Frei Lesen: Walladmor

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Willibald Alexis

Walladmor

Sechstes Kapitel.

eingestellt: 7.8.2007



Im Saale herrschte eine Todtenstille. Auch vom Hofe her vernahm man keinen Laut. Wer zuerst von den Gästen aufsprang, können wir nicht sagen; aber Bertram war der Erste, welcher nach einem Degen griff, denn er dachte an die Drohung des Verwegenen, und Sir Davenant, befeuert von ritterlichem Muthe, folgte seinem Beispiele, wenn er auch nicht wußte, ob, und von woher Gefahr kam?

Vom Drange, durch eigene Wahrnehmung sich zu unterrichten, getrieben, eilte der Squire die hohen steinernen Treppen hinunter, und die ganze Gesellschaft folgte ihm auf den Schloßhof. – Hier war es leer und wüst. Als sie über die Zugbrücke in den Vorhof gekommen waren, fragte der Squire mit liebender Stimme die vereinzelt auf der Mauer Stehenden: ob sie Niemand sähen? erhielt aber eine verneinende Antwort. Er fragte weiter:

Stehn keine gerüsteten Männer draußen? – Heben sie nicht die Aexte, Walladmors Thor zu sprengen?

Niemand steht auf dem ganzen mondbeschienenen Bergabhange. Nur im Schatten des Thores regt es sich, wenn wir nicht irren.

Indessen waren aus allen Gemächern die Schloßleute, Häscher und Soldaten, so gut es die Eil verstattete, bewaffnet herbeigestürzt, und der Hof des Außenwerkes gewann das kriegerische Ansehn einer belagerten Burg, deren Besatzung zum Ausfalle, oder zur Abwehrung eines feindlichen Ueberfalles bereit steht. Beim Scheine der Pechfackeln erschienen die alten, mit Schießscharten und Thürmen besetzten Mauern, die hohen Portalzinnen in einer Beleuchtung, welche, verbunden mit dem eben geschilderten Auftritt, den unbekannten Zuschauer hätte glauben machen können, es sei erst jetzt die Zeit ihrer längst vergangenen Herrlichkeit und Bedeutung.

Ein peinliches Schweigen herrschte einige Momente. Dann faßte der Squire ein Herz und rief mit so lauter Stimme, daß auch die außerhalb der Mauern Stehenden sie vernehmen mußten:

Wer fordert in dieser Stunde Eintritt in Walladmors Mauern?

Ein Feind! scholl es von draußen wieder. – Sir Morgan, öffene furchtlos dein Thor, denn eine solche Beute, als wie Dir diese Nacht liefert, brachte Dir Dein Lebtag nicht.

Zitternd, der Worte nicht mächtig, gab der Squire einen Wink, und der Pförtner drehte im ungeheuren Schlosse den großen eisernen Schlüssel um. Das Thor ging knarrend weit auf, und in einen Mantel gehüllt, trat mit trotziger Gebehrde eine hohe Gestalt herein. Man leuchtete mit einer Fackel ihr ins Gesicht. Wer bist Du? scholl es von mehreren Seiten ihr entgegen; und der Mann warf den Kopf in die Höhe, schlug den Mantel etwas zurück, und sagte mit einer Stimme, welche zugleich einen hohen Grad der Verzweiflung und frechen Hohn aussprach:

Ich sollte glauben, man kennte mich hier.

Alle fuhren zurück. Er ists! Er ists! murmelte man. Was bedeutet dies? war die zweite Frage, aber Niemand wagte sie dem Eingetretenen offen entgegen zu halten. Wie ein Sieger stand er schweigend, und blickte im Kreise umher; ließ aber dann, als hätte er keinen der Beobachtung würdigen Gegenstand gefunden, den Kopf niedersinken, und heftete den Blick auf die Erde, bis der Squire mit aller Würde und Festigkeit, welche der Moment ihm erlaubte, ihn also anredete:

Verwegener Mann! – willst Du mein greises Haar verhöhnen? Weißt Du, wer ich bin; wer Du bist?

Ich bin James Nichols, heiße Niklas, auch Nikolao, bin ein Schleichhändler, ein Räuber, Mörder, das Schrecken dieser Gegend, habe den König und die Gesetze betrogen, viel Menschenblut vergossen, aber sehr wenig gegen das was ich vergießen wollte, und noch vergießen würde, wenn ich könnte. Wollt Ihr mehr von mir wissen, so fragt weiter.

Und ich bin Friedensrichter, rief der Squire.

Das weiß ich, und darum stehe ich hier.

Mensch, was ist deine Absicht?

Ueberliefern will ich mich Eurer gerechten Gerechtigkeit. Und, mit einem Wort auszusprechen, meine Leute sind todt, mein Muth ist hin. Mit dem Kapital, das auf meinem Kopfe steht, will ich mir einen Bräutigamsschmuck kaufen, und da ich keine andre Braut erwerben kann, will ich den Galgen umarmen, die dreibeinige graue Braut wird ihrem Bräutigam treu bleiben. –

Ein heftiger Schrei aus dem Kreise der Umstehenden unterbrach ihn. Ginievra wurde vom Geistlichen und einer Frau gehalten, um nicht zu Boden zu stürzen. So geliebt und bewundert aber auch sonst die Lady in ihrem Kreise war, erregte ihr Unfall diesmal doch weniger lebhaften Antheil, als es sonst würde der Fall gewesen sein, wenn keine so außerordentliche Begebenheit Aller Aufmerksamkeit gefesselt hätte. Halb trug, halb führte man sie hinweg, indessen der Verbrecher unbeweglich dastand. Der Squire war zum ersten Male wirklich außer Fassung, und man sah in seiner getheilten Aufmerksamkeit, daß ihm der Entschluß fehle. Seine Umgebung war von gleichen Zweifeln befangen. Der Verbrecher merkte den günstigen Sieg, welchen er durch den überraschenden Auftritt über die Vertreter des Gesetzes gewonnen, und er benutzte ihn zum Triumphe in der folgenden Anrede:

Sir Morgan, Friedensrichter des Königs in M***shire, wenn Du Dich nicht erinnerst, welche Pflichten Dir Dein Amt auflegt, so will ich selbst statt Deiner den Schergen die Befehle dictiren. Packt mich, tapfre Leute, bindet mich, legt mir Ketten an, damit ich nicht davon laufe, wenns mir etwa nachträglich einfiele, der Gerechtigkeit in diesem freien Lande einen Streich zu spielen, und mich auf freie Füße zu setzen. – Heran, ihr tapfern Kämpfer für den Tribut des dreibeinigen Repräsentanten von Alt England! heran, edle Galgenzöllner! legt mir Handschellen an. Ihr braucht Euch nicht zu fürchten. Ich will Euch meine Taschen umkehren. – Seht, seht, es steckt kein Heer drin, auch keine Waffe, – selbst das Giftfläschchen – seht Ihrs? – ich werf es aufs Pflaster und zertrete es. Katzen, Mäuse und Hunde mögen sich daran curiren; ich will hoch sterben in freier Luft.

Der Alderman trat einige Schritte vor und blickte bedeutungsvoll fragend auf den Squire. Dieser winkte mit der Hand, und der ehrenwerthe Herr Gravesand winkte wiederum zweien Schergen, welche, wie es schien, wohl unterrichtet in dieser Gebärdensprache, eine Kette herbeibrachten und sie mit großer Geschicklichkeit, jedoch nicht ohne dabei die nöthige Vorsicht wegen etwa zu befürchtender Widersetzlichkeit anzuwenden, um die Arme des Schleichhändlers legten. Er ließ es sich ruhig gefallen, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Dann nahm der Squire das Wort und sprach:

James Nichols, Niklas, Nikolao, oder wie Du heißen magst, ich verhafte Dich um Hochverrath, Mord, Todtschlag, Brandstiftung und gefährlichen Schleichhandels, im Namen des Königs und der Gesetze.

Ihr könnt auch noch hinzusetzen, um feindlichen Einbruchs und Bruch des Landfriedens; denn wäre es nicht gewesen, daß meine Bande todt oder in den letzten Zügen liegt, wahrhaftig ich hätte die rothe Fahne auf dies alte Haus gesteckt, daß man sie hatte drüben bis Irland sehn sollen.

Der Squire antwortete nicht, sondern winkte nur, den Gefangenen abzuführen. Da rief ihm dieser nach:

Noch eins! Vernehmt mich bald nach allen Euren, vom Gesetz so menschenfreundlich erfundenen Regeln. Heut will ich ein Bekenntniß ablegen, daß Ihr schaudern sollt, und wie es kein Verbrecher in Großbrittanien je vermochte, und Lust gehabt hat. Morgen könnte auch mir die Lust verraucht sein, und Ihr möchtet, selbst wenn Ihr mir den spanischen Kragen anlegtet, keine Sylbe aus mir pressen.

Während der Gefangene in ein festes Zimmer geführt wurde, schlich der Squire in das seinige, und warf sich erschöpft auf das Ruhebett. Er war todtenbleich – und als nach einigen Minuten der Alderman und Sir Davenant einzutreten wagten, sahen sie den festen unerschrockenen Mann mit gefalteten Händen und gesenktem Haupte unbeweglich auf dem Sopha sitzen. Selbst als sie durch ihre Anrede ihn aus seinem Starrsinn erweckten, gerieth er nicht in die Versuchung, wenigstens den Schein der Unerschrockenheit anzunehmen, sondern starrte sie mit zweifelhaft fragendem Blicke an. Der Alderman wagte zuerst ihn anzureden. Er stellte ihm vor, daß es sehr dienlich sei, den Verbrecher so schnell als möglich vorläufig zu vernehmen, da er jetzt, in aufgeregtem Zustande sich befindend, Geständnisse ablegen dürfte, welche man ihm späterhin bei einem ruhigern Zustande vergeblich würde zu entlocken suchen; außerdem aber, wenn die vorläufige Untersuchung so schnell es anginge betrieben werde, es möglich sei, noch in der gegenwärtigen in M*** gehaltenen Quarter Session den Prozeß vorzunehmen. Sir Morgan hörte die Magistratsperson ruhig an, ohne zu antworten. Eine solche Erscheinung war allen, welche ihn kannten, durchaus fremd. Der Geistliche, der jetzt auch eingedrungen war, näherte sich dem Friedensrichter, und indem er ihm die Hand drückte, sagte er:

Gottes Wille geschehe! Sir Morgan, und wenn er auch anders wäre, als wir ihn in den Sternen glaubten.

Gottes Wille geschehe! erwiederte der Squire, stand dann auf und sagte: Wir wollen Gericht halten.

Noch in derselben Nacht wurde der Entschluß des würdigen Mannes ausgeführt. Er bat alle seine Gäste, sowohl die, welche amtliche Würden bekleideten, als auch diejenigen, welche keinen Anspruch hatten, beim Gerichte zugelassen zu werden, demselben beizuwohnen. Selbst von der Dienerschaft mußten die Ausgezeichnetsten sich im großen Saale einfinden, damit, wie er sagte, Alle Zeuge wären der Gerechtigkeit, welche in Walladmor-Castle gehandhabt werde. Im Halbkreise saßen die beamteten Personen, hinter ihnen oder an ihrer Seite die übrigen Gäste, und hinter diesen standen die Diener, Constabler, Häscher und auch einige Dragoner, theils als Zuschauer, theils mit großen Fackeln, denn nur durch diese wurde der Gerichtssaal erleuchtet. In der Mitte des Halbkreises saß der Friedensrichter, und ihm zur Seite der Alderman, welcher heut das Geschäft des Protokollführers bereitwillig übernommen hatte. Wohl fünf bis zehn Minuten saß die Versammlung schweigend da, was den feierlichen Eindruck, den dieses seltsame Gericht auf den unbefangenen Zuschauer hervorbringen mußte, noch vermehrte. Endlich rasselte es mit Ketten auf der Treppe, die Thür öffnete sich und, von zwei Schergen geführt, trat Nichols mit trotziger Festigkeit in die Thür ein, durch welche der Squire im vorigen Winter den verwegenen Schleichhändler zu sich hatte eindringen sehen. Wie damals, ging er zwischen den beiden Reihen der Ahnenbilder einige Schritte vor, musterte mit einem Blicke die Versammlung, und schritt dann, auf den Wink des Friedensrichters, so weit vor, bis er gleich weit entfernt von jedem der im Halbkreis sitzenden Herren zu stehen kam.

Halt! rief der Squire ihm entgegen.

Ich wollte auch nicht weitem gehn, Sir Morgan! war die Antwort. Ich kenne den Unterschied zwischen Hunden und Menschen, Knechten und Herren, zwischen einem Verbrecher und einem edlen Lord.

Das Verhör begann so feierlich, als vielleicht seit Jahrhunderten keines von einem Friedensrichter abgehalten worden. Sir Morgan schien jede Frage vorher auf die Wageschaale der Wichtigkeit gelegt zu haben, und man konnte behaupten, es sei keine Sylbe zu viel gewesen. Während er mit abgemessenem, jede Theilnahme verläugnendem Ernste fragte, erschienen die Antworten des Verbrechers gleich Brocken und Trümmern, welche ein Aetna im Feuerstrome aus seinem kochenden Innern von Zeit zu Zeit auswirft.

Wer waren Eure Eltern? fragte der Squire, nachdem er über die verschiedenen Namen des Inquisiten Nachricht eingezogen hatte.

Ich weiß es nicht.

Wo ist Euer Vaterland?

Vaterland! ich habe kein Vaterland. Das Meer ist mein Land, und wo es mir gefiel, da verweilte ich.

Aber wo wurdet Ihr geboren?

Ich weiß es nicht.

James Nichols! – sagte der Squire – bedenket, vor wem Ihr stehet, und daß der Trotz Euch nicht mehr hilft.

Nicht! Ihr gelehrten Herren! – fuhr der Verbrecher auf. – Und wie, wenn ich noch jetzt trotzen wollte, wenn ich kein Wort bekennte? Bedenkt, daß ich nur aus freiem Willen hier stehe und antworte, nicht, weil man mich fragt, sondern weil ich antworten will. – Aber noch will ich es – fragt weiter. –

Man sagt, Ihr seid an dieser Küste geboren?

Dann fragt die Leute, die dies sagen. Denn meine Eltern haben nicht die Güte gehabt, mir einen Zettel an den Hals zu hängen, als es ihnen gefiel, mich auszusetzen, etwa wie dem Hunde mit der Bitte, ihn gegen eine billige Belohnung da und dorthin am Strick zu führen. Meine Eltern verlangten mich nicht.

Ihr seid ein Waisenkind?

Ich weiß es nicht. Der erste Anblick, dessen ich mich erinnere, war die weite See, aber nicht die ruhige. Es tobte unten, und Kanonenschüsse donnerten zwischen den Elementen. Ich hing in einem Korbe am Mastbaum, und das erste, was ich von Menschen sah, waren zwei Unglückliche, die man an den Mastbaum gebunden hatte und todt geisselte.

Auf dem Schleichhändlerschiff des Turny Dicson oder Jacson wurdet Ihr, dem Gerüchte nach, auferzogen?

Kann wohl sein.

Womit beschäftigte sich der Hauptmann des Schiffes, auf welchem Ihr zuerst in die See gingt, und wie hieß er?

Ich bin dieser Fragen überdrüssig, und ich habe es Euch schon gesagt, daß ich nur antworte, weil ich will, und nur was ich will. Angeben will ich nicht. Fragt Ihr noch weiter auf die Art, so könnte ich verstummen wollen, und Ihr könntet dann vergeblich nach zwei Zeugen im ganzen Königreich Wales Euch umsehen. Aber noch gährt es so thörig in mir, daß ich bekennen, daß ich gerichtet sein will; noch will ichs. Aber bei Euren kalten Ein Achtel Fragen gerinnt mein Blut. Laßt mich bekennen, eh das Feuer verraucht ist, bekennen Dinge, die groß sind, während es scheint, als möchtet Ihr nur die Abentheuer eines Taschendiebs herauslocken. Schreibt auf, was ich sage, es ist Wahrheit, ich wills beeiden, und dann hört mich nicht mehr, wenn die Zeit der Schwäche kommt – sie kommt Jedermann – und ichs zurück nehmen will.

Der Squire winkte dem Alderman zu. Dieser verstand den Wink und, ohne daß weiter eine Frage den Inquisiten unterbrach, als die wir im Laufe dieses Kapitels erwähnen werden, legte Nichols folgendes Bekenntniß ab. Wir wagen zu gestehen, daß selbst der Prozeß gegen die letzten Hochverräther, ja selbst der in der Hertfordschen Mordgeschichte kein aufmerksameres Auditorium fand.

Ob ich auf dem Wasser oder dem Lande geboren wurde, ob meine Eltern zu den glücklichen Wesen gehörten, welche ihre Mitmenschen gesetzlich plündern, brandmarken, mit den Füßen treten können, oder zu denen, die Würmern gleich, unter ihren Fußtritten sich des Lebens freuen dürfen, und der Luft, die ihnen einzuathmen vergönnt ist, das weiß ich nicht, Ihr edlen Herrn. Das aber weiß ich, daß ich unter solchen Männern aufwuchs, die zum Wurme bestimmt, ihre Freiheit sich raubten. Auf dem schaukelnden Schiffe verlebte ich meine Kinderjahre. Mein erster Aufenthalt war das weite Meer. Nichts störte da den freiem Blick, alles war gleich, und nur die Leidenschaft übte ihre Rechte. Nur wenn es im Grunde tobte, hoben sich Berge, und spaltete sich die Tiefe. Weiber, Ihr Herren, können den Pflug am Lande treiben, Weiber können große Königreiche regieren, und Nationen unter ihrem Scepter sich glücklich dünken; auch sehr weise Richter können Weiber sein; aber Männer sind es, welche in jenem Elemente herrschen; nicht solche, die hinter dem Schirm des Gesetzes ihr Bett aufschlagen, und in einem Schlafrock, aus Rechtlichkeit gewebt, den Tag verleben; Männer, die nie schlafen, nie auf schwächere Kräfte, als ihre eigene, sich verlassen dürfen, weil sies mit einer Kraft zu thun haben, die aller Gesetze lacht. – Doch das versteht Ihr nicht. Ich kam aufs Land; als Knabe lernte ich das elende Gewerbe, welches der gedrückte Mensch erfunden hat, um dem Druck zu begegnen, – ich wurde ein Schleichhändler, schreibt es auf, Alderman – ein Schleichhändler, und habe das Land, den König, und was noch viel ärger ist, Euer heiliges papiernes Gesetz, schon als Knabe von zehn Jahren hintergangen. Blindlings finde ich mich zurecht, von Bristol hinauf bis Chester, und was ich mit offenen Augen gethan, davon denke ich, sollen die alten Weiber am Winterabend, wann längst mein Gebein am Galgen gebleicht ist, zu erzählen wissen. Es sind auch Ritterthaten, wenn ich auch nur ein Ritter bin von niedrem Stamm.

Fragt mich nicht, was ich eingeschwärzt, wie viel Pfund Zucker und Taback und Kaffee und Thee; aber wenn Ihr von argen Thaten eines Smugglers aus Euren Papieren etwas wisset, oder durch das Gerücht erfahren habt, so könnt Ihr es mir zuschreiben, ich will es vertreten; denn bei allem, was mir heilig ist, ich schämte mich nach jeder solchen That, daß nichts weiter galt, als einen gaunerischen Zollbeamten hintergehn, mit einigen lahmen Grenzreitern sich herum balgen, und um nichts anders, als einem Minheer aus Amsterdam zehn Prozent zu ersparen. Aber um eine große That gereut es mich, daß sie nichts für Euch abwirft. Ich schwärzte mich selbst ein, aus meiner niedrigen Verworfenheit, in eine Kaste von Menschen oder Halbmenschen, wenn Ihr wollt. Ich wurde aus einem Schleichhändler ein Schauspieler. Ich lernte Fürsten und Könige kennen, lernte die große Kunst, rechtlich zu scheinen, nie zu erröthen, zu reden wie ein Tugendheld, und dabei zu denken, wie es mir gefiel. – Ich lernte die Rolle eines ganz vollkommenen Menschen auswendig, und, Ihr könnt es mir glauben, ich wollte an Eurer Stelle jetzt so gut den gewichtigen Richter spielen, wie ich hier meine Rolle als bekennender Sünder durchführe. – Doch Ihr wollt einen Verbrecher und keinen Menschen in mir kennen lernen. – Mir gefiel das Leben nicht länger. Ich ging zur See – nach Amerika – Dort lernte ich im Bürgergemetzel meine kaum erlernte Rolle verachten. Glaubt mir, es kann eine Lust werden, Blut zu vergießen, und die Hand zu färben in dem Rauch, auf dem die Seele zum Himmel oder anders wohin aufsteigt. Aber wenn ich auch den Menschen verachtete, ehrte ich doch noch den Mann, und Männer gabs dort nicht, nur Tieger und Hyänen, die aus ihrem Verstecke vorschießen und den Ueberfallenen erdrosseln. Ich bestieg ein Caperschiff, ich wurde Hauptmann. – Sollte ich Euch meine Thaten, oder meine Verbrechen – Ihr mögt sie nach Wohlgefallen benennen – aufzählen, ich brauchte drei Nächte; die Leichen derer, die ich zum Spiel der Wogen und zur Speise der Fische machte, würden in den Mauern dieses Schlosses keinen Raum finden. Aber es war eine Lust – und wenn ich auf der letzten Staffel stehe, wird es für mich Lust bleiben, als ich das Silberschiff der Sennora de dos ricos enterte, und keinen Mann leben ließ, als der St. Sago in die Luft flog, und ich als Sieger auf dem aufgerührten Ocean segelte. Himmelhoch trägt den freien Piraten die Welle, und schleudert ihn dann noch tiefer wieder in den Abgrund; aber es ist eine Lust, höher als die, der vom Pöbel durch die Jubeltönenden Straßen geschleppten Helden von Westminster, denn hier gilt die Kraft, und die Leidenschaft kann sprechen.

Der Alderman flüsterte dem Squire zu:

Sir Morgan! der Mensch spricht sehr viel, was in kein ordentliches Verhör und in ein gerichtlich Protocoll erst gar nicht gehört. Ob man ihn durch eine vernünftige Zwischenfrage nicht zur Ordnung und zu den Gesetzen zurückführen könnte?

Nicht doch, Alderman Gravesand, erwiderte der Squire in demselben Tone. – Man muß der Flamme Luft lassen, sonst erstickt sie. In dem wilden Auffluge kann er noch genug bekennen.

Es schien, als habe Nichols den Inhalt des Gespräches beider Magistratspersonen verstanden, denn er brach plötzlich in seiner Rede ab, und fing dann wieder folgendermaßen an:

Ihr verlangt Verbrechen, ich vergaß es, daß ich mit fünfhundert gemordeten Spaniern frei ausgehn dürfte. O ich kann auch bekennen, daß ich Engländer, so freie Engländer, wie sie je in diesem Lande geboren wurden, an den Mastbaum meines Schiffes aufgeknüpft habe. Es waren so edle frei gesinnte Leute, daß sie von König Ferdinand von Spanien das Amt eines Spions und Unterhändlers anzunehmen nicht verschmäht hatten. Es ist eine Lust zu sehen, wie ein freier Sinn über alle Schranken sich wegsetzt, und mir gewährte es auch eine Lust, ihre verdrehten Gesichter zu betrachten.

James Nichols. Willst Du frei bekennen, wie Du vom Kaperschiff wieder auf diese Insel kamst, um auf neue ungeheure Verbrechen Deinen ungebändigten Sinn zu wenden?

Klingt Euch die alte verjährte That schon ungeheuer, so werden Euch jetzt von noch weit Ungeheurerem die Ohren gellen. Keine Mutter kann so um ihr Lieblingskind, kein Geliebter um die Braut trauern, als ich, der Mörder, Verschwörer von Catostreet, der Hochverräter, traure, daß die große That nicht gelang. Ein feiges Herz, ein Muttersöhnchen, dem das Gespenst des Galgens vorschwebte, als er wie ein Mann handeln sollte, verrieth uns, Männer, wie sie nie mehr in England zusammentreten werden. –

Wer waren die Männer, James Nichols, die mit Dir entflohen sind?

Friedensrichter, ich habe mich, mich ganz allein Euch übergeben, und wenn die starken Männer, die das Schicksal verschont hat, sich selbst, gleich mir, Euch übergeben werden, dann fragt sie selbst danach. –

Der einzige Weg, James Nichols, Euer eigenes Schicksal zu mildern, wäre, wenn Ihr vom Leben und Aufenthalt der bisher den Händen der Gerechtigkeit entgangenen Missethäter Auskunft gäbet.

Ich danke für Euer Zutrauen! sagte höhnisch der Inquisit und schwieg.

Und was vermochte Euch, das Kaperhandwerk aufzugeben, und unter die politischen Verbrecher dieses Landes Euch zu mischen?

Die Gesetze dieses Landes, Sir Morgan Walladmor, berechtigen den Richter nur, nach den Thaten, die er beging, nicht nach seinen Gedanken zu fragen – und meine Gedanken will ich bei mir behalten.

Aber Ihr bekennt völlig und frei – fragte nach einer Pause der Squire – in der Verschwörung Prestons und Thistlewoods mit begriffen gewesen zu sein. Ihr bekennt, am Abende des – Euch in Catostreet mit bewaffneter Hand versammelt zu haben, in der Absicht –

Ihre Herrlichkeiten, die regierenden Minister, – fiel Nichols ein, – aus dieser ihrer Herrlichkeit in jene ewige zu befördern. Ein Schurke, wer solche rühmliche That ableugnen wollte. Ich entfloh, und wurde wieder ergriffen auf Wight; das Schiff platzte jedoch, und es gewann allen Anschein, als sollte ich in meinem Elemente umkommen, aber es ist anders geworden. noch einigemal habe ich die Gesetze und die würdigen Vertreter derselben hintergangen. Schreibt nieder, ich habe die Zollbarriere vor Arthurs Schanze gesprengt, habe Handel und Wandel im Lande befördert, habe einen mörderischen Anfall auf des Königs Constabler gemacht; und um meine Todesverbrechen mit dem größten, was die andern überwiegen wird, zu schließen, in dieser Nacht stände dieses Schloß in Flammen; was werthvoll und schön ist, ich hätte es herausgerissen, und mit mir auf immer fortgeschleppt; ein Friedensbrecher, Räuber, Mörder bin ich: und nun glaube ich bekannt zu haben, was mir zehnfach den Strang zusichert?

Er schwieg. Auch in der Versammlung herrschte die anfängliche Todtenstille fort. Der Squire wollte, seinem richterlichen Amte gemäß, fragen, was ihn zu diesem Schritte bewogen, wer seine Spießgesellen gewesen und wohin diese sich gewendet hätten; er vermochte es aber nicht, als er auf die hohe Gestalt des Verbrechers hinblickte und voraussah, daß ihn eine Antwort, gleich der, welche auf einige seiner frühern Fragen erfolgt war, abweisen würde. Nach einigem Besinnen, und halb sich erhebend, sprach er daher jetzt nur:

James Nichols, Ihr habt in dem vorläufigen Verhör mehr bekannt, als wir denken konnten, daß ein Mann Verbrechen verüben könne. Euren Richtern wird es obliegen, Euch weiter zu befragen. Ich, als Friedensrichter, richte an Euch nur die Frage noch: Was vermochte Euch, freiwillig Euch der Strenge der Gesetze zu überliefern, ein Umstand der vielleicht einst für Euch vor dem höhern Richter zur Milderung jener sprechen dürfte?

Milderung! Ich will von keinem Menschen Gnade, ich will Eure Strenge des Gesetzes. – Glaubt Ihr wirklich, es könne mildern? – dann schreibt nieder: James Nichols ergab sich der Gerechtigkeit, weil er keine Mittel mehr hatte, ihr zu trotzen; er ergab sich, weil er es verachtete, sich feige selbst umzubringen, und um den erlauchten Lords und dem hochherzigen Volke Englands das Vergnügen seiner Hinrichtung zu verschaffen. Schreibt noch hinzu – wären seine wackersten Gesellen nicht bei dem Überfall umgekommen, so hätte er sich nicht ergeben, sondern wäre als Mordräuber in diese Mauern gebrochen, hätte gesiegt, oder wäre umgekommen. – Mehr habe ich nicht zu sagen. Darf ich abtreten? –

Der Friedensrichter winkte den Constablern. Nichols wandte sich stolz um, ging langsam auf die Wächter los und wurde von ihnen abgeführt. Noch mehrere Secunden nach seiner Entfernung rührte sich keiner aus der Versammlung. Es schien eine Weile, als befände sich der kühne Verbrecher noch in der Mitte des Halbkreises, denn Aller Augen waren auf den leeren Raum gerichtet, in welchem er gestanden hatte. Als endlich Leben in die Versammlung kam, und jeder seine besondern Bemerkungen über Nichols Benehmen den Andern mittheilen wollte, hielt es Bertram nicht länger im Saale aus. Die Geistesgröße des verderbten Mannes, der ausgeführte Entschluß, welcher eine Selbstverleugnung, und zugleich, wie er ahnte, das Unterliegen des starken Mannes unter einer finstern Leidenschaft bekunde, hatte ihn so überwältigt, daß er seinen Gefühlen und der Angst und Unruhe nur im Freien Luft machen zu können glaubte.

Dennoch war sein erster Anblick auf der von ihm erstiegenen Seemauer derselbe Mann. Unwillkürlich richteten sich seine Augen nach dem Kerkerthurme auf dem vorspringenden Felsen, und er sah gerade, wie ein Constabler den Gefangenen hinabstieß, er hörte die Kerkerthüre zuschlagen, die Riegel vorschieben und die Gefangenwärter unter rohen Flüchen in den innern Thurm sich zurückziehn. Er dachte an die Nacht, in welcher er selbst in diesen Thurm gebracht wurde; die gegenwärtige war indessen nicht mit den Schrecken, welche jene schon für sich einhauchte, zu vergleichen.

Das Gewitter hatte sich verzogen, es war kühl, der Mond schien ziemlich klar, und am fernen Horizonte sah man es wetterleuchten. Er führte den Vergleich zwischen sich und dem jetzigen Bewohner des Thurmes weiter aus, und mußte sich gestehen, daß, wie unglücklich er sich auch damals gefunden, die Lage des jetzigen Gefangenen bei weitem furchtbarer sei: denn, sagte er bei sich, was waren jene Stürme in der leblosen Natur, gegen den Sturm, welcher in der Seele des unglücklichen Mannes toben muß? Ich fand damals beim Wüthen der Orkane, beim Grimm der Winterkälte Beruhigung im schuldlosen Bewußtsein; für den aufgeregten Zustand dieses Unglücklichen muß die Ruhe dieser Nacht nur wie ein bitterer Hohn erscheinen.

Aus seinen Gedanken wurde er durch einen Schuß von der Meerseite her, aufgeschreckt. Er blickte auf, und sah, wie eben der Blitz einer Kanone aufloderte. Der Donner folgte fast zugleich mit dem dritten Blitze. Dabei aber verblieb es, und das Schiff, von dessen Bord die Schüsse ausgegangen waren, blieb scheinbar ruhig liegen. Bertram glaubte es als dasjenige wieder zu erkennen, welches die Gesellschaft am vorigen Tage auf der Heimkehr von Anglesea in Unruhe gesetzt hatte. Daß der Befehlshaber desselben mit dem gefangenen Verbrecher in Verbindung stehe, unterlag keinem Zweifel; die Schüsse waren Signale, und Bertram konnte sich des Wunsches nicht erwehren, es möchte den Gefährten des Unglücklichen gelingen, ihn aus seinem Verhaft und von einem schmählichen Tode zu erretten. Wenn er aber wieder daran dachte, daß Niklas sich freiwillig seinen Richtern überliefert hatte, so schien ihm jede Aussicht zur Gewährung dieses Wunsches abgeschnitten.

Seine Aufmerksamkeit wurde nächstdem durch einen schwarzen Punkt, welchen er auf dem Meere, nicht weit von der Küste, zu entdecken glaubte, gespannt. Als er näher kam, erkannte er einen kleinen Kahn, welcher aber kaum mehr als einen Menschen zu fassen vermochte. Dies konnte keine gewaltsame Unternehmung gegen das Schloß sein; um so mehr aber reizte es seine Neugier, die Eigenschaft und Veranlassung des nächtlichen Abentheuers zu erforschen. Plötzlich aber wurden ihm alle Mittel dazu abgeschnitten, indem der Kahn unter einem Vorbug des Felsens verschwand, und keine Spitze des Walles soweit ausreichte, um die weitern Bewegungen des Fahrzeugs zu bemerken.

Er beschloß indessen, noch nicht den Wall zu verlassen, und bald fand er auf der andern Seite desselben, im Innern des Schlosses, einen neuen Gegenstand, welcher seine Aufmerksamkeit anzog. Man hatte vorläufig den Leichnam der unglücklichen Almy auf eine Tragbahre gelegt, und diese unter einen offenen Schauer, welcher zur Aufbewahrung allerlei Hof- und Hausgeräthschaften gebraucht wurde, gestellt. Toms war nicht davon abzubringen gewesen, bei der Todten zu wachen, und saß auch jetzt noch in seiner oben beschriebenen Stellung zu den Füßen des Leichnams, indem er zuweilen unarticulirte Jammertöne ausstieß. Während Bertram auch diesen Unglücklichen mit einiger Theilnahme betrachtete, rauschte es bei ihm vorüber, und plötzlich sah er die große Gestalt der wahnsinnigen Gillie neben dem Trauernden stehen. Eine Weile blickte sie die Leiche und ihren Sohn stumm an, dann aber klopfte sie dem letztern auf die Schultern und redete mit gedämpfter Stimme sehr hastig zu ihm:

Toms, Toms! Sie ist todt – hörst Du den letzten Donner vorüber rollen? – der weckt sie nicht auf. Was sollte er sich auch um ein Kammermädchen bekümmern, da er meinen Gregory nicht geweckt hat. Weißt Du, wer sie hinunterzog ins Wasser? – Gregory that es – am Rocke zog er sie, – weil sie Deine Liebe von ihm abzog, aber Du mußt es Niemand wieder sagen, sonst stellen sie ihn vor Gericht, und zum zweitenmal kann ja Niemand vor Gericht stehn, wer schon einmal gehangen hat.

Ach Mutter, wie kommst Du in dem Sturme aus Anglesea, da doch in dem Sturme die Almy ertrank.

Wie? – Mit Deinem Bruder, Toms! Er hat mich besucht, mitten auf dem Wasser, als mein kleiner Kahn von den hohen Wellen umhergeschleudert wurde. Beim Zucken der Blitze saß Gregory vor mir im weißen Leichenkleid, weiß waren seine Wangen und sein Hals war roth. Schrecklich war es, Toms. Die Wellen leuchteten und der weiße Schaum schlug über mich, und ich war ganz allein mit Gregory auf dem Wasser. Unten läg ich schon tief auf dem Korallenriff, aber ein Todter rudert gut, und die Wellen konnten dem Kahn nichts anhaben, weil Gregory auf der Spitze saß.

Mutter, kehre zurück, denn Du freust Dich, daß Almy todt ist.

Ja, ich werde zurückkehren – rief die Alte und riß plötzlich mit gewaltiger Kraft ihren Sohn in die Höhe – aber Du mußt mit, mit, mit mir in den Kahn, nach der Insel.

Laß mich doch, Mutter Gillie. Was willst Du von mir? warum kommst Du her –

Um Dich, Dich fortzuziehn, aus dem Neste des Adlers, mein Küchlein, wenn der Jäger kommen wird und es anzünden.

Mutter, ich kann nicht gehn, ich sag es Dir ein für alle mal, denn erstens liegt da die Almy todt –

Dir wärs wohl lieber, wäre die Mutter ertrunken und die Liebste am Leben, und Du siehst lieber Deinen Bruder am Galgen als den furchtbaren Mörder.

Und dann, Mutter Gillie, ist der Niklas hier gefangen. –

Niklas – und um Niklas willen willst Du bleiben? und ich sage Dir, um Niklas willen sollst Du fort mit mir. Du sollst kommen nach der Insel, wo Freude sein wird, große Freude. Wir werden den Maienbaum aufstecken, und darum tanzen, wie es lange nicht geschah. –

Mutter, wenn sie alle den Niklas verlassen, so kann ich ihn doch nicht verlassen. Das habe ich ihm immer gesagt und zugeschworen.

Zugeschworen – fiel ihm die Mutter ins Wort– ich hab es ihm zugeschworen, den Tod, ehe er geboren ward. Die Geister haben den Schwur gehört. – Hörtest Du die Kanonenschüsse von Jacsons Schiffe? – Sie riefen – sie riefen, aber er kann nicht antworten. Unten stand der Kahn, der ihn aufnehmen sollte, aber die bösen Geister, die mir gehorchten, waren mächtiger in ihm – und er ging in die Falle. Niklas muß fallen – Toms, Du bist ein schwacher Knabe, was willst Du gegen die Geister Dich auflehnen?

Mutter, ich wills versuchen.

Gegen Dein Fleisch und Blut, Toms! – Sie ballte ihre Hände. Toms, willst Du mit mir kommen zur Insel – ich kam nur her, fürchtete nicht den Sturm, um Dich zu holen – oder willst Du den Fluch der Mutter auf Dich laden?

Mutter, ich kann nicht anders.

So kann ich auch nicht anders.

Die Alte trat einige Schritte zurück, hob den rechten Arm noch höher als zuvor, und wollte, wie es schien, eben den entsetzlichen Fluch über ihren Sohn aussprechen, als ein Strahl ihr ins Gesicht fiel, von dem sie, wie verblendet, zurückfuhr. Die Nacht war verstrichen, die Sonne ging auf und ihr Schein röthete das graue, welke Gesicht der Wahnsinnigen. Wie vernichtet von diesem Zeichen sank sie zusammen, schrie laut auf, und stürzte dann mit dem Ausruf: Zu spät! Zu spät! von ihrem Sohne fort, bei Bertram, ohne ihn zu sehen, vorüber, und vermuthlich auf dem Wege, durch welchen sie ins Schloß gedrungen war, wieder hinaus.

Bertram fühlte eine leise Berührung seiner Schulter, und es war ihm nicht unangenehm, als er Sir Davenant neben sich stehen sah.

Erlauben Sie einem kalten Kinde der Prosa, die Wunder dieser romanischen Nacht mit Ihnen zu theilen? Bleibe ich übrigens noch einige Zeit in diesem gefeiten, mit Geistersehern und allem Romanenapparat versehenen Schlosse, so werde ich nothgedrungen ein Gläubiger werden. Und dann hüten Sie sich. Sie haben zwei Rivalen ausgestochen, von ganz verschiedener Natur; tritt aber der eine nach einem kleinen Changement wieder auf den Kampfplatz, so könnte er selbst Ihre poetische Person überbieten in einem Wettkampf, wo das Seltsamste den Sieg davon trägt.

Sir Davenant drückte Bertrams Hand, und beide gingen in ihre Zimmer, einer späten Ruhe zu pflegen.

< Fünftes Kapitel.
Siebentes Kapitel. >



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