Frei Lesen: Walladmor

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Willibald Alexis

Walladmor

Achtes Kapitel.

eingestellt: 7.8.2007



Ihr Gestirn, lieber Bertram, – sagte der Squire, als er mit diesem Abends in dem großen Saale des Schlosses langsamen Schrittes einherging – Ihr Gestirn hat eine wunderbar ähnliche Inclination mit dem meines Edwin. So schwer mich auch die Täuschung traf, so bitter für mich jede Stunde des Verhörs war, so habe ich doch noch nicht die Hoffnung verloren, weil meine Wissenschaft mir den Glauben giebt.

Ich habe Ihre Fassung, Sir Morgan, mehr als bewundert. Wir sahen nicht den gebeugten Vater, nicht den unglücklichen Greis in Ihnen, – bewunderten den eisernen Richter, welchen nichts bewegen konnte.

Junger Mann, lieber Bertram, und sollte es noch schlimmer werden, sollte die entsetzlichste Gewißheit kommen, deren Ahnung allein schon mich zu Boden drückt; sollte es wahr werden, was ich nicht zu denken wage, was aber in wunderbaren, ängstigenden Schreckbildern meinen nächtlichen Schlaf umgaukelt – junger Mann, so würde doch der Enkel Rhees von Merediths, Walladmors Stammhalter, der Gerechtigkeit gedenken, und wenn es sein teuerstes gälte, er würde es hingeben. – Mein Haupt würde ich verhüllen, ich würde ihn nicht wiedersehn, bis ich hörte, daß Walladmors Stamm-Eiche durch des Henkers Beil gefällt sei. – Sie starren mich an; o ich habe Kraft, ich muß viel Kraft haben, denn ich habe das Entsetzlichste gesehen. – Lassen Sie mich allein, lieber Bertram, die Stunde der Entscheidung rückt heran. – Ich muß Kraft sammeln zu einem Gespräch mit meinen Ahnen.

Und Lady Ginievra –

Gehn Sie zu ihr. – Sie ist wohl, Master Simon ist bei ihr – es ist ein Mädchen aus Walladmors Stamm. Sie kann Geister sehen, und fürchtet nicht.

Dennoch, Sir Morgan, ist sie noch sehr angegriffen von dem Schrecken, von der Anstrengung nach dem Schiffbruch. – Ihre Gesundheit, ihr Leben wäre in Gefahr, wenn man ihr nicht die Vorgänge, welche diesem unglücklichen Schlosse noch bevorstehn, verheimlicht. –

Ich überlasse das Ihrer Sorgfalt.

Wäre es nicht möglich, den Verbrecher außerhalb dieser Mauern für sein trauriges Schicksal aufzubewahren? – Sollte sie durch Zufall das Geräusch hören, ja ihn sehen, wenn er abgeführt wird, um seinen letzten Gang anzutreten, – so können wir nicht für die Folgen stehen.

Junger Mann! Und wenn es mein Sohn wäre – ich bin geborner Richter über die meines Blutes und die Bewohner dieses Gaues – ich würde unbeweglich dastehn, wenn es ausgesprochen würde, das entsetzliche Verdammungsurtel über sein schuldiges Haupt; ohne zu zittern, würde ich ihn abführen sehen, dann aber möchte ich zusammensinken und den Tribut der Menschlichkeit zahlen. – Auch Ginievra ist eine Walladmor. – Genug, es ist uraltes Recht, die Verbrecher meines Gaues in diesen Mauern zu bewahren, und ich fühle mich nicht so schwach, das Recht meiner Ahnen aufzugeben. Leben Sie wohl. –

Nachdem Bertram abgetreten war, durchschritt der unglückliche Greis langsam den öden großen Saal. Es gingen wirklich die Geister seiner Ahnen, welche umher an den Wänden hingen, vor seinem innern Gesichte vorüber; aber besonders ernst blickte ihn der mythische Ahne Rhees von Meredith an.

Was willst Du? fuhr er in die Höhe, und vor ihm stand eine der schrecklichsten Erscheinungen, welche ihm in diesem Leben begegnen konnten, obgleich er selbst oft als Hülfe flehender sie aufsuchte. Gillie Godber, in einem Aufzuge, wie ihn nur der wildeste Wahnsinn und gänzliche Vernachlässigung hervorbringen kann, stand vor ihm. Ihre grauen Haare flatterten unordentlich um den nackenden Hals und die halb entblößte Schulter. Ohne Mantel, ohne Mieder, trug sie nur den rothen Unterrock hoch herauf gezogen auf dem dürren Leibe, und barfuß, die Arme in ihrer dürren Nacktheit ausstreckend, hielt sie einen Feuerbrand, vom Kamine entnommen, dem Squire entgegen.

Furie! Hexe! Was willst Du? – rief er ihr entsetzt entgegen. Sie antwortete durch ein furchtbares Gelächter, indem ihre Augen aus den tiefen Höhlen heraustraten und mehr glühten als der Feuerbrand in ihren Händen. Dann rief sie mit kreischender Stimme, welche von einer Höllenlust hervorgetrieben zu werden schien:

Ja Hexe, Hexe, alter Zauberer! – Meine Großmutter aus Man ward in Derbyshire verbrannt – und von der kommen die rothen Augen in die Familie!

Sie drehte sich wild im Kreise herum, und schwang dabei den Brand, daß Gefahr für die Tapisserie des Zimmers zu sein schien, wenn die Funken weit umherflogen.

Was willst Du, Gillie Godber? – fragte der Squire mit einer Stimme, welche die eines Stentors hätte sein können, und doch die gänzliche Kraftlosigkeit des Sprechenden bekundete. Sie antwortete:

S ist ja so lustig im Leben, mein Kind,
Komm doch, juchheissa, und springe geschwind.

Weißt Du denn noch nicht, alter Zauberer Morgan – Du bist doch sonst so gescheut, – daß ich heut Hochzeit mache. – Weißt Du mit wem? – Mit dem Gregory – dem hast Du ein Halsband geschenkt – sieh mal – hier ist es – von Hanf nur – aber es hält fest und warm – Gregory ist auf dem Wasser zu mir gekommen und hat mich besucht – mitten im Sturm – aber heut giebts Hochzeit, und er kommt für immer wieder – und wird bei dem Schmause sein. – Ach Du weißt noch nicht – weißt Du denn noch nicht, daß sie heut in der Stadt judiciren? – Nicht wahr – Niklas kommt nicht davon – der muß schuldig sein – denn die Mohren sitzen nicht am Gerichtstisch. – Morgan Walladmor, Du hast so viel Gutes und Liebes meinem Sohn Gregory gethan, das habe ich immer Dir gedacht, und ich wills Dir wieder vergelten – Morgan Walladmor! weißt Du, wer Niklas ist, Niklas – Morgan Walladmor, es ist Dein Sohn.

Der Squire schrie auf, dann stützte er sich auf seinen Stab, und stand wie eine Bildsäule mit auf die Wahnsinnige gerichtetem Blicke da. Sie schwang ihren Feuerbrand mehrere Minuten, ohne von ihm unterbrochen zu werden, bis er endlich mit gedämpfter Stimme ausrief:

Du bist eine Wahnsinnige!

Freilich, freilich bin ichs, Sir Morgan. Wie hätte ich auch sonst Gregorys Tod aushalten können, wenn ich nicht wahnsinnig geworden wäre. – Aber Du kamst ja immer zu mir, Morgan Walladmor, und wolltest wissen, wo Dein Sohn geblieben sei – o ich habe ihn gut erzogen. Was mein liebster Sohn, mein Gregory gelernt hatte, das Metier habe ich ihn auch lehren lassen, wie eine rechtschaffene Mutter. Dem Jacson schickte ich das kleine Kind zu und biß ihm vorher in den Arm und hab es in meine Schürze gelegt, und der Jacson hat das Kind aufgezogen – und Niklas haben sie es im Meerwasser getauft – So freue Dich doch, Morgan Walladmor.

Grausames, rachsüchtiges Weib! womit willst Dus beweisen?

Beweisen, weil ich grausam, weil ich rachsüchtig bin. – Glaubst Du, ich hätte anders thun sollen? Als Du meinen lieben Gregory hängen ließest – da schwur ichs Dir zu, auch Dein Sohn sollte hängen – Du solltest ihn selber hängen. Sei doch lustig, Morgan Walladmor, Du kannst wieder hängen lassen.

Sie that einige wilde Sprünge und wollte dann den Saal verlassen. Als sie aber am Fenster vorbeiging, blieb sie stehen, sah einen Augenblick hinaus und sagte dann:

Sie kommen, sie kommen. – Mit hellen Lichtern durchs Thal – das wird ein Leichenzug werden. – Leugne es, leugne es, Sir Morgan – glaube nicht, daß es Dein Sohn ist – ich freue mich doch. –

Mit diesen Worten stürzte sie zur Thür hinaus. Sir Morgan aber wankte ans Fenster, riß es auf und starrte ins Thal. Mehrere Fackeln bewegten sich den Schloßweg hinauf. Er sah jetzt deutlich den Zug, er strengte seine Augen an, dem hinter einem Constabler auf dem Pferde angebundenen Verbrecher ins Gesicht zu sehen; dies ging aber nicht an, da er theils von den andern Reitern beschattet wurde, theils selbst den Kopf dergestalt senkte, daß es auch dem Nahestehenden nicht möglich wurde. Der traurige Zug ritt in das Schloß. Kein Jauchzen, kein wilder Freudenruf der Ankommenden oder von Seiten derer, welche sie bewillkommneten, erfolgte, selbst die Pferde schienen weniger muthig als sonst zu schlagen. Der Squire hörte jetzt Tritte auf der zum Saale führenden Wendeltreppe. Kaum hatte er die Kraft, das Fenster zuzuziehen, und dem eintretenden Sir Davenant entgegen zu gehn.

Was sprachen sie aus, was? Schnell, das Wort!

Schuldig, Sir Morgan.

Allmächtiger Gott!

Der Verbrecher benahm sich mit einer Fassung, welche für ihn einen bessern Tod, als am Gerüste wünschen ließ. Er widerrief kein Geständniß, ja hintertrieb sogar die Ausmittelung mehrerer Punkte, auf welche sein Vertheidiger bestand. Morgen in der Frühe wird er abgeholt werden, er wollte selbst keinen Aufschub, um den Muth nicht zu verlieren. –

Morgen, morgen schon soll er sterben. –

Sein eigener Wunsch. – Sein Vertheidiger verlangte zwar noch besondere Ausmittelung der Umstände seiner Geburt, indem es durch Zeugen nicht unwahrscheinlich gemacht worden, daß der Verbrecher ein Kind dieses Landes ist.

Und man verwarf den Antrag? – fuhr der Squire in die Höhe.

Weil nicht abzusehen, wie eine solche Ausmittelung für den Verurteilten von Nutzen sein könne. Das Maaß seiner Verbrechen ist voll, das Urtheil unumstößlich, Aufschub der Execution schon in voraus von London her verweigert. Eine solche Ausmittelung könnte nur irgend einer Familie tiefe Wunden so plötzlich und unerwartet schlagen, daß vielleicht ihr Glück vernichtet, ihre Ehre gebeugt wäre. Ich stimmte vollkommen dem weisen Richter bei, indem ich mir das Bild eines greisen Vaters vormahlte, wie er niedersank, von dem Anblick des als Sohn zu ihm geführten Verbrechers vernichtet.

Sir Davenant, ich danke Ihnen – sprach der Greis, indem er seine Hand drückte – ich bin der letzte Stammhalter meines Geschlechtes.

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