna Böckler. | Marschall Bazaine. |

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Willibald Alexis

Der neue Pitaval - Neue Serie, Band 9

Vorwort.

eingestellt: 16.8.2007



Ueber Hans Kohlhase und die Minckwitzsche Fehde haben wir im Vorworte nichts zu bemerken, weil die Leser in der Einleitung und in der Darstellung selbst alles finden, was nothwendig ist, um die höchst merkwürdige Persönlichkeit des »frommen und ehrlichen Kaufmanns«, der zu einem gefürchteten Räuber und Landfriedensbrecher wurde, zu verstehen.

Die Ermordung des Typographen J. W. Lackner in Reval entrollt ein düsteres Sittengemälde aus der zu Rußland gehörigen Provinz Estland und gibt ein deutliches Bild des dort geltenden Strafprocesses. Auf die psychologische Beurtheilung von Pauline Moltin am Schlüsse des Aufsatzes möchten wir noch ganz besonders hinweisen.

Die Hinrichtung der Gebrüder Streicher hat einen so tiefen Eindruck hinterlassen, daß man in Krakau jetzt noch mit Entsetzen davon erzählt.

Der Proceß Anna Böckler gehört der neuesten Zeit an. Wir verdanken diesen Beitrag zu unserm Sammelwerke dem Untersuchungsrichter Kreisgerichtsrath Dr. Medem in Greifswald. Er hat es verstanden, aus dem überaus reichen Actenmaterial in einem knappen Rahmen den berühmten Fall treu, vollständig und anschaulich zu schildern. Wenn auch die romantische Fabel von dem Raube des kleinen Mädchens durch Zigeuner schon längst zerstört war und nicht daran gezweifelt werden kann, daß das unglückliche Kind in ihres Vaters Scheune getödtet worden ist, so blieben doch noch viele Räthsel zu lösen. Jedenfalls ist es das Verdienst des Herrn Dr. Medem, durch seine genaue und in jeder Beziehung vortreffliche Arbeit die Lösung dieser Räthsel theils gefunden, theils vorbereitet zu haben.

Der Proceß Bazaine, der aus den besten Quellen geschöpft worden ist, hat einen so vorwiegend militärischen Charakter, daß es uns geboten zu sein schien, über die aus juristischer Feder geflossene Darstellung das Urtheil eines militärisch gebildeten Fachmannes einzuholen. Wir wandten uns deshalb an die competenteste Stelle mit der Bitte, uns ein ergänzendes und kritisirendes Nachwort vom militärischen Standpunkte aus zugehen zu lassen. Leider hat diese Bitte nicht gewährt werden können, wir müssen daher, was die militärische Partie anlangt, auf das Werk des Generalstabes über den Feldzug von 1870 nnd 1871 verweisen, in welchem seinerzeit die Einschließung und die Kapitulation von Metz beschrieben werden wird. Dort wird man das Material finden, um gerecht würdigen zu können, was der frühere Marschall Bazaine als Oberbefehlshaber der Rheinarmee gethan und was derselbe unterlassen hat. Auf etliche Irrthümer sind wir erst nach Vollendung des Druckes aufmerksam gemacht worden. Wir berichtigen dieselben am besten, indem wir den betreffenden Wortlaut des uns von einer militärischen Autorität zugegangenen Antwortschreibens mittheilen.

Es heißt darin: ››S. 238 wird gesagt: «Bazaine blieb am 16. August Herr des Terrains»; seine Armee behauptete aber keineswegs am Abend des 16. das ganze Terrain, das sie am Morgen eingenommen.

››S. 443 wird von einem «sehr ernstlich gemeinten Durchbruchsversuche Bazaines am 18. August» gesprochen; das widerspricht selbst den französischen Darstellungen des Kampfes und den Zeugenaussagen im Processe. Im 5. und 6. Hefte des Generalstabswerkes wird das wahre Verhältniß in beiden Fällen auf Grund gewissenhafter Forschung dargestellt.

››S. 443 heißt es: «Ungerecht war es, daß er vor Gericht gestellt wurde, er allein und nicht alle Commandanten der 22 Festungen, die dem Feinde ihre Thore öffneten, nicht alle Oberbefehlshaber der drei Armeen: der von Sedan, die im offenen Felde die Waffen streckte und die Festung übergab, der von Paris, endlich derjenigen, die sich auf schweizer Boden entwaffnen ließ.»

››Dagegen scheint mir zu bemerken, daß die Untersuchung über alle Commandanten und Oberbefehlshaber verhängt worden, daß aber nur Bazaine – wie S. 232, 233 erzählt – gefordert hat, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden, und daß der ihm wohlwollende Thiers die Forderung erfüllen zu müssen glaubte.

»Wimpffen war in ganz anderer Lage, er übernahm das Commando, als keine Rettung mehr möglich war, und schloß die Capitulation auf den bestimmten Befehl seines Souveräns ab.

››Clinchant übernahm den Oberbefehl nach dem Selbstmordversuche Bourbakis, als er nur die Wahl zwischen der Capitulation und dem Uebertritt auf neutrales Gebiet hatte.

››In Paris capitulirte im Grunde le gouvernement de la défense nationale, und die Versammlung in Bordeaux genehmigte die Capitulation wie den Frieden.

››Wer sollte da zur Verantwortung gezogen werden?

››Vollständig stimme ich mit dem Schlußworte überein: «Bazaine ist daran zu Grunde gegangen, daß er, statt zu kämpfen, Politik trieb, eine Politik, die weder ehrlich, noch constequent, noch klar war.»‹‹

Eisenach, im December 1874.
Dr. A. Bollert.




Hans Kohlhase und die Minckwitz'sche Fehde. >



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