Frei Lesen: Walladmor

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Willibald Alexis

Walladmor

Viertes Kapitel.

eingestellt: 7.8.2007



Wenn die Seemöven schreiend ans Land fliegen, ist es das Zeichen des nahenden Sturmes. Hätten die Schiffenden auch diese Vögel nicht in großen Schaaren über ihre Häupter fliegen sehen, würden sie diesmal auch darohne die Nähe des Sturmes haben ahnen können, denn die unruhigen Wellen waren mit silberweißen Rändern bedeckt, und der Himmel vor ihnen war von den in immer größerer Anzahl herumgezogenen schwarzen Wölkchen jetzt so bedeckt, daß er nur licht wurde, wo dann und wann ein Blitz leuchtete. Aber auch außer diesen schreckenden Anzeichen sind die Vögel, wenn sie schreiend über die Schiffe landwärts fliehen und ihre Angst den Menschen mittheilen, eine peinliche Erscheinung.

Die Gondeln flogen über die hohen Wellen, bald auf dieser, bald auf jener Seite überliegend; schon konnte man in weiter Entfernung die Küste entdecken, aber die Schiffer waren zweifelhaft, ob sie noch länger die Segel sollten aufgespannt lassen. Es ward bereits schwer, vor dem Tosen und Sausen die einzelnen Stimmen zu hören, welche sich indessen dafür entschieden, noch weiterhin den Vortheil des Windes zu benutzen. Indessen spürte man in der Gesellschaft selbst schon die Wirkungen des Sturmes. Einige an Seefahrten nicht gewöhnte Gäste waren genöthigt, sich mit dem Kopf über Bord zu legen, und verdankten es nur einigen Hausmitteln, daß sie nicht ganz die Besinnung verloren. Indessen trat der Squire mit einigen Besonneneren auf das Verdeck der luftigen Kajüte hinaus, vielleicht um durch seine Anstalten und Berathungen nicht den andern Theil der Gesellschaft in fruchtlose Besorgniß zu stürzen.

Um Gottes Willen – sagte er, nachdem er sich einige Minuten nach dem helleren Theil des Horizontes und Meeres, den sie verlassen hatten, umgeblickt hatte – irre ich nicht, so schifft ein ganz kleiner Kahn von Anglesea her. –

Gewiß, – sagte ein Anderer, – und wir sollten schon muthlos sein?

Sehn Sie jetzt nicht nach dem Kahne hinter uns – rief mit einem male der Steuermann – sondern auf das Schiff vor uns.

Man drehte sich um, und der Squire erblickte zu seinem Erstaunen das Schiff, welches gegen Ende des vorigen Kapitels so manchen Grund zur Besorgniß gegeben hatte, kaum auf Kanonenschußweite entfernt.

Was bedeutet das? rief er, zum ersten Male scheinbar betroffen, aus. Die Männer drängten sich hinauf, man rieth, sprach, der Sturm tobte, Keiner aber faßte einen Entschluß. In diesem Augenblicke zeigte sich die Geistesgegenwart des Squire. Er drängte die müßigen Zuschauer in die Kajüte zurück, da sie draußen nur den Platz beengten, es auch hier schwerer wurde, sie anzureden; drinnen aber ergriff er das Wort, und Alle bewunderten die Festigkeit des Greises, welche sich in seinem Gesichte und ganzen Benehmen aussprach, das doch sonst in ruhigen Zeiten so mannigfaltige Gelegenheit zu komischen Bemerkungen gab.

Werthe Gäste! die Absicht des Schiffes scheint feindlich zu sein. – Wir müssen auf Alles gefaßt sein, auch auf unsre Vertheidigung. – Deshalb ist es nöthig, daß wir uns theilen. Ich werde die andere Gondel besteigen, und wer mit mir es will, den heiß ich willkommen – in dieser Gondel schifft meine Nichte, und wer sie beschützen will, ohne Verzug ans Land. Wir folgen, aber wir sind auf einen Angriff gefaßt.

Wäre die Gesellschaft auch aus entschloßneren Männern und Seeleuten, als dies der Fall war, zusammengesetzt gewesen, so würde doch ein Beschluß, wie dieser, ohne Zaudern befolgt worden sein. Nur Ginievra wollte widersprechen und auch der Gefahr eines Angriffes trotzen; der Gründe gegen ein solches fruchtloses Wagestück waren aber so viele, daß auch schon einige davon hinreichten, sie jetzt, wo es schnelle Ausführung galt, zu überzeugen. Die größte Mühe verursachte die Annäherung der zweiten Gondel. Sobald diese aber bewirkt war, wollte auch die ganze Gesellschaft hineinsteigen, um das etwanige Abentheuer mit dem Squire zu bestehen. Es wurden deshalb alle Gerätschaften und Instrumente aus dieser Gondel in die andere geschafft, um den schlagfertigen Männern Platz zu machen. Nachdem der Squire fast alle Freiwillige hatte hinübersteigen lassen, setzte auch Bertram schon den Fuß über Bord. Plötzlich aber zog ihn Sir Morgan zurück:

Mit Nichten, Herr Bertram, Sie bleiben bei den Frauen. Ihnen vertraue ich meine Ginievra – ich weiß Sie sind besonnen, wenn es gilt, und glauben Sie nicht, daß Ihre Partie eine ganz gefahrlose ist.

Bei diesen Worten schwang sich der alte Mann mit einer bewunderungswürdigen Geschicklichkeit in den andern Kahn; im nächsten Augenblicke trennte eine Welle beide Fahrzeuge, und Bertram fand keine Zeit, sich zu bedenken, ob er bei freiem Willen der rühmlichern Partie auf jenem Schiffe, oder der anziehenden auf dem, wohin ihn der Wille des Squire versetzte, den Vorzug geben würde. Ueberhaupt war wenige Zeit zum Denken und Bemerken, denn während der Wind die vollen Segel mit gewaltiger Macht anschwellte, flog seine Gondel so schnell, daß er von der des Squire nur sehen konnte, wie die Mannschaft die zeltartige Kajüte herunter riß, die Segel theilweise einzog und Ruder auslegte. Bald aber schaukelten die Wellen dergestalt, daß er seine ganze Kraft anstrengen mußte, um nur auf das Acht zu geben, was ihn zunächst anging.

In seinem Schiffe befanden sich außer dem Steuermann, zwei Schiffern, und Toms, nur Ginievra und ihr Kammermädchen. Diese, von Furcht übermannt, lag ihrer Gebieterin zu Füßen und umklammerte ihre Kniee, während Ginievra, fast unbeweglich, in einen Reise-Pelzmantel dicht eingehüllt, nahe am Bord des Schiffes saß. Ihr Gesicht war bleich, verrieth aber keine der krampfhaften Zuckungen der Furcht, welche das ihrer Dienerin, wenn diese sich, durch einen stärkern Ruck oder einen Donnerschlag erschreckt, aufrichtete, um die Wirkungen oder den Grund zu erfahren, charakterisirte. Der Wind spielte in ihren reichen Locken, und Bertram, wie auch die Schrecken der Natur ringsum tobten, schien in ihren Anblick verloren, und sprach es bei sich aus, daß man wünschen könne, um den Gewinn eines solchen Geschöpfes, auch den Kampf mit den Elementen und allen Verhältnissen, welche der Mensch erfunden, zu wagen.

Die Donner rollten, die Blitze zuckten und fuhren in die hoch aufzischenden Wogen. Es war einer der furchtbarsten und zugleich schönsten Augenblicke, wenn man bei ihrer magischen Erleuchtung den weißen Silberschaum der unübersehbaren Wellen bis in die weite Ferne erblickte. Aber für die Schiffenden war es nicht zur Lust geschaffen; denn da der Kahn bald hier, bald dort überlag, da der Sturm oft mit so unbändigen Stößen ihn vorwärts und gegen die hohen Wellen trieb, daß jeden Augenblick Gefahr vorhanden war, er werde ihn ganz in den Grund stoßen, so mußte jedermann seine ganze Aufmerksamkeit darauf richten, nur fest auf seinem Platze sich zu erhalten. Wären auch nicht die Regengüsse von oben gekommen, so hätten doch schon die von beiden Seiten bei jeder Bewegung überschäumenden Wellen die Schiffenden durchnäßt. Wenn aber der Kahn eine der großen heranwogenden Wellen vermöge der Kraft des Windstoßes durchbrach, so war der ganze Kahn auf Momente unter Wasser gesetzt. Oft hätte Bertram, wenn er die Leiden der schönen Ginievra sah, zu ihr springen und ihr beistehn mögen, und nur die Ueberzeugung, daß er nichts helfen könne, ließ ihn einen ruhigen Zuschauer ihrer Noth abgeben. Als der Sturm auf Momente etwas nachgelassen hatte, hörte er neben sich einen Schiffer zum Steuermann flüstern:

Lange gehts nicht mehr. Der Sturm wird stärker. Ob wir die Segel einziehn?

Wozu? war die Antwort. Mit Segel bringen wir vielleicht den Kahn noch durch, darohne nimmermehr. Wir sind zu wenig zum Rudern und die nächste Welle begräbt uns – und – brummte er in den Bart – Einer von uns muß doch dran glauben, denn wir sind unser sieben beim Sturme in einem Kahn.

Wenig getröstet von diesem Zwiegespräch, richtete Bertram seinen Blick auf die Lady. Ihr Auge begegnete dem seinigen:

Bertram! sagte sie, und die Schwäche ihrer Stimme verkündete, daß es sie einen Kampf koste, ihre Angst zu verbergen, – Bertram, sehn Sie meinen Oheim? – Sehn Sie die andere Gondel?

Es ist unmöglich, durch die Finsterniß der Elemente Gegenstände von der Entfernung zu unterscheiden – doch, dünkt mich, sehe ich eine größere schwarze Masse im Hintergrunde, es wird das Schiff sein.

Mylady, sagte der Steuermann, die Andern kommen durch. Es sind viel Hände und viel Ruder, aber wir –

Hier schrie das Kammermädchen laut auf, den Zusatz ahnend.

Still, Almy, wir stehn in Gottes Hand – und sind auch gar nicht mehr weit vom Ufer. –

Die Schiffer schwiegen; in dem Augenblicke aber leuchtete ein Blitz und zeigte in der Entfernung das hohe Ufer, ein anderer Blitz, noch weiter landeinwärts, ließ auf einen Moment das thurmreiche Schloß deutlich erkennen.

Gottlob! sagte Bertram.

Es ist noch weithin – rief der Steuermann – drei Büchsenschüsse – den andern Theil der Rede übertäubte ein rollender Donnerschlag. Mit diesem zugleich erneute sich die Wuth des Sturmes, der Kahn schoß unter Blitz und Donner durch eine berghohe Welle, und als er glücklich hindurch gekommen war, sank er in eine bodenlose Tiefe. Almy warf sich nieder, umpackte ein Segel und kreischte aus allen Kräften; selbst Ginievra verlor soweit die Besinnung, auf- und auf Bertram zuspringen zu wollen, indem sie mit bittender Stimme rief:

Bertram! Bertram!

Im nächsten Momente hatte aber die Fluth den Kahn thurmhoch auf eine neue Welle hinauf gehoben. Hier faßte ihn der Sturm. Ein Windstoß warf sich in die vollen Segel und der Kahn stürzte um, ein willenloses Spiel der Wellen. Nur so viel hatte Bertram, als er in die Tiefe stürzte, noch gesehn, daß Ginievra, welche aufgesprungen war, um zu ihm zu eilen, weit hinab geschleudert worden war, noch ehe die ganze Wucht des Kahnes umstürzte.

Bertram, ein geübter Schwimmer und leicht gekleidet, arbeitete sich bald wieder in die Höhe. Auf der Spitze einer landwärts gehenden Welle liegend, hatte er das Glück, eine weibliche Gestalt vor sich, von einer andern Welle getragen, zu erblicken. Einmal in die Tiefe geschleudert und wieder empor gehoben, sah er sie zum zweitenmal. Obgleich sie nicht schwamm, hielt sie sich doch vermöge ihrer wallenden Kleider und einiger Anstrengung, welche die Natur uns lehrt, über dem Wasser. Es war Ginievra. Bertram hörte nicht auf das Angstgeschrei der Schiffsgenossen hinter ihm. Mit mehr als menschlicher Kraft überflügelte er die Schnelligkeit des Elementes und erreichte die Lady in dem Augenblicke, wo die Besinnung sie zu verlassen schien; denn ohne Anstrengung ihrer Arme und Glieder, wurde nur der Körper von der Kraft der Wogen fortgetragen. Wir lesen häufig in Romanen, wie irgend ein edelmüthiger Mensch einem ins Wasser Gefallenen nachspringt und ihn ans Land trägt, entweder indem er ihn mit dem einen Arme umfaßt und mit dem andern die schwimmartigen Bewegungen macht, oder indem er ihm zuruft, sich an seinen Füßen festzuhalten, und ihn so herauszieht. Wer aber irgend Kenntniß vom Schwimmen hat, weiß, daß ein solches Verfahren ganz unmöglich ist. Auch der stärkste Schwimmer hält es nur minutenlang aus, wenn er einen Körper mit der einen Hand umfaßt, mit der andern beiden zugleich fortzuhelfen. Noch größer aber ist die Gefahr, wenn der Verunglückte noch bei Besinnung ist. Die Todesangst läßt ihn nichts bedenken, sondern nur das ergreifen, was ihm instinktartig als das Beste erscheint. Er packt mit Riesenkraft seinen Erretter an, raubt ihm dadurch alle Kräfte und Mittel, und statt sich zu retten, reißt er oft seinen Helfer mit sich in die Tiefe. Es ist daher die erste Regel aller Schwimmer, außer dem Bereich des Verunglückten im Wasser zu bleiben, und nur durch einzelne Stöße ihn über dem Wasser zu erhalten zu suchen, geht aber dies nicht, ihn bei den Haaren zu ziehen.

Als Bertram bis zu Ginievras Seite gekommen war, und die aufgelöste spannungslose Gestalt ihm verkündete, daß sie ohne Besinnung sei, wäre es für ihn das Leichteste gewesen, sie bei ihren loose umherwallenden reichen Haaren zu ergreifen und mit sich fortzuziehen; er vermochte es aber nicht über sich, das schönste, anmuthvollste Wesen so zu behandeln. Er umfaßte daher ihren Körper mit dem linken Arme, und mit dem rechten und den Füßen rudernd, schwamm er so lange es seine Kräfte vermochten. Er hörte nicht auf das Ungewitter über ihm, nicht auf das Toben des Meeres. Als er schwächer wurde, ließ er auf kurze Zeit seine schöne Last wieder los; aber er durfte, wenn er beständig auf sie Acht hatte, nicht in Sorgen sein, denn das Meer trug sie kräftiger als sein Arm. Was brauchen wir ferner zu schildern, unter welchen Abwechselungen er die ihm heiligste Pflicht vollzog? Ihm ward das Glück, daß sie keine längere Anstrengung forderte, als seine Kraft ausdauerte. Schneller als er es hoffen kannte, hatten die Wellen ihn getrieben. Auf seinen Versuch fand er unter sich Grund. Er trat nunmehr auf, und ging, so gut die Brandung erlaubte, indem er Ginievren zwar noch immer von den Wellen tragen ließ, sie aber doch zugleich mit dem Arm umfaßte. Als jedoch das Wasser immer niedriger wurde, und er befürchten mußte, der zarte Körper könne gegen einen hervorragenden Stein getrieben werden, hob er sie in seine beiden Arme, und trug sie mit aller Anstrengung über den steinigen Grund, bis er einen größern Felsblock erreichte und hier für den Augenblick seine Last niedersetzte und Athem schöpfte.

Das Toben der Elemente, die ganze furchtbare Scenerie um ihn, die Gefahr, in welcher er selbst auf diesem Punkte sich noch befand, trafen an ihm nur einen stummen und blinden Zuschauer; er drückte nur das liebliche todtenbleiche Geschöpf an seine Brust, und fühlte, daß noch Leben in ihm war. Zum Glück hatte Ginievra den Mund geschlossen gehabt, so daß sie nur wenig Seewasser verschluckt hatte. Was ihn im Augenblicke die Noth lehrte, vollbrachte Bertram zur Wiedererweckung der Leblosen. Er hatte die Freude, ihr Herz immer deutlicher schlagen zu fühlen. Auch durchzog allmälig Lebenswärme die andern Glieder; aber Bertram durfte nicht länger mit ihr auf diesem Flecke zaudern, wenn nicht bald die vorige Erstarrung durch den Frost und die Nässe wieder eintreten sollte, denn jede heranschlagende Welle überdeckte nicht allein den Stein, auf welchem er seine Gerettete hielt, sondern warf ihren Guß ihm bis über die Hüften, so daß er mit aller Anstrengung sich festhalten mußte, um nicht herabgeworfen zu werden.

In dieser Noth ward er dann gezwungen, auch auf das zu achten, was ihn umgab. Das Gewitter hatte etwas nachgelassen, die Donner rollten fernhin über das Meer, und die sparsamer zuckenden Blitze zeigten ihm die Scene in ihrer ganzen Schrecklichkeit. Der Sturm dauerte noch immer fort, die hohen Wellen schlugen gegen das vom Zwielicht des Abends und einem Meernebel halb verdeckte, ihm unbekannte Felsenufer; aber zu seinem Schrecken sah er so viel mit Gewißheit, daß er nur auf einem Felsblock stand, welcher noch weit vom Ufer entfernt war und nur durch einzelne kleine aus dem Wasser hervorragende, bald überspülte Felsklippen in Verbindung stand.

Die Tiefen zwischen diesen einzelnen Felsblöcken mochten bodenlos sein; er konnte, gegen spitze Steine fahrend, sich oder seine halb Gerettete zerschellen; dennoch mußte er wagen, denn auf dem Steine, wo er jetzt stand, erwartete ihn und Ginievra der gewisse Untergang. Er schwang seine schöne Last noch einmal auf die Schultern und wagte nun den gefährlichsten Sprung, welchen er je unternommen, nach dem nächsten Steine. Er gelang nicht. Der Stein war abschüssig und durch die Nässe und daran wachsendes Wassermoos so schlüpfrig, daß der Springer ausglitt, tief ins Wasser fiel und mit dem Knie gegen den Stein sich zerschellte. Aber er erhielt sich aufrecht, ließ seine schöne Last nicht sinken, und während sie nur bis ans Knie wieder ins Wasser fiel, erwachte durch die heftige Erschütterung ihre Lebenskraft in soweit, daß sie ihren Arm instinktartig um seinen Kopf schlang. Dies erleichterte ihm ungemein das Tragen. Er achtete nicht den Schmerz am Knie, richtete sich auf, und erstieg, nachdem er einige Schritte bis über die Hüften im Wasser gewadet war, einen andern Stein. Der nächste Sprung gelang, denn Ginievras Wiedererwachen erleichterte ihm nicht allein das Tragen, sondern hatte ihm auch frischen Muth gebracht. Er sprang auf mehrere Felsblöcke, bis aus dem Nebel ihm die zerrissene Felswand des Ufers entgegen trat. Er ging noch einen Schritt höher, wo das Wasser ihm nicht mehr die Füße benetzte, und er sich an die Felsmauer lehnen konnte. Hier ließ er seine Bürde sanft niedergleiten. Noch umschlang ihn aber Ginievra mit krampfhafter Festigkeit, und auch er konnte noch nicht die erst halb Erwachte aus seinen Armen lassen. Wie sie sich an ihn schmiegte und in ihrer Bewußtlosigkeit ihr Kopf an seiner Brust ruhte, konnte er sich nicht enthalten, auf die Lippen, welche sich wieder rötheten, einen Kuß zu drücken. Er fühlte eine sanfte Erwiederung. Sie schlug die Augen auf, und wie der erste Blick auf Bertram fiel, war auch das erste Wort, welches ihren geöffneten Lippen entfloh:

Bertram!

Er beantwortete es durch ihren Namen Ginievra! und mehrere feurige Küsse, die er auf Wangen und Lippen der Geretteten drückte. Sie wehrte sie nicht ab, küßte auch ihn noch einmal mit Innigkeit, und richtete sich dann auf, indem sie jedoch noch immer den rechten Arm zu ihrer Stütze um seine Schulter geschlungen hielt.

Bertram, wo sind wir? – Gerettet – ich kann mich nicht entsinnen –

Theure Ginievra! rief er aus – denken wir nicht an das Vergangene, nur an das, was kommt, nur an die Rettung im Augenblicke. – Wir müssen eilen, ein Obdach zu suchen – sonst faßt uns der kalte Tod, dem wir kaum entronnen sind.

Er umfaßte sie stützend mit dem einen Arm, und wollte, um durch eine der Felsenspalten einen Weg zu suchen, weiter gehn, als ihnen in der Entfernung einiger Schritte Jemand entgegen trat. Bertrams erste Bewegung – er war ganz waffenlos – war die, auf die Erde zu greifen, und glücklicher Weise fand er sogleich was er suchte, einen Stein.

Halt! scholl es beiden entgegen.

Bertram antwortete nicht, aber Ginievren mit dem linken Arme, als wäre er ein Schild, umschlingend, trat er selbst mit seinem Körper vor, und streckte den rechten Arm, zur Vertheidigung bereit, dem Störer entgegen.

Ich komme wohl zu ungelegener Zeit? tönte es ihnen mit einem wilden Hohngelächter entgegen.

Ginievras Zusammenschaudern – wie das Jemandes, der von einem elektrischen Schlage getroffen wird – machte Bertram gewiß, wenn ihm selbst der Ton nicht bekannt gewesen wäre, aus wessen Munde er herrühre. Ohne seine Stellung zu ändern, blickte er auf, um genauer den furchtbaren Mann zu betrachten. Ein zückender Blitz erleichterte ihm die Absicht, ließ aber von dem Bilde, welches er sah, noch einen schrecklichen Eindruck zurück. An einem Felspfeiler, ungefähr zehn Schritt von ihnen, und etwas höher als ihr Standpunkt war, stand Niklas. Er trug keinen Mantel, wie ihn Bertram sonst gesehn hatte, sondern gleichwie auf der Lauer, oder jeden Augenblick zum Angriff oder zur Flucht gerüstet, war er in weiten Schifferhosen und einer eng anschließenden Jacke gekleidet. Pistolen, ein Fangmesser und Dolch hingen am Gurt. In der rechten Hand hielt er einen kurzen Stutz, und die linke steckte nachlässig in der Brust. Ohne sich zu bewegen, sagte er in dem selben Tone, nur etwas kälter:

Es thut mir wahrhaftig leid, wenn ich eine so interessante Zusammenkunft stören muß, seis nun eine verabredete oder so durch Zufall veranstaltete.

Unmensch! – fuhr Bertram erzürnt auf – Du siehst die Lady eben aus einer Lebensgefahr entkommen und noch in Gefahr, wenn wir nicht schleunig das Schloß erreichen. –

Niklas lachte, ohne eine Antwort zu geben, finster in sich auf.

Ich befehle Dir – fuhr Bertram fort – im Namen des Friedensrichters, wenn Du in unerlaubter Absicht gekommen bist, Dich augenblicklich von hier fortzubegeben.

Ho ho! hast Du auch schon auf der Insel gelernt wie ein freier Mann sprechen, das heißt, wie ein kleiner Despot?

James Nichols, ich frage Dich, wie es einem Manne ziemt, in welcher Absicht trittst Du uns hier in den Weg, uns, der Lady Ginievra Walladmor von Walladmor-Castle, und mir, der ich sie in Auftrag ihres Oheims, des Friedensrichters von M***shire, nach dem Schlosse desselben führe.

Kinder schreien, wenn sie sich fürchten, und Männer drohen, wenn sie besorgt sind. Ich habe nichts mit Dir zu reden, Bursch, nur mit Deiner Begleiterin, und wahrhaftig, ich muß kurz sein und verlange kurze Antworten.

Die Lady sprach kein Wort, aber Bertram fühlte an dem Schlagen ihrer Pulse, an dem hörbaren Pochen ihres Herzens, daß sie sich fest zu sein vorbereitete. Niklas wandte sich jetzt an sie, zwar noch mit derselben kalten Stimme, aber doch indem er die Maske des Lächelns ablegte, und mehr den darunter verborgenen bittern Ernst blicken ließ.

Ginievra, ich frage Dich hier – Zeugen sind das wüthende Element zu unsern Füßen, die grauen Felswände, an die wir uns lehnen, der donnernde Himmel droben – denkst Du noch an das Wort, das Du mir in der Stunde gabst, wo wir auf dem abendlichen Wege von Pumfries nach dem Schlosse uns begegneten?

Ginievra machte sich mit einer Kraftanstrengung aus Bertrams Armen los, und antwortete frei auftretend mit einer Stimme, welche den festen nach einem Kampfe gewonnenen Entschluß andeutete:

Wohl erinnere ich mich der Stunde und des Wortes: ich versprach, den unglücklichen, den vom Schicksal verfolgten James Nichols, selbst den nicht zu verlassen, der Handlungen begangen, welche unsere Gesetze Verbrechen nennen und mit Schande belegen.

Und? – fuhr Niklas fort.

Ich bekannte ihm, daß die edlen Seiten seines Geistes auf meine Schwachheit einen Eindruck gemacht hätten, daß ich ihn liebte. –

Und?

Ich gelobte mir und ihm, nicht feige den widrigen Verhältnissen zu weichen, sondern mit Muth und Kraft sie zu beugen zu suchen

Und, Ginievra?

Und weiter habe ich nichts gelobt.

Und willst Du Dein Wort halten?

Mein Wort ist gelöst – Du hast das Band zerrissen – dem Unglücklichen, nicht dem Meuchelmörder gelobte ich Treue.

Ginievra! Dein Schwur, der ist todt – todt? – Hätte ichs doch kaum geglaubt, als ich in Dein Auge damals beim letzten Sonnenstrahl blickte. – Aber mein Schwur lebt. Willst Du wissen, wie er lautete? – Du mußt mein werden, und gälte es den Snowdon ins Meer stürzen, mein werden, und packte mich die Hölle um zehn Jahr früher, als ich ihr mag verfallen sein, mein, mein – mit den Worten wandte ich Dir den Rücken, und als ich in die dunkle Nacht hinein spornte, wiederholte ich mir die Worte, bis die Zunge müde ward. – Seitdem wars mein Gedanke, wenn ich, wie der Dieb, auf nächtlichen Pfaden schlich, wenn ich mit blutbefleckter Hand aus dem Strandgemetzel kam, – wenn ich schlief, starrte ich auf und nannte Deinen Namen, und wenn ich, geschaukelt vom Kahne, das Schlagen der Ruder, das Rauschen der Wogen hörte, wars Dein Name, den sie mir zuflüsterten. Ginievra, Du hast das Band zerrissen – mit Recht oder Unrecht, das entscheide der Himmel, – aber an meinen Armen hängt noch die Kette, willst Du sie abreißen, reißest Du das Herz mit heraus. Höre, ich gelobe es noch einmal bei allen den Geistern, die hier in den stürmenden Elementen hausen mögen, Gespenstern oder denen, die an diesen Klippen zerschellten: ich lasse nicht von Dir, so lange ich noch einen Willen habe, Du mußt mein werden, das habe ich seit Jahren gelobt; aber heut ist der Augenblick gekommen, wo ich um Dich freie, nicht wie ein Kind, nicht wie ein verliebter Fant, wie ein Mann, der Ja oder Nein verlangt, und wenn die Braut verschüchtert ein Nein herauspressen will, sie in seine nervigen Arme faßt und für die Verschämte selbst das Jawort spricht. – Ginievra, ich frage Dich freundschaftlich jetzt und in Frieden – er sprach diese Worte mit ruhiger Festigkeit und fast leiser Stimme – willst Du mir folgen, auf ewig mein zu sein? – Das Schiff, das uns in einen andern Welttheil führt, kreuzt vor dem Ufer. Ja oder Nein? Ich kann Dir keine Minute Bedenkzeit geben, und bitte Dich, laß den Burschen los, und komm zu mir freiwillig – frei. –

Nie, nie! schrie Ginievra – Deine Frage, Deine Worte verrathen Dich als das blutige Ungeheuer, wie Du mir im Traume erschienst – Du bist kein Mensch mehr; das Blut, das Du vergossen, hat Dich zum Thier der Wüste gemacht, das nur nach neuem Blute lechzt, zur Sättigung seiner wilden Begierden. Schrecklich bin ich aus dem Traume erwacht. Ich liebte Dich nie, Du wußtest durch Zauberkünste Deinen edlern Geist für Dich auszugeben. Ewig unglücklich ist, wer Dir folgt, denn Deine Liebe verzehrt wie ein Feuer den geliebten Gegenstand – ich könnte Dich hassen, wenn ich nicht in der Schwachheit um Dich weinen müßte.

Genug, Ginievra! – Wenn Du mich nicht liebst, so liebe ich Dich, willst Du nicht zu mir kommen, so komme ich zu Dir. Entweder am Hochgerüst vor Dir, oder im Hochzeitbett bei Dir – es giebt keinen Mittelweg. Nah müssen wir uns sein.

Er verließ seine Stellung und nahm die Büchse auf. Dann, als fiele ihm plötzlich etwas ein, setzte er sie noch einmal nieder und fragte:

Ginievra! liebst Du einen Andern? Ich frage, liebst Du, denn um Liebesgetändel kümmere ich mich nicht. Ist ein Hinderniß da?

Und wenn ich liebte – sagte Ginievra – und wenn ich liebte, Unmensch, wolltest Du meinem Geiste gebieten – wenn ein solches Hinderniß –

In dem Augenblick umschlang Bertram die Sprecherin und schrie:

Sie ist mein, mein – ich habe sie gerettet; mein ist Ginievra, wenn Du sie haben willst, ich will das Hinderniß sein.

Es thut mir leid – sagte mit wilder Stimme Niklas – aber wenn ein Hinderniß zwischen meine Liebe tritt – und Du bist ja nicht der Berg Snowdon – solch ein Hinderniß ist leicht zu heben. – Fort, Ginievra. –

Er hob die Büchse und legte mit geübter Hand an. Ginievra, statt fortzugehn, sprang mit Blitzesschnelle zwischen Beide, und wollte auf den Zielenden zueilen, das Gewehr ihm aus der Hand zu reißen. Bertram riß sie aber selbst schnell mit dem linken Arm zurück, und schleuderte im selben Augenblicke den Stein mit der Rechten auf den Mörder. Der Stein traf die rechte Hand, welche eben den Drücker der Büchse zum Abdrücken gefaßt hielt Das Gewehr ging los, hatte aber durch den Wurf eine Dichtung seitwärts genommen, und die Kugel traf Bertram nicht. Aber neben ihm war Ginievra auf die Steine niedergesunken. Der Mörder blickte auf und schrie:

Getroffen?

Getroffen! – antwortete Bertram, – aber mich nicht, Dein Ziel, und stürzte sich wehklagend auf die Niedergesunkene, welche, auf den Arm gestützt, sich mit dem Oberleib wieder aufzurichten bemüht war.

Sie, sie getroffen? rief der Mörder, und trat mit dem rauchenden Gewehr einige Schritte näher, und wer ihn im Dunkel des Abends hätte genauer betrachten können, würde gesehn haben, daß er zitterte. Ginievra saß jetzt mit dem Oberleib ganz aufgerichtet, und, indem sie den verzweiflungsvollen Bertram zurückstieß, machte sie eine lebhafte Bewegung mit dem rechten Arme gegen Niklas zu, und riet mit dringender Stimme:

James, entfliehe! ich höre Stimmen. Es ist nichts. – Entfliehe, um Barmherzigkeit willen!

Der Mörder schwankte, was er zu thun habe. Wirklich aber hörte man in einiger Entfernung Ruderschlag und verworrene Stimmen.

Es fiel ein Schuß – die Räuber – ins Wasser gesprungen, – Hülfsgeschrei an den Felsen – Ginievras Stimme – zu Hülfe, zu Hülfe meiner Nichte, meinem Kleinod – wackere Freunde – frisch drauf los, dort stehn sie! –

Fußtritte im Wasser waren deutlich zu unterscheiden. Niklas hörte sie, und war im Momente hinter einem Felsen verschwunden. Kaum war dies geschehn, als Ginievra aufsprang. Bertram glaubte, es sei dies eine fieberhafte Anstrengung der Verwundeten, und rief ihr zu:

Theure Ginievra – wir sind gleich gerettet – schone Deine Kräfte. – Wo traf der Schuß?

Er streifte über meinen Kopf. Ich bin gar nicht verwundet. Um mich zurückzuziehen, rissen Sie mich nieder, und diesem Zufall verdanken wir beide unsere Rettung.

Ehe die ans Ufer wadenden Männer die beiden Geretteten erreichten, rief es von oben herab ihnen zu:

Triumphire nicht, Ginievra, Du bleibst mein. – Im Hochzeitbett oder am Hochgerüst Dein.

Man konnte ihn nicht sehen – gleich darauf hörten beide aber ein Pfeifen von fern, und Niklas antwortete eben so, worauf er sich ganz zu entfernen schien. Wenige Minuten nachher traten einige Männer ans Land, während andere noch im Wasser hinter ihnen plätscherten.

Wo sind sie? – Hier – gerettet? – heil? – schrie es verwirrt durch einander. Bertram sah, daß Jemand in Ginievras Arm stürzte, es war der Squire. Ihm selbst nahten die befreundeten Männer und drückten ihm die Hand:

Wackerer junger Mann. –Sie leisteten viel.

Mein Gott, woher wissen Sie? – Ihre Gondel war weit entfernt, als die unsere das Unglück traf, und Niemand war Augenzeuge. –

Warum hörten Sie nicht auf uns? – sagte Jemand, in dessen Stimme Bertram den Steuermann Ralph Dainswood erkannte. – Wie der Wind unsern Kahn umgeworfen hatte, so richtete er ihn im nächsten Augenblicke, als eine andere Welle ihn verkehrt warf, auch wieder in die Höhe. Wir sind alle wieder – bis auf die eine – hineingeklettert, und ich schrie noch aus Leibeskräften, als der junge Herr der Lady nachschwamm, er sollte umkehren. – Das geschah nicht, und dann sah ich nichts weiter mehr. –

Also Alle sind wir glücklich der Gefahr entronnen? rief Bertram aus, und faltete preisend die Hände.

Ja! sagte der Squire, indem er sich aufrichtete, Bertram die Hand reichte und die seinige drückte, – ja, lieber Bertram, wir können dem Höchsten danken, der Dir Kräfte gab und uns gnädig bewahrte. Das Schiff wich aus, als wir uns ihm näherten, und der Vorsicht, die Segel einzuziehn, und der Anstrengung aller meiner Freunde und Leute beim Rudern verdanken wir es, daß wir den Sturm überwanden und glücklich das andere Boot erreichten, wo ich Ginievren nicht fand. –

Er drückte sie bei diesen Worten mit erneuter Zärtlichkeit an die Brust. Sie wies auf Bertram.

Ich weiß, ich weiß, sagte er. Dem verdanken wir Alles, und wir werden ihm noch mehr verdanken – es werden große, gewichtige Stunden kommen – doch Bertram, lieber Bertram, den die Vorsehung zu guter Stunde an unsere Küste warf, Dank, herzlichen Dank in voraus. –

Oheim, Sie wissen nicht – unterbrach ihn Ginievra – Bertram that mehr, als den Wellen trotzen, er entriß mich einer größern Gefahr, als dem Wassertode. –

Meine Hülfe war unbedeutend, Sir Morgan – fiel Bertram ein – ein verwegener Mensch, vermutlich von jener Bande, welche Ihr Schloß bedrohen soll, überraschte uns hier am Ufer. Wir können der Vorsehung danken, daß der Schuß kein Leidwesen anrichtete; aber nur Ihrer und Ihrer Freunde schnellen Ankunft verdanken wir unsere Rettung.

Ist er entflohen, Bertram?

Entflohen. Aber ich muß dringend anrathen, wenn von hier aus ein Weg hinführt, nach dem Schlosse aufzubrechen. Ich fürchte Alles von dem Verwegenen – er verließ uns mit Drohungen. –

Es ist Nichols – fuhr der Squire auf. –

Ich glaube – in der Dämmerung –

Er ist es, Bertram – darin erkenne ich ihn – er will mein Liebstes rauben – fort, fort nach dem Schlosse – wo sind wir, Ralph Dainswood?

An Arthurs Kegel, gnädiger Herr. Es schlängelt sich ein Weg durch die Felsenspalten hinauf, und von da mags noch eine Meile bis Walladmor-Castle sein.

Arthurs Kegel? – wahrhaftig, er ist es. – Hier stand ich schon einmal mit dem Verwegenen, und er drohte mir, er hatte mich betrogen – weh mir – er hat vielleicht schon ausgeführt, was er im Schilde führte. – Auf, auf! schnell nach dem Schlosse!

Sir Morgan, – sagte Bertram – die Lady ist erschöpft. unmöglich kann sie, wenn keine Anstalten, sie zu tragen, da sind, mit uns eilen. Ueberdies sind ihr Pflege, warme Kleidung, warme Getränke durchaus nöthig. Ist kein Obdach in der Nähe?

Das Fischerhaus zwischen den Felsen, sagte Dainswood.

Die Einwohner sind verdächtige Leute. Sie könnten mit den Bösewichtern in Verbindung stehn, – murmelte der Squire.

Nein, um Himmels Willen nein, theurer Oheim! – rief Ginievra aus – Verlassen Sie mich nicht noch einmal. Ich habe Muth, ich habe Kräfte, mehr als ich glaubte. Starke Bewegung bei der nassen Kälte ist überdies wohlthätig. Ich will mit Ihnen eilen – nur lassen Sie mich nirgend allein zurück – ich will, ich kann nicht dem Furchtbaren noch einmal begegnen.

Da kein anderer Ausweg blieb, war der Squire leicht überredet, in die Bitte seiner Nichte einzuwilligen. Man hatte noch eine Flasche Spanischen Weines gerettet, und dieser wurde den vom Wasser Erstarrten dargereicht. Ginievra erklärte, nachdem sie ein Glas getrunken, sie sei stark genug, alles zu wagen, und indem sie den Squire und den Geistlichen unterfaßte, machten sich alle unter Dainswoods Leitung auf den Weg durch die Felsenspalte nach der Höhe. Nur Ginievra wollte noch einmal inne halten, und sagte:

Aber wo ist Almy?

Liebes Kind, sie ist – wir dürfen nicht auf sie warten – nach dem Schloß, nach dem Schloß! – Sie ist vielleicht schon in Sicherheit – Dainswood, schnell vorwärts!

Dainswood blieb aber stille stehn.

Was ist Dir, was horchst Du?

Der Steuermann brauchte aber nicht zu antworten, denn die ganze Gesellschaft hörte jetzt in der Entfernung zwei Flintenschüsse, welchen alsbald mehrere folgten.

Ein Gefecht! rief der Squire. – Meine Freunde! wir waren auf der See auf einen Überfall gefaßt. Wir werden es auf dem Lande auch sein.

Vorwärts! vorwärts! rief die Menge. – Vielleicht Unglücklichen zu Hülfe. – Hier sind wir weniger sicher, als wenn wir uns den Bösewichtern zeigen.

Alles eilte durch die Felsenspalte hinauf. Bertram, der sich einen Säbel hatte geben lassen, folgte, so schnell es sein verwundeter Fuß erlaubte.

< Drittes Kapitel.
Fünftes Kapitel. >



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